Wunschkind – Elternwunsch oder Kinderwunsch?

Eltern, die sich für eine Samenspende oder Embryonenadoption entscheiden, wünschen sich ein Kind. Den Kindern wird deswegen oft gesagt, dass sie „echte Wunschkinder“ seien. Spätestens seit Einführung der Antibabypille ist die Zahl der Abtreibungen und ungewollte Schwangerschaften rückläufig und der Kinderwunsch planbar geworden. Dennoch wird die Betitelung als Wunschkind häufig damit in Verbindung gebracht, angenommen zu sein und dankbar sein zu sollen.

„Ich erinnere mich mehrfach von Wunscheltern und Ärzten gehört zu haben ‚aber Sie sind doch ein absolutes Wunschkind‘. Ich frage mich dann immer, was das eigentlich ausdrücken soll. Es klingt nach ‚Sei dankbar und beklag Dich nicht – Dir gehts sowieso schonmal besser als vielen anderen.'“

Trotz der Vorstellung, dass die Kinder voll und ganz angenommen werden, mussten Spenderkinder leider auch andere Erfahrungen machen: Dass sie im Nachhinein doch nicht so gewollt waren und voll angenommen wurden, weil ihre Eltern mit der Familiengründung zu Dritt nicht zurechtkommen. Zudem ist es fraglich, ob die Kinder oder späteren Erwachsenen sich über die Gewolltheit der Eltern definieren.

„Als ich noch Kind war, war ich froh zu wissen, dass ich per Samenspende gezeugt wurde. Ich war kein Unfall, dem man im Streit sagen konnte ‚du bist nicht gewollt gewesen‘. Gründe für Streit gab es genug. Meine Eltern haben sich nämlich kurz nach dem dritten Kind per Samenspende geschieden.“

„Bezeichnenderweise sagt mir das Wunschkind-Argument nie jemand ins Gesicht, sondern immer nur übers Internet. Ich vermute weil bei einem persönlichen Kontakt klar ist, dass eine über 30jährige sich nicht über die Gewolltheit von ihren Eltern definiert.“

Oft wird die Bezeichnung auch damit verbunden, dass Spenderkinder ihren Eltern, dem Samenspender oder gar den Ärzten deswegen dankbar sein sollen. Dabei sind es die Eltern, die dankbar dafür sein sollten, dass sie ein Kind beim Aufwachsen begleiten dürfen. Während der Wunsch der Eltern klar im Vordergrund steht, sind eigene Wünsche und Bedürfnisse vieler „Wunschkinder“ nur in begrenztem Rahmen erlaubt und enden häufig da, wo sie die von den Wunscheltern mühsam konstruierte Familie zu sprengen drohen, wenn also die engen Familiengrenzen um die Person des Spenders erweitert werden sollen.

Fabian

19 Gedanken zu „Wunschkind – Elternwunsch oder Kinderwunsch?

  1. Nina

    Lieber Fabian,

    danke für diesen tollen Text! Ich empfinde das ganz genauso wie Du, hatte nur bisher in der Wunschkind Debatte nicht solche Worte finden können. Du hast das irgendwie gut aufgedröselt, was das überhaupt bedeutet mit dem Wunschkind. Ein Punkt ist mir auch noch eingefallen, und zwar ist es denke ich für die Wunscheltern auch ganz wichtig, sich klar zu machen, was sie wirklich wünschen. Denn ursprünglich wünschen sie sich ein anderes Kind, ein gemeinsames Kind. Da das nicht geht, treten wir an die Stelle des ursprünglichen Wunschkindes. In der Psychologie werden solche Konstellationen auch häufig Ersatzkind-Konstellationen genannt. So etwas wäre für das Kind problematisch. Denn es wäre unbewusst aufgefordert, das leibliche Kind zu sein, das es nicht ist. Ich denke, die Eltern müssen sich ganz intensiv fragen, ob sie uns so wünschen, wie wir wirklich sind. Die Kinder der Spender. Wie Du es so gut gesagt hast, die engen Familiengrenzen werden um die Person des Spenders erweitert. Der Spender wird mit hineingenommen in die Familie. Wenn sich die Eltern von ganzem Herzen ein Kind wünschen, zu dem noch ein dritter Elternteil gehört, dann ist alles klar und unproblematisch. Dann müßte man aber auch ganz offen mit der Sache umgehen dem Kind gegenüber. Denn es wäre dann SO gewünscht, wie es ist. Und nicht nur so gewünscht, wenn sein genetischer Elternteil für immer unbekannt bleibt und man so tut, als gäbe es ihn nicht. Dann wären wir Ersatzkinder. Damit kann man sich auch arrangieren als Kind, aber es ist eine Problemkonstellation, die immer einen Teil des Kindes sehr alleine lassen wird. Unter Umständen sogar das Gefühl beim Kind weckt, ich bin eben doch nicht gewollt so wie ich bin. Ich bin gewollt als jemand, der eine Lücke füllt und dessen Wahrheit verleugnet wird.

  2. Beate

    Hallo Fabian und ?,

    ich bin eine Wunschkinder-Mutter und möchte gern aus meiner Sicht etwas zu euern Gedanken beitragen.

    Dass wir unsere Kinder als Wunschkinder bezeichnen, wird nicht dadurch initiiert, dass wir ihnen damit auflegen wollen, dankbar sein zu müssen. Sie sind einfach ein riesengroßer und inn iger Wunsch. Das ist unser Gefühl und das drücken wir mit dieser Bezeichnung aus. Und nicht nur die Eltern von Kindern aus Samenspende benutzen diesen Begriff, sondern alle Eltern, die sich ein Kind gewünscht haben. Sogar solche, die keine medizinische Hilfe brauchten. Nur dass der Wunsch mancher Eltern länger ein Wunsch und bei anderen nur für kurze Zeit ein Wunsch war.

    Nun könnte man darüber philosophieren, ob es besser ist, ein Wunschkind zu sein oder nicht. Letztlich kommt es wohl darauf an, wie sich die Eltern-Kind-Beziehung weiterhin gestaltet. Ich habe das Gefühl, unsere Kinder kommen gut damit klar, Wunschkinder zu sein.

    Wir sehen unsere Kinder auch keinesfalls als Ersatzkind. Klar haben wir uns ursprünglich ein genetisch gemeinsames Kind gewünscht. Aber dies gab es nicht. Dann haben wir uns ein Spenderkind gewünscht. Und dieser Wunsch war dann eher noch größer. Weil man nämlich alles, was man ohne Weiteres bekommen kann, weniger zu schätzen weiß als das, was es eben nicht so leicht gibt. Solche Erfahrungen habt ihr sicher auch schon gehabt. Uns wurde doch an der Stelle klar, dass es ein ganz besonderes Glück sein wird, dieses jetzt gewünschte Kind zu bekommen.

    Aus unserer heutigen Sicht haben wir uns schon so oft gesagt, dass die Unfruchtbarkeit meines Mannes eher ein Glück war. Denn ohne dieses Glück hätten wir nicht gerade und genau diese beiden Kinder. Und den letzten Satz habe ich im Wunschkinderforum 🙂 🙂 🙂 schon häufiger von verschiedenen Eltern gelesen. Das ist also eine weiter verbreitete Einsicht, die dann bei den Eltern entsteht.

    Wir lieben unsere Kinder so wie sie sind. Und ich weiß das auch von vielen anderen DI-Eltern. Ihr müsst nicht glauben, dass das nicht so wäre. Zumindest wäre dazu mal eine Studie interessant. Mein leiblicher Vater zum Besispiel hat mich so wie ich war nicht wirklich akzeptiert. Da sehe ich zwischen meinem Mann und unseren Kindern eine viel größere Akzeptanz.

    Müssen DI-Eltern in jeder Hinsicht Mustereltern sein? Dürfen sie sich gegenüber anderen Eltern nie Fehler erlauben? – Manches Fühlen von Eltern versteht man erst, wenn man selbst Mutter oder Vater ist. Ich habe meinen Eltern früher auch Vorwürfe gemacht, die sich für mich heute relativiert haben.

    Ich hoffe, ich konnte euch helfen.

  3. stina Beitragsautor

    Liebe Beate,

    das Problem ist ja nicht die Bezeichnung als“Wunschkind“ an sich, sondern dass es uns als Vorwurf oder Erwartung entgegengehalten wird wie „Aber was habt ihr denn, ihr seid doch Wunschkinder“ oder „Vielleicht tröstet es Euch ja wenigstens, dass ihr in jeder Hinsicht erwünscht seid“. Da schwingt dann mit, dass unser Recht auf Kenntnis unser Abstammung doch nicht so wichtig sein kann wie gewünscht zu sein.

