Nicht alle Spenderkinder haben Interesse an ihrer Abstammung – aber das Recht dazu ist entscheidend

Am Samstag den 30. Juli ist in der Süddeutschen Zeitung der Artikel „Spender? Vater? Heiliger Geist?“ erschienen (leider bislang nur vollständig in der Bezahlversion). In diesem schildert unter anderem das Spenderkind Lena Herrmann-Green, 21 Jahre alt und nicht Mitglied unseres Vereins, dass sie kein Interesse hat, den Samenspender kennenzulernen. Lena ist die Tochter der LSVD-Aktivistin Lisa Green, mit deren grundsätzlicher Befürwortung von anonymen Samenspenden wir ebenfalls nicht übereinstimmen. (siehe dazu unser älterer Beitrag „Ist der Wunsch nach Kenntnis der Abstammung heteronormativ?“)

In unserem Verein mit inzwischen über 100 Mitgliedern möchten die meisten Spenderkinder dagegen zumindest wissen, wer ihr genetischer Vater und / oder Halbgeschwister ist / sind. Gleichzeitig ist uns natürlich bewusst, dass es auch Spenderkinder gibt, denen das nicht wichtig ist. Das ist nicht überraschend, denn es gibt auch Adoptierte, die kein Verlangen nach Nachforschungen haben.

Wichtig ist uns aber, dass jedes Spenderkind grundsätzlich das Recht hat, Informationen über die genetische Abstammung zu erfahren. Das ist bei anonymen Samenspenden nicht der Fall. Jedes Spenderkind soll selbst entscheiden können, ob es sein Recht in Anspruch nehmen möchte, oder nicht.

Das sieht Lena Herrmann-Green anders (wenn sie denn richtig im Artikel wiedergegeben wurde): Sie stellt es sich problematisch vor, wenn Kinder den Spender mit dem 18. Lebensjahr kennenlernen können. Sie befürchtet, dass Spenderkinder dazu gedrängt würden, sich für den Spender und sein genetisches Erbe zu interessieren. Damit würde es sich um eine von außen auferlegte moralische Kenntnispflicht handeln, die dazu führen könne, dass man sich die gesamte Kindheit und Jugend eine bestimmte Person vorstelle und bereits Abschied vom sozialen Elternteil nehme. Sie findet es daher für sich und ihre Familie gut, dass sie einen anonymen Spender hatte, weil sie so eine klare Beziehung zu ihren Eltern gehabt habe und keine komische Familiendynamik entstehen habe können.

Es wirkt auf uns befremdlich, wenn jemand die Beschneidung der eigenen Rechte befürwortet, weil offenbar die eigenen Gefühle zu sehr gefürchtet werden, wenn hier mehr Freiheit bestünde. Auch sind die Gedanken zum Familienmodell sehr konservativ, was angesichts des Alters von Lena und ihrer eher alternativen Familie doch verwundert: Diese Gedanken implizieren dass ein Kind nur zwei Elternteile haben kann, dass ein sozialer Elternteil eine schwächere Position besitzt als der genetische und dass eine Anerkennung des genetischen Vaters daher zur Abschwächung der Gefühle gegenüber dem nicht-genetischen Elternteil führen würde.

Das sind Gedanken, die wir so sonst nur von Teilen der Wunscheltern hören und die leider auch einige häufig geäußerte Befürchtungen von Eltern und Vorurteile gegenüber Spenderkindern bekräftigen könnten. Auch wenn fast alle unserer Mitglieder ihren genetischen Vater kennen möchten, sehen sie dies völlig getrennt von der Beziehung zu ihrem nicht-genetischen Elternteil. Sie möchten ihren sozialen Vater nicht mit dem genetischen Vater ersetzen, sondern sind auf der Suche nach Informationen über ihre Abstammung. Das entspricht auch den Ergebnissen zu den Gefühlen von Spenderkindern in wissenschaftlichen Studien. Psychologisch ist es außerdem nicht haltbar, dass die Anonymität vor ungünstigen Familiendynamiken schützt. Vielmehr erschwert Anonymität die Integration und Auseinandersetzung mit dem Dritten und wird ungünstige Dynamiken eher fördern.

Das wichtigste ist aber der Aspekt, dass Eltern das Recht ihres Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung achten sollten: Gerade weil sie nicht wissen, ob ihr Kind einmal wie Lena oder wie die Mitglieder unseres Vereins empfinden wird, sollten sie sich nicht für eine anonyme Samenspende entscheiden, weil dies im Nachhinein nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.