Archiv der Kategorie: Spenderkinder Verein

Zeit-Artikel „Bist Du mein Vater?“

Die Zeit-Journalistin Jenny Becker konnte bei einem ganz besonderen Moment dabei sein: dem ersten Treffen von Spenderkinder-Mitglied Christoph mit seinem Samenspender Udo. Gefunden haben sich die beiden über unseren DNA-Test Family Finder. Nachzulesen in dem Artikel mit dem Titel „Bist Du mein Vater?“ im Ressort Wissen.

Aus der Zeit-Ankündigung: „Sagt das Woher auch etwas aus über das Warum und über das Wer-bin-ich? Immer mehr Kinder von Samenspendern wollen ihren biologischen Vater kennenlernen, mit dem sie doch erst mal nichts gemein haben außer den Genen. Erfahren sie etwas über sich, wenn sie ihn sehen? Jenny Becker hatte das große Reporterglück, bei einer ersten Begegnung zwischen einem erwachsen gewordenen Sohn und seinem biologischen Vater dabei zu sein. Und man sieht in ihrem Artikel Bist Du mein Vater?: Die Gene waren der Anlass, der Charakter ist das, worauf es ankommt.“

Vielen Dank n Christoph und Udo, dass sie einer Journalistin erlaubt haben, bei diesem wichtigen Ereignis dabei zu sein. Hoffentlich zeigt er einem breiteren Publikum, weswegen wir unsere Erzeuger treffen möchten, aber auch dass so ein Treffen einfach nur nett sein kann und nicht hochemotional sein muss.

Den Artikel gibt es bislang leider nur in der Printausgabe, wahrscheinlich wird er aber spätestens in einer Woche auch online abrufbar sein.

Zweiter Treffer zwischen Spender und Kind bei FTDNA

Anderthalb Jahre nach dem ersten Treffer zwischen Spender und Kind wurde kürzlich der zweite Treffer zwischen einem weiteren Spender und einem Spenderkindermitglied über unseren DNA-Test FamilyFinder bekannt. Wir wissen von einigen wenigen ehemaligen Spendern, dass sie sich dort registriert haben. Das Spannende an dem aktuellen Treffer ist, dass sich der Spender ohne vorherige Kontaktaufnahme mit uns registriert hat und wir erst durch den Treffer von ihm erfahren haben. Wir freuen uns sehr und wünschen beiden Ruhe beim Kennenlernen und hoffen auf viele weitere Treffer!

Ehemaligen Spendern und erwachsenen Spenderkindern, die Interesse an einem Kennenlernen haben und noch nicht registriert sind, sei eine Registrierung ans Herz gelegt!

Dritter Halbgeschwistertreffer

Zwei weitere Halbschwestern fanden sich im September. Anders als die ersten beiden Treffer kam dieses Match nicht über unseren DNA-Test FamilyFinder zustande, sondern über die Suchprofile auf unserer Homepage.

Das Spenderkindermitglied hatte von der gynäkologischen Praxis, die die Spende damals vermittelt hatte, eine Spendernummer erfahren und diese in seinem Profil eingetragen. Seine Halbschwester war zwar in einer anderen Praxis entstanden, hatte aber die gleiche Nummer genannt bekommen. Sie stolperte zufällig über das Profil und meldete sich daraufhin bei Spenderkinder. Tatsächlich waren beide Spenden auf dieselbe Samenbank zurückzuführen. Beide erhielten unabhängig voneinander Auskunft über die Identität des Spenders. Wie zu erwarten war, handelte es sich um denselben biologischen Vater.
Also, liebe Spenderkinder, Mut zum Profil! Diese Geschichte zeigt, wie wirkungsvoll auch kleine Schritte sein können.

Zweiter Halbgeschwistertreffer bei FTDNA

Nachdem unser DNA-Test Family-Finder von FTDNA letztes Jahr im August unser erstes Halbgeschwisterpaar identifizierte, gibt es jetzt einen Treffer zweier Halbschwestern, die beide vor gut 30 Jahren im Uniklinikum Gießen entstanden sind.

Und so kam es dazu: Nachdem Mia Ende letzten Jahres von ihrer Zeugungsart erfahren hatte und bisher von der Klinik noch keine Informationen über den Spender erhalten konnte, erfuhr sie zufällig von einer Person, die einige Monate vor ihr ebenfalls im Uniklinikum Gießen gezeugt worden war. Einem Bauchgefühl folgend nahm sie Kontakt zu ihr auf und beide ließen sich beim Family Finder registrieren. Letzte Woche bekamen sie die Benachrichtigung, dass beide tatsächlich unmittelbar miteinander verwandt sind!

Vielleicht kann diese kleine Geschichte auch anderen Spenderkindern Mut machen, sich bei FTDNA zu registrieren. Je mehr mitmachen, desto größer ist die Chance auf weitere Treffer! Dafür braucht man kein Mitglied in unserem Verein zu sein oder überhaupt Kontakt zu uns aufgenommen haben – die Teilnahme an dem Test bei FTDNA reicht aus.

Spenderkinder ist Gründungsmitglied von Donor Offspring Europe (DOE)!

Seit heute ist die Internetseite von Donor Offspring Europe (DOE) online! DOE ist eine Dachorganisation von Spenderkinder-Organisationen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spenderkindern aus Dänemark, UK und der Schweiz.

Die Abkürzung DOE beruht auf dem Gedanken, dass im englischsprachigen Raum ein „John“ oder eine „Jane Doe“ eine Person ungeklärter Herkunft ist. DOE ist vor allem als Plattform gedacht, um Informationen zu teilen, aber auch, um für unsere Ziele wie die Kenntnis unserer Abstammung auf europäischer Ebene einzutreten. Nicht zuletzt hoffen wir, dass wir dazu beitragen können, dass auch in anderen Ländern Spenderkinder-Organisationen entstehen werden.

Auf der Webseite informieren die einzelnen Verbände über die Situation in ihren Ländern aus der Sicht von Spenderkindern, aber es wird in den nächsten Monaten zusätzliche Informationen zu aktuellen Ereignnissen in unseren Ländern sowie europäischem Recht geben.

Erfahrungen unserer frühaufgeklärten Mitglieder

Von Spenderkinder-Eltern hören wir regelmäßig die Befürchtung, dass Spenderkinder bei einer Aufklärung über ihre Entstehungsweise im Kleinkindalter zu vielen anderen Personen davon erzählen könnten und dann auf Ablehnung stoßen werden. Einige Eltern verschieben die Aufklärung daher auf einen Zeitpunkt, zu dem das Kind älter ist und ihrer Meinung nach eher versteht, dass es nicht mit jedem darüber reden soll.

Das Problem ist allerdings, dass die Aufklärung nicht einfacher wird, wenn man sie aufschiebt. Es ist außerdem – auch aus der Adoptionsforschung – bekannt, dass eine frühe Aufklärung (d.h. im Kindergartenalter) für eine kontinuierliche Identitätsentwicklung des Kindes besser ist. Nach einer wissenschaftlichen Studie sinkt die Chance, dass die Aufklärung stattfindet, je älter die Kinder werden.

Daher haben wir eine Umfrage unter unseren frühaufgeklärten Mitgliedern (Aufklärung bis 14 Jahre) gemacht, wie sie die Aufklärung wahrgenommen haben – wann sie davon erfahren haben, ob sie mit Personen außerhalb der Familie über die Samenspende gesprochen haben und ob sie das Bedürfnis hierzu hatten. Auf die offen gestellte Fragen haben alle zehn frühaufgeklärte Mitglieder geantwortet, alle weiblich (unsere männlichen Mitglieder sind alle spätaufgeklärt).

Die Ergebnisse sind sehr interessant: Fast alle Frühaufgeklärten haben nur mit wenigen anderen Personen über ihre Zeugungsart gesprochen. Auf negative Reaktionen ist niemand gestoßen, als negative Erfahrung wurde lediglich das Gefühl berichtet, nicht wirklich verstanden zu werden. Jedoch berichtet die Hälfte der Frühaufgeklärten, dass sie von ihren Eltern ein (implizites) Schweigegebot auferlegt bekommen haben bzw. dass mit dem Thema trotz der frühen Aufklärung nicht offen in der Familie umgegangen wurde. In der Rückbetrachtung wünscht sich mehr als die Hälfte der Frühaufgeklärten von ihren Eltern einen offeneren Umgang der Eltern mit dem Thema Samenspende und Unfruchtbarkeit. Eltern sollten sich daher überlegen, ob sie mit der Idee, dass es nicht jeder wissen muss, wirklich ihr Kind vor negativen Reaktionen schützen möchten, oder ob dahinter nicht doch versteckt der Wunsch steht, sich selbst und insbesondere den sozialen Vater zu schützen.

Alter der Aufklärung und Reaktion

Unter den teilnehmenden Frühaufgeklärten waren drei, die als sehr kleine Kinder aufgeklärt wurden (im Folgende als „sehr Frühaufgeklärte“ bezeichnet): zwei wussten schon immer, dass sie durch eine Samenspende gezeugt wurden, eine hat es im Alter von vier Jahren erfahren. Alle berichten, dass die Samenspende für sie etwas Normales war bzw. dass sie positiv reagiert haben.

