Auch im Jahr 2015 ist viel passiert.
Rechtliche Entwicklungen
Am 28. Januar 2015 bestätigte der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Zivilgericht, in einem Urteil die bisherige untergerichtliche Rechtsprechung, dass Spenderkinder einen Anspruch auf Auskunft über ihren genetischen Vater, den Samenspender, haben. Dieser ist nicht abhängig von einem Mindestalter. An das Urteil anknüpfend hat der Verein Spenderkinder einen Vorschlag für ein Auskunftsverfahren erarbeitet. Leider erhalten aber nach wie vor viele Spenderkinder keine Auskunft, weil die Ärzte und Kliniken pauschal behaupten, keine Daten mehr zu haben.
Ein weiteres wichtiges Urteil für Spenderkinder fällte der Bundesgerichtshof am 23. September: Er bestätigte, dass ein Mann, der in die Zeugung eines Kindes durch Samenspende eingewilligt hat, unterhaltspflichtig ist, auch, wenn das Paar nicht verheiratet ist und der Mann die Vaterschaft nach der Geburt nicht anerkennt.
Nachdem einige Klagen von Spenderkindern auf Auskunft gegen Reproduktionsmediziner in erster Instanz abgelehnt wurden, gab es im Dezember einen Erfolg: Das Landgericht Essen hielt die Aussagen der Essener Klinik novum zur angeblichen Datenvernichtung für nicht überzeugend und verurteilte die Klinik auf Auskunft.
Politische Entwicklungen
Seit Februar 2015 arbeitet im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz der Arbeitskreis Abstammung, der auch Vorschläge für die rechtlichen Regelungen für Samenspenden und andere Formen der Familiengründungen mit Hilfe Dritter erarbeiten soll. Leider wird dies aber voraussichtlich erst gegen Ende 2016 erfolgen, womit eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode sehr unwahrscheinlich ist.
Samenspenden waren auch Thema im Bundestag selbst: Im April stellte die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Kleine Anfrage im Bundestag zum Auskunftsrecht nach Samenspende. Die Antwort der Bundesregierung darauf legte offen, wie wenig in diesem Bereich in Deutschland auch 45 Jahre nach Zulassung bekannt und geregelt ist. Am 14. Oktober fand eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages zu einem Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen statt, zu dem auch der Verein Spenderkinder als Sachverständige eingeladen war. In dem Gesetzentwurf wird eine Kostenübernahme von Behandlungskosten zur Samenspende durch die gesetzliche Krankenversicherung gefordert. Der Verein Spenderkinder lehnt den Antrag ab, weil Samenspenden bislang rechtlich nur unzureichend geregelt sind und insbesondere die Rechte der hierdurch gezeugten Menschen auf Kenntnis ihrer Abstammung nicht ausreichend geschützt sind. Eine finanzielle Förderung würde daher ein politisch völlig falsches Signal senden. Auch handelt es sich bei Samenspenden – anders als bei der homologen Insemination – nicht um eine Behandlung von Unfruchtbarkeit, sondern um eine besondere Form der Familiengründung zu dritt. Diese ist mit psychologischen Herausforderungen verbunden, und sollte nur nach gründlicher Aufklärung und Reflektion zu den damit verbundenen Herausforderungen eingegangen werden – ähnlich wie eine Adoption. Eine solche gründliche Überlegung würde abervoraussichtlich entfallen, wenn die gesetzliche Krankenversicherung dieBehandlungskosten für Samenspenden übernähme und damit vermittelte, dass hier kein Unterschied zu einer homologen Insemination bestünde, bei der ein von beiden Wunscheltern genetisch abstammendes Kind gezeugt wird.
Veranstaltungen zu Samenspenden
Die Perspektive von durch Samenspende gezeugten Menschen interessiert erfreulicherweise zunehmend Adoptionsfachkräfte: Ende Oktober war der Verein Spenderkinder bei einer Fortbildungsveranstaltung der evangelischen Adoptions- und Pflegekinderstelle in Düsseldorf vertreten. Einen Monat später war der Verein auf einer weiteren Fortbildungsveranstaltung für Adoptionsfachkräfte der gemeinsamen zentralen Adoptionsvermittlungsstelle (GZA) in Hamburg. Der Verein Spenderkinder hat sich sehr über Kontakt zu Adoptionsfachkräftengefreut und hofft, dass sich vermehrt auch Adoptionsfachkräfte mit ihrer kindzentrierten Perspektive an der dringend notwendigen Beratungs- und Aufklärungsarbeit von Wunscheltern beteiligen. Im Dezember war der Verein schließlich bei dem studentischen Arbeitskreis medizinische Ethik in Gießen eingeladen.