    Ich bin auch Mutter eines gewünschten, herkömmlich gezeugten Kindes. Deswegen finde ich die Behauptung dass man „alles, was (.) ohne Weiteres bekommen kann, weniger zu schätzen weiß als das, was es eben nicht so leicht gibt“ etwas übergriffig. Das klingt so, als würdest Du denken, dass Spenderkindereltern ihre Kinder mehr lieben als die Eltern normal gezeugter Kinder. Auch daraus kann man wieder einen gewissen Anspruch ableiten. Genauso die Bemerkung, dass man manche Gefühle nur als Eltern versteht. Eltern verhalten sich aber bestimmt nicht alle gleich und haben auch nicht die gleichen Gefühle.

    Als Eltern muss man sich daran gewöhnen, dass man nicht perfekt und unfehlbar ist. Es zählt, dass man gewisse Herausforderungen sieht und versucht, sich ihnen mit Verantwortungsbewusstsein zu stellen – und davon gibt es bei einer Familiengründung zu dritt mit Hilfe eines Samenspenders mehr als bei einer herkömmlichen Zeugung, bei der beide Eltern mit dem Kind verwandt sind und es keinen Dritten im Bunde gibt.

    Viele Grüße
    Stina

    PS: Dein Kommentar klingt ein bisschen so, als hättest Du den Eindruck, dass wir jung sind und „Hilfe“ brauchen. Deswegen möchte ich darauf hinweisen, dass wir über 60 Mitgliedern zwischen 18 und 48 Jahren haben und darunter einige, die eigene Kinder haben.

  4. Anne

    Liebe Beate,

    das freut mich natürlich zu hören, dass es Wunscheltern wie euch (und sicherlich auch noch andere) gibt, die sich so gut mit ihrer Unfruchtbarkeit arrangieren und Abschied vom gemeinsamen genetischen Kind genommen haben und das Spenderkind und damit auch den Spender so gut annehmen können. Ohne Frage fällt es sicherlich auch so manchem biologischen Elternteil schwer, sein genetisch verwandtes Kind anzunehmen und darin vielleicht auch seinen eigenen ungeliebten Anteilen zu begegnen. Die Gefahr ist bei einer Familiengründung durch Samenspende nur größer; viele Wunscheltern (nicht alle), versuchen immernoch die Bedeutung des Spenders zu reduzieren und ihn aus der Familie herauszuhalten. Die Aufklärung geht deutlich häufiger von den Müttern aus und viele Wunscheltern sehen den Spender als potenziellen Konkurrenten. (Mehr dazu mit Quellenangaben unter Psychologisches ((http://www.spenderkinder.de/infos/psychologisches/))) Infolgedessen ist die unbedingte Akzeptanz des Spenderkindes erschwert.

    Über Deinen letzten Absatz musste ich etwas nachdenken. Wie kommst Du darauf, dass Wunscheltern Mustereltern sein müssten? Das ist keinesfalls unsere Intention. Aber wir möchten, dass sich Wunscheltern mit den besonderen Herausforderungen der Familiengründung zu Dritt auseinandersetzen, damit sie eine Entscheidung treffen, zu der sie offen vor sich und anderen stehen können. Die meisten unserer Eltern wurden nur sehr unzureichend, wenn überhaupt, über die psychosozialen Aspekte und psychodynamischen Auswirkungen der Familiengründung zu Dritt aufgeklärt. Erst im Laufe der Jahre wurde ihnen bewusst, was für eine Herausforderung sie sich da eigentlich ausgesucht hatten. Das möchten wir künftigen Wunscheltern und Spenderkindern ersparen.
    Deine letzten beiden Sätze klingen für mich etwas herabsetzend, als sei es eine Frage der Zeit und Reife, bis wir unsere Eltern verstehen könnten. Viele von uns sind bereits selbst Eltern und wir bringen unseren Eltern schon ziemlich viel Verständnis (Schonung?) entgegen. Wir können unsere Eltern und den Kinderwunsch durchaus nachvollziehen. Es geht uns nicht darum unseren Eltern etwas vorzuwerfen, sondern Erfahrungen, die wir gemacht und beobachtet haben, weiterzugeben.

  5. Marie

    Liebe Beate,
    irgendetwas lässt mich vermuten, dass die Haltung:
    „Aus unserer heutigen Sicht haben wir uns schon so oft gesagt, dass die Unfruchtbarkeit meines Mannes eher ein Glück war. Denn ohne dieses Glück hätten wir nicht gerade und genau diese beiden Kinder. Und den letzten Satz habe ich im Wunschkinderforum 🙂 🙂 🙂 schon häufiger von verschiedenen Eltern gelesen.“
    vorrangig von Spenderkinder-Müttern geäußert wird, nicht von den sozialen Vätern – so sehr die auch ihre durch Samenspende entstandenen Kinder lieben können. Und falls das so ist, kann man sich fragen, was es bedeutet. Als Spenderkind und gleichzeitig Ende 40jährige Mutter von zwei mit meinem Partner auf natürlichem Wege gezeugten schon adoleszenten Kindern lässt mich diese Haltung schaudern.

  6. Beate

    Liebe Anne, liebe Stina,

    ich identifiziere mich mit Euerm Ziel, die neuen Mütter und Väter von Spenderkindern dazu zu bringen, sich mit den besonderen Herausforderungen der Familiengründung zu dritt auseinandersetzen. Auch ich engagiere mich für dieses Ziel und weiß, dass auch heute trotz der guten Informationsmöglichkeiten viele Eltern dies nicht hinreichend tun. Obwohl heute immer mehr Eltern ihre Kinder über die Samenspende aufklären, entscheiden sich einige Eltern auch weiterhin gegen die Aufklärung ihres Kindes über seine Herkunft, weil sie befürchten, mit Vorwürfen konfrontiert zu werden.

    Und Vorwürfe blicken aus euerm Artikel heraus. Vorwürfe auch für die Eltern, die sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln. Vorwürfe allein deshalb, weil sie ihr Kind als Wunschkind bezeichnen und ihm auch gern mal sagen, dass das auch etwas Schönes ist. Ich lese aus euern Worten, ihr legt gar keinen Wert darauf, gewollt zu sein. Dankbar sein wollt ihr auch nicht.

    Das klingt jetzt vielleicht wieder „übergriffig“, obwohl ich das gar nicht sein will. Ich möchte euch nur gern verdeutlichen, wie euer Artikel auf Eltern von Spenderkindern wirken kann. Und dass das nicht für alle Eltern und potentiellen Eltern ermutigend ist. Manchmal – nicht oft – fragen mich deshalb potentielle Eltern von Spenderkindern nach Adressen im Ausland, bei denen die Anonymität des Spenders sicher gestellt werden kann.

    Und ich versuche mich hier bewusst vorsichtig auszudrücken, weil ich weiß, ihr habt andererseits das Recht, eure Gefühle auszudrücken. Und wenn Fabians Gefühle nun so waren, will ich ihm auch wieder nicht den Mund verbieten. Aber ihr habt das zur Diskussion gestellt. Und hier bin ich und diskutiere mit euch. 

    „Wunschkind“ und „sei froh“ als Vorwurf oder Erwartung – vermutlich kommt es auf die Intention an, mit der das gesagt wird. Eltern sagen doch zu ihren Kindern mit derselben Intention wie ihr sie oben kritisiert auch, sie sollen froh sein, dass sie genug zu essen, ein warmes Bett, ein schönes Zuhause und sie liebende Eltern haben. Das könnte man doch genauso als Vorwurf sehen. Würdet ihr da auch so sensibel drauf reagieren? Und kann man nicht tatsächlich über all das froh sein angesichts des Wissens, dass viele Menschen auf der Welt dieses nicht haben? Sollten Eltern ihre Kinder nicht hin und wieder daran erinnern dürfen, über was sie alles froh sein sollten? Ich sehe in unseren – und vielen anderen – Kindern teils auch eine große Anspruchshaltung was materielle Forderungen betrifft. Und da stelle ich sie gern auch immer mal wieder auf ihre Füße.

    Ich habe meinen Kindern vielleicht auch schon mal gesagt, dass sie sich darüber freuen dürfen, dass sie so sehr gewünscht sind. Damit wollte ich ihnen aber nicht sagen, dass sie das gegen ihren Anspruch auf Wissen über ihre besondere Herkunft eintauschen müssen.