„Seit meiner Geburt hat meine Mutter hin und wieder erzählt von meiner Zeugung. Ich kann mich daher nicht an einem präzisen Zeitpunkt erinnern. Es war nichts etwas besonderes für mich“

„Mir war es damals egal, da ich ja einen Vater hatte der da war. Für mich war es einfach Alltag (…)“

„Ich war glücklich darüber, dass alles so war, wie es war.“

Dann kommt eine kleine Alterslücke: die anderen Frühaufgeklärten wurden im Alter von sieben (1), neun (1), zehn (3), elf (1) und dreizehn (1) aufgeklärt. Sie schildern gemischte Gefühle, wobei negative Gefühle in allen Altersbereichen vorkam. Interessanterweise meinten die beiden Frühaufgeklärten, die im Alter von 11 und 13 aufgeklärt wurden, dass sie schon vorher eine Ahnung gehabt hätten.

„Ich hatte mit etwas schockierenderem gerechnet und war fast erleichtert. Der Wortlaut war in etwa: „Ja, und? Mein Papa ist doch trotzdem noch mein Papa, oder?“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Ich fand es spannend, habe gefragt warum sie mir das nicht schon früher gesagt haben. Ich wollte alles dazu wissen, was meine Eltern wussten, habe gleich viele Fragen zum Spender gestellt (…)“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Fassungslosigkeit, Enttäuschung, Wut, eine betäubendes Gefühl von Verletztheit“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Im Vordergrund stand bei mir in diesem Moment die Angst mein sozialer Vater hätte mich deshalb weniger lieb oder weniger lieb gehabt als z.B. meinen Bruder, der sein leibliches Kind war.“ – (aufgeklärt im Alter von neun)

„Laut meiner Mutter war ich wohl kurz sehr traurig darüber, nicht wissen zu können, wer mein genetischer Vater ist.“ – (aufgeklärt im Alter von sieben)

„Ich glaube, dass ich ein wenig schockiert war. (…) Außerdem fand ich es spannend, dass ich auf so besondere Weise entstanden bin. Und da ich ohne Geschwister aufgewachsen bin, mir aber immer welche gewünscht habe, fand ich auch den Gedanken schön, dass ich ja möglicherweise doch Geschwister haben könnte.“ – (aufgeklärt im Alter von dreizehn)

„Es hat mich schon irritiert aber eine Ahnung hatte ich schon vorher.“ – (aufgeklärt im Alter von 11)

Wenig Kommunikation mit Dritten über die Samenspende

Mit einer Ausnahme haben fast alle Frühaufgeklärten als Kinder nur mit wenigen Personen über die Samenspende gesprochen. Etwas mehr als die Hälfte, darunter alle sehr Frühaufgeklärten, berichtet, dass sie hierzu nicht das Bedürfnis verspürten oder sie dieses Bedürfnis erst später entdeckten. Teilweise wird dieses Verhalten rückwirkend jedoch als Verdrängung wahrgenommen.

„Ich habe nicht darüber gesprochen, weil ich es nicht als Problem sah, sondern als etwas ganz normales.“

„Ich habe bis ich erwachsen wurde nur mit meinen Eltern darüber gesprochen. Später habe ich es meinem Mann erzählt.“

„Nach dem Gespräch habe ich ganz lange gar nicht über das Thema nachgedacht. Die Beschäftigung damit kam dann erst in der Pubertät. Da dann zum einen in Form von ganz klassischen Fragen nach der Identität: Wer ist mein biologischer Vater? Wie sieht er aus? Was macht er? Was habe ich mit ihm gemeinsam? In der Zeit hatte ich dann auch das Bedürfnis mit anderen Menschen darüber zu sprechen.“

„Die ersten Jahre habe ich das Thema verdrängt. Erst in den letzten Jahren habe ich es geschafft diese „Vergangenheit“ zu akzeptieren und mich jemanden anzuvertrauen.“

„Das kam erst im erwachsenenalter mit 28/29, als ich mir das Thema mal genauer angeschaut habe. davor war viel Verdrängung im spiel bzw. auch zur Seite schieben nach dem Motto „ich kann ja eh nichts dran ändern“.

„Bei mir war es so, dass ich erst mit knapp 30 Jahren angefangen habe, mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, wer dieser Mann ist.“

Zwei Frühaufgeklärte, die zehn bzw. dreizehn bei der Aufklärung waren, wollten von Anfang an darüber reden, taten dies aber nicht, weil sie von ihren Eltern vermittelt bekommen hätten, dass es sich um ein Geheimnis handele, über das man nicht spreche, und das auch nicht ihnen allein gehört, sondern ihrer Familie, die sie nicht verraten dürften.

„Ich habe anderen davon erzählt, habe mir als Kind aber gut überlegt wem, weil mit klar war, dass ich damit nicht nur etwas über mich, sondern auch über meine Eltern preisgebe, von dem ich weiß, dass meine Eltern das nicht gegenüber allen Menschen möchten.“

Zwei Frühaufgeklärte, eine davon sehr frühaufgeklärt, schildern, dass sie von Anfang an bzw. später davon erzählen wollten, weil sie stolz waren bzw. es cool fanden, so entstanden zu sein.

„Wenn mein Vater mir peinlich war, hab ich immer schnell dazu gesagt, dass er nicht mein leiblicher Vater ist. Auch sonst, habe ich einfach nie ein Geheimnis daraus gemacht.“

Keine negativen Reaktionen, sondern höchstens Unverständnis

Keine der Frühaufgeklärten hat je dezidiert ablehnende oder negative Reaktionen erlebt, wenn sie Dritten von ihrer Zeugung durch Samenspende erzählt haben haben. Viele schildern, dass ihre Zeugungsart auf Überraschung oder Interesse stieß, aber auch, dass viele es nicht sonderlich aufregend fanden.

„Den meisten war es einfach ziemlich egal und kaum einer hat dazu noch Fragen gehabt.“

„Alle haben ähnlich reagiert wie ich, als ich es erfahren habe, fanden es auch mehr oder weniger spannend und konnten mein Interesse, zu wissen, wer der Spender ist, gut verstehen.“

„Ich habe nie eine ablehnende Haltung erlebt, alle waren interessiert und haben Fragen gestellt aber es war in Ordnung für sie.“

„Ablehnend hat niemand reagiert, einige waren überrascht und auch interessiert, einmal bekam ich als Reaktion, dass man mir das gar nicht ansehen oder anmerken würde, das fand ich dann schon verwirrend.“

Als negative Reaktionen empfanden jedoch einige Frühaufgeklärten, dass ihr Gegenüber sprachlos war oder unsensibel reagierte oder sie das Gefühl hatten, dass kein wirkliches Interesse bestand.

„Ich habe es ganz wenigen Personen erzählt, teilweise war es gut aber andererseits nicht immer positiv. Oft wissen die Personen nicht wie sie mit diesen Thema umgehen sollen, weil es eben ein Tabu ist.“

„Ich habe es dann mit ca. 22 meinem damaligen Freund erzählt, was nicht sooo ein tolles Erlebnis war, weil ich glaube, dass er nicht so richtig wusste wie er damit umgehen soll.“

Niemand hat je bereut, es erzählt zu haben, teilweise bestand nur die Sorge, dass die dritte Person es weiter erzählen könnte.

Bei diesen geschilderten negativen Reaktionen kommt es vermutlich darauf an, mit welcher Intention von der Zeugungsart berichtet wurde: wenn man das Gefühl hatte, damit etwas Wichtiges mitzuteilen, kann mangelndes Interesse oder Einfühlungsvermögen verletzend sein, nicht jedoch, wenn von der Zeugungsart beiläufig erzählt wird. Die Frühaufgeklärten, die mit dieser Mitteilung über ihre Zeugungsweise eine besondere Öffnung vornahmen, machten hierdurch jedoch auch positive Erfahrungen:

„Mit ca. 17 wollte ich es jemanden außerhalb der Familie erzählen. Das habe ich so mit meiner Mutter besprochen (…) (Der Gesprächspartner hat) damals in dem Gespräch sehr die Bedeutung der sozialen Familie betont. Aber nicht in so einer „soziale Familie zählt und damit abgehakt“ Weise, sondern schon sehr einfühlsam. Ich denke damals war es auch genau das, was ich gebraucht habe. Die Bestätigung, dass ich trotzdem zu unser Familie dazugehöre.“

„Die meisten Reaktionen haben mir sehr gut getan. Einfach schon die Tatsache, dass ich bei den Menschen keine Notlügen mehr erzählen muss, tut gut bzw. die Erfahrung, dass ich ganz offen darüber sprechen kann, wenn ein Gespräch Gedanken an dasThema bei mir auslöst.“

Das Verhalten der Eltern – „es muss ja nicht jeder wissen“

Das Verhalten der Eltern ist nach den Berichten unserer frühaufgeklärten Mitglieder sehr unterschiedlich. Lediglich eine der sehr Frühaufgeklärten wurde von ihrer Mutter explizit ermutigt, darüber zu sprechen. Sie tat dies jedoch aus eigener Entscheidung heraus zum Schutz vor schlechten Erfahrungen nicht. Zwei Frühaufgeklärte sagen, ihre Eltern hätten ihnen die Entscheidung überlassen, wem sie davon erzählen.

