Am 03.11.2014 nahm das Verfahren eines Spenderkindermitglieds im Landgericht München ein enttäuschendes Ende: Der beklagte Mediziner war zwar grundsätzlich aufgefordert, Auskunft über die Identität des Spenders zu erteilen, konnte dies aber nicht erfüllen, da seiner Aussage nach keinerlei Informationen mehr vorhanden seien.
In den vergangenen Monaten gab es viele erfreuliche Nachrichten darüber, dass sich Spender und Spenderkind oder Halbgeschwister gefunden hatten. Gestärkt durch derartige Geschichten sowie die für uns Spenderkinder sprechende Rechtslage hatte auch ich* vor etwa 1,5 Jahren den Entschluss gefasst, mich auf die Suche nach meiner Herkunft zu begeben und den Münchner Reproduktionsmediziner auf Herausgabe identifizierender Informationen über den Spender verklagt.
Seinem Wunsch nachkommend, fand eine Güteverhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. „Am runden Tisch“ beantwortete er bereitwillig alle Fragen, die während des Schriftverkehrs noch offen oder widersprüchlich geblieben waren.
Angeblich hatte er von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1988/1989 erst 4 Jahre später erfahren und erst 1993 seine Praxis dahingehend angepasst, dass eine Zuordnung zwischen Spender und Patientin möglich gewesen wäre. Ich falle in die Zeit davor und hatte dahingehend „Pech“, obwohl mir das Auskunftsrecht eindeutig zustand. Den Richtlinien der Bundes- und Landesärztekammer, die schon seit den 70er Jahren darauf hinweisen, dass ein Kind aus Samenspende seine Abstammung nachvollziehen können muss, habe er persönlich nicht zugestimmt und sie deshalb ignoriert. Patientinnenakten habe er nach 10 Jahren vernichtet.
Um die Anonymität der Spender zu schützen, habe er ihnen die Karteikarten, auf denen ihre Informationen verzeichnet waren, nach Beendigung ihrer Tätigkeit wieder zurückgegeben. So habe er eine Kontaktaufnahme der Kinder und somit auch mögliche Unterhaltsforderungen verhindern wollen. Paaren, die zu ihm in Behandlung kamen, empfahl er mit Nachdruck, ihre Kinder nicht aufzuklären.
Dass hinter dem Wunsch eines Kindes, zu wissen, wer der biologische Vater ist, ganz andere Interessen und Bedürfnisse stehen können, zog er nicht in Betracht – ich sei die erste durch Samenspende gezeugte Person gewesen, mit der er sich unterhalten habe. Ebenso wenig konnte er sich vorstellen, dass ein solches Geheimnis Auswirkungen auf die Beziehungen innerhalb der Familie haben kann.
Seine Ausführungen haben mich sehr getroffen und machen mich nach wie vor fassungslos. Wie kann man die Bedürfnisse und Rechte der sogenannten „Wunschkinder“ – um die es ja schließlich bei diesem ganzen Prozedere geht – nur so stringent ausblenden? Er empfand es als Entgegenkommen seinerseits, dass ich – wenn schon nicht dem Spender – zumindest ihm gegenübertreten und in die Augen schauen durfte. Ich könnte ihn ja wie eine Art „Onkel“ sehen. Denn er habe ja auch einen entscheidenden Beitrag zu meiner Existenz geleistet…
Da er keinen einzigen Beweis lieferte und auch die damaligen Mitarbeiter nicht befragt werden konnten, weil er sich angeblich nicht mehr an sie erinnert, bin ich nicht sicher, was ich ihm glauben kann. Dennoch muss ich es erstmal akzeptieren, da von ihm kein Entgegenkommen zu erwarten ist. Das Verfahren endete in einem Vergleich, in dem er mir symbolisch als „Good Will“ 1500 € gezahlt hat. Das Bedauern des Arztes erlebte ich als nicht ehrlich gemeinte Floskel.
Ich bin sehr traurig darüber, nicht mal einen kleinen Hinweis über meinen Spender erfahren zu haben. Was bleibt ist die Hoffnung auf einen nicht vorhersehbaren Zufall, bei dem sich vielleicht doch noch irgendein Türchen öffnet…
*Autorin dieses Artikels ist die Klägerin, die namentlich nicht genannt werden möchte.
Hallo,
ich lese auf diesen Seiten sehr viel über die Rechte der Spenderkinder. Allen Dingen voran natürlich das Recht auf Kenntnis der eigenen biologischen Abstammung.
Was ist eigentlich mit dem Recht der Samenspender auf Anonymität, welches ihnen einst zugesichert worden war? Ich frage mich, warum scheinbar keiner dieser ehemaligen Spender den Wunsch zu verspüren scheint, seine genetischen Nachkommen zu finden? Zumindest liest und hört man nichts über solche Bemühungen in den Medien. Es sind stets die Kinder, die sich auf die Suche machen. Gesetz den Fall, dass dies stimmt (bin da nicht in der Materie, mir ist in den Alltagsmedien nur nichts dergleichen begegnet), müsste man sich vielleicht die Frage stellen, wessen Rechte hier schwerer wiegen und warum? Der Arzt hat seinen Spendern Anonymität zugesichert und hält jetzt Wort. Ich finde das konsequent und richtig.