    Ob Spenderkindereltern ihre Kinder mehr lieben, liebe Stina, das kann doch keiner ermessen. Ich wollte das nicht damit ausdrücken, indem ich schrieb, dass mein/ unser Kinderwunsch noch viel intensiver wurde, nachdem klar war, dass ein Kind nicht so einfach zu erreichen war. Wer will sich denn gegenüber einer anderen Mutter anmaßen, zu behaupten, seine Kinder mehr zu lieben? Ich habe doch nur unsere persönliche Erfahrung kundgetan. Ich habe auch hin und wieder mit Müttern korrespondiert, die sowohl Spenderkinder als auch genetisch eigene Kinder haben. Und diese sagen ausnahmslos, sie können kein Kind mehr lieben als das andere. Muss man darüber staunen?

    Obwohl ich von euch bisher immer nur deutlich jüngere Menschen wahrgenommen habe, lag es mir auch fern, eure Altersstruktur zu bewerten. Es bleibt trotzdem meine Erfahrung, dass ich einige Gefühle meiner Mutter erst heute richtig nachempfinden kann.

    Liebe Marie,

    in den Wunschkinderforen schreiben tatsächlich zum größten Teil nur Frauen bzw. Mütter. Deshalb weiß ich auch mehr über die Aussage von Müttern. Oft schreiben diese aber auch etwas dazu, was ihre Männer geäußert haben. Zu unseren Familientreffen kommen fast ausschließlich Familien mit beiden Elternteilen und dem Kind/ den Kindern. Da erlebe ich jedes Mal Väter, die ihre Kinder innig lieben. Die Aussage, dass es ein Glück ist, gerade diese Kinder zu haben, habe ich auch schon von Vätern gehört. Für eine statistisch relevante Aussage bräuchte man allerdings eine Studie. …

    Was dich erschaudern lässt, habe ich leider nicht verstanden.

    Liebe Alle,

    weil ihr als Spenderkinder (wegen der zu späten Aufklärung oder wegen der nicht erreichbaren Spenderdaten) genauso wie wir als Spenderkindereltern (wegen der nur geringen gesellschaftlichen Akzeptanz) verletzlich seid, ist es besonders schwer, so sensible Themen zu kommunizieren ohne dass sich mal einer verletzt fühlt. Ich glaube, wir können nur so gemeinsam weiter kommen, solange wir bereit sind, uns mit dem Wissen über diese Verletzlichkeit und dem gegenseitigen Respekt davor aufeinander einzulassen.

    Herzliche Grüße, Beate

  7. Anne

    Liebe Beate,

    nur ganz kurz: Wie Du schon schreibst, geht es bei der Bezeichnung als „Wunschkind“ in diesem Zusammenhang um die Intention, die dahinter steht. Im Zusammenhang mit Samenspende erleben wir diese Bezeichnung immer wieder als Versuch der Rechtfertigung für die Wahl dieser Form der Familiengründung. Auch auf den Seiten von Reproduktionsmedizinern wird manchmal als Argument angeführt, dass die auf diese Weise entstehenden Kinder „immerhin Wunschkinder“ seien. Diese Verquickung finden wir unpassend, weil es nunmal ganz offensichtlich die Eltern sind, die sich mit ihrem Wunschkind einen Wunsch erfüllen. Wir möchten, dass das nicht verdreht wird. Und selbstverständlich kennen auch wir Spenderkinder das Gefühl der Dankbarkeit – für Gesundheit, Genesung nach schwerer Krankheit, Gaben, …. Aber wir möchten nicht, dass man von uns verlangt, unseren Eltern dafür dankbar zu sein, dass sie sich einen Wunsch erfüllt haben. Das ist nicht abwertend den Eltern gegenüber gemeint, sondern als Aufforderung, dass sie dazu stehen, dass sie sich ihren Kinderwunsch aus eigenen Motiven erfüllt haben – wie wohl alle Menschen, die nicht ungewollt schwanger werden.

    Liebe Grüße,
    Anne

    1. Elisabeth

      Hallo,
      Mich hat diese Diskussion sehr nachdenklich gemacht – aber zum Teil auch etwas geärgert.
      Zunächst möchte ich doch mal betonen: Der Wunsch, ein Kind zu haben, ob leiblich, oder nur zum Teil verwandt oder gar nicht biologisch verwandt, wird immer durch die Eltern entschieden. Niemand kann sich seine Eltern aussuchen oder entscheiden, ob er oder sie gezeugt werden möchte und von wem. Man bekommt die Eltern, die man bekommt, und zu den Herausforderungen des Lebens gehört meiner Meinung nach, zunehmend differenzierte Bewertungen über das Verhalten der eigenen Eltern abgeben zu können, die nicht nur die legitimen Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt stellen, sondern auch in der Lage sind, die Komplexität der Situation zu erfassen, in der sich die Erwachsenen befanden.
      Ein „Spenderkind“ hat die Wahl, sich sein Leben lang als Opfer anzusehen – der Spende, der Eltern, die so „egoistisch“ waren und trotz Unfruchtbarkeit ein Kind haben wollten; der Unwissenheit gegenüber, wer das genetische Elternteil ist. Man kann sich als „Spenderkind“ definieren oder nicht.
      In der gleichen Weise kann sich auch ein Mann oder eine Frau als „Opfer“ ansehen: der eigenen oder der Unfruchtbarkeit des Partners, die den Traum vom genetisch eigenen Kind zunichte gemacht hat. Niemand kommt leichtfertig auf die Idee, auf dem Wege der Reproduktionsmedizin mit Gametenspende ein Kind zu zeugen – dazu sind die Prozeduren viel zu schwierig und belastend.
      Dem „Spenderkind“ und den Eltern, die durch Gametenspende ein Kind bekommen haben, ist gemeinsam, dass Trauerarbeit geleistet werde muß.
      Trauer der Kinder darüber, dass soziale Eltern und genetische Eltern nicht völlig übereinstimmen; Trauer darüber, dass vielleicht das ganze Leben ein Fragezeichen an der Stelle steht, wo der Mensch steht, dessen Gene man mitbekommen hat und über dessen Identität man nichts erfahren kann.
      Trauer der Eltern darüber, dass man seinem Kind nicht die eigenen Gene mitgeben konnte und man selbst oder der Partner mit dem Kind biologisch nicht verwandt ist; Trauer darüber, dass man seinem Kind nicht ermöglichen konnte, ein Leben zu führen, ohne dass es diese Leerstelle gibt; Trauer über die Schwierigkeiten und Belastungen, die durch das Auseinanderfallen von biologischen und sozialen Eltern für das Familienleben entstehen.
      Trotz alledem möchte ich doch sehr infrage stellen, ob es wirklich unabdinglich und sinnvoll ist, das Familienleben überwiegend durch diesen Aspekt – die fehlende genetische Beziehung zu einem Elternteil – zu definieren und auf ihn zu reduzieren. Ich denke nicht dass das der Fall sein muß. Ja, im Fall einer Elternschaft durch Spende wird von Eltern und Kindern mehr verlangt als sonst : die Bereitschaft, die Trauer der jeweils anderen Seite anzuerkennen – die Eltern die Trauer der Kinder, aber auch die Kinder die Trauer der Eltern. Und die Bereitschaft, die Eltern nicht zu verurteilen, für die Annahme der Spende, und die Kinder nicht zu verurteilen für ihren Wunsch, das biologische Elternteil kennenzulernen soweit das möglich ist, und gegenüber dem Elternteil eine schmerzhafte Tatsache zu äußern: Du bist nicht mit mir verwandt.
      Eltern und Kindern gemeinsam ist wohl auch die Angst, aufgrund der teilweise fehlenden genetischen Beziehung abgelehnt zu werden.
      Zum Schluß möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass es Gesellschaften gibt, ob heute oder in früheren Zeiten, wo es nicht zwangsläufig war, dass die biologischen und sozialen Eltern dieselben sind oder waren – man denke z. B. an die Bedeutung der Adoption im alten Rom. Es geht hier also immer auch um soziale Konstrukte. Wir alle haben gelernt, dass Gene für die Identität wichtig sind, deshalb glauben wir, dass es ein Drama ist, wenn wir unsere Erzeuger nicht kennen oder unseren Kindern nicht die eigenen Gene mitgeben können. Wären wir in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo es üblich wäre, dass Kinder zwischen Fremden gezeugt werden, die sich nur kurz zu diesem Zweck treffen, und ansonsten keine weitere Beziehung miteinander haben – also alle Kinder in gewisser Weise „Spenderkinder “ wären – würde sich die Sache anders anfühlen.
      Mit dieser Bemerkung will ich nicht den Schmerz kleinreden, der durch die Situation sowohl auf Seiten der „Spenderkinder“ als auch der sozialen Eltern und ihrer Partner entsteht – denn wir leben nun mal nicht in einer Gesellschaft, wo „Spenderkinder“ die Norm sind. Aber manchmal ist die Frage was wäre wenn… hilfreich, um Abstand zu gewinnen und sich zu fragen, wieviel Platz man der Frage der genetischen Abstammung in einem Leben und in einer Familie einräumen will.
      Elisabeth