„Darüber reden durfte ich, meine Mutter hat kein Geheimnis daraus gemacht, es war nur erst komisch, mir stellte sich schon die Frage ob ich normal bin, in dem Alter konnte ich das nicht richtig einordnen.“

Drei Frühaufgeklärte schildern, dass ihre Eltern ihnen gesagt hätten, dass nicht jeder von der Samenspende wissen müsse. Zwei davon, beide sehr frühaufgeklärt, nahmen dies nicht als Einschränkung wahr.

„Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich meiner Freundin von meiner Zeugung erzählt hatte, erklärte sie mir, dass ich vielleicht nicht mit jedermann darüber sprechen sollte. Die Entscheidung darüber zu sprechen oder nicht war mir gelassen.“

„Meine Eltern haben mir erklärt, dass ich es nicht jedem erzählen soll, und es war in Ordnung für mich, da ja nicht alle so offen damit umgehen können. Bei mir in der Familie wussten es alle als ich klein war, nur meine Oma nicht, weil meine Eltern ihre Reaktion nicht einschätzen konnten.“

Die Dritte empfand diesen Zusatz jedoch als Einschränkung:

„Mir war klar, dass diese Einschränkung vor allem meine Eltern schützen sollte, insbesondere meinen Vater. Und ich habe das ernstgenommen. Erst später im Studium bin ich offener mit dem Thema umgegangen, als mein Umfeld meine Eltern in der Regel nicht kannte.“

Vier Frühaufgeklärte berichten, dass ihre Eltern trotz der Aufklärung die Samenspende als Geheimnis betrachteten und dass sie ohne Erlaubnis der Eltern nicht mit Dritten darüber reden durften. Dies führte dazu, dass auch innerhalb der Familie nicht offen darüber gesprochen wurde.

„Ich hatte schon total das Gefühl, dass es ein Geheimnis wäre – zwischen meiner Mutter und mir, ein Geheimnis der Familie – das ich auf keinen Fall einfach so ausplaudern dürfte. Erst recht nicht ohne vorher ihre „Erlaubnis“ dazu eingeholt zu haben.“

„Meine Mutter war sehr darauf bedacht, dass es geheim bleibt. Wir haben leider auch innerhalb der Familie nicht offen darüber gesprochen. (…) Meine Eltern waren vermutlich selbst sehr unsicher im Umgang mit dem Thema.“

„Mir ist das Thema einmal meinem Onkel gegenüber rausgerutscht, ich glaube ich habe etwas in der Art gesagt wie „das ist nicht mein Papa, ich bin durch eine Samenspende entstanden“, so oder so ähnlich. Jedenfalls habe ich es als ganz natürlich angesehen (als Kind) und wollte auch damit normal umgehen. Kassiert habe ich einen bösen Blick meiner Mutter, der mir symbolisiert hat, dass ich da gerade etwas gesagt habe, über das man nicht spricht. Danach habe ich lange Zeit nie wieder darüber gesprochen, weil ich dadurch – ich glaube die Reaktion von ihr war ein Schlüsselerlebnis – dachte, es sei etwas Abartiges, über das man nicht sprechen dürfe.“

Retrospektive

Sechs der Frühaufgeklärten, darunter aber keine der sehr Frühaufgeklärten, wünschen sich rückblickend eine Aufklärung in noch früherem Alter und mehr Offenheit in der Familie mit der Samenspende.

„Im Nachhinein würde ich schon sagen, dass die Aufklärung zu spät war und es meiner Entwicklung gut getan hätte, wenn ich es schon immer gewusst hätte.“

Sie empfinden es als positiv, früh aufgeklärt worden zu sein, fühlten sich aber dennoch mit einem impliziten Schweigegebot belastet oder mit der Nachricht allein gelassen.

„Ich hätte es fairer gefunden, wenn meine Eltern selbst offen zu ihrer Entscheidung und der Unfruchtbarkeit meines Vaters gestanden hätten und mir tatsächlich und ohne indirektes Schweigegebot überlassen hätten, damit umzugehen wie, und darüber zu reden mit wem ich möchte. Psychologisch betrachtet haben sie mich mit ihrer Offenheit einerseits und dem Schweigegebot andererseits in einen Loyalitätskonflikt zwischen meinen und ihren Bedürfnissen gebracht. Man könnte es auch als Parentifizierung verstehen, wenn durch die Aufklärung ein Elternteil plötzlich schutz- und schonungsbedürftig durch das Kind wird. Diese Rolle habe ich meinem Vater gegenüber auf jeden Fall inne (und hatte ich auch als Kind) und das finde ich nicht gut.“

„Es zeigt (.) wie empfänglich Kinder für die ungeschriebenen Gesetze der Geheimhaltung von Familiengeheimnissen sind. Ich habe jetzt erst das Gefühl selbstständig mit dem Thema umzugehen. Das Gefühl, dass es „mein“ Thema ist und nicht das meiner Mutter und das ich damit umgehen kann wie ich will bzw. wie es mir gut tut.“

„Rückblickend bin ich hier sehr wütend gewesen, auf diese Tabuisierung, weil ich glaube, es hätte mir sehr gut getan, darüber zu sprechen. Vielleicht auch an die Hand genommen zu werden, und bewusst motiviert werden, mich damit auseinander setzen. Ich weiß, meine Mutter hätte mir immer Antworten gegeben, wenn ich gefragt hätte oder was wissen wollte. Aber es wäre doch schön gewesen, wenn sie es gewesen wäre, die mich hier an die Hand nimmt und in der Phase der „Realisation“ begleitet. Und dazu gehört auch, dass das Thema in der Familien präsent gehalten wird, dass man darüber spricht, vielleicht auch andere Gleichgesinnte ausfindig macht, trifft. Das hätte mir sicherlich viele schwere Phasen im Erwachsenenalter erspart.“

„Ich denke, es ist auch sehr wichtig, dass man als Kind selbst entscheiden kann ob es ein Geheimnis bleibt oder nicht. Denn man selbst muss damit umgehen können, man selbst hat Vorrang vor den Anliegen der Eltern.“

„Eigentlich finde ich schon allein die Befürchtung von Eltern bedenklich, „dass die Kinder bei einer frühen Aufklärung im Kleinkindalter zu vielen anderen davon erzählen und dann abgelehnt werden.“ Meines Erachtens sollten die Eltern ihren Kindern vermitteln können, dass ihre Entstehung völlig ok ist. Dafür ist ein offener Umgang mit dem Thema wichtig und der sollte eben auch einschließen, dass es ok ist mit anderen darüber zu sprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Ablehnung erfährt (weil es Mitschüler/innen davon erzählt, dass es durch eine Samenspende entstanden ist), ist aus meiner Sicht geringer, wenn das Kind ganz selbstbewusst damit umgehen kann und auch neugierige Frage zu diesem Thema selbstsicher beantworten kann.(…) Ich denke die Eltern können hier wählen, welches das geringere Übel ist:
1) Riskieren, dass ihr Kind die eigene Entstehung niemals als ganz normal empfindet (und im schlimmsten Fall sein Leben lang darunter leidet), indem sie ihm möglichst spät davon erzählen, wie es entstanden ist. So können sie sicherstellen, dass ihr Kind niemanden von diesem Thema erzählt.
2) Dem Kind einen entspannten Umgang mit dem Thema ermöglichen und dabei das Risiko eingehen, dass es eventuell Ablehnung erfahren könnte. Ablehnung kann es auch aus vielen anderen Gründen erfahren, bspw. weil es die falschen Schuhe trägt oder nicht so gut (oder besser) lesen oder rechnen kann als die anderen Kinder. Eltern können ihr Kind aus meiner Sicht vor solcher Ablehnung nicht vollständig beschützen. Sie können nur versuchen ihr Kind möglichst selbstbewusst zu erziehen.“

Fazit

Die von manchen Eltern geäußerten Befürchtungen, frühaufgeklärte Kinder könnten mit zu vielen Personen außerhalb der Familie über die Samenspende sprechen und auf Ablehnung stoßen, werden durch die Erfahrungen unserer frühaufgeklärten Mitglieder nicht gestützt. Fast alle Frühaufgeklärten, auch die im sehr jungen Alter aufgeklärten, haben nur mit wenigen über ihre Zeugung durch Samenspende gesprochen. Auf explizite Ablehnung ist niemand gestoßen, als negativ wurde nur mangelndes Einfühlungsvermögen oder Desinteresse geschildert.

Bedenklich ist aber, dass mindestens die Hälfte der frühaufgeklärten Mitglieder den Wunsch der Eltern, darüber nicht mit jedem zu sprechen, als implizites Schweigegebot oder sogar als Tabuisierung empfunden hat, der sie in ihrem Umgang mit ihrer Zeugungsart beeinträchtigt hat. Das zeigt, wie empfänglich Kinder für die ungeschriebenen Gesetze der Geheimhaltung von Familiengeheimnissen sind, und das aufklärende Eltern sich bewusst sein sollten, dass sie ein solches Geheimhaltungsgebot möglicherweise – bewusst oder unbewusst – übermitteln. Interessanterweise hat keine der sehr Frühaufgeklärten ein Schweigegebot wahrgenommen – vielleicht, weil diese Eltern aufgrund der sehr frühen Aufklärung tatsächlich offen mit dem Thema umgingen.

