Wir vom Verein Spenderkinder haben überlegt, ob wir uns überhaupt zu den Aussagen der Schriftstellerin und Georg-Büchner-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff äußern sollen, die in einer Rede am Sonntag durch Reproduktionsmedizin gezeugte Menschen als „Halbwesen“ und „ekelhaft“ bezeichnet hat. Da wir mehrere Anfragen zu dem Thema erhalten haben, möchten wir jetzt aber doch noch unsere Gedanken zu dieser Debatte sagen. Natürlich sind wir grundsätzlich entsetzt, mit derart diskriminierenden Äußerungen konfrontiert zu werden. Viele von uns wären vorher nie auf den Gedanken gekommen, dass wir als „nicht normal“ angesehen werden. Andererseits war Frau Lewitscharoff den meisten von uns vorher nicht bekannt, und die Abwertung einer gesamten Gruppe als nicht vollständige Menschen ist derartig primitiv, dass sie eigentlich schon selbstentlarvend ist und nicht noch durch eine breitflächige Auseinandersetzung mit dieser Meinung aufgewertet werden muss. Selbstverständlich wohnt einem Menschen, ungeachtet dessen, wie andere ihn sehen oder was andere sagen, seine Würde inne und natürlich auch uns.
Zwar hat Frau Lewitscharoff die Äußerungen zu Ekel und den Halbwesen inzwischen zurückgenommen und bedauert. Trotzdem überrascht es doch sehr, dass eine Autorin, die ihren Lebensunterhalt mit dem Gebrauch von Sprache verdient, solche Äußerungen in einer vermutlich vorbereiteten Rede unbedacht gemacht haben will.
Wir unterscheiden dabei aber deutlich zwischen unserer eigenen Würde und den Methoden der Reproduktionsmedizin. Nur weil wir mit Hilfe der Reproduktionsmedizin entstanden sind, müssen wir das Verfahren nicht für würdevoll halten und auch sonst die Methoden der Reproduktionsmedizin nicht verteidigen – insbesondere weil diese Verfahren oft angewandt werden, ohne die Würde der entstehenden Menschen zu achten. Es ist daher bedauernswert, dass angesichts dieser schrillen Bezichtigungen in Frau Lewitscharoffs Rede die Auseinandersetzung damit, welche Methoden zu Beginn und am Ende eines Lebens würdevoll sind und was zur Umsetzung des Kinderwunsches erlaubt sein soll, aus dem Fokus geraten sind. Ganz abgesehen von ihren Darstellungen ist damit eine besondere Verantwortung verbunden, der man sich bewusst sein sollte, wenn man sich dafür entscheidet.
Uns freut, aber überrascht auch, wie selbstverständlich in Leserkommentaren zu Frau Lewitscharoffs Äußerungen plötzlich von allen Seiten unsere Würde verteidigt wird und Achtung uns gegenüber gefordert wird. Diese Reaktionen hätten uns vor einem Jahr, rund um den Prozess vor dem OLG Hamm, sehr gefreut. Da sah das aber teilweise ganz anders aus. Von vielen Seiten mussten wir uns anhören, wir seien selbstsüchtig und sollten froh sein, überhaupt am Leben zu sein und Eltern zu haben, die uns wollten.
Von der Art, wie wir von solchen Kommentaren, manchen Kinderwunschpaaren und Reproduktionsmedizinern behandelt werden, ist der Vergleich mit Halbwesen treffender, als diesen vermutlich lieb ist. Wenn uns gesagt wird, dass wir überhaupt nicht von unserer Zeugungsart oder unserer Abstammung wissen sollen, werden wir nicht wie normale Menschen mit Anspruch auf Respekt und Würde behandelt. Daher ist es erfreulich, dass wir auf diese Weise von so breiter Masse unsere Würde bestätigt bekommen. Da kann der Schritt zur Respektierung unserer Rechte und Bedürfnisse ja nicht mehr weit sein. Insofern vielen Dank an Frau Lewitscharoff!
Vielleicht sind die sozialen Eltern von Sibylle Lewitscharoff nicht ihre genetischen und Sie will mit ihren Äußerungen einfach nur energisch davon ablenken, damit ein solcher Gedanke erst gar nicht aufkommt. Wissen wir’s ? …
Alle, die sich zusammenschließen um einem Menschen ein Leben zu schenken, sollten sich ihrer Verantwortung bewust sein. Leider überwiegen eigennützige Ideen zur Gestaltung der Basis für das neue Leben. Diese Ideen oft aus Trends und Halbwissen oder Gier sind dann von Unschuldigen auszubaden. Die angepriesene optimale Vorraussetzung von sich liebenden Eltern, die dann ein Kind zeugen, war meistens in der Menschheitsgeschichte nicht vorhanden. Selbst die Liebe wird so unterschiedlich gesehen und gründet in unterschiedlichsten Erfahrungen im Leben. Jedes Leben hat seine Lasten, Vorzüge, Möglichkeiten und Werte, die jeder für sich erkennen und leben kann. Der Unterschied ist die Qualität. Die Worte sind eine moderne Methode der Kommunikation, die in unterschiedlichen Gruppen auch unterschiedlich verstanden werden. Zivilcourage ist der Schlüssel. Unvollkommenheit sollten wir verzeihen, denn das daraus resultierende „Outen“ ermöglicht uns das erkennen von Defiziten…. Somit können wir immer wieder feststellen, daß alle Menschen im Wert gleich sind.
Vor dem Gesetz sind wir es noch nicht.