Rebecca

Meine Geschichte

Ich bin 1984 in Herdecke geboren, und zusammen mit einer Schwester in Meerbusch (Kreis Neuss) aufgewachsen. Wir waren zwei sehr unterschiedliche Kinder, nicht nur das Aussehen war verschieden, auch der Charakter. Dies fiel durchaus auf, wurde aber in unserer Kindheit nicht weiter thematisiert.

Als ich etwa 16 Jahre alt war, änderte sich mein Leben durch eine Familienfehde. Wir verließen unseren Wohnort und zogen nach Düsseldorf. Am Ende der Geschichte, ich war 19, erfuhr ich, dass mein sozialer Vater nicht mein leiblicher ist. Und ich erfuhr, dass mein Spendervater nicht der meiner Schwester ist, mit der ich aufgewachsen bin. Diese hat einen anderen Vater.

Alles, an was ich mich heute erinnern kann, ist Wut und Verzweiflung. Ich habe geschrien, sehr viel geschrien, und konnte nicht verstehen, warum mir das passiert, und das nach all den vielen Jahren. Im Grunde genommen bestätigte sich damit ein Verdacht und ein Gefühl, dass ich vorher nie verstanden hatte. Nach dieser Offenbarung war ich ein Jahr im Ausland, wodurch ich Abstand bekommen konnte.

Das anschließende Jahrzehnt lebte ich einfach mit der Information, dass ich nichts herausfinden werde, weil alle Unterlagen nach 10 Jahren vernichtet wurden. Und die Praxis des Arztes in Düsseldorf, der meinen Eltern den Samen vermittelt hatte, gab es nicht mehr. In der Familie wurde nicht mehr darüber gesprochen. Im Freundeskreis ging ich offensiv mit meiner Geschichte um, was mir half.

Als ich Mitte dreißig war, sah ich zufällig im WDR eine Dokumentation, in der ein junges Mädchen mit einer ähnlichen Geschichte ihren Vater suchte. Daraufhin suchte ich im Internet nach „Spenderkindern“ und fand den Verein Spenderkinder. Ich beschloss, mich in einer DNA-Datenbank zu registrieren. Nach gefühlt ewiger Zeit kam mein Ergebnis bei Ancestry. Ernüchterung. Kein direkter Treffer. Dies änderte sich, als ich die Rohdaten bei FTDNA hochlud. Hier zeigte sich eine Halbschwester. Nach Telefonaten folgten zwei Treffen, die äußeren Ähnlichkeiten waren verblüffend.

Bei MyHeritage dann ein weiterer Treffer. Ein Halbbruder. Dieser konnte sich unsere Verwandtschaft nicht erklären, war er doch einige Jahre jünger als ich und nur auf Grund seiner
Ahnenforschung dort angemeldet. Er hatte noch einen leiblichen Bruder, mit dem er aufgewachsen war. Unsere Recherchen führten zu keinem Ergebnis, weder zu den Brüdern, noch zu einem möglichen Vater.

Zwei Jahre später plötzlich eine Nachricht auf Ancestry – und das auch noch auf Englisch: Die nächste Halbschwester, aus Australien. Die Ähnlichkeit – verblüffend. Meine beiden Töchter freuten sich über eine Cousine Down Under.

Dies heizte die Neugier, zu wissen, wie des Rätsels Lösung ist, wieder an. Wir bekamen den Tipp, uns an einen DNA- Detektiv zu wenden, der schon andere ähnliche Fälle gelöst hatte. Er nahm sich unseres Falls an. Wir telefonierten zusammen an einem Dienstagabend. Am Freitag derselben Woche gab es einen Stammbaum – inklusive biologischem Vater. Wir staunten nicht schlecht. Nicht ganz unschuldig war eine relativ gute Datenlage bei Ancestry, die einen Familienarm in die USA zeigte, und deren Nachname Rückschlüsse zuließ.

Somit stand fest: Der leibliche Vater der beiden Jungs (von denem wir einen auf MyHeritage getroffen hatten), ist auch unser biologischer Vater.

Der DNA-Detektiv konnte den Kontakt herstellen. Unser biologischer Vater beantwortete alle Fragen, die über die ganzen Jahre hinweg entstanden waren, ausnahmslos. Ebenso war er zu einem persönlichen Treffen bereit. Auch hier zeigten sich durchaus große Ähnlichkeiten, auch zum Rest der biologischen Familie, z.B. zu einer Tante. Wie sich dieses Verhältnis weiter entwickeln wird, wird sich zeigen.

Nicht immer gibt es das Glück, dass ein Spendervater dermaßen interessiert ist, und durchaus Teil des zukünftigen Lebens seiner biologischen Kinder sein möchte. Ich kann nur jedem empfehlen, weiter zu suchen. Auch wenn ein Teil der Geschichte vielleicht nicht so ausgeht, wie man es gerne hätte: Das Gefühl, die Wahrheit zu kennen, schließt eine Lücke. Mit jedem weiteren Puzzleteil klärt sich das Bild ein bisschen mehr.

Wenn ich jemanden neu kennen lernen, der mich fragt: „Und, hast du noch Geschwister?“, dann sage ich ganz motiviert „Ja. Eine Halbschwester, mit der bin ich aufgewachsen. Und noch zwei Halbschwestern. Und noch zwei Halbbrüder.“ Und wenn das Gesicht meines Gegenübers noch nicht ungläubig genug ist, sage ich sowas wie: „Der Schätzung nach, sind wir mindestens 30 Halbgeschwister“.

Zufällig entspricht meine Lebensgeschichte auch meinem Humor. Und ich kann sie mit ruhigem Gewissen erzählen, denn sie ist ein Teil von mir. Und um ehrlich zu sein, bin ich gespannt, was noch kommt.

“ the rest is still unwritten…“.