Zuerst ignorieren sie dich,
dann lachen sie über dich,
dann bekämpfen sie dich,
und dann gewinnst du.
Mahatma Gandhi
Momentaufnahme
Es klopft. „Na Sarah, was machst du gerade so?“, fragt sie mich, als ich vom Tisch aufschaue und sie verblüfft anblicke, denn normal klopft niemand an meiner Tür – was ich gerne kritisiere. „Ich lerne ein bisschen.“, antworte ich selbstverständlich, denn sie weiß, dass ich Montag eine Matheklausur schreibe – eine Vorabiklausur und Mathe – ich hasse Mathe und Mathe hasst mich. „Hast du kurz Zeit? Ich möchte dir etwas sagen.“ Was will sie mir denn sagen? Naja, alles, was mich von Mathe ablenkt, ist mir recht. „Ok, klar. Was gibt’s denn?“ Ich folge ihr durch den Korridor in unser Wohnzimmer. Es ist direkt neben meinem Zimmer und ist riesig. Wir wohnen in einem Altbau. Ich liebe Altbauten, mit ihrem Charme und dem Stuck, der aus einer anderen Zeit kommt. Ich setze mich auf den Sessel, meine Mutter sitz neben mir auf der Couch. Sie benimmt sich eigenartig. Was geschieht jetzt? Ist etwas passiert? Mama? Sie beginnt zu weinen, wischt sich die Träne unauffällig weg und beginnt zu lächeln, beginnt zu lachen…Was, in aller Welt…? „Mama, was ist denn los?“, frage ich sie auffordernd. „Ja, wie soll ich dir das sagen, Sarah. Dein Papa…“, sie stockt, oh nein was ist mit Papa? Er ist nicht zu Hause, hatte er einen Unfall auf seiner Dienstreise? Bilder im Kopf – „Mama!“, sage ich angespannt und ängstlich. „Dein Papa… ist nicht dein Papa.“, sagt sie, als würde ich das verstehen.
Erleichterung. Nein, Moment – was hat sie gesagt? Mein Papa ist nicht mein Papa? Ich falle. Ich kriege keine Luft mehr. Mir wird schlecht . Dann wird mir heiß. Dann wird mir kalt. So viele Gefühle, Fragen… Ich fühlte mich allein.
Suche nach Antworten
Ich suchte Antworten auf meine Fragen und am aller meisten brauchte ich Verständnis. Ich suchte bei Google nach dem Arzt, an den sich meine Mutter erinnern konnte, und stieß auf die Internetpräsentation der Praxis. Erste Eindrücke der Methode wurden in freundlichen bunten Bildern erklärt. Praktisch vorgestellt, kam ich mir vor, wie ein Produkt. Künstliche Befruchtung hatte ich zu der Zeit in der Schule in Biologie, wie auch in Englisch. Immer mehr kam mir alles vor, wie ein schlechter Film.
Spenderkind?
Ich stieß bei weiteren Recherchen auf den Verein Spenderkinder und fand Menschen mit dem selben Schicksal. Es tat unglaublich gut sich auszutauschen. Je mehr ich mich selber als Spenderkind akzeptieren konnte, umso mehr konnte ich meine Eltern verstehen. Lange Wochen habe ich gebraucht um zu verstehen, dass ich ein absolutes Wunschkind bin. Ein Aspekt, der mir persönlich dabei hilft damit umzugehen und mir vieles beim Rückblick auf meine Kindheit erklärt.
Es muss unglaublich schlimm für meine Eltern gewesen sein, zu erfahren, dass sie nie leibliche Kinder zusammen bekommen können. Jahre vergingen bis zur Entscheidung ein Kind auf künstlichem Wege zu bekommen. Nach mehreren Informationsgesprächen entschieden sich meine Eltern jedoch dafür, und heute kann ich in meinem Babybuch nachvollziehen, wie glücklich sie gewesen sein müssen, als meine Mutter mit mir schwanger wurde. Alles wurde dokumentiert und nichts wurde ausgelassen. Der Reproduktionsmediziner wurde hinter sich gelassen und es begann eine normale Schwangerschaft. Denn bis auf meine Eltern selbst, wusste niemand bescheid. Es war ein Geheimnis, die perfekte Lüge.
Kind nach Wunsch Wunschkind?