Deutlich wird, dass frühe Aufklärung nicht mit einem offenen Umgang mit der Samenspende gleichzusetzen ist. Dieser findet noch nicht allein dadurch statt, dass die Eltern einmalig mit ihrem Kind darüber sprechen, wie es entstanden ist. Viele unserer Mitglieder wünschen sich rückblickend einen offeneren Umgang mit der Samenspende derart, dass Eltern dem Kind auch nach der Aufklärung des Gefühl vermitteln, dass sie sich mit Fragen über das Thema an sie wenden und darüber mit anderen sprechen können oder dass sie das Kind aktiv dazu motivieren, sich mit der Samenspende auseinander zu setzen.

Dagegen fühlte sich keine unserer Frühaufgeklärten zu früh aufgeklärt, zu viel Offenheit ausgesetzt oder von den Eltern nicht genügend vor möglichen negative Reaktionen Dritter geschützt. Eltern sollten sich daher überlegen, ob sie mit der Idee, dass es nicht jeder wissen muss, wirklich ihr Kind vor negativen Reaktionen schützen möchten, oder ob dahinter nicht doch versteckt der Wunsch steht, sich selbst und insbesondere den sozialen Vater zu schützen oder zu entlasten. Auf jeden Fall sollten sie vorsichtig sein, ihrem Kind nicht ein Schweigegebot oder sogar eine Tabuisierung des Themas implizit zu vermitteln, dass ähnlich belastend wirken kann wie eine späte Aufklärung im Erwachsenenalter.

Die Position des Vereins Spenderkinder zu Eizellspende

Immer wieder vergleichen Medienberichte die in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verbotene Eizellspende mit Samenspenden und stellen das Verbot als unfaire Ungleichbehandlung dar. Auch bei der diesjährigen Tagung des Ethikrats wird das Verbot der Eizellspende (neben Leihmutterschaft) diskutiert werden. Aber ist eine Eizellspende wirklich mit einer Samenspende vergleichbar? Aus unserer Sicht sprechen gute Gründe für die Beibehaltung des Verbots. Sollte Eizellspende in Deutschland trotzdem zugelassen werden, dann nur unter umfangreichen begleitenden Regelungen in einem Fortpflanzungsmedizingesetz.

Gesetzgeber möchte mit Verbot gespaltene Mutterschaft verhindern

Nach der Begründung des Embryonenschutzgesetzes aus dem Jahr 1989 (Bundestags-Drucksache11/5460) soll mit dem Verbot der Eizellspende eine Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische Mutter – die Eizellspenderin – und eine austragende Mutter verhindert werden. Der Gesetzgeber befürchtet, dass diese gespaltene Mutterschaft zu besonderen Schwierigkeiten bei der Selbstfindung des Kindes führt und negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung hat, weil dieses entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zur austragenden Mutter geprägt wird.

Unterschiede zur Samenspende

Einige unserer Mitglieder können diesen Grund gut nachvollziehen. Der Unterschied zur Samenspende ist, dass das Kind bei einer Eizellspende genetisch von der einen Mutter abstammt, während die andere Mutter durch das Austragen ganz existenziell dazu beigetragen hat, dass sich der Embryo zu einem ausgewachsenen Menschen entwickelt. Beide Mütter übernehmen also biologische, existenzielle Komponenten, während bei der Samenspende die Aufteilung in biologisch und sozial klar ist. Diese Aufspaltung empfinden einige von uns als deutliche Herausforderung für das Selbstbild. Diese könnte noch schwieriger dadurch werden, dass die Bindung zur Mutter eine andere als zum Vater ist.

Auch halten einige von uns die Eizellspende für schwieriger, weil sie künstlicher als eine Samenspende ist. Bei der Samenspende hat die Mutter ein Kind mit einem anderen Mann (wenn auch ohne sexuellen Akt), während bei der Eizellspende die Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wird, wo sie auf natürlichem Wege nicht herangewachsen wäre.

Andere Mitglieder von Spenderkinder sehen die gespaltene Mutterschaft bei einer Eizellspende nicht grundsätzlich als Problem, so lange die Eltern – wie sie es bei der Samenspende sollten – von Anfang an offen mit dieser Entstehungsweise umgehen und die Eizellspenderin gegenüber dem Kind nicht anonym ist.

Kommerzialisierung als besonderes Problem der Eizellspende

Ein weiterer sehr bedenklicher Aspekt bei der Eizellspende ist jedoch die mögliche Kommerzialisierung. Die Entnahme von Eizellen ist ein nicht ungefährlicher medizinischer Eingriff, der eine belastende Hormonbehandlung zur Stimulierung der Eierstöcke und eine Entnahme unter Narkose erfordert. Die Hormonbehandlung kann in Extremfällen zu Nierenversagen und Thrombosen führen. In Spanien beträgt die „Aufwandsentschädigung“ für eine Eizellspende wegen dieser Risiken daher etwa 900 Euro. Eine solche Summe ist finanziell stark motivierend und stellt eigentlich keine Spende mehr dar. Für die „Spenderin“ kann die Inaussichtstellung einer solchen Summe dazu führen, dass sie nicht an die Folgen ihrer Spende (die Zeugung eines Kindes, das sie möglicherweise einmal kennenlernen möchte) und die Gefahren für ihren eigenen Körper denkt. Für uns Spenderkinder ist die Vorstellung außerdem belastend, dass unsere genetischen Eltern ihre Samen- oder Eizellen nur aufgrund des Geldes „gespendet“ haben.

Fortpflanzungstourismus kein Argument für Zulassung in Deutschland

Das Argument, nur bei einer Zulassung der Eizellspende in Deutschland könnte das Recht der betroffenen Kinder auf Kenntnis ihrerAbstammung gewahrt werden, weil deutsche Frauen dann keine zwingend anonymen Eizellspenden in Tschechien und Spanien mehr in Anspruch nehmen müssen, finden wir dagegen nicht überzeugend. Der Verstoß gegen ein Verbot kann nicht dazu führen, dass man diese Handlung erlaubt. Auch hat ein Verbot die Wirkung, dass die Betroffenen zumindest über den Grund des Verbots nachdenken und für die Umgehung einen deutlich höheren Aufwand betreiben müssen. Im Übrigen könnte der Reproduktionstourismus von Deutschland aus auch eingedämmt werden, indem das Verbot der ärztlichen Vermittlung stärker durchgesetzt wird und die Werbung von tschechischen und spanischen Kliniken über Internet-Suchmaschinen in Deutschland untersagt wird.

Wenn überhaupt, Zulassung in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen

Wenn Eizellspenden in Deutschland trotz dieser Bedenken zugelassen werden sollte, dann nur unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Um die Fehler nicht zu wiederholen, die bei der Samenspende gemacht wurden, kann das Verfahren nicht einfach zugelassen werden, sondern muss von umfassenden Regelungen im Rahmen eines Fortpflanzungsgesetzes begleitet werden.
  • In diesem sollten die Forderungen umgesetzt werden, die wir für Samenspenden aufgestellt haben, insbesondere die Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung durch Eintragung der Spender in die Geburtsurkunde oder in einem unabhängigen Zentralregister, und eine vorherige verpflichtende Beratung für die Empfängerin.
  • Zur Verhinderung der Kommerzialisierung der Eizellspende sollten nur unentgeltliche Eizellspenden zugelassen werden. So könnten zum Beispiel Frauen, denen Eizellen für eine In-vitro-Fertilisation entnommen werden, überzählige Eizellen spenden. Entsprechend der Regelungen bei Organspenden könnten außerdem Spenden von Verwandten und engen Freunden erlaubt werden, wenn diese über die möglichen emotionalen Komplikationen aufgeklärt wurden.
  • Da Frauen – anders als Männer – natürlich nur bis zu einem bestimmten Alter schwanger werden können, sollte eine Altersgrenze für die Empfängerinnen festgelegt werden, um die Zeugung so natürlich wie möglich zu halten. Eine Eizellspende sollte außerdem nicht nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Familienplanung zu lange aufgeschoben wurde.
  • Eine Kombination von Eizell- und Samenspenden (fälschlicherweise teilweise als Embryonenspende bezeichnet) muss verboten werden. Kein Kind sollte zwei Spender als Eltern haben, die sich noch nicht einmal kannten, weil diese vollkommen künstliche Erzeugung sehr hohe Anforderungen an die Selbstfindung stellt.
  • Werbung für anonyme Eizellspenden, wie sie im Moment zum Beispiel bei der Eingabe des Suchworts „Eizellspende“ bei Internet-Suchmaschinen erscheint, sollte verboten werden.

