Der Verein Spenderkinder wird oft nach seiner Positionierung zur Familiengründung mit Geschlechtszellen anderer gefragt, zur sogenannten „Samenspende“, aber auch zur „Eizellspende“ und zur Embryonenadoption1. Mit dieser Familiengründung zu dritt (oder zu viert) sind verschiedene ethische Aspekte und besondere psychologische Herausforderungen verbunden. Welche ethischen Aspekte persönlich für maßgeblich erachtet werden und welche Bedeutsamkeit den psychologischen Herausforderungen beigemessen wird, ist individuell verschieden. Auch die Mitglieder unseres Vereins gewichten die zugrundeliegenden ethischen und psychologischen Aspekte persönlich unterschiedlich. Deswegen nehmen wir als Verein keine gemeinsame Positionierung für oder gegen Familiengründung zu dritt oder zu viert vor. Uns ist es jedoch wichtig, auf die ethischen und psychologischen Aspekte hinzuweisen und diesen Formen der Familiengründung keine Unbedenklichkeit zu attestieren.
Bei ethischen Fragen geht es darum, abzuwägen, mit welchen Bedenken das, was theoretisch zu tun möglich ist, verbunden ist. Solchen Fragen liegt der Gedanke zugrunde, der sich auch im Grundgesetz widerspiegelt, dass jedem Menschen eine unveräußerliche Würde innewohnt und dass ihm größtmögliche Freiheit zur Entfaltung seiner Persönlichkeit ermöglicht werden soll.((Vgl. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.)) Da alle Menschen gleichwertig sind2, hat die persönliche Freiheit jedoch ihre Grenzen dort, wo sie die Freiheit anderer beeinträchtigt oder gegen allgemein anerkannte Gesetze verstößt3. Ethische Fragestellungen sind insbesondere dann brisant, wenn es – wie am Lebensende oder am Lebensanfang – darum geht, dass Menschen Entscheidungen treffen, die nicht nur sie selbst, sondern ganz wesentlich auch andere Menschen betreffen.
Vorbemerkungen
Die folgende Zusammenstellung kritischer ethischer Gesichtspunkte, die mit der Familiengründung zu dritt verbunden sind, soll eine individuelle ethische Auseinandersetzung anregen. Jeder Mensch kann sich nur selbst mit diesen Aspekten auseinandersetzen und sie für sich bewerten. Diese Aufgabe kann die Zusammenstellung nicht ersetzen. Die Auseinandersetzung mit diesen Aspekten kann dazu führen, dass moralische Bedenken gegenüber der Familiengründung mit Samenzellen eines Dritten bleiben oder entstehen. Bei Menschen, die selbst durch eine „Samenspende“ entstanden sind oder bei Menschen, die auf diese Weise Eltern geworden sind, können ambivalente Gefühle entstehen.
Bei ethischen Auseinandersetzungen geht es um Fragen. Diese Fragen sind oft sehr tiefgehend und weitreichend, es gilt Auswirkungen auf andere Menschen zu berücksichtigen und mögliche Folgen abzuschätzen. Bei der Auseinandersetzung mit der Familiengründung zu dritt durch „Samenspende“ kann man zum Beispiel die folgenden Fragen stellen: Inwieweit ist eine geplante Trennung von genetischer und sozialer Elternschaft möglich? Inwieweit lässt sich genetische Elternschaft von elterlicher Verantwortung trennen? Inwieweit ist es vertretbar, einen Mann als genetischen Vater auszuwählen, der in erster Linie kein Interesse am Kind als Person hat? Und wie ist das – als zu berücksichtigende Folge – für das Kind? Inwieweit ist die gespaltene Vaterschaft/Elternteilschaft eine Belastung für das Kind und inwieweit kann sie dem Kind zugemutet werden? Inwieweit Ist es vertretbar, dem Kind eine soziale Beziehung zu seinem genetischen Vater vorzuenthalten, bis es sich selbst aktiv darum bemüht? Inwieweit kann über die verwandtschaftlichen Beziehungen eines Menschen verfügt werden? Inwieweit können Keimzellen als „Baumaterial“ weitergegeben werden? Was bedeutet die Betrachtung eines Menschen als „Keimzellspender“? Inwieweit wird die Entstehung von Menschen durch ihre gezielte Erzeugung zu einem Herstellungsprozess und welche Auswirkungen hat das ggf. auf ihre Würde?