Sogar der Arzt versprach meinen Eltern, dass es nie auffallen würde, dass ich nicht die leibliche Tochter bin, denn der Spender wurde mit meinem Vater abgeglichen. „Sie müssen es nie sagen – es wird nicht auffallen.“ Blutgruppe, Haarfarbe, Größe, Augenfarbe usw. – alles musste bei der Auswahl des Spenders übereinstimmen. Und es stimmt, ich sehe meinem Vater auf dem ersten Blick tatsächlich ähnlich. Nur die Blutgruppe wurde nicht genau beachtet. Ein Kunstfehler, der normal nicht hätte passieren dürfen. Ärzte sind auch nur Menschen – könnte man meinen…
Des Weiteren wurden Verträge unterschrieben, in denen meine Eltern auf Informationen über den Spender verzichten und jeglichen Anspruch von mir abweisen. Ein Vertrag zu Lasten Dritter, nach der juristischer Meinung. Es wird nicht daran gedacht, dass die Kinder, die entstehen, irgendwann erwachsene Individuen sind. Mit Rechten, wie sie jeder andere auch hat. Ein guter Freund sagte zu mir mal, dass ich doch trotzdem ein ganz normaler Mensch bin und nicht anders, als andere. Wie selbstverständlich diese Aussage doch ist, und trotzdem werden wir in vielerlei Hinsicht nicht so behandelt.
Ich habe nichts gegen diese Methode, denn ohne sie wäre ich gar nicht am leben. Und ich finde diese Möglichkeit toll, um Paaren und Frauen, die sich von Herzen ein Kind wünschen, diesen Wunsch auch erfüllen zu können. Die rechtliche Lage finde ich jedoch nicht in Ordnung. Sie sollte für alle Parteien gesetzlich geregelt sein: Spender, Eltern, Kind. Aber meiner Meinung nach, geht es heutzutage zu sehr um das Geld. Es sollte auch wirklich nicht jeder diese Methode in Anspruch nehmen dürfen – zu oft fehlen Beratungen und die Paare sind sich nicht bewusst, dass es eine halbe Adoption ist, dass ein Kind entsteht, was zur Hälfte von einem Fremden ist. Man kann diese Tatsache nie verdrängen und viele Familien leiden darunter.
Wenn ich lese, wie viele Kinder, der behandelnde Arzt meiner Eltern insgesamt gezeugt hat, wird mir ganz schwindelig. Auf jedes dieser Kinder kommen je zwei Menschen, die er unglaublich glücklich gemacht hat. Ok aber es wurde nicht zu Ende gedacht. Zunächst geht es darum Spender zu finden: In Unis werden Zettel mit knappen Aufschriften aufgehangen, in denen nach unterschiedlichen Ethnien gesucht wird für leichte Nebentätigkeiten. Je größer die Auswahl an Spendern, d.h. je besser man sich an den unfruchtbaren sozialen Vater annähern kann, desto mehr Kinder kann man ermöglichen. Super, für die Eltern, optimal für den Arzt. Angebot und Nachfrage. Wir, die Kinder, sollten nach diesem Prinzip eigentlich nicht auffallen.
Genau dort beginnt schon die Lüge. Das Kind muss passen für den Vater, für die Familie die normal wirken soll, und für die Leute, die nichts bemerken sollen. In welcher Gesellschaft leben wir denn heute, dass Familien Angst davor haben, die Wahrheit zu sagen? Wieso sehen die Eltern nicht, dass es eben Liebe ist, die das wichtigste für ein Kind ist und man dadurch eine Vater- und Mutterbeziehung hat. Wieso zweifeln die Eltern daran, dass das Kind sie nicht mehr akzeptiert? Was ist das nur für eine falsch verstandene Liebe, das Kind ein Leben lang anzulügen über das elementarste überhaupt. Wieso wundern sich die Eltern, dass die Kinder danach mit ihnen brechen und es nicht verstehen können, so lange belogen worden zu sein. Wie wenig Vertrauen haben die Eltern zu ihren Kindern, dass sie so etwas aus Eigenschutz verschweigen? Ich werde diese Fragen nie beantwortet bekommen.
Familie
Ich bin dafür, dass die Eltern ihren Kindern, die Wahrheit sagen und das am besten schon im Kindesalter, also bevor man die Identitätsfindung durchläuft. Ich bin mir sicher, dass es nicht einfach ist und, dass vor allem die Väter Bedenken haben. Ich habe es zwar spät erfahren, und nach langer Zeit konnte ich erst verstehen, warum ich belogen wurde.
