Marsela

Ich habe mit 11 Jahren (heute bin ich 35) erfahren, dass ich nicht die Tochter meines Vaters bin. Zu dieser Zeit befanden sich meine Eltern in ihrer Scheidung und weil meine Mutter nicht wollte, dass ich es auf eine unschöne Weise und noch dazu vielleicht von jemand anderem erfahre, hat sie mir es zu diesem Zeitpunkt erzählt und nicht erst später, wie sie es ursprünglich vorhatte.

Meine Mutter hatte sich mit meinem Vater geeinigt, dass sie es mir erzählen wollen, spätestens wenn ich 18 Jahre alt bin. Das rechne ich ihnen hoch an, weil es nicht selbstverständlich ist, leider, dass Eltern dies im Sinn haben.

Meine Eltern stammen aus Kroatien und Bosnien und sind in jungen Jahren zum Arbeiten nach Deutschland gekommen. Kennengelernt haben sie sich in München, wo ich dann auch zur Welt gekommen bin. Als sie feststellten, dass mein Vater keine Kinder zeugen kann, war der erste Gedanke meiner Mutter, ein Kind zu adoptieren. Aber das ging für meinen Vater nicht, weil er sonst vor Familie und Bekannten hätte zugeben müssen, dass er nicht zeugungsfähig ist. Das ist generell schwierig und besonders in diesen Ländern, weil die Männlichkeit auch über die Zeugungsfähigkeit definiert wird. Der Arzt riet also meiner Mutter, sich künstlich befruchten zu lassen. Was das alles bedeutete, verstand meine Mutter nicht wirklich, aber der Kinderwunsch war sehr groß und sie vertraute den Ärzten.

Als ich dann mit 11 Jahren erfahren hab, dass aber mein Papa gar nicht mein Papa war, war das für mich erst mal unglaublich. Ich hab es aber damals nicht so geäußert. Für mich war dann klar: ich habe keinen Vater und werde nie mehr einen haben. Aber gleichzeitig hab ich mich in meinem Innern an Gott gewandt und ihm gesagt, dass er jetzt mein Vater ist. Das hat mir eine Identität gegeben und ich muss sagen, mich bis heute getragen. Meinen sozialen Papa hab ich sehr gern gehabt und ich hab auch gespürt, dass er mich lieb hatte. Er konnte aber sehr aufbrausend sein, wovor ich Angst hatte, und er war auch sehr eifersüchtig. Gleichzeitig hatte er so einen weichen Kern, dass er sogar, wenn er mich weinen sah, mitweinen musste. Ich glaube, es hat ihm wehgetan, dass er nicht mein leiblicher Vater war. Heute haben wir leider keinen Kontakt mehr. Ich habe ihm in den letzten Jahren schon zwei Briefe geschrieben, aber es kam keine Antwort. Vielleicht begegnen wir uns trotzdem eines Tages!

Interessant ist, dass ich als Kind, noch bevor ich wusste, dass mein Vater nicht mein leiblicher ist, einen Traum hatte. Und der war so eindrücklich, dass ich mich bis heute daran erinnern kann. Ich hatte geträumt, dass ich zwei Väter habe! Der eine, den ich gekannt habe, der war im Traum auch etwas grummelig und der andere sah genauso aus wie mein Papa, war nur heller und er war viel freundlicher, er hatte ein nettes Lächeln für mich, aber er war vom Gefühl etwas weiter weg von mir, weil wir uns nicht so wirklich kannten, uns aber dennoch etwas verband.

Diesen Traum habe ich auch dem Arzt, Dr. Bollmann in München, bei dem ich sozusagen entstand, erzählt, als ich ihn vor drei Jahren aufgesucht hatte. Da konnte er natürlich nicht viel drauf sagen. Sonst wirkte es so auf mich, als hätte er sich die Antworten auf meine Fragen vorher überlegt. Es wird anscheinend immer dasselbe erzählt: Der Spender war Medizinstudent und ich sei höchstwahrscheinlich die einzige, die aus der Spende entstanden ist. Dann sagte er mir noch den Satz, dass er doch an meiner Stelle dankbar wäre, dass einem das Leben geschenkt wurde bzw. dass man auf der Welt ist und dass die Beziehung zum sozialen Vater doch viel bedeutender sei, als die zum leiblichen…….usw.

2018 habe ich dann den DNA-Test bei Family Finder gemacht und auf einmal hatte ich 4 Halbgeschwister! Mittlerweile sind wir zu acht – wer weiß wie viele es noch gibt!? Einige habe ich schon kennenlernen dürfen, und wir haben uns ein paarmal gesehen! Es ist so ein schönes Gefühl, wenn man sich sieht und man hat sich gleich so lieb. Das war zumindest bei mir so!

Das Interessante ist, dass meine Halbgeschwister alle bei Dr. Poluda in München gezeugt wurden (und nicht bei Dr. Bollmann). Einige erzählten mir, dass ihren Eltern gesagt wurde, dass der Spender blond und blauäugig sei, während man meinen Eltern sagte, dass der Spender wie mein Vater braunhaarig und braunäugig wäre. Mir ist das alles sehr suspekt, wie das damals vor sich ging bzw. heute wahrscheinlich auch noch vor sich geht.

Auf jeden Fall bleibt es sehr spannend bei uns, wen wir noch so alles finden werden und vielleicht doch auch schließlich unseren biologischen Vater!