Wenn Sie sich mit diesen Fragen bisher nicht beschäftigt haben, nehmen Sie sich Zeit und schauen, welche Haltung Sie selbst dazu einnehmen, bevor Sie weiterlesen.
1. Die gezielte Trennung von genetischer Elternschaft und der Verantwortung für das entstehende Kind
Bei der Familiengründung zu dritt wird ein Kind mit der Absicht gezeugt, dass nicht der genetische Vater, sondern ein anderer Mensch die soziale und rechtliche Elternstellung dem Kind gegenüber einnimmt, allein weil er gemeinsam mit seiner Partnerin entschieden hat, auf diese Weise Elternteil zu werden. Dabei stellt sich die Frage, ob diese absichtliche Trennung von genetischer Elternschaft und der Verantwortung für das entstehende Kind psychisch möglich und ethisch wünschenswert ist.
Nach Weinberg (2008)4 entsteht elterliche Verantwortung durch die Entscheidung für Aktivitäten, in deren Folge aus den eigenen Keimzellen Menschen entstehen. Bei einem Mann, der nach einem One-Night-Stand unbeabsichtigt Vater wird, würden die meisten Menschen wohl sagen, dass er für das entstehende Kind elterliche Verantwortung trägt. Dies müsse erst recht für einen Mann gelten, der bewusst seinen Samen zur Zeugung eines Kindes zur Verfügung stellt, auch wenn er beabsichtigt, die elterliche Verantwortung einem anderen zu übertragen.
Zur elterlichen Verantwortung gehöre es, die Grundbedürfnisse eines Kindes nach besten Kräften zu erfüllen. Ein Grundbedürfnis des Kindes sei es, von dem Menschen, der die elterliche Verantwortung trage, geliebt und anerkannt zu werden.5
Man kann hinterfragen, ob diese Verantwortung, das Kind zu lieben, einfach an einen anderen Menschen übertragen werden kann6 oder ob es sich dabei nicht um eine Form der Erweiterung um eine zusätzliche Person handelt.
Bei der „Samenspende“ ist die Weitergabe dieser Verantwortung von vornherein beabsichtigt. Das ändere jedoch nichts an dem Grundbedürfnis des Kindes. In den Schilderungen von Spenderkindern, auch denen, die ein gutes Verhältnis zu ihrem sozialen Elternteil haben, zeigt sich dieses Grundbedürfnis zum Beispiel in der Frage, ob der genetische Elternteil wisse, dass es einen gibt und was er über das Kind als Person denkt7, dem Wunsch, ihn bspw. zur Hochzeit einzuladen, ihm seine Enkelkinder zu zeigen oder einfach nur „ihn“ als Menschen kennenzulernen. Dieses Bedürfnis kann sich auch erst später im Leben zeigen.
Hiergegen wird häufig eingewandt, dass das Kind ohne „Samenspende“ nicht geboren worden wäre. Daher müsse man den ungünstigen Umstand in Kauf nehmen, dass der genetische Vater vermutlich kein Interesse am Kind hat. Mit dieser Begründung ließe sich letztlich jede Form der Erzeugung von Menschen rechtfertigen, egal unter welchen moralisch-bedenklichen Umständen die Zeugung stattfand.
Natürlich kann ein genetischer Elternteil nicht verpflichtet werden, sein Kind zu lieben, genau so wenig wie man soziale Beziehungen im Vorfeld garantieren kann. Man kann aber hinterfragen, ob es dem Wohl des Kindes dient, wenn ein Mann als genetischer Vater ausgesucht wird, bei dem wahrscheinlich ist, dass er dem Bedürfnis des Kindes von ihm als Person anerkannt zu werden, vermutlich nicht entsprechen wird. Ob, in welcher Ausprägung und zu welchem Zeitpunkt dieses Bedürfnis wahrgenommen wird, lässt sich individuell nicht vorhersagen.