      Hallo,
      Mich hat diese Diskussion sehr nachdenklich gemacht – aber zum Teil auch etwas geärgert.
      Zunächst möchte ich doch mal betonen: Der Wunsch, ein Kind zu haben, ob leiblich, oder nur zum Teil verwandt oder gar nicht biologisch verwandt, wird immer durch die Eltern entschieden. Niemand kann sich seine Eltern aussuchen oder entscheiden, ob er oder sie gezeugt werden möchte und von wem. Man bekommt die Eltern, die man bekommt, und zu den Herausforderungen des Lebens gehört meiner Meinung nach, zunehmend differenzierte Bewertungen über das Verhalten der eigenen Eltern abgeben zu können, die nicht nur die legitimen Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt stellen, sondern auch in der Lage sind, die Komplexität der Situation zu erfassen, in der sich die Erwachsenen befanden.
      Ein „Spenderkind“ hat die Wahl, sich sein Leben lang als Opfer anzusehen – der Spende, der Eltern, die so „egoistisch“ waren und trotz Unfruchtbarkeit ein Kind haben wollten; der Unwissenheit gegenüber, wer das genetische Elternteil ist. Man kann sich als „Spenderkind“ definieren oder nicht.
      In der gleichen Weise kann sich auch ein Mann oder eine Frau als „Opfer“ ansehen: der eigenen oder der Unfruchtbarkeit des Partners, die den Traum vom genetisch eigenen Kind zunichte gemacht hat. Niemand kommt leichtfertig auf die Idee, auf dem Wege der Reproduktionsmedizin mit Gametenspende ein Kind zu zeugen – dazu sind die Prozeduren viel zu schwierig und belastend.
      Dem „Spenderkind“ und den Eltern, die durch Gametenspende ein Kind bekommen haben, ist gemeinsam, dass Trauerarbeit geleistet werde muß.
      Trauer der Kinder darüber, dass soziale Eltern und genetische Eltern nicht völlig übereinstimmen; Trauer darüber, dass vielleicht das ganze Leben ein Fragezeichen an der Stelle steht, wo der Mensch steht, dessen Gene man mitbekommen hat und über dessen Identität man nichts erfahren kann.
      Trauer der Eltern darüber, dass man seinem Kind nicht die eigenen Gene mitgeben konnte und man selbst oder der Partner mit dem Kind biologisch nicht verwandt ist; Trauer darüber, dass man seinem Kind nicht ermöglichen konnte, ein Leben zu führen, ohne dass es diese Leerstelle gibt; Trauer über die Schwierigkeiten und Belastungen, die durch das Auseinanderfallen von biologischen und sozialen Eltern für das Familienleben entstehen.
      Trotz alledem möchte ich doch sehr infrage stellen, ob es wirklich unabdinglich und sinnvoll ist, das Familienleben überwiegend durch diesen Aspekt – die fehlende genetische Beziehung zu einem Elternteil – zu definieren und auf ihn zu reduzieren. Ich denke nicht dass das der Fall sein muß. Ja, im Fall einer Elternschaft durch Spende wird von Eltern und Kindern mehr verlangt als sonst : die Bereitschaft, die Trauer der jeweils anderen Seite anzuerkennen – die Eltern die Trauer der Kinder, aber auch die Kinder die Trauer der Eltern. Und die Bereitschaft, die Eltern nicht zu verurteilen, für die Annahme der Spende, und die Kinder nicht zu verurteilen für ihren Wunsch, das biologische Elternteil kennenzulernen soweit das möglich ist, und gegenüber dem Elternteil eine schmerzhafte Tatsache zu äußern: Du bist nicht mit mir verwandt.
      Eltern und Kindern gemeinsam ist wohl auch die Angst, aufgrund der teilweise fehlenden genetischen Beziehung weniger akzeptiert und geliebt zu werden.
      Zum Schluß möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass es Gesellschaften gibt, ob heute oder in früheren Zeiten, wo es nicht zwangsläufig war, dass die biologischen und sozialen Eltern dieselben sind oder waren – man denke z. B. an die Bedeutung der Adoption im alten Rom. Es geht hier also immer auch um soziale Konstrukte. Wir alle haben gelernt, dass Gene für die Identität wichtig sind, deshalb glauben wir, dass es ein Drama ist, wenn wir unsere Erzeuger nicht kennen oder unseren Kindern nicht die eigenen Gene mitgeben können. Wären wir in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo es üblich wäre, dass Kinder zwischen Fremden gezeugt werden, die sich nur kurz zu diesem Zweck treffen, und ansonsten keine weitere Beziehung miteinander haben – also alle Kinder in gewisser Weise „Spenderkinder “ wären – würde sich die Sache anders anfühlen.
      Mit dieser Bemerkung will ich nicht den Schmerz kleinreden, der durch die Situation sowohl auf Seiten der „Spenderkinder“ als auch der sozialen Eltern und ihrer Partner entsteht – denn wir leben nun mal nicht in einer Gesellschaft, wo „Spenderkinder“ die Norm sind. Aber manchmal ist die Frage was wäre wenn… hilfreich, um Abstand zu gewinnen und sich zu fragen, wieviel Platz man der Frage der genetischen Abstammung in einem Leben und in einer Familie einräumen will.

      1. Anne

        Hallo Elisabeth,

        niemand kann sich seine Eltern aussuchen – da haben Sie recht.
        Leider werden wir immer wieder missverstanden, wir verurteilen das Verhalten unserer Eltern keineswegs. Wir haben sehr viel Verständnis für deren Kinderwunsch und auch deren damalige Naivität, mit der sie sich damals überhaupt keine Gedanken über Rechte und Bedürfnisse der entstehenden Menschen gemacht haben. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass Menschen mit Kinderwunsch davon so eingenommen sind, dass sie sich erstmal nur auf dessen Erfüllung konzentrieren. Deshalb ist es so wichtig, Menschen, die sich dabei mit Möglichkeiten der Familiengründung zu dritt beschäftigen, mit den notwendigen Informationen über die psychosozialen und psychodynamischen Folgen zu versorgen und aktiv über die Rechte und Bedürfnisse der entstehenden Menschen aufzuklären.

        Obwohl auch für uns Spenderkinder das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gilt, erleben wir, dass uns diese ganz wesentlichen Informationen oft willentlich vorenthalten werden. Ein Opfer würde sich damit abfinden – wir setzen uns durch Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit dafür ein, dass die Rechte künftige Spenderkinder besser wahrgenommen und geschützt werden. Logisch, dass wir uns in dieser Funktion als Spenderkinder definieren. Das soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Leben nicht auch andere Rollen und Tätigkeiten beinhalten. Aber auch diese Seite ist ein Teil von uns, genau wie unser biologischer Vater ein Teil von uns ist, den wir deshalb kennen und anerkennen möchten. Wir reduzieren unsere Familie also nicht auf den Spender, sondern möchten sie um den Spender erweitern – etwas, das unsere Eltern im Grunde schon mit der Entscheidung für die Familiengründung zu dritt getan haben. Bei der Samenspende fallen soziale und biologische Vaterschaft auseinander. Wie Sie schreiben, kann man sich seine Eltern nicht aussuchen. Man kann sich aber auch nicht Familien x-beliebig zusammenbasteln und einen biologischen Elternteil einfach wieder rauswerfen, weil die Wunscheltern ihn nicht dabeihaben möchten.
        Wie Sie vielleicht herauslesen ist mein vorherrschendes Gefühl nicht Trauer, von der ich Abstand gewinnen möchte, sondern Wut über die Missachtung meiner Bedürfnisse. Ich kann damit sehr gut leben und freue mich auf diesem Weg besonders über Verständnis und Unterstützung. Wir haben in den letzten Jahren schon so unglaublich viel erreicht! – Das hätten wir nicht, wenn wir uns brav und resigniert trauernd mit der Situation abgefunden hätten. Ich freue mich, an diesem gesellschaftlich so brisantem Thema auch persönlich so dicht dran zu sein.

