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Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu Eizellspende im Ausland – Konsequenzen im Inland?

Das deutsche Embryonenschutzgesetz verbietet die Eizellspende in Deutschland. Dennoch wird sie auch von Menschen aus Deutschland im Ausland in Anspruch genommen. Dieser sogenannte „Reproduktionstourismus“ und seine Folgen werden immer wieder als Argumente angeführt um eine Lockerung der Rechtslage in Deutschland zu fordern. Auf dem Forum Bioethik am 22. März 2017 in Berlin, wendet sich der Deutsche Ethikrat unter dem Titel „Eizellspende im Ausland – Konsequenzen im Inland“ diesem Thema aus unterschiedlichen Perspektiven kritisch zu.

Sollte die Eizellspende auch in Deutschland erlaubt werden, weil sie im Ausland stattfindet? Aus Sicht des Vereins Spenderkinder sprechen gute Gründe für die Beibehaltung des Verbots. Sollte die Eizellspende in Deutschland trotzdem zugelassen werden, dann nur unter umfangreichen begleitenden Regelungen in einem Fortpflanzungsmedizingesetz.

Diskussion der Argumente zur Zulassung der Eizellspende in Deutschland:

  1. „Die Eizellspende wird sonst im Ausland durchgeführt. Menschen stimmen ‚mit den Füßen‘ ab.“

Die Tatsache, dass etwas im Ausland erlaubt ist und von Menschen aus dem Inland dort praktiziert wird, kann nicht als Argument für eine Zulassung im Inland gelten. Eine mündige Gesellschaft sollte unabhängig vom Ausland selbst überlegen, an welchen Werten und ethischen Grundlagen sie sich – verankert auch in ihren Gesetzen – orientieren möchte. Der Verstoß gegen ein Verbot oder die ‚Unart‘ „mit den Füßen abzustimmen“ kann nicht dazu führen, dass man diese Handlung erlaubt. Stattdessen sollte ein Verbot die Wirkung entfalten, dass die Betroffenen zumindest über den Grund des Verbots (s.u.) nachdenken und für die Umgehung einen deutlich höheren Aufwand betreiben müssen.

  1. „Im Ausland sind Spenderinnen oft anonym und das Kind kann sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung nicht geltend machen. Die dadurch entstehenden Menschen werden vermutlich große Schwierigkeiten haben, die Identität ihrer genetischen Mutter zu erfahren.“

 Das Argument, nur bei einer Zulassung der Eizellspende in Deutschland könne das Recht der betroffenen Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung gewahrt werden, weil Frauen aus Deutschland dann keine zwingend anonymen Eizellspenden in Tschechien und Spanien mehr in Anspruch nehmen müssten, überzeugt nicht:

a) Menschen, die unbedingt eine Eizellspende in Anspruch nehmen wollen und das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung achten wollen, können bereits jetzt ein Land wählen, in dem die Spende offen erfolgt, zum Beispiel die Niederlande, Großbritannien oder Österreich.

b) Mit der Not der Kinder zu argumentieren, wirkt in diesem Zusammenhang scheinheilig. Es gibt sicherlich noch einiges dafür zu tun, dass das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung in Deutschland und anderen Ländern auch für Spenderkinder respektiert wird. Die Zulassung der Eizellspende in Deutschland ist von allen der arbeitsärmste, der mit den meisten Vorteilen für Eltern,die Reproduktionsmedizin und der am wenigsten nachhaltige.