Neuer Vorstand

Spenderkinder hat gerade einen neuen, leicht erweiterten Vorstand gewählt. Bestätigt wurden Sarah als Vorständin und Babett als Stellvertreterin. Neu sind Leni für Mitgliedschaft, Anne für Öffentlichkeitsarbeit und ich für Rechtliches. Der Vorstand wird jedes Jahr neu gewählt.

2 Beiträge mit uns auf SWR2 Tandem am Donnerstag, 16. Januar 2013

Am Donnerstag, dem 16. Januar 2013 werden zwei Beiträge mit Mitgliedern unseres Vereins auf SWR2 Tandem gesendet.

Den Auftakt macht von 10:05 bis 10:30 Spenderkinder-Mitglied Clara in der Sendung „Vater unbekannt“ von Eva Lauterbach. „Clara ist 26 und schwanger, als sie die Umstände ihrer eigenen Zeugung erfährt: anonyme Samenspende. Der Schock über diese Tatsache, die ihr die Mutter in einem Café eröffnet, geht tief. „Was ist noch alles nicht wahr?“, fragt sie sich spontan.“ Es gibt einen Mitschnitt und ein Manuskript der Sendung.

Von 19:20 bis 20:00 ist Spenderkinder-Mitglied Stina im Gespräch mit Roland Wagner bei „Hörer Live„. Zuhörer können unter 07221-2000 oder per email an diskussion.tandem@swr.de Gedanken zum Thema äußern oder von eigenen Erfahrungen berichten. Man kann sich auch einen Mitschnitt der Sendung anhören.

Vortrag auf dem Symposium in Erlangen: Ein Recht auf Identität

Hier endlich der Vortrag, den ich am 22. November 2013 auf dem Symposium in Erlangen gehalten habe. Er wird im Frühjahr des Jahres auch in einem Reader zusammen mit den Vorträgen der anderen Referenten erscheinen. Sobald der Reader draußen ist, werden wir darauf natürlich noch einmal hinweisen.

Spenderkinder – ein Recht auf Identität

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich stehe hier vor Ihnen als Vertreterin des Vereins Spenderkinder, einer Interessenvertretung von durch Samenspende gezeugten Menschen. Zu meinem Hintergrund: ich bin 33 Jahre alt – sieben davon weiß ich, dass ich durch eine Samenspende an der Universitätsklinik Essen gezeugt wurde. Von der Ausbildung her bin ich Juristin und Politikwissenschaftlerin und wohne in Berlin. Auf der Internetseite unseres Vereins schreibe ich unter meinem Spitznamen Stina.

Als Vorbereitung für diesen Vortrag hat Herr Dr. Hammel mir mit auf den Weg gegeben, dass etwa 50 Reproduktionsmediziner anwesend sein werden, die mehrheitlich noch nie ein Spenderkind gesehen, geschweige denn mit ihm gesprochen haben. Insofern möchte ich mich ganz herzlich für die Gelegenheit bedanken, vor einer so relevanten Zielgruppe als unmittelbar Betroffene unsere Sicht auf Familiengründung mit Samenspenden darstellen zu können.

Jetzt sehen sie mich und stelle wahrscheinlich 3 Dinge fest: ich sehe ganz normal aus, habe keine zwei Köpfe, und ich bin eindeutig kein Kind mehr, sondern werde selbst bald Mutter. Das zeigt, dass wir Wunschkinder keine Kinder bleiben, sondern uns zu Erwachsenen mit eigenen Interessen entwickeln. Dazu gehört: wer bin ich – von wem stamme ich ab. Daher haben wir diesen Vortragstitel gewählt – ein Recht auf Identität.

Ich möchte Ihnen in diesem Vortrag die Arbeit unseres Verein vorstellen, und zwar folgendermaßen: ich werde ihnen zuerst ein paar Basisinformationen über unseren Verein und unsere Arbeitsbereiche geben. Dann möchte ich Ihnen fünf Grundaussagen vorstellen, die uns Spenderkindern in der Diskussion über Familiengründung mit Samenspende wichtig sind und die unseren Forderungen – die sie auf unserer Internetseite und in unserer Kurzdarstellung nachlesen können – zugrunde liegen. Diese sind:

1. Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil menschlicher Identität und ein Grundrecht.
2. Spenderkinder wurden um einen Teil ihrer Identität gebracht.
3. Reproduktionsmediziner tragen Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien und Menschen.
4. Spenderkinder-Familien sind keine ganz normalen Familien.
5. Auch der Samenspender trägt eine gewisse Verantwortung.

Zuletzt werde ich ein kurzes Fazit ziehen.

I. Der Verein Spenderkinder

Wir sind eine Interessenvertretung von durch Samenspende gezeugten Menschen in Deutschland und haben uns 2009 als nicht eingetragener Verein gegründet. In den zwei Jahren davor gab es uns bereits als losen Zusammenschluss, aber ohne rechtliche Organisation. Kennengelernt haben wir uns vor allem über die Internetseite www.spenderkinder.de.

Die Organisation als Verein bedeutet, dass wir nach innen demokratische Strukturen besitzen, einen gewählten Vorstand haben, wichtige Entscheidungen abstimmen und dass wir uns mindestens einmal jährlich persönlich treffen. Wir haben inzwischen über 50 Mitglieder zwischen 18 und 48 Jahren.

Manche finden unseren Vereinsnamen Spenderkinder etwas irreführend, weil wir alle erwachsen sind. Viele von uns stehen schon mitten im Berufsleben und sind selbst Eltern. Auf Englisch heißen Menschen wie wir „donor offspring“ oder „donor conceived. Hierfür gibt es leider keine entsprechenden deutschen Begriffe, und „Menschen die durch Samenspende gezeugt wurden“ klingt auf Dauer doch recht umständlich. Aber alle Menschen sind in der Beziehung zu ihren Eltern – wozu wir auch unseren genetischen Vater, den Samenspender zählen – ein Leben lang „Kinder“. Und genau um diese Beziehung zu dem Spender geht es uns bei diesem Namen. Er entspricht außerdem dem Namen unserer belgischen und niederländischen Pendants: donorkind.

Die Arbeit unseres Vereins erstreckt sich hauptsächlich auf drei Bereiche:

1. Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung

Zuerst möchten wir die Öffentlichkeit über eine Familiengründung mit Samenspende aus Sicht der hierdurch entstandenen Menschen, der unmittelbar Betroffenen, informieren. Eine der prägenden Erfahrungen für viele von uns war, dass bis vor einigen Jahren die Perspektive der Spenderkinder selbst nicht präsent war. Wir nehmen wahr, dass sich die Öffentlichkeit viel stärker mit Paaren mit Zeugungsproblemen identifizieren können – was vielleicht auch daran liegt, dass die Öffentlichkeit zum Großteil aus Erwachsenen besteht, die ebenfalls an eine Familiengründung denken oder diese hinter sich haben. Dadurch bedingt werden Kinder oft nur als Ziel und Ergebnis der Wunscherfüllung wahrgenommen. Dementsprechend werben die meisten Reproduktionskliniken mit niedlichen lachenden Babys. Zu diesem Zeitpunkt ist das Kind als Ziel präsent, nicht aber der erwachsene Mensch, der es einmal wird, mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen.

Wir möchten daher Eltern, Ärzte und Spender dafür sensibilisieren, dass das Wissen um die genetische Abstammung wichtiger Teil der Identität von uns Spenderkindern ist – genau wie bei Adoptierten. Eltern möchten wir dazu ermutigen, ihre Kinder früh über ihre Entstehung durch eine Samenspende aufzuklären.

Das machen wir vor allem über unsere Internetseite, über die Mitwirkung an Medienberichten und auch über die Beratung per Email, da es einige Eltern gibt, die sich mit Fragen an uns wenden.

2. Lobbyarbeit

Der zweite Teil unserer Arbeit ist die klassische Lobbyarbeit – die Forderung von Änderungen, die unserer Ansicht nach im deutschen Recht erforderlich sind, um die Rechte von Spenderkindern zu schützen. Hierzu zählt insbesondere die Freistellung des Spenders von Unterhalts- und Erbansprüchen, aber auch eine verpflichtende Beratung der Eltern vor Inanspruchnahme einer Samenspende und eine stärkere Regulierung von Samenbanken und Ärzten bei der Dokumentation und Spenderauswahl, zum Beispiel bei der Zahl der durch einen Spender gezeugten Kinder.

3. Kontakt

Der letzte Teil unserer Arbeit ist die Förderung von Kontakt unter uns Spenderkindern. Wir tauschen Erfahrungen aus und suchen nach Halbgeschwistern und unserem Spender über den genetischen Test Family Finder einer US-amerikanischen Firma. Das machen wir auch international und vertiefen im Moment insbesondere die Kooperation zwischen Spenderkindern auf europäischer Ebene.
II. Was ist aus Perspektive der Spenderkinder wichtig?

Damit komme ich zum zweiten Teil meines Vortrags, nämlich den Grundaussagen, die aus der Perspektive von uns Spenderkindern wichtig sind.

1. Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil menschlicher Identität und ein Grundrecht

Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil menschlicher Identität und ein Grundrecht. Dieses Grundrecht gilt für alle – auch für Spenderkinder.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1988 ausdrücklich festgestellt, dass jeder Mensch das Recht auf Kenntnis über erlangbare Informationen über seine Abstammung hat.1 Dies war aber bereits seit den 60er Jahren herrschende juristische Meinung.2 Von diesem Rechtsanspruch abgesehen ist es Teil unserer persönlichen Geschichte und damit unserer Identität, durch eine Samenspende und damit eine dritte Person außerhalb der Beziehung unserer Eltern entstanden zu sein.

Oft wird uns entgegengehalten, dass doch die soziale Familie wesentlich wichtiger für die Entwick­ lung der eigenen Persönlichkeit sei. Wir möchten soziale und genetische Verwandtschaft nicht gegeneinander aufwiegen. Unsere Eltern sind unsere Eltern, egal ob wir genetisch verwandt sind. Keines unserer Mitglieder würde sagen, dass allein die genetische Verwandtschaft entscheidend ist. Aber wir haben das Gefühl, dass sie auch wichtig ist und dass sie zu uns gehört, und dass uns durch das Unwissen um die genetische Herkunft ein Teil unserer persönlichen Identität fehlt. Dieses Wissen über die genetische Herkunft ist für die meisten Menschen selbstverständlich. Sie wachsen damit auf, müssen es nie hinterfragen und sind sich daher der grundlegenden Bedeutung nicht bewusst.

Das Wissen um die genetische Abstammung ist Teil der Identität.3 Das zeigt sich auch auf der Ebene der Eltern. Aus diesem Grund – Bewahrung der genetischen Verwandtschaft – möchten viele Menschen auch möglichst gerne ein genetisch eigenes Kind bekommen. Und Reproduktionskliniken bemühen sich, diesen Wunsch zu erfüllen. Zur Not auch mit einer Samenspende, damit wenigstens ein Elternteil mit dem Kind genetisch verwandt ist. Und aus diesem Grund bekommt man im Krankenhaus nach der Geburt auch nicht irgendein Kind mitgegeben, sondern das Eigene. Für mich ist das immer noch der am schwierigsten nachvollziehbare Teil in der öffentlichen Debatte der Samenspende: dass der Wunsch von Eltern nach einem teilweise genetisch eigenen Kind als so selbstverständlich akzeptiert wird, der Wunsch der durch Samenspende gezeugten Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung, der doch auf dem gleichen Grundverständnis der Bedeutung von genetischer Abstammung für ein Individuum resultiert, so wenig.4

Die Bedeutung der genetischen Verwandtschaft setzt sich bei der Kindesentwicklung fort: Kinder werden von ihrer Geburt an ständig auf Ähnlichkeit zu ihrer näheren und entfernteren Verwandtschaft abgeglichen. Jeder von uns hat sicherlich schon einmal Sprüche gehört wie: Das hast Du von Papa, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm oder Вlut ist dicker als Wasser. Bei all diesen Sprüchen fragen wir Spenderkinder uns jedoch: von wem haben wir das wirklich? Wer ist dieser andere Mann?

Kein Mitglied unseres Vereins möchte mit dem Spender den sozialen Vater ersetzen. Beide gehören zu uns, beide haben einen Platz im Familiengefüge und wir möchten deshalb auch beide kennen. Uns ist bewusst, dass genetische Verwandtschaft die Erfahrungen und Erlebnisse nicht ersetzen kann, miteinander aufzuwachsen. Der Spender und wir sind uns erst einmal fremd. Das schließt aber nicht aus, dass man sich trotzdem ähnlich ist oder gut versteht. Das kann so sein, muss aber nicht. Manchmal werden wir gefragt, ob wir den Spender auch kennenlernen wollten, wenn er ganz anders ist, als wir ihn uns vielleicht vorstellen. Das beinhaltet zwei falsche Annahmen: das wir uns überhaupt Vorstellungen machen, und dass wir eine Art idealen Vater finden möchten. Es geht uns aber darum, diesen Teil von uns in unser Selbstverständnis zu integrieren – egal wie der Spender ist. Die in den Medien vielbeschworenen Unterhaltsansprüche spielen dabei für die Spenderkinder, die ich kenne, überhaupt gar keine Rolle. Aus diesem Grund setzen wir uns auch für die rechtliche Absicherung der Spender ein.

Weil dieses Wissen so grundlegend für unser Selbstverständnis ist, halten wir es für sehr wichtig, dass Eltern ihre Kinder so früh wie möglich über eine Zeugung durch Samenspende aufklären. Es gibt Schätzungen, dass nur etwa 5 bis 10 Prozent der Eltern, die ihre Kinder mit einer Samenspende bekommen, diese tatsächlich hierüber aufklären. Genau weiß man dies aber natürlich nicht, da allgemein noch nicht einmal Daten vorhanden sind, wie viele Kinder in Deutschland tatsächlich durch eine Samenspende entstanden sind. Bei einer späten Aufklärung oder einer zufälligen Entdeckung droht ein Vertrauensbruch.5 Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass es ein sehr schmerzhafter, teilweise stark belastender Prozess sein kann, etwas so wichtiges wie die Abstammung im Erwachsenenalter noch revidieren zu müssen.6

Noch schmerzhafter wird er dadurch, dass die Menschen, die uns so verletzen, diejenigen sind, denen wir vorher vertraut haben: die eigenen Eltern. Diese Erfahrung eines Vertrauensbruchs haben zum Glück nicht alle Mitglieder unseres Vereins machen müssen, da einige bereits im Kindesalter von ihrer Zeugung durch eine Samenspende erfahren haben. Aber auch sie möchten wissen, von wem sie abstammen.7

Die Problematik der späten Aufklärung ist aus dem Bereich der Adoption gut bekannt.8 Dort ist die Aufklärungsrate in Deutschland mittlerweile mit geschätzten 90 Prozent deutlich höher – wahrscheinlich deswegen, weil die genetischen Eltern in einem amtlichen Dokument, dem Geburtenregister, festgehalten werden.9

2. Spenderkinder wurden in Deutschland rechtswidrig um einen Teil ihrer Identität gebracht

Fast alle Spenderkinder, die von der Klinik oder dem Arzt ihrer Eltern mehr über ihre Abstammung erfahren wollten, haben dieselbe Erfahrung machen müssen: Die Ärzte unserer Eltern behaupten, dass der Spender ein Recht auf Anonymität habe und dass die Daten wegen einer angeblichen Mindestaufbewahrungsdauer von 10 Jahren nicht mehr vorhanden seien. Persönliche Erinnerungen seien nach so langer Zeit natürlich nicht mehr vorhanden.

Wie fühlt man sich, wenn man erfährt, dass man ein Recht hat, dieses aber bereits faktisch zunichte gemacht wurde, als man selbst 9 Jahre alt war? Um es höflich auszudrücken: man fühlt sich in seinen Rechten missachtet und bevormundet.

Wir hören bis heute von vielen Ärzten, dass es eine ausdrückliche Aufbewahrungspflicht für Daten zu Samenspenden erst seit 2007 gibt. Das Recht auf Kenntnis der Abstammung sei auch erst 1988 festgestellt worden und dessen Reichweite außerdem unklar. Dazu kann ich auch als Juristin nur sagen: das ist rechtlich nicht haltbar.

Bis zum Jahr 1970 galt eine Samenspende in Deutschland durch Ärzte als standeswidrig. Das bedeutete, dass einem Arzt bei Zuwiderhandlung die Arztzulassung entzogen werden konnte. Dies wurde dann 1970 durch die Bundesärztekammer revidiert. Allerdings wurde in dem Beschluss der Ärztekammer darauf hingewiesen, dass Ärzte den betroffenen Kindern die Identität der Spender schon aus familienrechtlichen Gründen nennen müssen. Daher seien anonyme Spenden nicht erlaubt.10 Gleichzeitig wiesen, die damaligen Muster-Berufsordnungen der Ärzte auch darauf hin, dass Behandlungsdaten länger als 10 Jahre aufbewahrt werden müssen, wenn dies die ärztliche Erfahrung nahelegt.11

Trotz dieser Regelungen entschieden sich die Ärzte unserer Eltern, den Spendern vertraglich Anonymität zuzusichern und auch unseren Eltern eine entsprechende – rechtswidrige – Erklärung abzuverlangen.12

Dabei hören wir Geschichten, weswegen die Daten entweder nicht aufbewahrt werden mussten und was mit ihnen angeblich passiert ist: das reicht von einem Wasserrohrbruch zu einem Brand oder einer Aktenvernichtung wegen Selbstmordgedanken. Es fällt uns schwer, diese Geschichten zu glauben. Fast alle von uns müssen sich aber bis heute damit arrangieren, eine Lücke in ihrem Selbstverständnis zu akzeptieren.