  8. Beate

    Liebe Anne,

    du weist sehr schön darauf hin, dass sehr viele Eltern sich damit einen Wunsch erfüllt haben, indem sie Eltern geworden sind. Das ist nicht auf die Samenspende beschränkt.

    Ich glaube, wenn man zu euch sagt, immerhin seid ihr Wunschkinder, dann ist das nicht unbedingt gleichbedeutend damit, dass man von euch Dankbarkeit erwartet, sondern kann auch gut gemeint (in tröstender Absicht) sein. Ich empfinde eigentlich solche Menschen, die mir in Situationen, in denen ich Traurigkeit empfinde, zeigen, dass trotzdem noch die Sonne scheint, als angenehm. Und ich bemühe mich, anderen Menschen gegenüber selbst so zu sein. …

    1. stina Beitragsautor

      Liebe Beate,

      auch wenn der Hinweis, ein Wunschkind zu sein, vielleicht in tröstender Hinsicht gemeint ist, schwingt damit immer mit, dass man sich doch etwas anstellt. Findest Du so einen Hinweis auch angenehm, wenn es um ungewollte Kinderlosigkeit geht? Also: Auch wenn ihr keine Kinder bekommen könnt, seid ihr selbst doch Wunschkinder!

      Ich finde so ein Verhalten allgemein überhaupt nicht angenehm, sondern eher wenig mitfühlend. Dass die Sonne trotzdem scheint, weiß ich selbst. Und hingewiesen wird ja auch nicht auf andere Aspekte in meinem Leben, die schön sind, sondern auf etwas, das mit meinen Eltern zu tun hat. Das finde ich mit über 30 Jahren erst einmal eh nicht mehr so wichtig. Dazu kommt aber noch: Weil meine Eltern sich mich so gewünscht haben, haben sie sich auf eine anonyme Samenspende eingelassen, mir 25 Jahre nicht die Wahrheit gesagt und sich nicht darum gekümmert, dass ich vielleicht noch an diese Informationen gelangen kann. Wie Anne schon sagt, sie haben sich einen Wunsch erfüllt, aber wie es mir damit ging, war nicht wichtig.

      Noch viel taktloser ist dieser Hinweis für diejenigen von uns, die dann doch nicht so gewollt waren und bei denen der soziale Vater den Kontakt zur Familie abgebrochen hat.

  9. Anne

    Liebe Beate,

    selbstverständlich muss die Verwendung des Wortes „Wunschkind“ nicht immer mit vom Kind erwarteter Dankbarkeit einhergehen. Wir erleben diese Verknüpfung jedoch häufig in der Verbindung „Aber Sie sind doch ein Wunschkind, ohne die Samenspende würden Sie nicht leben – Sie sollten Ihren Eltern dankbar dafür sein“ und möchten lediglich darauf aufmerksam machen, dass „Wunschkind“ zu sein beim Kind nicht unbedingt die gleichen Glücksgefühle hervorruft, wie bei den Eltern der Gedanke endlich ein“Wunschkind“ zu „haben“.

    Zu Deinem zweiten Aspekt, dass Menschen uns mit der Bezeichnung als Wunschkinder möglicherweise trösten möchten: Das mag auch nach meinem Empfinden des öfteren eine Absicht sein. In diesen Fällen erlebe ich allerdings eher ein Missverständnis: Ich bin gar nicht so fürchterlich traurig über meine Entstehungsweise, dass ich dafür nach Trost suche. Ich möchte wissen, wer mein biologischer Vater ist und bin wütend, dass mir dieses Wissen – allem Anschein nach sogar willentlich – vorenthalten wird. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass künftigen Spenderkindern nicht das gleiche passiert, sondern ihre Rechte besser geschützt werden. Was ich mir wünsche, ist Verständnis und Unterstützung dabei – und keine Hilfe, mich mit der bestehenden Situation abzufinden.

  10. Kerstin

    Hallo zusammen,

    seit nunmehr fast drei Jahren sind mein Mann und ich in Behandlung in einer Kinderwunschklinik, bisher leider ohne Erfolg. Ich wusste schon von Anfang unserer Beziehung an, dass wir nur mit Spendersamen jemals Eltern werden können, da mein Mann unfruchtbar zur Welt kam. Als ich das damals erfahren habe, hätte ich vor Wut auf Gott und die Welt schreien können. Ausgerechnet mein Mann, der liebevollste, ehrlichste, lustigste und absolut beste Mensch den ich mir vorstellen kann, ist zeugungsunfähig. Und das, wo in unserer Welt genug Männer rumlaufen, die sich besser nicht vermehren sollten, (und ebenso Frauen!), die aber Kinder kriegen wie die Karnickel, und sich aber einen Dreck um ihre „leiblichen“ Kinder scheren. Oftmals wissen Frauen nicht mal, von wem das Kind ist. Oder haben Kinder von verschiedenen Männern.

    Wenn ich mir nun viele eurer Einträge so durchlese, frage ich mich ernsthaft: sind diese Kinder im Endeffekt glücklicher, weil sie wissen, vom wem sie genetisch abstammen? Zählt zum einzig wahren Glück nur die Tatsache, das Bild des biologischen Erzeugers vor Augen zu haben statt jahrelang vom sozialen Vater mit Liebe und Stolz als „sein“ Kind aufgezogen worden zu sein?

    Ich verstehe durchaus die Wut, die all diejenigen in sich tragen, weil sie keine Chance mehr haben, mehr über ihren Erzeuger zu erfahren. Ganz nebenbei gesagt, finden mein und ich es auch nicht richtig, und würden unserem Kind auf alle Fälle schon von Kindes Beinen an sagen, dass Papa leider krank war und deshalb ein netter Onkel uns geholfen hat dich zu bekommen. Und bisher dachte ich, na ja, wenn man es dem Sprößling frühzeitig sagt, wird schon alles gut werden. Aber da es im Netz hauptsächlich nur negative Meinungen, Kommentare und Notizen von Spenderkindern gibt, frage ich mich mittlerweile, ob ich überhaupt noch ein Spenderkind will. Mein von uns geliebtes Spenderkind muss nicht der Nabel der Welt sein, muss nicht tagtäglich in Dankbarkeit schwelgen oder sich verstecken weil es ein Spenderkind ist – aber ein klein bißchen Dankbarkeit wäre doch schön, wenn man bedenkt, was wir Eltern für so ein Spenderkind alles in Kauf nehmen. Der Unterschied zum „einfach schwanger werden“ ist bei uns, dass der Kinderwunsch uns sehr viel Kraft, Energie, Zeit und jede Menge Geld kostet. Und gerade deswegen ist die Scheidungsrate bei Spendereltern durchaus geringer als bei anderen Familien. Denn eines kann ich euch verraten: Diesen Aufwand, den man da für lange Zeit auf sich nimmt, schweißt ein Paar zusammen. Ich habe mich vor 10 Jahren für meinen Mann entschieden, auch wenn er unfruchtbar ist, und wir haben uns vor 6 Jahren geschworen „in guten wie in schlechten Zeiten“ – und diese Zeit in der Kinderwunschklinik gehört definitiv zu den schlechten – und wir stehen uns näher als jemals zuvor.

    Nun liebe Spenderkinder, sagt mir doch eins: lohnt es sich überhaupt, ein Spenderkind in die Welt zu setzten oder sollen wir es lieber bleiben lassen, damit wir nicht einen unglücklichen Menschen erschaffen, der dann zeitlebens damit beschäftigt sein wird, seinen biologischen Vater zu finden? Wobei unser Kind ja Daten und Fakten hierzu bekommen würde. Aber vielleicht verfällt unser Kind dann in den Irrglauben, der biologische Vater wäre besser/intelligenter/schöner/reicher etc. als der soziale Vater? Müssen wir uns von unserem Kind später auch anhören, wir wären leichtfertig mit unserem Kinderwunsch umgegangen?

    Ich bin wirklich gespannt auf eure Antworten – und würde mich echt freuen, wenn sich auch mal „glückliche“ Spenderkinder melden würden, die froh sind, auf der Welt zu sein, die ihre Eltern lieben und ihren Erzeuger als das ansehen was er ist – lediglich der Erzeuger!

