Archiv der Kategorie: Uncategorized

Rezension – She has her mother’s Laugh – The Powers, Perversions, and Potential of Heredity (Carl Zimmer)

Bei dem englischsprachigen Buch „She has her mother’s Laugh – The Powers, Perversions, and Potential of Heredity“ des amerikanischen Wissenschaftsjournalisten Carl Zimmer handelt es sich nicht um ein Buch über Spenderkinder oder Reproduktionsmedizin im engeren Sinne. Dargestellt werden die Grundlagen der Vererbung und wie sich bestimmte Gene auswirken, aber auch die Geschichte unseres Verständnisses von Vererbung und die modernen Möglichkeiten, in diese einzugreifen.

Das Thema Vererbung wiederum ist eng mit der Reproduktionsmedizin verbunden. Der Wunsch nach Kenntnis der eigenen Abstammung liegt in der Frage, welche Gemeinsamkeiten mit dem genetischen Vater oder der genetischen Mutter bestehen, was man geerbt hat. Aber auch der Wunsch nach dem „eigenen“ Kind und die Ansprüche an den „Spender“ oder die „Spenderin“ wurzeln in der Bedeutung, die Vererbung beigemessen wird.

Ich fand das Buch faszinierend und kann es wirklich empfehlen. Da es ein langes Buch mit sehr hoher Informationsdichte ist, möchte ich nur einige Aspekte erwähnen, die mich besonders beeindruckt haben:

Die Grundlagen der Vererbung werden gut erklärt. Interessant ist, dass die Bedeutung der Gene vor allem durch die Entdeckung von gewissen Krankheiten wie Phenylketonurie (PKU) erkannt wurde. Bei dieser absoluten wissenschaftlichen Evidenz habe ich mich erneut gefragt, wie es passieren kann, dass dennoch Reproduktionsmediziner behaupten können, der genetische Vater sei nicht wichtig. Besonders interessant: Nachdem Meiose die Chromosomen durcheinander gebracht hat, kann es passieren, dass die Eizelle einer Frau mehr DNA von ihrer Mutter enthält als von ihrem Vater oder umgekehrt. Meiose kann auch dazu führen, dass zwei Geschwister genetisch mehr miteinander verwandt sind als mit ihren anderen Geschwistern. Vollgeschwister teilen zwischen 61,7 und 37,4 % ihrer DNA. Noch bis 1945 entschieden Richter bei Vaterschaftsfeststellungen anhand des Aussehen des Kindes, danach konnte eine Vaterschaft zumindest anhand der Blutgruppen ausgeschlossen werden. Mütter haben nach einer Geburt DNA-Zellen ihrer Kinder in ihrem Blut und können diese auch an weitere Kinder weitergeben. Damit besitzt auch eine „Leihmutter“ eine genetische Verbindung zu ihrem Kind.

Bei der Geschichte der Wahrnehmung der Bedeutung von Vererbung fand ich beeindruckend, welche Bedeutung von Anfang an die Idee der Eugenik besaß, also durch Vererbung den Menschen besser zu machen bzw. Menschen mit unerwünschten Merkmalen aus der Vererbung auszuschließen. Nach der NS-Zeit mit der Einteilung in lebensunwertes Leben war dieser Gedanke zu Recht erst einmal verfemt, ist aber in der Reproduktionsmedizin in gewissen Maße wiederauferstanden. Es soll gewährt werden, dass der „Spenders“ oder die „Spenderin“ gesund sind und wünschenswerte Anlagen haben (wie musische oder sportliche Begabung). Während solche Erwägungen in Deutschland vermutlich wegen NS-Zeit nur sehr vorsichtig eine Rolle spielen dürfen, wird in den USA ganz offen damit geworben, dass man sich Spender aussuchen kann, die Filmstars ähnlich sehen. Auch in europäischen Nachbarländern wie Dänemark oder Spanien wird eine Katalogauswahl nach verschiedenen Merkmalen angeboten.

In dem Zusammenhang ist wissenswert, dass nach wie vor sehr unklar ist, in welchem Maße viele Merkmale überhaupt vererbt werden. Dargestellt wird dies an den relativ gut erforschten und nachvollziehbaren Faktoren Größe und Intelligenz. Diese werden auch von sehr vielen externen Faktoren (wie Ernährung) beeinflusst.

Am Ende werden die modernen Möglichkeiten der Beeinflussung von Genen (z. B. Mit CRISPR) und insbesondere das Embryoscreening dargestellt. Hier stellt sich erneut die Frage, welches Risiko die Menschheit mit einer solchen Technologie eingeht und auch, nach welchen Maßstäben wir in erwünschte und unerwünschte Gene einteilen.