Was wir von den Ärzten unserer Eltern jedoch bisher nie gehört haben, ist eine ernsthafte Entschuldigung dafür, dass unseren Interessen in der Vergangenheit so wenig Rechnung getragen wurde. Stattdessen wird uns entgegnet, dass der Spender ein Recht auf Anonymität habe und dass wir für unsere Existenz dankbar sein sollten. Das empfinden wir als Anmaßung.13

Aufgrund dieser Erfahrungen habe ich viel Hochachtung vor der Samenbank Erlangen, die von der Gründung an versucht hat, die Interessen der Kinder stärker zu berücksichtigen. Die Tatsache, dass sie Samenspender finden, obwohl sie keine Anonymität zusichern, zeigt dass die Anonymität von Samenspenden noch nie die Erfolgsbedingung war. Hierfür sprechen auch die Erfahrungen aus verschiedenen anderen europäischen Ländern wie Schweden, Großbritannien, den Niederlanden, die Schweiz und Österreich, die anonyme Samenspenden schon längst ausdrücklich verboten haben.14

3. Reproduktionsmediziner tragen eine Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien und Menschen

Das bringt mich zum nächsten Punkt: Auch Reproduktionsmediziner tragen eine Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien und Menschen. Diese wurde in der Vergangenheit nicht immer wahrgenommen. Teilweise wurde sie sogar ins Gegenteil umgekehrt, wenn Ärzte den Paaren die Geheimhaltung der Samenspende gegenüber ihren Kindern empfahlen.

Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch befinden sich in einer emotional sehr schwierigen Situation – oft stellt eine Samenspende für sie die letzte Möglichkeit dar, doch noch ein Kind zu bekommen. Dazu kommt die Belastung durch Unfruchtbarkeit. Daher sind viele Paare in dieser Situation nicht in der Lage, über ihren Kinderwunsch hinaus an die Auswirkungen ihrer Entscheidung für ihre zukünftigen Kinder zu denken. Sie brauchen daher Beratung – und der die Samenspende durchführende Arzt ist der nächste Ansprechpartner. Die Eltern vertrauen ihm oft deswegen haben seine Ratschläge Auswirkungen auf ihr Verhalten.15

Meine Eltern sagten mir, dass es für sie ein langsamer Erkenntnisprozess war, zu der Feststellung zu gelangen, dass ich von der Art meiner Zeugung wissen sollte. Ausdrücklich dazu geraten haben ihnen die damals behandelnden Ärzte nicht. Sie wurden mit ihrer Entscheidung nach der Samenspende alleine gelassen. Das wird dieser Form der Familiengründung nicht gerecht. Leider gibt es bis heute Reproduktionsmediziner, die ausdrücklich vertreten, man sollte vor den Kindern die Zeugung durch Samenspende geheim halten, gerne begleitet durch den Zusatz: sie wollen doch schnell eine ganz normale Familie werden.16 Damit nehmen Sie ihre Verantwortung für die mit ihrer Hilfe entstehenden Familien nicht wahr, schaden der entstehenden Familie und verletzen die Rechte der Kinder.17 Das Verschweigen ist auch für die Eltern oft schwierig. Manche berichten von jahrelangen Gewissensbissen gegenüber ihren Kindern.18

Wir wünschen uns, dass Reproduktionsmediziner, die Samenspenden anbieten, die damit verbundene Verantwortung ernst nehmen. Das bedeutet, dass sie Eltern mit auf den Weg geben sollten, dass die Person des Spenders für ihr Kind einmal Bedeutung erlangen könnte. Sie sollten ihnen zu einer frühen Aufklärung raten, um das Kind nicht zu bevormunden und eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu ermöglichen. Sie sollten sie außerdem bestärken, dass Ehrlichkeit und Offenheit entscheidend zu einem langfristig guten Familienklima beitragen. Gleichzeitig könnten sie die Eltern beruhigen, dass eine enge soziale Bindung auch durch die genetische Verwandtschaft zum Spender nicht in Frage gestellt werden wird. Sie sollten aber betonen, dass eine soziale Bindung anders als bei biologischer Verwandtschaft aktiv hergestellt werden.

4. Spenderkinder-Familien sind keine ganz normalen Familien

Das knüpft wieder an den nächsten Aspekt an, der uns wichtig ist: Spenderkinder-Familien sind keine ganz normalen Familien. Sie sehen nur meistens von außen so aus, und daher ist die Verlockung möglicherweise groß, so zu tun als ob. Nicht normal zu sein ist aber nicht schlimm – wir Spenderkinder wünschen uns mehr Mut zu der Tatsache, anders zu sein und dazu zu stehen.

Natürlich kann man insgesamt darüber streiten, was „normal“ eigentlich bedeutet. Im Rahmen von Familienstrukturen kann man sich aber wahrscheinlich darauf einigen, dass „normal“ eine Familie ist, bei der das Kind mit beiden Eltern genetisch verwandt ist. Wenn ein Dritter an der Zeugung beteiligt ist, den die Eltern nicht kennen, handelt es sich um eine Ausnahmesituation. Ich glaube nicht, dass die Eltern diesen Aspekt je vergessen, auch wenn sie sich dazu entschließen, es zu einem Geheimnis zu machen.19 Für den Mann bedeutet die Familiengründung mit Samenspende, dass er genetisch nicht mit dem Kind verwandt ist, die Mutter aber schon. Das kann eine ungleiche Ausgangslage zu dem Kind herstellen, insbesondere wenn dieser Aspekt in der Familie nicht bewusst wahrgenommen wird.

Ab der Entscheidung für die Samenspende ist der Spender aber Teil des Familiengefüges. Er ist ein unsichtbarer Dritter, der auch auf das Verhalten der Eltern den Kindern gegenüber Einfluss nimmt. Viele Kinder spüren instinktiv, dass da „etwas nicht stimmt“.20 Viele unserer Mitglieder bestätigen dies.

Ein nicht offener Umgang mit der Samenspende bringt unserer Erfahrung nach Väter oft dazu, sich entweder von den Kindern zu distanzieren oder empfindlicher auf bestimmte Trübungen des Verhältnisses zum Kind zu reagieren. Ich bin mir sicher, dass meine Zeugung durch Samenspende das Verhältnis zu meinem Vater in der Vergangenheit negativ beeinflusst hat, weil er mir gegenüber eine unangenehme Mischung aus unsicher und eifersüchtig war. Seitdem ich von meiner Abstammung durch eine Samenspende weiß, ist unser Verhältnis wesentlich besser. Ich kann mich besser in in hinein versetzen und glaube, dass ich das auch als Kind schon hätte tun können. Ihm ist die Angst genommen worden, dass ich ihn ablehnen würde, sobald ich die Wahrheit weiß. Ehrlich gesagt bin ich jedoch traurig über die verpasste Chance, schon viel früher eine ehrlichere Beziehung zu ihm aufbauen zu können.

Wir verstehen natürlich die Ängste der Eltern und insbesondere der Väter. Ein offener Umgang bedeutet immer auch, dass Dritte von der Samenspende und der eigenen Unfruchtbarkeit erfahren. Manche befürchten eine Ausgrenzung ihrer Familie und der Kinder. Das ist unserer Erfahrung nach aber unbegründet. Keines unserer Mitglieder wurde bislang aus diesem Grund ausgegrenzt. Ein offener Umgang mit dem Thema und eine selbstbewusste Familie vermittelt dem Kind außerdem ein Selbstwertgefühl, das auch mit negativen Reaktionen umgehen kann.

5. Auch ein Samenspender trägt eine gewisse Verantwortung

Damit komme ich zu dem letzten Aspekt, der uns wichtig ist: auch der Samenspender trägt eine gewisse Verantwortung. Damit ist natürlich keine Verantwortung finanzieller oder sorgerechtlicher Art gemeint, sondern eine moralische Verantwortung. Er weiß, dass mit seinem Erbgut ein Mensch entsteht. Daher sollte ihm bewusst sein, dass dieses Kind sich möglicherweise irgendwann auch für seine Abstammung interessiert. Das Motiv, für die Spende Geld zu erhalten, sollte daher nicht ausschlaggebend sein. Entscheidend sollte viel mehr sein, dass er kinderlosen Paaren helfen und Leben schenken möchte.

Wir hatten im Laufe der Jahre unserer Arbeit Kontakt zu ganz unterschiedlichen Spender-Persönlichkeiten. Darunter waren absolut verantwortungslose Personen, die uns ganz klar gesagt haben, dass sie nur wegen des Geldes Samen gespendet haben und nicht möchten, dass ihre „Brut“ bei ihnen auftaucht. Andere haben auch zugegeben, dass sie bei mehreren Samenbanken spenden.

Auf der anderen Seite gab es aber auch sehr positive Kontakte zu Spendern, die bereit zu einem Kontakt sind. Einige konnten nachvollziehen, dass die genetische Abstammung wichtig für das Selbstverständnis ist. Andere wiederum sind selbst neugierig darauf, wie sich ihre Kinder entwickelt haben. Für einige war der Beweggrund, dass sie inzwischen eine eigene Familie haben und es schlimm fänden, wenn ihre Kinder sich so fühlen würden wie wir. Sie wiesen auch darauf hin, dass sie selbst damals keine offene Spende wählen konnten.21

Daher meine Bitte, insbesondere an die Reproduktionsmediziner: suchen sie solche verantwortungsbewussten und offenen Spender. Es gibt sie – man findet sie nur eher nicht durch Werbung wie „Kommen Sie bei uns“ oder „Geld verdienen mit einer Samenspende“, sondern indem man den Aspekt des Helfen und Leben schenken in den Vordergrund stellt.22 Und schließen sie nicht Gruppen wie Homosexuelle aus, die besonders interessiert an einem späteren Kontakt zu dem Kind sind.23 Und kommen Sie den Interessen solcher offener Spender entgegen. Diese hätten teilweise auch gerne nach der Spende mehr Informationen, zum Beispiel darüber, wie viele Kinder schon mit ihrer Hilfe gezeugt wurden und ob diese gesund sind.24 Viele sind auch durchaus bereit für einen offenen oder halb-anonymen Kontakt, bevor die Kinder 16 oder 18 Jahre alt werden.