    Viele Grüße.
    Kerstin

  11. Anne

    Liebe Kerstin,

    in Deiner Anfrage fallen mir viele Extreme und Absolutismen auf, die Du einander gegenüberstellst: Der beste Vater gegenüber völlig desinteressierten Eltern, das einzig wahre Glück allein durch die Kenntnis des biologischen Vaters gegenüber dem Unglück der Unkenntnis. Ich lese daraus, dass Du Dir viele Gedanken machst und spüre den Wunsch, möglichst alles richtig zu machen.

    Du wirst es schon ahnen, so zweidimensional ist es nicht. Allein die Kenntnis des biologischen Vaters macht natürlich kein glückliches Leben aus. Ich selbst führe ein sehr zufriedenes, wirkungsvolles Leben und bin gleichzeitig unzufrieden mit der Tatsache, bisher nichts über meinen biologischen Vater zu wissen. Deswegen engagiere ich mich in unserem Verein und habe ihn mit ins Leben gerufen. Wir haben schon viel erreicht und viel wird noch passieren. Ich freue mich oft über mein Leben, ohne deshalb meine Entstehungsweise gutheißen zu müssen. Es wäre ja schlimm, wenn alle Menschen, die unter ungünstigen Umständen entstehen, deswegen lebenslang unglücklich sein müssten. Ein ganz wichtiger Punkt dabei ist uns die Kenntnis unseres biologischen Vaters. Über 80% der aufgeklärten Spenderkinder geben an, ihren Erzeuger im Laufe ihres Lebens kennenlernen zu wollen. Die Entscheidung für eine Samenspende bedeutet eine Entscheidung für eine Familiengründung zu dritt zu treffen. Die Vaterschaft fällt dabei auseinander und verteilt sich auf zwei Väter – einen sozialen und einen biologischen. Viele Wunscheltern erleben den Spender dabei als potenziellen Konkurrenten, den sie deshalb versuchen kleinzureden und aus der Familie heraus zu halten. Er ist aber der biologische Vater des Kindes – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Auch ein früh-aufgeklärtes Kind wird diesen Menschen höchstwahrscheinlich einmal kennenlernen wollen. Das bedeutet nicht, dass das Kind glaubt, dass der biologische Vater besser, schöner, geeigneter wäre, als der soziale Vater, es bedeutet lediglich, dass das Kind BEIDE Väter, in sein Leben integrieren möchte. Es ist schön, wenn die Eltern dem Kind dabei helfen können und das Kind keine Sorge haben muss, seine Wunscheltern damit zu verletzen und seine Bedürfnisse deshalb zurückstellen zu müssen.
    Noch zum Aspekt der Dankbarkeit: Du führst anschaulich aus, welche Mühen Wunscheltern oft in Kauf nehmen um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Es sind die Eltern, die sich einen Wunsch erfüllen und entscheiden, welche Mühen sie dafür bereit sind, auf sich nehmen. Es ist nicht Aufgabe des Kindes, den Eltern dafür dankbar zu sein, sondern umgekehrt sollten die Eltern nicht vergessen, dass die Erfüllung ihres Wunsches keine Selbstverständlichkeit ist (was ja durch die Mühen deutlich geworden sein dürfte) und nicht vergessen, dankbar zu sein.
    Es freut mich zu hören, dass eure Beziehung offensichtlich an der Auseinandersetzung mit der Unfruchtbarkeit gewachsen ist und euch sogar noch stärker miteinander verbunden hat. Das ist keineswegs selbstverständlich: Obwohl einige Ärzte gerne behaupten, dass Spenderkinder-Familien besonders stabil seien, weist die Studienlage in eine andere Richtung, siehe dazu auch http://www.spenderkinder.de/infos/psychologisches/#frage15.

    Alles Gute,
    Anne

  12. stina Beitragsautor

    Liebe Kerstin,
    Dein Kommentar geht von mehreren falschen Annahmen aus. Erst einmal verstehe ich nicht, weswegen Du auf unserer Seite so viel Wut oder Unglück entdeckst. Wir möchten lediglich darauf hinweisen, dass die Abstammung wichtig für uns ist und sie leider vielen Spenderkindern bislang rechtswidrig vorenthalten wurde. Genauso möchten wir darauf hinweisen, dass Ehrlichkeit in der Familien einen hohen Stellenwert besitzen sollte. Weil wir hierüber auf dieser Seite reden, kennst Du aber noch keinen von uns als ganze Person. Die meisten von uns sind sicher sehr glücklich, auf der Welt zu sein. Das rechtfertigt aber nicht anonyme Spenden oder dass Eltern ihren Kindern nicht oder erst spät die Wahrheit sagen.

    Die Idee, dass alles gut wird, wenn man es dem Kind früher sagt, ist – ich hoffe Du verzeihst mir die Ehrlichkeit – etwas naiv. Mit einmal darüber geredet zu haben ist die Samenspende doch nicht erledigt. Eine Familiengründung zu dritt ist viel herausfordernd als eine herkömmliche, und genau wie eine Adoption oder eine Pflegschaft begleitet sie einen lebenslang. Der Spender muss lebenslang in die Familie integriert werden, denn er ist der genetische Vater des Kindes.

    Und was du ja anscheinend doch gerne möchtest, ist Dankbarkeit für die Mühen, die ihr für das Kind in Kauf nehmt. Genau über solche Gefühle geht unser Beitrag, deswegen finde ich es interessant, dass Du es so deutlich aussprichst. Ich finde das unfair gegenüber dem Kind, denn es hat wie alle anderen Menschen nie darum gebeten, in die Welt gesetzt zu werden, und muss deswegen auch nicht dankbarer sein als normal gezeugte Menschen. Ihr als Eltern erfüllt Euch einen Wunsch, nicht dem Kind. Ich habe selbst eine kleine Tochter und finde die Vorstellung absurd, dass sie mir dankbar für ihre Existenz sein sollte, denn ich habe mir das selbst ausgesucht und sie gibt mir auch so viel Freude zurück. Es ist schön, wenn Du meinst dass die Unfruchtbarkeit Deinen Mann und Dich enger zusammengeschweißt hat. Leider haben einige unserer Mitglieder andere Erfahrungen machen müssen, nämlich dass der soziale Vater nicht voll hinter der Samenspende stand. Ich frage mich auch, woher Du die Angabe hast, dass es weniger Scheidungen gibt. Daniels/Gillett/Grace (2009), Scheib/Riordan/Rubin (2003) und Owen/Golombok (2009) stellen eher eine leicht erhöhte Scheidungsrate fest.

    Was Dein Kind später von der Samenspende und seinem genetischen und dem sozialen Vater hält, solltest Du ihm selbst überlassen und nicht bestimmte Wertungen einfordern wie dass er nur der „Erzeuger“ ist.
    Viele Grüße Stina

