Andere Länder, andere Gesetze – das ist selbstverständlich und trifft auch auf die Regelung von Samenspenden und anderen reproduktionsmedizinischen Verfahren in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zu. Seit ein paar Tagen ist die Neubearbeitung von Andere Länder online, wo wir die rechtliche Lage in anderen Ländern besprechen – mit einem Fokus auf europäische Länder und das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung.
Bei der Neubearbeitung haben wir uns bemüht, die tatsächlichen Rechtsgrundlagen ausfindig zu machen und zu verlinken, damit alles im Original nachgelesen werden kann. Wir hoffen, dass die Verweise auf andere Länder gerade bei der Formulierung des Auskunftsrechts von Spenderkindern – das ja im Koalitionsvertrag steht – eine Inspiration sein werden – auch dafür, dass es nicht nur bei einem Auskunftsrecht bleibt, sondern die reproduktionsmedizinischen Verfahren umfassend geregelt werden. Besonders vorbildhaft sind die Regelungen in Großbritannien und der Schweiz.
2 Aspekte finde ich besonders auffällig: Zuerst besitzt fast jedes andere europäische Land mehr Regelungen zur Reproduktionsmedizin als Deutschland. Hier gibt es nur das relativ knappe Embryonenschutzgesetz, das Eizellspenden und Leihmutterschaft untersagt und regelt, wie man mit Embryonen umgehen soll. Welchen Regelungen aber Samenspenden unterliegen und welche Rechte die Betroffenen haben, wird nur rudimentär im BGB-Familienrecht geregelt und ansonsten den Ärzten überlassen, die natürlich erhebliche Eigeninteressen haben. Das ist in fast keinem anderen europäischen Land so und ich frage mich, wie man auf die Idee kam, den Embryo besser zu schützen als die über 100.000 Spenderkinder, die ja unbestritten existierende Menschen sind.
Zweitens fällt bei einem Vergleich der rechtlichen Regelungen in Europa auf, dass es bei der Frage, ob anonyme Spenden von Fortpflanzungszellen verboten sind, ein deutliches Nord-Süd Gefälle gibt. In Schweden, Norwegen, Finnland, Großbritannien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz sind anonyme Spenden verboten. In Belgien, Frankreich, Spanien und Tschechien sind anonyme Spenden dagegen verpflichtend oder zumindest die Regel. Ich vermute, dass diese Unterschiede mit der politischen Kultur der jeweiligen Länder und auch der religiösen bzw. weltlichen Prägung zu tun haben. Die Länder, die anonyme Spenden verbieten, haben alle eine eher offene politische Kultur und sind eher evangelisch-weltlich geprägt. Etwas aus dem Rahmen fällt dabei nur Dänemark, wo Spender die Wahl haben. Vermutlich beeinflusst hier aber auch die Tatsache, dass die weltweit größten Samenbanken ihren Sitz in Dänemark haben, die rechtlichen Regelungen.
Die Länder mit anonymen Samenspenden sind dagegen eher katholisch und noch von einem konservativen Familienbild geprägt. Meine Vermutung ist, dass man in solchen Ländern eher davon ausgeht, dass die Familie vor dem Spender als Dritten geschützt werden muss (daher die Anonymität) und das Kindeswohl nicht als eigenen Belang berücksichtigt. In Frankreich laufen Samen- und Eizellspenden sogar ausschließlich über staatliche Kliniken ab – als hätte der Staat eine Pflicht, Paaren zu Kindern zu verhelfen. Der Spender hat noch nicht mal das Recht, freiwillig auf seine Anonymität zu verzichten. Italien ist einen ganz anderen Weg gegangen und hat jegliche reproduktionsmedizinischen Verfahren mit den Fortpflanzungszellen Dritter untersagt.
Spannend wird die Frage sein, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angesichts der sehr unterschiedlichen nationalen Regelungen das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung im Rahmen des Rechts auf Familie nach Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention beurteilen wird. Es ist möglich, dass sie in nicht allzu ferner Zeit einen Fall aus Frankreich bekommen werden. In der Vergangenheit hat das Gericht besonders die Rechte leiblicher Väter gestärkt – es wäre an der Zeit, dass dies auch für die Rechte leiblicher Kinder getan wird.
Interessanter Artikel. Allerdings kann die Begründung mit den katholisch oder evangelischen Kulturen die unterschiedlichen Gesetzeslagen nicht erklären, da beiden Kirchen die anonyme Samenspende ablehnen. Die katholische Kirche geht sogar noch weiter und lehnt die Samenspende komplett ab. Auch ist die Situation in Polen und Irland, die auch katholisch geprägt sind wiederum anders. Ich drücke Euch die Daumen, das Deutschland bald das Recht auf Wissen der eigenen Herkunft klärt und auch den Umgang mit den Vätern in bestimmten Maße regelt.
Danke für den Kommentar und die guten Wünsche! Ich meinte mit der evangelisch oder katholisch geprägten Kultur nicht die Position der jeweiligen Kirche, sondern dass eine gewisse Haltung die politische Kultur des Landes geprägt hat. Und danach sind zumindest in Europa die protestantisch geprägten Länder meist offener, toleranter und gleichheitsorientierter, was meiner Meinung nach auch Auswirkungen darauf hat, ob angenommen wird, dass Spenderkinder ein Recht haben zu wissen von wem sie genetisch abstammen. Ansonsten wäre angesichts der restriktiven Haltung der katholischen Kirche auch kaum erklärbar, weswegen die rechtliche Lage zum Beispiel in Frankreich und Spanien sehr liberal für die Reproduktionsmedizin ist, aber nicht für die Spenderkinder. Die rechtliche Lage in Polen und Irland müsste ich mir noch einmal ansehen – ich meine mich aber zu erinnern, dass es in Polen gar keine rechtlichen Regelungen zur Reproduktionsmedizin gibt.
Hallo Sina, sicherlich prägt die Religion eine Kultur. Und es mag sein: Strenge Regeln geben einerseits Halt und Orientierung, andererseits führen evtl. dazu, dass die diejenigen die sich ‚gegen die Regeln‘ verhalten dies lieber heimlich tun… Aber Religion kann nicht der einzige Aspekt sein, der hier prägend wird, wenn man beispielsweise eben sieht wie extrem unterschiedliche Länder wie Spanien oder Polen mit familiären Werten, worunter auch die Reproduktionsmedizin fällt, umgehen. Gerade in Spanien waren bei der Liberalisierung der Gesellschaft andere Kräfte als die Kirchen aktiv.
Die Entwicklung dazu, dass die Kinder keine Rechte auf Kenntnis ihrer Herkunft haben, sehe ich eher darin begründet, dass diese Rechte bei den Profiteuren und kommerziellen Anbietern der Reproduktionsmedizin als Störfaktor gesehen werden, da sie das Bild der trauten Familie in dem Sinne stören, da der leibliche Vater oder die leibliche Mutter die außerhalb der sozialen Familie stehen, dind Rolle spielen müssten.