  • Um wirklich etwas für die Verbesserung der Situation der Kinder zu tun, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Die meisten Eltern, die schließlich ins Ausland gehen, werden zuvor Kontakt zu einer deutschen Reproduktionspraxis aufnehmen. Wichtig wäre, bereits bei diesen Kontakten, sowie auch bei psychosozialen Beratungskontakten, konsequent und proaktiv auf die notwendige Aufklärung des Kindes über dessen Entstehungsweise, sowie über das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, zu informieren und den Wunscheltern schriftliches Informationsmaterial darüber mitzugeben.
  • Um dieses Wissen in der Gesellschaft zu verankern, wäre zudem eine deutschland- oder sogar europaweite Aufklärungskampagne über die Notwendigkeit frühzeitiger Aufklärung und das Recht des Kindes, seine genetische Herkunft zu erfahren, sehr sinnvoll.
  • Die Nachfrage reguliert das Angebot. Wichtig wäre es, dass auch Wunscheltern ihren Einfluss als KundInnen verantwortungsbewusst nutzen und bewusst und konsequent Agenturen boykottieren, die anonyme Spende anbieten und offensiv offene Keimzellspenden fordern würden.
  • Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird auch aus Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention1 abgeleitet und ist in der UN-Kinderrechtskonvention2 verankert, die von allen Mitgliedsstaaten (abgesehen von den USA) unterzeichnet wurde. Wünschenswert für die Kinder in anderen Ländern wäre deshalb, wenn eine Auseinandersetzung mit den ausländischen Kliniken stattfände, die mit der anonymen Vermittlung von Keimzellen die Kinderrechtskonvention missachten. Das erste Spenderkind aus Frankreich – wo immernoch Anonymität für Samenspender vorgeschrieben ist – klagt deshalb jetzt vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.3 Wer setzt sich für die Kinder in Tschechien und Spanien ein?
  • Eltern, die bereits ein Kind durch anonyme Keimzellspende im Ausland bekommen haben, sollten angeregt werden, sich wenigstens im Nachhinein für die Rechte ihrer Kinder stark zu machen und nachträglich Daten der SpenderInnen für ihre Kinder anfordern, damit die Kinder nicht in 20 oder 30 Jahren alles mühsam selbst rekonstruieren müssen.
  1. c) Der Reproduktionstourismus von Deutschland aus könnte auch dadurch eingedämmt werden, indem das Verbot der ärztlichen Vermittlung stärker durchgesetzt wird und die Werbung von tschechischen und spanischen Kliniken über Internet-Suchmaschinen in Deutschland untersagt wird.
  1. „Die Gesundheit der Spenderinnen ist im Ausland durch unzureichende begleitende medizinische Versorgung gefährdet – in Deutschland könnten wir besser für die Spenderinnen sorgen und die Ausbeutung von Frauen verhindern.“

Die Zulassung der Eizellspende im Inland mit entsprechender Information und Nachsorge würde die Problematik der Spenderinnen im Ausland nicht lösen. Hilfreicher wäre eine offensive Aufklärung im Inland (und Ausland) über die gesundheitlichen Risiken einer Eizellspende für die Spenderin. Dies könnte zur besseren Aufklärung potenzieller Spenderinnen beitragen und gleichzeitig Menschen, die über eine Eizellspende im Ausland nachdenken, für die Problematik der Spenderinnen sensibilisieren. Wenn die KundInnen Wert auf eine gute Aufklärung und Nachsorge der Spenderinnen achten, wird dies im Ausland am ehesten etwas verändern.

Die Idee einer vorbildlichen medizinischen Versorgung der Spenderinnen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Eizellspende ein nicht ungefährlicher hormoneller und chirurgischer Eingriff unter Narkose bleibt, der auch bei einer Risikominimierung durch entsprechende genetische Screenings und vorsichtige Hormongaben immer mit gesundheitlichen Risiken für die Spenderin verbunden bleibt. Auch wenn die Risiken für die Spenderin verglichen mit anderen medizinischen medikamentösen oder chirurgischen Eingriffen gering sein sollten, ist es fraglich, ob die Kosten-Nutzen-Abwägung verhältnismäßig ist und einen drittnützigen medizinischen Eingriff rechtfertigt.4 Unfruchtbarkeit gilt gemäß WHO zwar als Krankheit, nicht jedoch Kinderlosigkeit.Es gibt kein Recht auf ein Kind. Die Erzeugung einer Schwangerschaft ändert die Unfruchtbarkeit nicht und ein Kind als „Mittel“ zur Genesung zu instrumentalisieren, würde dem Kind als Subjekt nicht gerecht. Trotz mittlerweile über 30jähriger Eizellspendeerfahrung in den USA gibt es bislang keine systematischen Untersuchungen zu möglichen Langzeitfolgen für die Spenderin.5 Die Hormonbehandlung führt selbst nach medizinscher Optimierung in etwa 3 Prozent der Fälle zum sogenannten „Hyperstimulationssyndrom“, mit den möglichen Symptomen wie lebensbedrohlichen Flüssigkeitsansammlungen in Bauchraum, Lunge oder Herz, was Atemnot, Nierenversagen, Thrombosen oder dem Tod zur Folge haben kann.6 Wird in Folge eines schweren Überstimulationssyndroms ein operativer Eingriff notwendig, kann dieser die zukünftige Fruchtbarkeit der Spenderin beeinträchtigen. Bei der operativen Entnahme der Eizellen kann es zu Blutungen, Organverletzungen oder Infektionen kommen. Es ist unklar, ob die Hormonbehandlung grundsätzlich das Risiko für die Spenderin erhöhen kann, später an Brust- Eierstock- oder Gebärmutterkrebs zu erkranken.7