  13. Kerstin

    Liebe Anne, liebe Stina,

    vielen Dank für eure ehrlichen Antworten, gerade bei einem so emotionalen Thema. Schade, dass man sich hier nur „schriftlich“ trifft, da es oftmals schwierig ist, Gedanken und Emotionen in Textform darzustellen. Anhand von Niedergeschriebenen macht man sich oftmals einen falschen Eindruck von Menschen.
    Als ich deine Antwort gelesen habe, liebe Anne, hatte ich das Gefühl, dass du mir einerseits deine Situation, deine Beweggründe darlegen willst und gleichzeitig aber auch für mich als potentielle Spenderbabymama Verständnis aufbringst, die ganze Spenderkind-Thematik einfach von beiden Seiten betrachtest.
    Bei deinem Kommentar liebe Stina, habe ich das ehrlich gesagt etwas vermisst. Im Vergleich zu Anne wirkt deine Antwort – bitte nicht falsch verstehen – etwas aggressiver und wenig bis gar nicht verständnisvoll mir bzw. Spenderkindereltern gegenüber. Du sagst, meine Idee es dem Kind früh zu sagen und damit wäre alles gut, sei naiv….ich habe nicht gesagt, dass damit „alles gut“ wäre. Aber wie du ja selbst unter „psychologisches/Punkt11 – Zeitpunkt nachlesen kannst, haben Kinder die es vor ihrem 4. Lebensjahr (oder egal wann, Hauptsache so früh wie möglich) anscheinend allesamt später keine Probleme mit ihrer Art der Zeugung und messen der „künstlichen“ Erzeugung durch einen fremden Spender weniger Wert bei als zum Beispiel du bzw all die Spenderkinder, die erst sehr spät davon erfahren haben. Mein Mann und ich haben uns zum Anfang unserer Behandlung ausführlich darüber unterhalten, ob und wann wir es dem Junior sagen werden. Auch unser Arzt hat uns von Anfang an dazu geraten, es dem Kind von Anfang an zu sagen. Von der Samenbank haben wir ein ganz tolles Bilderbuch bekommen, mit dem man es bereits Kleinkindern anfangen kann zu erklären. Das dies mit einmal sagen nicht getan ist, liegt für mich auf der Hand. Da mein Mann wie bereits erwähnt von Geburt an gewusst hat, dass er unfruchtbar ist und von daher nur mit Hilfe einer Samenspende Papa werden kann, hat er auch kein Problem damit, wie viele andere Männer plötzlich mit Unfruchtbarkeit konfrontiert zu werden. Seine größte Sorge war bisher immer, eine Frau fürs Leben zu finden, die ihn so akzeptiert wie er ist und dies alles auf sich nehmen würde, was wir mittlerweile tun. Er ist den Spendern dankbar, dass sie spenden und sieht sie nicht als Konkurrenten. Ich denke, es kommt halt auch immer auf die Menschen an, die in so einer Geschichte mit drin hängen. Nicht alle sind gleich. Und wer weiß – vielleicht hält unsere Ehe auch nicht bis in alle Ewigkeit, schließlich scheitert in Deutschland im Schnitt jede 4. Ehe. Ob das dann an der Babygeschichte liegt, wer weiß.
    Woher ich die Annahme habe, dass Ehen von Spenderbabyeltern stabiler sind? Nun, natürlich habe ich keine repräsentative Umfrage gemacht (wobei wenn in einer Umfrage 44 Paare befragt werden, finde ich dies nicht sonderlich repräsentativ 🙂 ), ich habe im Laufe der letzten knapp 3 Jahre einfach viele Leute kennengelernt, die in meiner Situation sind und die allesamt glücklich verheiratet sind. Ich gehe mittlerweile relativ offen mit dem Thema um, dass wir in einem Kinderwunschzentrum behandelt werden, sogar mein Chef weiß Bescheid, weil ich das ständige Lügen bezüglich meiner Abwesenheiten satt hatte. Meine direkte Kollegin mir gegenüber war 8 Jahre lang in Behandlung, mit 2 Fehlgeburten und einer Drillingstotgeburt. In einer Abteilung unter mir arbeitet eine Kollegin, die ich in der selben Klinik kennengelernt habe, eine ehemalige Schulfreundin hat mir auf dem letzten Klassentreffen ganz erzählt, wie sie zu ihrem knapp einjährigen Sonnenschein gekommen ist, usw. Ich hätte früher nie gedacht, dass es mittlerweile so viele Paare gibt, die Hilfe brauchen. Und alle, die ICH kennengelernt habe, sind wie gesagt noch glücklich verheiratet. Daher meine „Annahme“:-)
    Was mich aber nach wie vor ziemlich befremdet ist die Aussage von manchen Spenderkindern, dass man den Spender als Teil der Familie integrieren MUSS und in ihm nicht NUR den „Erzeuger“ sehen kann. Warum eigentlich nicht? Spenderkinder sollen meiner Meinung nach das Recht haben zu erfahren, wer der zweite genetische Part ist. Andersrum sollen Spenderkindereltern aber auch Rechte haben – nämlich das Recht zu entscheiden, ob sie den Spender in ihre Familie integrieren wollen oder nicht. Das gleiche Recht hat auch der Spender. Natürlich könnt ihr rechtlich darauf bestehen, Informationen über den Spender zu erhalten. Ihr könnt eure Eltern, den behandelnden Arzt, die Samenbank darauf verklagen, euch Infos zu geben. Ihr könnt aber nicht den Spender verklagen, mit euch in Kontakt zu treten oder eine Beziehung zu euch aufzubauen. Es gibt „natürliche“ Eltern, die mit ihren leiblich gezeugten Kindern nichts anfangen können und wollen, und es gibt auch solche Spender. Und das muss dann auch akzeptiert werden. Ich denke, dass ich kein Problem damit hätte, wenn mein Junior seinen Spender finden will (kann er jederzeit, beim Notar ist alles hinterlegt, das macht unsere Samenbank schon seit ihrer Gründung 2002 so). Aber wenn Junior darauf bestehen würden, einen zweiten Papa mit an den Familientisch zu setzen, stelle ich mir das nicht so leicht vor. Man kennt sich doch gar nicht, jede Familie hat ihr eigenes Leben, da muss ich doch nicht zwangsweise versuchen, zwei Familien zu „verschmelzen“. Ich habe jedoch schon oft gehört, dass diesen Wunsch vor allem Kinder haben, deren Eltern geschieden wurden und zum sozialen Vater kaum oder wenig Kontakt haben. Kann ich verstehen – man versucht, sich durch den Spender, also den biologischen Vater, einen „neuen“ Papa zu schaffen.

    Kurz zum Thema Dankbarkeit: ich erwarte natürlich nicht, dass mein Kind mir tagtäglich dankbar dafür ist, dass ich es auf die Welt gebracht habe. Das kann man nicht erwarten, denn – wie ihr so schön gesagt hat – wurden die Babies dieser Welt nie gefragt, ob sie auf die Welt kommen wollte. Man geht halt automatisch davon aus. Ich habs mir auch nicht ausgesucht, aber ich bin meiner Mama (und meinem Papa natürlich auch) sehr dankbar, dass sie mich auf die Welt gebracht haben, vor allem da meine Mama mit mir keine leichte Schwangerschaft hatte. Denn ich bin gerne auf dieser Welt – und deshalb dankbar:-)
    Mein Papa ist vor 14 Jahren bei einem Autounfall gestorben und in meiner heutigen Situation denke ich manchmal, was wäre wenn Mama mir sagen würde, dass er gar nicht mein leiblicher Vater war. Was würde ich tun, was würde ich denken? Schwer zu sagen, wenn man nicht wirklich in dieser Situation steckt. Ich denke, ich wäre wahnsinnig wütend, weil sie es mir verschwiegen haben, ich würde auch gerne wissen, wer denn der Spender ist, wie er aussieht und was er so beruflich und privat macht. Aber ihn in „meine“ Familie integrieren, ihn dazugehörig ansehen… das kann ich mir nicht vorstellen. Mein Papa war ein guter Vater, er hat alles für mich getan und ich liebte ihn, ob er mich letztendlich gezeugt hätte oder nicht. Und das würde ich mir halt von meinem Junior auch wünschen. Aber erzwingen kann man das natürlich nicht – auch nicht von natürlich gezeugten Kindern.

    Ich danke euch sehr fürs Zuhören und hätte zum Schluss noch eine Bitte: was würdet ihr mir grundsätzlich raten? Was würdet ihr in meiner Situation machen? Ein „Spenderkind“ in die Welt setzen oder nicht? Und falls ja, wie würdet ihr an meiner Stelle handeln?

    Lieben Dank euch allen und alles Gute für euren weiteren Lebensweg.
    Kerstin

    1. stina Beitragsautor

      Liebe Kerstin,
      Du hast Recht, dass man sich schriftlich leicht missverstehen kann. Deswegen vielen Dank, dass Du Deine Beweggründe und auch Deine Geschichte etwas genauer erklärt hast. Wie Anne es gut ausgedrückt hat, hatte ich vorher auch den Eindruck, dass Du viele Eindrücke etwas schwarz-weiß schilderst, und da hatte ich tatsächlich wenig Verständnis für. Wahrscheinlich bin ich aber gerade wegen des BGH Urteils, das zwar super für uns ist, aber wieder zu ein paar Anfeindungen geführt hat, auch etwas angestrengt.

      Schön dass Du die Studienzusammenfassungen auf unserer Seite gelesen hast. Es stimmt grundsätzlich, dass Spenderkinder, die früh aufgeklärt wurden, eher weniger Probleme mit ihrer Art der Zeugung haben. Allerdings sollte man dabei im Hinterkopf behandeln, dass die Kinder teilweise sehr jung sind, die dort Auskunft geben, und sich die Bedeutung des Spenders mit den Jahren noch ändern kann. Was wir aber vor allem verhindern möchten, ist dass Eltern ihre Kinder zwar aufklären, aber vor allem die Hoffnung damit verbinden, dass das Kind sich dann nicht für den Spender interessiert. Damit wird auch ein gewisser Druck auf die Kinder ausgeübt. Stattdessen sollten Eltern ihren Spenderkindern mitgeben, dass es völlig okay ist, sich für den Spender zu interessieren, und dass man das Kind bei diesem Interesse unterstützen wird. Mit den Spender in die Familie integrieren meinen wir auch nicht, dass man ihn an den Abendbrottisch setzt, sondern dass man ihn ab und zu positiv erwähnt und nicht totschweigt und es nachher dem Kind überlässt, wie es ihn genau einordnen möchte.