Das Buch enthält sehr viele Informationen, aber es erklärt die meisten Informationen anhand von Geschichten und macht es daher gut lesbar. Für alle, die es noch genauer wissen oder nachlesen möchten, gibt es einen umfangreichen Literaturanhang.

Internationale Spenderkinderdelegation am 19. November bei UN-Kinderrechtskonferenz in Genf

Anlässlich des 30. Geburtstages der UN-Kinderrechtskonvention fand vom 18. bis 20. November in Genf eine große Konferenz statt. Besonders gefreut hat uns, dass auch eine Delegation von Spenderkindern aus verschiedenen Ländern dort die Möglichkeit hatte, in 45 Minuten zu verdeutlichen, wo in der Reproduktionsmedizin Kinderrechte verletzt werden. Die Präsentation bestand aus sieben Statements verschiedener Spenderkinder, in denen verschiedene Aspekte thematisiert wurden. Unsere belgische Schwesterorganisation hat Videomitschnitte der einzelnen Statements auf ihrer Homepage veröffentlicht. Einen Audiomitschnitt gibt es bei Youtube:

Präsentation der internationalen Spenderkinderdelegation bei der UN in Genf (Schweiz) am 19.11.2019

Konsens war, dass das Wohl der Kinder, das beste Interesse der Kinder, entscheiden sollte, welche Regeln und Grenzen der Reproduktionsmedizin gesetzt werden. Dies ist gegenwärtig in keinem Land der Fall. Notwendig wären internationale Regeln, die den Handel mit Keimzellen verbieten und die Rechte der Kinder sichern. Dazu gehört, dass die Kinder unbedingt aufgeklärt werden müssen und die Möglichkeit haben müssen, Kontakt zu ihrer biologischen und genetischen Verwandtschaft aufzunehmen.

Mehrere Spenderkinder sagten, dass sie – als sie noch nicht aufgeklärt waren – gespürt hätten, dass etwas in ihrer Familie „nicht stimmt“ und sie das Gefühl gehabt hätten, ihren eigenen Gefühlen nicht trauen zu können.

Die Kenntnis der (wahren!) medizinischen Krankheitsgeschichte und genetischer Verwandte kann sogar lebensrettend sein, wenn es um die richtige Diagnose seltener erblicher Krankheiten geht oder ein Spenderkind z.B. eine Knochenmarksspende benötigt. Fallberichte veranschaulichten, dass solche Situationen bereits eingetreten sind. Besonders perfide ist es, wenn selbst in solchen Fällen Informationen zurückgehalten werden und die Anonymität des genetischen Vaters höher geschätzt wird, als das Leben des Spenderkindes.

Zum Recht auf wahre Informationen über die eigene Herkunft gehört auch die Forderung, dass Abstammungsdokumente wahrheitsgemäße Angaben zu den leiblichen Eltern machen. Ein Spenderkind formuliert es so „I do not need a piece of paper to tell me to love the man who raised me.“

Vielen Spenderkindern ist der persönliche Kontakt zur biologischen/genetischen Familie wichtig, also auch zu weiteren Verwandten der genetischen Elternteile und natürlich zu Halbgeschwistern. Sehr viele Halbgeschwister zu haben, so dass es kaum möglich ist, zu allen eine persönliche Beziehung aufzubauen, erzeugt dabei einen unangenehmen Eindruck von Massenproduktion beim einzelnen Spenderkind. Außerdem wurde es als belastend erwähnt, nicht zu wissen, wie viele es überhaupt gibt.

Eindrücklich war auch die Schilderung eines Spenderkindes, das von seinem Vater schwer misshandelt worden war. Angesichts solcher Erfahrungen von Spenderkindern ist es naiv, wenn Menschen das angebliche Wohl von Spenderkindern damit begründen, dass ihre rechtlichen Eltern mal einen Kinderwunsch hatten.

Mindestens zwei der anwesenden Spenderkinder waren genetische Kinder des Reproduktionsmediziners, der ihre Mütter behandelt hatte. Einerseits handelt es sich um eine persönliche, ethisch-medizinische Grenzüberschreitung des Arztes. Die Tatsache, dass mehrere Ärzte, zum Teil vielfach, ethisch-moralische Grenzen überschritten, zeigt aber auch, wie wichtig es ist, die Reproduktionsmedizin nicht sich selbst zu überlassen, sondern zu regulieren und zu kontrollieren.