  1. „Das Embryonenschutzgesetz ist von 1990 und mittlerweile überholt.“

Wenn sich die Hintergründe ändern, vor denen ein Gesetz entstand, kann dies ein Anlass sein, bestimmte Regelungen neu zu diskutieren. In der Begründung zum Embryonenschutzgesetz wird das Verbot der Eizellspende damit erklärt, dass noch keine Erkenntnisse darüber vorlägen, wie die entstehenden Menschen mit dem Umstand der gespaltenen Mutterschaft umgehen und es wird die Befürchtung geäußert, dass die Identitätsfindung dadurch wesentlich erschwert sein könnte.8 

Auch wenn die ersten durch Eizellspende entstandenen Menschen erwachsen geworden sind, gibt es bislang keine wissenschaftlichen Langzeitstudien über die Auswirkungen des Umstands der gespaltenen Mutterschaft auf die Identitätsentwicklung und wie diese Menschen selbst den Umstand der gespaltenen Mutterschaft und grundsätzlich ihre Entstehung durch Eizellspende erleben. Dem Verein Spenderkinder sind keine Studien bekannt, die sich mit diesen Fragestellungen beschäftigt haben. Möglich sind daher nur Blicke auf Fallberichte. Diese zeigen, dass durch Eizellspende entstandene Menschen durchaus Schwierigkeiten beschreiben, die mit ihrer Entstehungsweise verknüpft sind. Um die Unbedenklichkeit der Eizellspende wissenschaftlich zu belegen, müsste die Bedenklichkeit falsifiziert werden. Positive Gegenbeispiele helfen hier nicht weiter.

  1. „Entstehung durch Eizellspende schadet dem Kind nicht.“

Dazu liegen keine systematischen Langzeiterhebungen vor. Die Studien von Golombok und anderen9 können (bei aller methodischen Kritik) lediglich zeigen, dass Familien nach Eizellspende „gut funktionieren“, die Kinder im Durchschnitt eine gute soziale Bindung zu ihren Wunscheltern aufweisen sowie sozial und emotional altersgemäß entwickelt sind. Das zeigt, dass eine gute Eltern-Kind-Beziehung auch ohne genetische Verbindung möglich ist. Es zeigt nicht, wie es den Kindern mit ihrer Entstehungsweise im Laufe ihres Lebens geht. Für das Kind stellen sich jedoch die Fragen „Wie lebt es sich damit, dass meine genetische und meine biologische Mutter entscheidend zu meiner Entstehung beigetragen haben? Wie lebt es sich damit, dass meine genetische Mutter keinen Wert auf eine soziale Beziehung zu mir legt?“ Von Samenspenderkindern weiß man, dass die Entstehungsweise – wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter, mit zunehmender emotionaler Loslösung von der Herkunftsfamilie, an Bedeutung gewinnt.

Aufschlussreich könnte ergänzend auch die Fragestellung sein, wie Menschen die Eizellspende aus der Perspektive der Kinder erleben. Dazu könnten sie gebeten werden, sich probehalber vorzustellen, sie seien durch eine Eizellspende entstanden. Aus dieser Perspektive heraus könnten sie gefragt werden, ob sie sich diese Entstehungsweise für sich selbst wünschen würden, oder eher nicht.

Erst wenn eine gründliche, wissenschaftliche Prüfung ergibt, dass die Entstehung durch Eizellspende für die entstehenden Menschen im gesamten Verlauf ihres Lebens höchstwahrscheinlich kein Problem darstellt, sollten weitere Überlegungen für eine mögliche Zulassung in Deutschland erwogen werden. Zeigt sich aber eine widersprüchliche Befundlage oder gar eine negative, sollte auch dies akzeptiert werden und die Idee, auf diese Weise Menschen zu erzeugen gesellschaftlich selbstverständlich nicht gefördert werden.10

  1. „Eizellspende ist wie Samenspende – nur dass die Frau unfruchtbar ist.“

Zwischen der Eizellspende und der Samenspende bestehen Gemeinsamkeiten, aber auch erhebliche Unterschiede.

a) Für die Spenderin ist die Eizellspende – anders als die Samenspende für den Spender – mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden (siehe unter 3.).