2. Kränkung, wenn der genetische Vater kein oder wenig Interesse am Kind hat
Zwar gibt es einige „Samenspender“, die Interesse an ihren Kindern zeigen, das Konzept der „Samenspende“ wird aber im klassischen Fall so geplant, dass der genetische Vater keine Rolle spielt, bis das Kind möglicherweise auf ihn zukommt.
Es ist für Menschen im Allgemeinen verletzend, einen Elternteil zu haben, der kein Interesse an ihnen hat. Das kann auch für den genetischen Vater gelten, wenn dieser ein persönliches Kennenlernen ablehnt oder aber einem Kennenlernen nur aus Gefälligkeit zustimmt und kein eigenes Interesse an der Person des Kindes hat.89
„Nur“ Keimzellspender, also nur genetischer Elternteil ohne soziale und emotionale Beziehung zum Kind sein zu wollen, bedeutet mit Blick auf das Kind, kein Interesse an der entstehenden Person zu haben. Aus der Perspektive des genetischen Vaters ist das Kind kein Wunschkind. Wenn eine solche Situation absichtlich herbeigeführt wird, kann die Frage aufgeworfen werden, wessen Bedürfnisse in diesem Moment an erster Stelle befriedigt werden.
3. Gespaltene Vaterschaft kann das Kind belasten
Bei einer Familiengründung mit Keimzellen eines Dritten wird die Vaterschaft gezielt aufgeteilt auf zwei Menschen, einen genetischen und einen sozialen/rechtlichen Vater, bzw. zweiten Elternteil. Man nennt dies auch „gespaltene Vaterschaft“ (analog zur „gespaltenen Mutterschaft“ bei einer Familiengründung mit Eizellen einer Dritten, wie sie das Embryonenschutzgesetz verhindern möchte).
Die Aufspaltung der Vaterschaft findet statt, weil Erwachsene sich ein Kind wünschen, für das sie Eltern sein können. Das Kind steht vor der Aufgabe, beide Väter, bzw. den genetischen Vater und seinen zweiten sozialen Elternteil in sein Selbstkonzept zu integrieren und ihnen einen würdigen Platz zu geben. Die gespaltene Vaterschaft kann eine Belastung für das Kind darstellen, wenn es zum Beispiel seinem genetischen Vater mehr Bedeutung geben möchte, als von den Eltern geplant und gewünscht wurde.10 So haben einige Spenderkinder das Gefühl, ihren sozialen Vater schonen zu müssen und dass sie ihn mit ihrem Interesse an ihrem genetischen Vater belasten. Sie vermeiden es zum Beispiel, mit ihm von ihrer Suche oder ihrem Interesse an ihrem genetischen Vater zu sprechen. Manche verzichten aus diesen Gründen sogar ganz auf eine Suche nach ihren genetischen Verwandten.
4. Fehlende Aufklärung des Kindes über seine Entstehungsweise
Nach wie vor werden viele Spenderkinder nicht über ihre Entstehungsweise aufgeklärt. Über existenzielle Bedingungen seiner Existenz getäuscht zu werden, verletzt die Persönlichkeitsrechte des Kindes und seine Gleichwertigkeit: Es gibt dann Personen, die wesentliches Wissen über das Kind haben, das das Kind nicht hat. Auch zur Achtung der Freiheit des Kindes gehört es dazu, das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung11 zu respektieren und ihm dahingehend eine freie Persönlichkeitsentwicklung zu ermöglichen.
Psychologisch wird von einer destruktiven Wirkung schwerer Familiengeheimnisse auf die Entwicklung eines Menschen ausgegangen. Eine solch existentielle Lüge erschüttert das Urvertrauen in den Grundfesten und kann zu erheblichen Schäden der familiären Beziehung führen. Insbesondere mit Hinblick auf die rasante Verbreitung autosomaler DNA-Tests grenzt es an eine Illusion, dass solche elementaren Informationen ein Leben lang geheim gehalten werden können.12 Frühe Aufklärung hingegen ermöglicht dem Kind eine kontinuierliche Identitätsentwicklung. Frühe Aufklärung bedeutet auch, das Vertrauen des Kindes wertzuschätzen und nicht zu missbrauchen.13 Warum wird dem Kind das Wissen vorenthalten – um es zu schützen? Weil andere für das Kind entscheiden, das ihm seine biologische Herkunft nicht wichtig sein darf? Oder ist es eher der Wunsch, das Alleinstellungsmerkmal als Eltern nicht zu verlieren? Auch wenn dem Kind in der Kindheit nicht mit soviel Respekt begegnet wurde, ihm die Wahrheit zu sagen, bedeutete selbst eine spätere Aufklärung für viele Spenderkinder auch eine Entlastung, weil sie rückblickend vieles besser verstehen konnten und sie ihren Gefühlen wieder vertrauen konnten.