Ich erkenne meinen Vater seitdem noch viel mehr an und ich bin dankbar, dass er mich so liebt, als wäre ich seine leibliche Tochter. Ich verstehe, wie schwer es für ihn gewesen sein muss, dass die Frau, die er liebt von einem unbekannten Samen befruchtet wurde und das fremde Kind zu akzeptieren. Er war vielleicht nie der beste Vater, und wir hatten nie eine tolle Beziehung, aber er ist mein Vater. Er war immer da, er unterstützt mich, kümmert sich um mich, sorgt sich um mich. Auch wenn unser Band nicht so stark ist, ist er mein Vater. Ich habe nur nicht die selbe tiefe Beziehung zu ihm, wie zu meiner Mutter – aber das hat viele Gründe.
Spender
Die Samenspender müssen viel mehr gesetzlich geschützt sein. Theoretisch könnten wir finanzielle Ansprüche erheben, wenn wir unseren Spender ausfindig machen. Dafür müssten wir allerdings zunächst vor Gericht die Vaterschaft unseres sozialen Vaters offiziell aberkennen lassen, was nur 3 Jahre ab Kenntnis oder Volljährigkeit möglich ist, und dann wiederum die Vaterschaft des Spenders anerkennen lassen. Ich kenne niemanden, der diesen Weg gehen würde und auch niemanden, der diese Ansprüche stellen würde. Ausserdem wird gerne verschwiegen, dass auch an uns Ansprüche gestellt werde können. So wären, meiner Meinung nach, alle dankbar, wenn festgelegt würde, dass wir keinerlei Ansprüche erheben könnten um dem Spender diese Sicherheit zu gewährleisten.
Wir Spenderkinder
Allerdings sollte auch festgelegt werden, dass wir diesen Spender kennenlernen dürfen. Zunächst ist es sowieso gesetzlich im Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, welches an das Persönlichkeitsrecht gekoppelt ist, festgelegt.
Des Weiteren ist es ein normales Bedürfnis seine Wurzeln kennenzulernen. So gerne würde ich diesen Menschen begegnen und sehen, was ich von ihm geerbt habe. Wie viel optisch übereinstimmt auf der einen Seite, auf der anderen Seite jedoch auch, was ich für Vorlieben, Berufungen, Charakterzüge, Talente und Schwächen von ihm haben könnte. Schon alleine aus Interesse, was durch Erziehung entstanden ist, was ganz unabhängig von persönlichen Kontakt einfach nur durch Gene entstanden ist und was wirklich nur von mir selber ist. Und wer sagt, dass nicht auch der Spender Interesse hat?
Spender, nicht Vater
Es geht gar nicht darum, einen neuen Vater zu finden. Es geht vielmehr darum, mich selber zu finden. Natürlich würde sich jeder freuen, wenn sich der Erzeuger auch für ihn interessieren würde, denn wir sind immerhin verwandt. Aber sowas erscheint unrealistisch und Hoffnungen will sich auch keiner machen. Vielleicht verstehen wir uns auch gar nicht, vielleicht aber auch richtig gut..? Das sollte jeder individuell abmachen dürfen, wie und ob man in Kontakt bleibt. Ich kann mir absolut nicht vorstellen, dass ein Mann, der Samen gespendet hat, 20 Jahre danach nicht daran denkt, ob durch seine Spenden Kinder entstanden sind und nicht neugierig darauf ist.
Keiner möchte eine Familie zerstören. Es ist denke ich, allen bewusst, dass dieser Mann eine Familie haben könnte, die durch den Eintritt von uns genauso verändert wird, wie wir es selbst erlebt haben. Doch finde ich persönlich, dass es in der Verantwortung des Mannes liegt, seine Frau darüber vorab zu informieren. In einer Ehe sollte es keine Geheimnisse geben und auch eine Frau hat darauf das Recht, zu wissen, dass der Mann eventuell noch weitere leibliche Kinder hat. Wenn mein Spender nur ein bisschen so ist, wie ich, dann wird er Interesse daran haben.
Was ich möchte
Ich finde es so schlimm und traurig zugleich, dass das Thema so tabuisiert wird und meistens nur aus der Sicht der Eltern geschildert wird. Ich bin immer sehr dankbar darüber, wenn auch wir die Chance kriegen uns dazu zu äußern und somit das vorrangige Bild zu widerlegen. Doch leider werden wir oft als eine Art Opfer dargestellt. Ich finde, dass wir ganz im Gegenteil, Gewinner sind. Wir leben meistens in tollen Familien, erlebten schöne Kindheiten, bekamen in jeder Hinsicht Unterstützung und wurden bedingungslos geliebt. Leider gibt es aber auch ziemlich traurige Beispiele, die das krasse Gegenteil darstellen, obwohl man doch meinen könnte, dass das Familienglück komplettiert wurde. Doch trotzdem manche eine schwieriges Verhältnis zu ihren Familien haben, soll man dann die Suche nach dem Spender nicht missverstehen.