Embryonenspende
Der Verein Spenderkinder beteiligt sich intensiv an der Diskussion zur so genannten Embryonenspende, die in Deutschland ethisch und rechtlich umstritten ist. Im Mai war der Verein zu einer Anhörung des Deutschen Ethikrates in Berlin als Sachverständige hierzu eingeladen. Die Stellungnahme des Vereins wurde auf Basis einer internen Umfrage zur Einstellung zu Samen-, Eizell- und Embryonenspende durchgeführt. Der Deutsche Ethikrat arbeitet noch an seiner Stellungnahme.
Trotz bestehender rechtlicher Bedenken hat das 2013 gegründete Netzwerk Embryonenspende begonnen, nicht nur Embryonen, sondern auch imprägnierte Eizellen an Wunscheltern zu vermitteln. Die Staatsanwaltschaft Augsburg teilte die rechtlichen Bedenken und hat die Büros und teilweise auch Privatwohnungen der Vorstandsmitglieder im Oktober durchsucht. Der weitere Verlauf des Ermittlungsverfahrens ist bislang nicht bekannt.
Ein guter Übersichtsartikel zum Thema Embryonenspende in Deutschland erschien bei Stern online von Lea Wolz.
Internationale Entwicklungen
Im Januar wurde in Österreich ein neues Fortpflanzungsmedizingesetz verabschiedet, das auch die Eizellspende erlaubt und die Einsatzmöglichkeiten für die PID erweitert. Im März wurde in Irland die Anonymität von Samen und EizellspenderInnen durch die Children and Family Relationship Bill 2015 aufgehoben. In Frankreich verhandelte der Conseil d’Etat im Oktober über die Aufhebung der in Frankreich verpflichtend vorgesehenen Anonymität von Samenspenden. Eine Entscheidung steht noch aus, falls die Aufhebung abgelehnt wird, hat die Klägerin bereits angekündigt, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen.
In London hat im Oktober eine Diskussionsveranstaltung anlässlich der Aufhebung der Anonymität von Samen- und EizellspenderInnen stattgefunden, bei der auch Spenderkinder zu Wort kamen.
Interessant sind auch die internationalen Entwicklungen im Bereich der Leihmutterschaft: So wurde eine internationale Unterschriftenkampagne gegen Leihmutterschaft „stopsurrogacynow“ gestartet und die indische Regierung überlegt kommerzielle Leihmutterschaft zu verbieten, zumindest für ausländische „Bestelleltern“.
Leseempfehlungen
Als kritische Antwort auf das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz erschien das Buch „Kind auf Bestellung: Ein Plädoyer für klare Grenzen.“ der österreichischen Journalistin Eva-Maria Bachinger, für das auch die Spenderkinder-Mitglieder Greta und Anne interviewt worden waren. Die Autorin bezieht wünschenswert klar Stellung zu den ethischen Fragen der Reproduktionsmedizin und zwar aus einer kindzentrierten und feministischen Perspektive.
Einen „interessengerechte(n) Lösungsansatz“ im Abstammungsrecht für Samen-, Eizell- und Embryonenspende und Leihmutterschaft schlägt Marc Alexander Voigt in der juristischen Doktorarbeit „Abstammungsrecht 2.0 – ein rechtvergleichender Reformvorschlag vor dem Hintergrund der Methoden der künstlichen Befruchtung“ vor. Zusammengefasst sieht der Autor nur punktuellen Änderungsbedarf im Abstammungsrecht zur Berücksichtigung von Reproduktionstechnologien.
Spenderkinder-Mitglieder in den Medien
Auch dieses Jahr haben zahlreiche Mitglieder unseres Vereins ihre Perspektive in Medienberichte eingebracht. Im Fernsehen waren insbesondere die Spenderkinder-Mitglieder Sunny und Anja (Menschen hautnah, Daheim und unterwegs) vertreten, aber auch die Spenderkinder-Mitglieder Sarah (Markus Lanz), Victoria und Simon (Kölner Treff).
Spenderkinder-Mitglied Kevin hat den – unseres Wissens nach – ersten Song aus der Perspektive eines Spenderkindes geschrieben und gesungen. Der großartige Song „novum“ ist nach der Klinik benannt, in der Kevin entstanden ist, und begleitet die Online-Suchaktion nach seinem biologischen Vater, woraufhin sich bereits einige ehemalige Spender gemeldet haben.