5. Dem Kind wird eine soziale Beziehung zum genetischen Vater vorenthalten, bis das Kind sich aktiv darum bemüht
Damit die Aufspaltung in einen sozialen/rechtlichen Elternteil und einen genetischen Vater in der Realität funktioniert, wird dem Kind bei einer Zeugung durch eine „Samenspende“ in der Regel eine soziale Beziehung zum genetischen Vater vorenthalten – zumindest so lange, bis es sich selbst aktiv darum bemüht. Das entspricht in erster Linie den Wünschen der Eltern. Den Bedürfnissen des Kindes kann es hingegen entsprechen, bereits im Kindesalter eine soziale Beziehung zu seinem genetischen Vater und auch eventuell zu seinen Halbgeschwistern zu entwickeln (siehe Punkt 2).
6. Konstruktion beliebiger Verwandtschaftsbeziehungen
Menschen haben Verwandtschaftsbeziehungen, die genetisch begründet sind und über die von anderen Menschen nicht beliebig verfügt werden kann. Bei einer Familiengründung zu dritt hat das Kind neben dem sozialen Vater/Elternteil auch einen genetischen Vater. Zu ihm besteht eine genetische Verwandtschaftsbeziehung, die nicht aufgelöst werden kann.
Bei einer „Samenspende“ wird aber vom Kind erwartet, dass es sich mit den von den Eltern definierten Familiengrenzen arrangiert und die Personen als Eltern akzeptiert, die sich selbst als solche eingesetzt haben. Das Kind soll gleichzeitig auf diejenigen Beziehungen verzichten, die von den Erwachsenen nicht gewünscht werden. Bezeichnend hierfür ist, dass sogar von Seiten „moderner“, aufklärender Eltern die Forderung erhoben wird, die Möglichkeit des Kindes zur Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters abzuschaffen, um den Wunscheltern ihre Elternstellung zu garantieren. Damit müsste das Kind auf ein Recht verzichten, das alle natürlich gezeugten Kinder auch haben. Zwar gibt es Entscheidungen, die Eltern für ihre Kinder treffen müssen, weil die Kinder zu dem Zeitpunkt dazu noch nicht in der Lage sind. Die Frage, wer für das Kind seine Familie ausmachen soll, ist aber keine notwendige Entscheidung. Das wird das Kind später selbst entscheiden.
Man kann hinterfragen warum einerseits viel daran gesetzt wird, dass Wunscheltern ein Kind bekommen, welches zumindest mit einem der Wunschelternteile auch genetisch verwandt ist, gleichzeitig aber vom Kind erwartet wird, dass es seine Familie nur über soziale Beziehungen definiert.14
7. Entstehung von Menschen als Herstellungsprozess
Wenn die Entstehung von Menschen als „Erzeugung“, wie ein Herstellungsprozess gedacht wird15, werden Menschen verdinglicht und es kann zur Instrumentalisierung von Menschen kommen. Wenn man beginnt, Menschen „herzustellen“, weil sie von anderen gewünscht werden, impliziert dies, dass der entstehende Mensch seinen Wert nicht aus sich selbst heraus innehat, sondern erst dadurch erhält, dass er dem Zweck der Wunscherfüllung dient. Dieser Aspekt gilt auch für einige Wunschkinder, die auf natürlichem Wege gezeugt werden. Die Reproduktionsmedizin verstärkt die Machbarkeitslogik und die Einstellung einer Verfügbarkeit über das Leben. Bei einer „Samenspende“ werden nicht vorhandene oder nicht funktionsfähige Samenzellen durch funktionsfähige ersetzt. Bei einer IVF werden die lebensfähigsten Embryonen ausgesucht und der Rest kryokonserviert und später möglicherweise entsorgt. Bei einer Leihmutterschaft wird die austragende Mutter vertraglich verpflichtet, das Baby nach der Geburt abzugeben. Es gibt Fälle, in denen die Wunscheltern das Kind nicht angenommen haben, weil es krank war.