Wenn er die Aufbewahrungsfristen eingehalten und die Unterlagen danach vernichtet hat, kann ihm auch kein Vorwurf gemacht werden. Warum auch? Warum sollte er den alten Pröddel länger archivieren, als er muss? Machen andere Ärzte (und andere Berufsgruppen mit Archivierungspflicht) doch auch nicht.
Hmm, ich kann in gewisser Weise schon verstehen, dass ein Mensch das Bedürfnis hat,seine genetischen Wurzeln zu ergründen. Nur sollte man vielleicht die Interessen der anderen Beteiligten auch nicht ganz aus den Augen verlieren (wie das ja umgekehrt den Eltern und Ärzten auf diesen Seiten ständig vorgeworfen wird). Wer weiß, welche schlafenden Hunde man wecken würde? Vielleicht würde man eine Familie zerstören oder zumindest stark belasten (die des Spenders, wenn er niemandem davon erzählt hat).
Es gibt viele Menschen, die keine Möglichkeit haben, ihre genetische Abstammung zu ergründen (Babyklappe, ausgesetzte Kinder, ONS mit einem Unbekannten…). Es ist bestimmt eine Lebensaufgabe, diese Tatsache zu be- und verarbeiten, das glaube ich gerne. vielleicht kann man daran aber auch wachsen und persönlich reifen. Das jedenfalls wünsche ich jedem Spenderkind (egal, aus welcher Art von Spende es entstanden ist), das seinen Spender nicht findet.
Und wenn man sich mal umschaut, sieht man, dass jeder Mensch sein Päckchen zu tragen hat. Wenn es nicht gerade die Samenspende ist, dann sind es andere Dinge, die vielleicht mindestens ebenso belastend sind (oder sogar noch belastender). Schlechtes Verhältnis zu den (leiblichen!) Eltern, Patchwürg-Familien, Kind von Alleinerziehendem, Vernachlässigung (physisch und psychisch) usw.
Viele Menschen sahen oder sehen sich plötzlich vor Herausforderungen, die sie irgendwie bewältigen müssen. Die sie in ihr Leben integrieren müssen und die Teil ihrer Identität, ihrer Lebensgeschichte sind oder werden. Die Samenspende ist eine davon.
Ich wünsche insb. der Autorin alles Gute.
TicTac
Hallo TicTac/Flummi,
1) ausführliche Informationen über die rechtliche Situation der Samenspende aktuell und in der Vergangenheit finden Sie unter http://www.spenderkinder.de/infos/dierechtlichesituation/.
Dort weisen wir darauf hin, dass die Samenspende in Deutschland seit ihrer Legalisierung 1970 niemals anonym zulässig war und das Recht auf Kenntnis der Abstammung herrschende juristische Meinung war, die sogar im Ärzteblatt kommuniziert wurde. Wenn Ärzte dennoch Anonymität versprochen haben, hatte das also überhaupt keine rechtlichen Grundlage.
2) Es gibt durchaus Spender, die daran interessiert sind, ihre biologischen Kinder kennenzulernen. Wir wissen von einigen Spendern, die sich aus diesem Grund bei unserer DNA-Datenbank registriert haben. Einen Treffer gab es sogar bereits mit einem Spender, der sich ohne unser Wissen dort registriert hatte http://www.spenderkinder.de/zweiter-treffer-zwischen-spender-und-kind-bei-ftdna/.
Auch Sarahs biologischer Vater (Sie erinnern sich vermutlich an den Präzedenzfall vom 06.02.2013 vor dem OLG Hamm) meldete sich freiwillig bei ihr, nachdem der beklagte und zur Datenherausgabe verurteilte Reproduktionsmediziner sich weigerte, dessen Identität preiszugeben. Er hatte sich übrigens schon zuvor bei der Klinik gemeldet, die ihm jedoch keine Kontakte zu biologischen Kindern vermitteln wollte. Anders als die Kinder müssen die Spender häufig unterschreiben, dass sie keine Nachforschungen anstellen um rauszufinden, was aus ihren Keimzellspenden geworden ist.
Die „Zeit“ begleitete das erste Treffen eines weiteren Spenderkindes und seines biologischen Vaters, die sich ebenfalls über unsere verwendete Datenbank fanden. http://www.spenderkinder.de/zeit-artikel-bist-du-mein-vater/
Was das Interesse der Spender an Kontakt zu ihren biologischen Kindern betrifft, finden Sie weitere Informationen unter http://www.spenderkinder.de/infos/psychologisches/#frage30
Ihre Fragen und Überlegungen greifen wir sehr detailliert unter http://www.spenderkinder.de/infos/psychologisches/ und unter http://www.spenderkinder.de/infos/dierechtlichesituation/ auf.
In Ihrem letzten Absatz weisen Sie auf die Herausforderung hin, mit ungeklärter biologischer Abstammung zu leben. Gerade weil dies eine solche Herausforderung darstellt und es in Deutschland genau deshalb ein anerkanntes Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gibt, sollte dies auch für Spenderkinder umgesetzt werden können.
Ihnen auch alles Gute.