III. Fazit

Damit komme ich zum Schluss meines Vortrags. Wir hören in Zusammenhang mit Samenspenden viel Negatives – von drohenden Unterhaltsverpflichtungen der Spender, Spenderkindern, die die Familie des Spenders zerstören könnten, und Familiengeheimnissen die notwendig sind um die Familie vor der Bedrohung durch einen Dritten zu schützen.

Wir Spenderkinder plädieren dafür, die Erweiterung der Familie durch Samenspenden bei aller Herausforderung, die sie darstellt, auch als Chance zu begreifen – für die gesamte Familie und die Spender. Grundsätzlich ist es eine schöne Sache, mehr Menschen in seinem Leben zu haben, mit denen man verwandt ist und potentielle Gemeinsamkeiten hat. Das gilt insbesondere für die Erweiterung der Familie durch Halbgeschwister. Für mich war das ein schöner Aspekt daran, durch eine Samenspende gezeugt worden zu sein, weil ich Einzelkind bin und mir immer Geschwister gewünscht habe. Jetzt muss ich sie nur noch finden. In den USA finden seit mehreren Jahren Treffen von ganzen Familien statt, die den selben Spender haben. Hierzu kann man sich bewegende Videos auf Youtube ansehen.25 Für sie ist die Familienerweiterung ein wunderschönes Ereignis, und oft finden sich interessante Gemeinsamkeiten. Auch für die Eltern ist es schön, Halbgeschwister ihrer Kinder kennenzulernen und andere Eltern, mit denen sie über ihre Kinder verbunden sind.26 Viele würden sich auch gerne bei dem Spender bedanken, dass er ihnen geholfen hat, ihre Kinder zu bekommen.

Und zuletzt kann es auch für den Spender ein gewinnbringendes und sogar bewegendes Ereignis sein, 17 Jahre später einen Menschen, ein Kind kennen zu lernen.27

Deswegen unser Wunsch: lassen sie uns Samenspenden in Deutschland mit einem menschlicheren – und damit meinen wir offeneren – Zugang regeln – im Sinne aller Beteiligten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

  1. BVerfG NJW 1988 3010, NJW 1989, 891. []
  2. BGH NJW 1956, 668; OLG Oldenburg NJW 1956, 677; OLG Stuttgart, MDR 1956, 621; Neumann-Duesberg, NJW 1957, 1341, 1342; Pasquay, Die künstliche Insemination, Diss. Freiburg 1968, 155-156; Herzog, Die heterologe Insemination in verfassungsrechtliche Sicht, Diss. Würzburg 1971, 36-37; Kleineke, Das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung, Diss. Göttingen 1976, 51, 299; Zimmermann, FamRZ 1981, 929, 932; Giesen, FamRZ 1981, 413, 419; Lauff/Arnold, ZRP 1984, 279, 282; Kollhosser, JA 1985, 553, 557; Benecke, Die heterologe künstliche Insemination im geltenden Zivilrecht, Frankfurt 1986, 66-67; Deutscher Juristinnenbund, JZ 1986, 777; Müller FamRZ 1986, 635; Harder, JUS 1986, 505, 508; Laufs JZ 1986, 769, 772; Schumacher FamRZ 1987, 313, 319. []
  3. Klotz M (2013) Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956, S. 940; Rose J (2009) A Critical Analysis of Sperm Donation Practices: The Personal and Social Effects of Disrupting the Unity of Biological and Social Relatedness for the Offspring: 291, PhD Thesis 2009, Queensland University of Technology. []
  4. vgl. Rose 2009 S. 74, 93, 112 ff. []
  5. Turner A, Coyle A (2000) What does it mean to be a donor offspring? The identity experiences of adults conceived by donor insemination and the implications for counselling and therapy. Human Reproduction 15 (9): 2041-2051, 2045. []
  6. vgl. zu den Gefühlen der Spenderkinder in dieser Situation Daniels K, Meadows L (2006) Sharing information with adults conceived as a result of donor insemination. Human Fertility (2) 9, S. 93 – 99. []
  7. vgl. Scheib J, Riordan M, Rubin S (2005): Adolescents with open-identity sperm donors: reports from 12–17 year olds. Human Reproduction 20 (1): 239-252, 246: 82,2% der befragten früh aufgeklärten 12-17jährigen Spenderkinder mit einem open identity Spender haben vor, den Spender in der Zukunft zu kontaktieren. Die frühe Aufklärung führt zu einer positiveren Einstellung zur Zeugung durch Samenspende, so auch Jadva V, Freeman T, Kramer W, Golombok S (2009): The experiences of adolescents and adults conceived by sperm donation: comparisons by age of disclosure and family type. Human Reproduction 24 (8): 1909–1919,1917. []
  8. Knobbe W (2001) Psychologische Aspekte der Adoption. Familie Partnerschaft Recht S. 315-316, S. 309; zu anderen Gemeinsamkeiten zur Adoption vgl. Adams D (2013) Is a Donor Conceived Person „Half Adopted?“ Australian Journal of Adoption 7 (2). []
  9. §§ 21, 27 Abs. 3 Nr. 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 PStG. []
  10. Deutsches Ärzteblatt 1970, 1982. []
  11. zum Beispiel die Muster-Berufsordnung aus dem Jahr 1979, Deutsches Ärzteblatt 1979, 2442. []
  12. OLG Hamm, Urteil vom 06.02.2013, Az. I-14 U 7/12 = NJW-Spezial 2013, 165; AG Essen FamRZ 1992, 936. []
  13. sehr zutreffend hierzu Oelsner W (2013) Gespendet wird Samen. Heran wachsen Menschen. Kölner Stadtanzeiger 14.02.2013; Rose 2009 S. 103. []
  14. zu Großbritannien siehe die Darstellung der Regulierungsbehörde HFEA; zur Situation in Schweden Lalos A, Daniels K, Gottlieb C, Lalos O (2003) Recruitment and motivation of semen providers in Sweden. Human Reproduction 18 (1): S. 213-216, S. 216. []
  15. Lalos A, Gottlieb C, Lalos O (2007) Legislated right for donor-insemination children to know their genetic origin: a study of parental thinking. Human Reproduction 22 (6): 1759-1768, 1767. []
  16. siehe zum Beispiel die Internetseite von Dr. Poluda aus München: Die Anonymität ist eine wichtige und hilfreiche Maßnahme. Sie garantiert, daß der Samenspender keine Möglichkeit hat, über unsere Praxis den Weg zu den Kindern, die mit seinem Samen gezeugt wurden, zurückzuverfolgen.Andererseits ermöglicht sie einem betroffenen heterosexuellen Paar, sich ihren Kindern als biologische Eltern darzustellen. Damit werden emotionale Konflikte für das Kind, die ja bei dieser Konstellation vorstellbar sind, ausgeschlossen. []
  17. vgl. zu den Argumenten gegen Geheimhaltung McGee G, Brakman S, Gurmankin A (2001) Disclosure to children conceived with donor gametes should not be optional. Human Reproduction 16 (6): 2033-2038, 2034. []
  18. Daniels K, Grace V, Gillett W (2011) Factors associated with parents’ decisions to tell their adult offspring about the offspring’s donor conception. Human Reproduction (10) 26, S. 2783–2790. []
  19. vgl. Rose 2009, S. 171. []
  20. Turner A, Coyle A (2009), 2045. []
  21. vgl. zur Motivation und Gefühlen von ehemaligen Spendern Smith I (2013), Sperm donors – Moving out of the Shadows. Contact and connection between former sperm donors and their offspring – experiences and perspectives. Australian Journal of Adoption 7 (2). []
  22. vgl. Lalos A, Daniels K, Gottlieb C, Lalos O (2003) S. 216. []
  23. Riggs D, Russell L (2011) Characteristics of men willing to act as sperm donors in the context of identity-release legislation. Human Reproduction 26 (1): 266 – 272, 271. []
  24. Thorn P, Katzorke T, Daniels K (2008) Semen donors in Germany: A study exploring motivations and attitudes. Human Reproduction 23 (11): 2415–2420, 2417; Raes I, Ravelingien A, Pennings G (2013) The Right of the Donor to Information About Children Conceived From His or Her Gametes. Human Reproduction 28 (3): 560-565. []
  25. California Cryobank, Kids of Donor 5114. []
  26. Freeman T, Jadva V, Kramer W, Golombok S (2009) Gamete donation: parents’ experiences of searching for their child’s donor siblings and donor. Human Reproduction 24 (3): 505-516, 511. []
  27. Smith I. (2013) S. 7. ff. []