Problematisch an dieser „Herstellungslogik“ ist, dass damit die Einstellung verbunden sein kann, darüber entscheiden zu können, ob andere Menschen leben, oder nicht. Eine typische Ausprägung hiervon ist die Forderung, dass Kinder ihren Eltern für ihre „Erzeugung“ dankbar sein müssten, weil diese eben darüber verfügten.16
8. Die Betrachtung von Keimzellen als unabhängiges „Baumaterial“
Wenn aus Keimzellen ein Mensch entsteht, entsteht dadurch gleichzeitig eine unauflösbare Verbindung zu der Person, von der die Keimzellen stammen. Bei einer „Familiengründung“ geht es um Menschen und um Beziehungen. Eine rein technische Betrachtungsweise, bei der unzulängliche oder fehlende Keimzellen wie Dienstleistungen in einem technischen Prozess ersetzt werden, wird allen Beteiligten als Menschen nicht gerecht.
Oft wird die Weitergabe von Keimzellen bei der „Samenspende“, „Eizellspende“ oder Embryonenadoption mit Blut-, Organ- oder Knochenmarkspenden gleichgesetzt. Die Gleichsetzung ist in mehrerer Hinsicht nicht gerechtfertigt. Letztere dienen dazu, kranken Menschen zu helfen, indem organisches Material eines Menschen einem anderen bedürftigen zur Behandlung und Heilung weitergegeben wird. Bei einer „Samenspende“ werden Keimzellen eines gesunden Mannes zur Befruchtung einer gesunden Frau weitergegeben. Die Unfruchtbarkeit des Wunschvaters wird dadurch nicht geheilt, sondern die Frau zeugt mit einem anderen, gesunden Mann ein Kind. Bei Frauenpaaren liegt in der Regel überhaupt keine Unfruchtbarkeit vor. „Samenspende“ ist deshalb keine „Kinderwunschbehandlung“, sondern eine Form der Familiengründung zu dritt.
9. Der genetische Vater, wird auf seine Funktion als Keimzelllieferant reduziert
Bei einer Familiengründung mit Samen eines Dritten wird der genetische Vater in der Regel nicht als Mensch in seiner Ganzheit gewünscht, sondern lediglich seine Zeugungsfähigkeit – wie eine Dienstleistung. Die Bezeichnung Spender spiegelt diese Reduzierung und Versachlichung des gemeinten Menschen wider. Wird genetische Vaterschaft auf den technischen Aspekt der Samenlieferung reduziert, wird damit ein Männer- und Menschenbild zugrunde gelegt, das unterstellt, dass genetische Vaterschaft von einer sozialen Bindung abgespalten werden kann, bzw. soll und genetische Vaterschaft nicht notwendigerweise mit sozialer Verantwortung für das entstehende Leben einhergeht. Wie ist es dann zu rechtfertigen, dass Männer, die unbeabsichtigt, bspw. bei einem One-Night-Stand, ein Kind zeugen, dafür zur Verantwortung gezogen werden?