Sind wir nun undankbar dafür, weil wir unsere Wurzeln finden möchten? Sollten wir nicht einfach so weiterleben und das Schicksal so akzeptieren?
Ich sage nein. Wir fühlen uns vom Gesetz und von Ärzten schlecht behandelt. Es sind diese Leute, die mit dem Unglück unserer Eltern teilweise Millionär werden, aber nicht daran denken, was auf sie zu kommt und sich dann aus allem zurückziehen und sich auf Verträge berufen. Das ist meiner Meinung nach, nicht in Ordnung. Menschen meinen über uns bestimmen zu dürfen – uns zu bevormunden. Dieses Thema ist von Beginn bis Ende so sensibel und emotional besetzt, dass es verdient hat bis zum Ende durchdacht zu werden. Moralisch und ethisch.
Bei Word habe ich das Wort donogene Insemination einfach hinzugefügt.
Bis ich in meinem Leben, die unbekannte Seite hinzufügen kann, werde ich kämpfen, egal wie lang der Weg ist.
Meine Klage
So hatte ich doch das Glück, dass ich durch einen lieben Journalisten einen Anwalt gefunden habe, der sich dem Thema widmen wollte. Eine Kanzlei aus Berlin mit großen Namen und bekannt für komplizierte und rechtlich ungeklärte Fälle. Moralisch wurde ich enttäuscht, doch jetzt habe ich die Chance bekommen, im Namen des Vereins und aller anderen entstehenden Kinder unsere Rechte einzuklagen und vielleicht auch etwas für mich zu gewinnen.
Grund dafür ist ganz einfach, dass wir sicher sind, dass meine Akten bei dem Arzt noch existieren, weil er sie einem Journalisten gezeigt hat. Unglaublich, aber wahr. So viel zu unseren Rechten. Daher hab ich aber auch die Nummer meines Spenders, nur leider nicht das, was dahinter steckt.
Der Prozess läuft mittlerweile schon eine gefühlte Ewigkeit. Was mir bei dem Verlauf aufgefallen ist, ist wie leicht so komplizierte und ungeklärte Fälle doch zur Seite gelegt, abgewiesen oder als lächerlich deklariert werden. Ich werde nie den Richter vergessen, der über seinem Pult hing, gemütlich und gelangweilt sein Aufnahmegerät einstellte und nach Prozessnummer, Datum und Uhrzeit die Verhandlung mit den Worten: “So, jetzt suchen wir also deinen lieben Papa“, eröffnete. Die Klage wurde in erster Instanz vor dem Landgericht Essen abgewiesen. Jetzt sind wir in Berufung beim Oberlandesgericht Hamm.
Enttäuschung. Aber keine Hoffnungslosigkeit. Und wenn wir wieder abgewiesen werden, gehen wir wieder eine Instanz höher und danach wieder und wieder. Daran soll es nicht scheitern, und daran wird es auch nicht scheitern. Trotz alle dem bin ich zuversichtlich und optimistisch, dass wir gewinnen. Alles spricht für unsere Seite und gegen die kalte Medizin.
Was mich in der Abweisung der Klage am meisten störte war, dass der Richter das Wohl der Familie des Spenders über meines stellte, denn ich könnte theoretisch durch mein Erscheinen ein Familienglück zerstören. Aber gehört nicht zu einer intakten Familie auch eine Vertrauensbasis, in der der Ehemann von solchen früheren Aktivitäten berichten sollte? Was wäre daran überhaupt verwerflich? Und sind wir nicht alle gleichberechtigt?
In meinem Geschichtsstudium, bei dem ich oft höre “wie kann man denn nur Geschichte studieren?“, habe ich vor allem gelernt, einen Blick dafür zu bekommen, was man aus der Vergangenheit lernen kann und wie man es besser machen kann. Man lernt einen kritischen Blick für bestehende Verhältnisse und eine Relativierung der Wirklichkeit. Um es mit Mark Twain zu sagen: Immer wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit sich zu besinnen.