      Ich kann die Aussage auch nicht unterstützen, dass Spätaufgeklärte wie ich dem biologischen Vater so viel Gewicht beimessen. Ich möchte einfach nur wissen, wer er ist. Misst man damit dem genetischen Vater schon viel Gewicht zu? Gleichzeitig würde ich aber sagen, dass ich einen Vater habe und keinen zweiten brauche. Aber ich möchte trotzdem wissen, was ich an genetischen Anlagen mitbekommen habe, auch für mein eigenes Kind.

      Ich wünsche Euch, dass Eure Ehe stabil bleibt. Aber ich halte es für nicht belegt und auch eher gefährlich, eine Samenspende als besonders verbindend anzusehen, weil man dann vielleicht die Herausforderungen unterschätzt, die damit zusammen hängen. Die Bekannten, die Du erwähnst, gründen ja anscheinend keine Familie mit einer Samenspende, sondern versuche noch ein genetisch eigenes Kind zu bekommen. Und die richtigen Herausforderungen kommen ja auch erst, wenn das Kind auf der Welt ist. Letztendlich weiß man auch bei einer gescheiterten Ehe mit Spenderkindern nie, ob es daran gelegen hat. Ich kenne nur einige recht bedrückende Geschichten aus unserem Verein, die nahelegen, dass die Paare und vor allem die Männer sich der Bedeutung der Samenspende nicht bewusst waren.

      Wir werden oft von Spenderkinder-Eltern gefragt, was wir an ihrer Stelle tun würden: weil Samenspenden so eine schwierige For der Familiengründung ist, kann ich nicht einfach sagen, dass es jemand machen soll. Aber ich würde versuchen zu einer Entscheidung zu kommen, hinter der ich voll stehe und bei der ich ein gutes Gefühl habe. Auch Dir alles Gute, Stina

  14. Anja

    Liebe Kerstin,

    auch ich (ebenfalls Spenderkind) möchte dir gerne versuchen, ein paar Antworten zu geben. Ich finde es gut, dass du diese Fragen stellst, zumal du ja noch mitten drin in der „Behandlung“ bist. Je früher man sich damit auseinandersetzt desto besser.

    Ich glaube, dass die wenigsten von uns Samenspenden generell ablehnen. Im Gegenteil, ich persönlich sehe es sogar, wenn vernünftig damit umgegangen wird, als durchaus bereichernd an. Zumindest stelle ich mir das so vor, wenn einfach alles dazu gehören darf, was eben dazu gehört, sprich die Kenntnis des Spenders und auch Halbgeschwister und auch ein gutes Verhältnis zur Mutter und dem sozialen Vater. Solange hier kein verantwortungsvoller Umgang gefunden wird (und damit meine ich nicht nur, dass das Kind die Möglichkeit hat, den Spender kennen zu lernen, sondern auch in ganz besonderem Maße die Haltung der Mutter und des sozialen Vaters), würde ich mir jedoch in der Tat ganz genau überlegen, ob ich mich darauf einlasse. Niemand MUSS eine Samenspende nutzen. Es gibt ja auch die Möglichkeit der Adoption und der Pflege anderer Kinder. Und – auch das wird häufig vergessen – ein Leben OHNE Kinder kann auch sehr schön sein.

    Zu deiner Frage: „sind diese Kinder im Endeffekt glücklicher, weil sie wissen, vom wem sie genetisch abstammen? Zählt zum einzig wahren Glück nur die Tatsache, das Bild des biologischen Erzeugers vor Augen zu haben statt jahrelang vom sozialen Vater mit Liebe und Stolz als “sein” Kind aufgezogen worden zu sein?“

    Ganz einfach: beides ist wichtig. Wenn ein Kind zwar von seinem sozialen Vater liebevoll umsorgt wird, seinen leiblichen Vater und andere Familienangehörige aber nicht kennenlernen kann/darf, dann wird ihm schlichtweg etwas fehlen. Ebenso andersrum. Ein Vater, der zwar bekannt ist, aber das Kind schlecht behandelt, oder seine sozialen Pflichten nicht erfüllt (dazu gehört auch Unterhalt etc.), wird das Kind genauso wenig glücklich machen.

    Die Familiengründung durch Samenspende ist, wie ja schon angesprochen wurde, viel herausfordernder als eine klassische Familiengründung. Ich halte es für wichtig, dass sich Eltern darüber schon vor ihrer Entscheidung hierzu genau bewusst machen, was das eigentlich heißt. Meiner Meinung nach gelingt das nur durch psychologische Hilfe. Bestenfalls sollte hier auch der Schmerz, der durch die Zeugungsunfähigkeit des Mannes bedingt ist – was ich bei dir Kerstin sehr deutlich rauslese – schon weitestgehend verarbeitet werden. Eltern sollten wissen, worauf sie sich da einlassen, und zwar in seiner vollen Wahrheit. Dazu zählt auch, dass der Spender nicht einfach ein „netter Onkel“ ist oder „lediglich der Erzeuger“, sondern der biologische VATER (!!) des Kindes. Eine frühzeitige Aufklärung des Kindes ist zwar wichtig, aber damit ist es doch nicht getan.

    Ich sag dir ganz ehrlich: Ja, es kann durchaus sein, dass das Kind zeitweise seinen biologischen Vater als „besser/intelligenter/schöner/reicher etc“ sieht als den sozialen Vater. Und ja, wenn ihr leichtfertig mit euerm Kinderwunsch umgeht, kann euch auch das von euerm Kind durchaus zum Vorwurf gemacht werden. Da sind Kinder einfach Kinder! Du kannst mir glauben, dass euch sicherlich auch noch gaaanz viele andere schwierige Situationen erwarten werden. Das ist in jeder Familie der Fall und davon sind auch Kinder aus Samenspenden nicht ausgenommen, auch wenn sie noch so sehr gewollt sind.

    Schön wäre es, wenn die Mutter, der soziale Vater UND der Spender (wenn auch nur gedanklich) an einem Strang ziehen würden, und keine Konkurrenzsituation entsteht, so wie ich es aus deinen Zeilen herauslese. Der Spender IST nun einmal Teil des Kindes und das Kind hat durchaus die Freiheit auch für sich selbst zu beurteilen, wen es denn nun mal eben netter findet.

    Du hast auch geschrieben: „aber ein klein bißchen Dankbarkeit wäre doch schön, wenn man bedenkt, was wir Eltern für so ein Spenderkind alles in Kauf nehmen.“
    Entschuldige bitte, aber wenn ich das lese, dreht sich mir der Magen um. Das Kind hat euch doch nicht darum geben. Letztlich geht es bei all den Investitionen, doch um euern eigenen Wunsch. Da könnt bestenfalls ihr dafür dankbar sein, dass es einen Spender gibt, der euch hierbei geholfen hat, dass sich der Wunsch doch noch erfüllt.
    Versteh mich nicht falsch, auch ich bin durchaus dankbar dafür, dass ich leben darf. Aber hierfür danke ich doch dem Leben selbst, bzw. dem Schicksal, wenn man so will. Ich liebe meine Eltern, weil sie einfach meine Eltern sind. Nicht, weil sie damals den Weg der Samenspende gegangen sind (ich stehe hier vollkommen neutral gegenüber).

    Dass Samenspenden die Eltern zusammenschweißen kann ich meiner Beobachtung nach übrigens auch nicht bestätigen. Aber es ist schön, wenn das bei euch der Fall ist.

    Liebe Grüße
    Anja

  15. Anja

    Liebe Kerstin,

    Noch eine Anmerkung zu deinem letzten Kommentar:
    Wenn wir unseren Wunsch äußern, dass der Spender in die Familie integriert wird, dann heißt das nicht, dass er mit am Tisch sitzen oder am Alltag teilnehmen soll. Wir meinen eher eine Art Bewusstsein aller Familienmitglieder, dass das Kind neben dem sozialen auch noch einen biologischen Vater hat und dass dieser nicht verdrängt oder ausgeklammert wird. Sondern dass er einfach Teil dieser Familienkonstellation ist, denn ohne ihn wäre sie nicht so wie sie ist (das Kind wäre sonst nicht geboren). Und das verdient Achtung dem Spender gegenüber.

    Selbstverständlich bleibt auch dem Spender die Entscheidung selbst überlassen, ob er sich überhaupt auf einen Kontakt mit dem Kind einlassen möchte.

    Liebe Grüße
    Anja

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