- vgl. auch: Was bedeutet Embryonenadoption aus der Perspektive der entstehenden Menschen? Zeitschrift für medizinische Ethik, 62 (2016), 2, 151-164. [↩]
- Vgl. Art. 3 Abs.1 GG. [↩]
- Vgl. Art. 2 Abs. 1 GG. [↩]
- Weinberg, R. (2008). The Moral Complexity of Sperm Donation. Bioethics, 22(3), 166-178. [↩]
- Dazu ein eindrückliches Fallbeispiel aus dem Erleben eines Kindes, das aus einer außerehelichen Affäre seines Vaters hervorgegangen war; Erfahrungsbericht von Sebastian. Die Erkenntnis: „Nach einem sehr langen Gespräch verabschiedeten wir uns und er klopfte mir anerkennend auf die Schulter. Auch wenn ich von vornherein gesagt habe, dass das Treffen nur der Suche nach meinen Wurzeln dient, war ich doch überglücklich von meinem biologischen Vater eine Geste der Anerkennung zu bekommen.“ [↩]
- Weinberg verneint dies, da das Bedürfnis des Kindes sei, von eben diesem bestimmten Menschen geliebt zu werden. [↩]
- Vgl. z.B. Hummel, K. (2017, 14.10.). Kinder von Samenspendern. Wo bist du?. Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Die Sehnsucht nach Anerkennung und Bestätigung durch meinen echten Vater wird dann geradezu übermächtig“, sagt Schünke. „Die Sehnsucht, von ihm gesagt zu bekommen, dass alles gut ist, dass ich alles richtig mache und dass er stolz auf mich ist“; Erfahrungsbericht von Stina. Späte Aufklärung mit 26: „Was würde er von mir halten, wenn er mich sehen würde? (…)Manchmal frage ich mich, ob der Spender jemals an die Kinder denkt, die mit seiner Spende entstanden sind und ob er vielleicht auch neugierig ist, wie sie sich entwickelt haben. “ [↩]
- Aus einer E-Mail eines Spenderkindes an den Verein Spenderkinder: „Mein Erzeuger (Samenspender) ist bekannt, er wünscht jedoch keinen Kontakt zu mir, weil er seine Familie nicht zerstören will.“ (B., 18 Jahre). [↩]
- Erfahrungsbericht von Claire. Stets voller Verständnis und Dankbarkeit: „Die Voraussetzungen bei unserer Zeugung wurden nämlich genau so geschaffen, dass der genetische Vater jemand ist, der nicht nach uns fragen oder an uns denken wird. (…) Der Vorsatz dieses Konstruktes macht mich wütend“; Erfahrungsbericht von Marissa. Identitätssuche: „Wütend macht es mich, kann ich es doch nicht nachvollziehen, warum man nicht nach mir sucht! Der Gedanken, ich könne meinem Spendervater scheissegal sein, weil er mit seinem Genmaterial nur sein Studium finanzieren wollte und mich als notgedrungenes Resultat sieht, und dabei längst in seiner kleinen, heilen Familienwelt lebt, ist grauenhaft und ich schiebe ihn schnell beiseite. Hänge ich diesem Gedanken zu sehr nach, werde ich klein und mein Selbstwertgefühl sinkt auf null.“ [↩]
- Das steht genauer erklärt in unserem Text „Psychologisches“ unter dem Thema „Parentifizierung“. [↩]
- Grundrecht des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit der Würde des Menschen aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz abgeleitet [↩]
- Crawshaw, M. (2017). Direct-to-consumer DNA testing: the fallout for individuals and their families unexpectedly learning of their donor conception origins. Human Fertility. DOI:10.1080/14647273.2017.1339127; Harper, J.C., Kennett, D. & Reisel, D. (2016) The end of donor anonymity: how genetic testing is likely to drive anonymous gamete donation out of business. Human Reproduction, 31, 1135-1140; Borry, P., Rusu, O., Dondorp, W., De Wert, G., Knoppers, B.M. & Howard, H.C. (2014). Anonymity 2.0: direct-to-consumer genetic testing and donor conception. Fertility and Sterility, 101, 630-632. [↩]
- Weshalb die frühe Aufklärung so wichtig ist, erklären wir ausführlich in unserem Text „Aufklärung“ [↩]
- Rose, J. (2009). A critical analysis of sperm donation practices: the personal and social effects of disrupting the unity of biological and social relatedness for the offspring. Brisbane, Australia: Queensland University of Technology. [↩]
- siehe zum Beispiel der Titel des Buches “Kinder machen” von Andreas Bernard [↩]
- vgl. Maio, G. 2011, Wenn die Technik die Vorstellung bestellbarer Kinder weckt. In G. Maio, T. Eichinger & C. Bozzaro (Hrsg.). Kinderwunsch & Reproduktionsmedizin. Ethische Herausforderungen der technischen Fortpflanzung, (S. 11-37), Freiburg: Karl Alber. Auch Mitgliedern unseres Vereins wird regelmäßig Undankbarkeit gegenüber ihren Eltern vorgeworfen, weil sie sich für ihre Abstammung interessieren. [↩]