Vor ein paar Monaten habe ich mich eher der Vollständigkeit halber entschieden, mich auch bei den DNA-Datenbanken 23andme und Ancestry zu registrieren, die eine größere Datenbasis haben als der von unserem Verein zur Verwandtensuche verwendete Test FamilyFinder. Da aber auch die meisten der dort registrierten Personen US-Amerikaner sind, habe ich nicht wirklich erwartet, dass meine Suche erfolgreich sein würde. Ende März erhielt ich eine Nachricht, dass meine Testergebnisse da wären. Kurz bevor ich gegen Mitternacht ins Bett gehen wollte, fiel mir ein, dass ich meine Ergebnisse noch ansehen wollte. Gesagt, getan: Mir wurde ein Cousin ersten oder zweiten Grades angezeigt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit mit mir verwandt ist. So einen nahen Treffer hatte ich bei Family Finder bislang nie. Mit Google fand ich einen Nachruf auf den Vater meines Matches, in dem ein Neffe aus Deutschland erwähnt wurde. Über diesen Neffen fand ich wiederum direkt heraus, dass er Arzt ist und an der Universitätsklinik Essen tätig war, wo ich entstanden bin. Danach war an Schlaf erstmal nicht zu denken…
Die Identifizierung meines biologischen Vaters dauerte nach fast zwölf Jahren der Ungewissheit nur zwei Minuten. Wahrscheinlich hat er auch nie erwartet, dass er fast 39 Jahre später über seinen Cousin identifiziert werden würde.
Mein biologischer Vater und ich hatten bislang kurz Kontakt. Daher weiß ich, dass er angeblich nur zwei oder drei Mal auf die Bitte von Kollegen hin eingesprungen ist, wenn ein Samenspender nicht zum Termin erschienen ist (Anfang der 80er waren es noch Frischspenden). Daher ist die Wahrscheinlichkeit leider recht gering, dass ich Spenderkinder-Halbgeschwister habe. 30 Halbgeschwister hätte ich zu viel gefunden, aber über ein paar würde ich mich schon freuen.
An der Geschichte schockiert mich etwas die Willkür: kommt der eine nicht, springt halt jemand anders spontan ein, der meint dass er irgendwie geeignet ist. Es scheint, dass eine solche Vorgehensweise insbesondere in der Zeit der Frischspenden öfters vorkam.
Ich bin immer noch erstaunt, dass ich die Nadel im Heuhaufen tatsächlich gefunden habe, aber sehr froh, dass ich nicht mehr mit dieser Leerstelle leben muss und auch meinen Kindern ein Foto zeigen und einen Namen sagen kann. Ein Freund hat mich vor ein paar Jahren ernst angesehen und gesagt: „Ich bin mir sicher, dass Du es irgendwann herausfinden wirst. Vielleicht nicht heute oder morgen, aber irgendwann wirst Du mir sagen: Ich habe ihn gefunden.“ Und er hatte so Recht. Man sollte nie aufgeben. Ich wünsche mir, dass noch viele andere Spenderkinder mit Hilfe von DNA-Tests und den nun bestehenden rechtlichen Möglichkeiten ihre Verwandten finden werden. Die Idee, dass Samenspender anonym sein können, ist mit den neuen autosomalen DNA-Tests endgültig gestorben. Und das ist gut so.