Gewonnen
Nach langer Zeit, jedoch schneller als erwartet, habe ich das Ziel erreicht. Nach der Verhandlung im Oberlandesgericht in Hamm vom Dezember 2012 wurde am 6.2.2013 das Urteil gesprochen und ich habe gewonnen. Ich muss sagen, dass sich seit diesem Tag mein Leben stark geändert hat. Das Medienaufkommen war unbeschreiblich und unerwartet. Ich wusste von 3 Kamerateams: Stern TV, WDR und ARD. So die Vermutung. Als ich mit meinem Auto hinter dem Gericht parkte und zum Haupteingang lief, sah ich die ganzen Wagen von Fernsehsendern mit Antennen auf dem Dach vor dem Gebäude. Ich begann zu zittern und wäre am liebsten wieder nach Hause gefahren. Ich zog meinen Schal in mein Gesicht und flüchtete in die Innenstadt um meinen Anwalt vom Hauptbahnhof abzuholen. Auf dem Weg zurück mit ihm traute ich mich gar nicht richtig durch die Drehtür, weil ich ahnte, was uns erwarten würde. An der Sicherheitskontrolle konnte ich durch die Glaswand in das Foyer blicken und sah eine Wand aus Journalisten. Viele Menschen, Kameras und Lichter die mich blendeten. Wir wurden aufgefordert den Bereich nun zu verlassen und mussten durch diese Menschenmenge. Unglaublich. Wir wurden in einen Fahrstuhl gebracht und fuhren hoch in den vierten Stock. Wie konnte ich nur glauben, dass wir damit die Journalisten abgehängt hätten. Natürlich warteten oben nochmal so viele und auch im Saal waren alle Stühle besetzt. Journalisten mit Block und Stift, die sofort schrieben als ich eintrat. Ich hörte das Klicken der Fotokameras, sah das Licht der Kameras auf mich strahlen und versuchte mich hinter dem Anwalt zu verstecken. Ich fühlte mich so unwohl und fand es wiederum faszinierend, dass sich so viele Medien für den Fall interessierten. Das Problem dabei war nur, dass ich im Fokus stand. Ich versuchte möglichst ruhig zu bleiben und versteifte bei dem Versuch nichts falsch zu machen.
Die Richter waren großartig und unglaublich freundlich. Schon bei der Verhandlung im Dezember fühlte ich mich unglaublich gut aufgehoben und wusste, dass die Entscheidung durchdacht wird und dass ich respektiert werde.
Als sich alle Menschen in diesem Raum erheben mussten um das Urteil zu hören war es still. Der Richter begann und mit den entscheidenden Worten füllten sich meine Augen vor Freude mit Tränen. Ja, dachte ich mir, jetzt können alle berichten, dass ich gewonnen habe. Dass die Spenderkinder gewonnen haben. Dass wir das Recht haben. Und schon immer hatten.
Ich möchte gar nicht weiter ausführen, wie sich diese ganze Zeit auf mich ausgewirkt hat – wie sie mich geprägt hat. Aber es hat sich alles gelohnt. Und ich bin glücklich und erleichtert. Die Zeit hat nun endlich offiziell begonnen, in der wir respektiert und angehört werden. Und auch, wenn das hier das Ende meiner kleinen Geschichte auf dieser Seite ist, war das nur der Anfang und ein Neubeginn – da bin ich mir sicher.
An dieser Stelle möchte ich noch einigen tollen Menschen danken:
Der gesamte Verein, der so viel geholfen hat. Stina, die so viel Zeit opferte und investierte, an der Klage mitschrieb. Anne, die immer nach meinem Wohlbefinden fragte. Leni, die mich verteidigte und selber leiden musste. Meinen Eltern, die hofften, dass ich alles überstehen werde. Meiner Mama, die jeden Tag anrief um „nur zu Quatschen“. Meinem Papa, der mich so oft, wie nie in den Arm nahm. Meinen Freunden, die immer für mich da waren, wenn ich sie brauchte, die immer zu mir hielten und mit mir lachten, um so viel Böses zu verdrängen. Meinem Arbeitsteam, das mich vor bösen Blicken schützte. Den lieben Kommilitonen, die mitfieberten und für mich Partei ergriffen.
Den Journalisten, die schon vorher an uns glaubten. Die tolle Artikel schrieben, schöne Filme drehten und vieles aufdeckten – ohne diese 4. Gewalt wäre vieles nicht möglich gewesen.
Danke vor allem Henning Sußebach. Du bist großartig!
Und, danke, Markus Goldbach – es gibt keinen besseren Anwalt.
Man geht so einen Weg nie alleine und ich bin froh und stolz, dass ihr alle dabei wart. Fühlt Euch gedrückt.