Ein weiterer sehr bedenklicher Aspekt bei der Eizellspende ist die mögliche Kommerzialisierung. Weil die Gewinnung der Eizellen viel aufwendiger ist, erhalten die Spenderinnen eine „Aufwandsentschädigung“ von z.B. etwa 900 Euro in Spanien. Eine solche Summe ist finanziell stark motivierend, insbesondere für wirtschaftlich schlechter gestellte Frauen mit wenigen Erwerbsalternativen, und stellt eigentlich keine Spende mehr dar. Für die „Spenderin“ kann die Inaussichtstellung einer solchen Summe dazu führen, dass sie nicht an die Folgen ihrer Spende (die Entstehung eines Menschen, der sie möglicherweise einmal kennenlernen möchte) und die Gefahren für ihren eigenen Körper denkt.

b) Für die Kinder besteht ein Unterschied in dieser Form der Entstehung darin, dass bei der Samenspende eine eindeutige Unterscheidung in sozialen und genetischen Vater möglich ist, während bei der Eizellspende beide Mütter biologisch existenziell zur Entstehung des Kindes beitragen. Das könnte sich erschwerend auf die Identitätsentwicklung des Kindes auswirken (siehe Punkt 4 u. 5).

Für die entstehenden Menschen kann es außerdem eine Verletzung darstellen, wenn sie davon ausgehen können,dass ihre genetischen Eltern ihre Keimzellen nur aufgrund des Geldes „gespendet“ haben.

Die Eizellspende kann darüber hinaus als künstlicher als eine Samenspende angesehen werden. Bei der Samenspende hat die Mutter biologisch betrachtet ein Kind mit einem anderen Mann (wenn auch ohne sexuellen Akt), während bei der Eizellspende die Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wird, ein Transfer, der auf natürlichem Wege nicht vorkommt. Auch dies könnte eine Belastung für die entstehenden Menschen darstellen.

Umfrageergebnisse zur Eizellspende im Verein Spenderkinder im März 2017

Eine aktuelle Umfrage (März 2017) im Verein Spenderkinder, an der sich bislang 27 von 130 Mitgliedern beteiligten, ergab, dass über 80 Prozent der Spenderkinder Samen- und Eizellspende gar nicht oder nur für teilweise vergleichbar halten. Als Hauptargument wurde der Aufwand und die gesundheitlichen Risiken für die Spenderin benannt, gefolgt von den Herausforderungen einer gespaltenen Mutterschaft für die Identitätsbildung des Kindes. Hinsichtlich der Identitätsfindung vermutet gut ein Drittel der Befragten keine erhöhten Schwierigkeiten bei einer Entstehung durch Eizellspende im Vergleich zu einer Entstehung durch Samenspende, während knapp die Hälfte von mehr Problemen ausgeht. Während eine Hälfte der Befragten sich vorstellen konnte, mit einer Entstehung durch eine Eizellspende gut zurechtzukommen, gab die andere Hälfte an, froh zu sein, dass dem nicht so ist, bzw. sich diese Entstehungsweise nicht für sich selbst zu wünschen. Kein Spenderkind stimmte einer Erlaubnis der Eizellspende in Deutschland uneingeschränkt zu. Knapp ein Viertel tendiert zu „eher ja“, knapp die Hälfte wählte „eher nein“ und knapp ein Drittel entschied sich für „nein, auf keinen Fall“. Die überwiegende Mehrheit konnte sich für sich selbst nicht vorstellen, eine Eizellspende in Anspruch zu nehmen und würde – ob mit oder ohne Vergütung – selbst keine Eizellen spenden. Die befragten Spenderkinder waren im Alter zwischen 19 und 43 Jahren (Durchschnitt: 33 Jahre), davon 22 Frauen und 5 Männer. Das Aufklärungsalter über die eigene Entstehungsweise lag zwischen „von Anfang an“ und 40 Jahren. Ziel der Umfrage war es, ein Meinungsbild zur Eizellspende innerhalb einer Gruppe von selbst durch Keimzellspende entstandenen Menschen zu erhalten. Die Gütekriterien der Umfrage sind offensichtlich eingeschränkt, vor allem durch die geringe Teilnehmeranzahl. Künftige professionelle Studien sollten idealerweise direkt und in größerem Rahmen durch Eizellspende entstandene erwachsene Menschen untersuchen.

Fazit

Die Ausführungen zeigen, dass zum gegenwärtigen Stand der Forschung und Erfahrung vieles gegen eine Zulassung der Eizellspende spricht und es viele gute Gründe für die Beibehaltung des Verbotes in Deutschland gibt.

Nur weil etwas woanders praktiziert wird, heißt das nicht, dass es gut ist und dass wir das auch in Deutschland praktizieren sollten. Für die Zulassung der Eizellspende spricht vor allem eine zweckorientierte ethische Haltung, bei der das Ziel, die Entstehung eines Menschen, die gewählten Mittel rechtfertigt. An welchen ethischen Grundsätzen wollen wir uns in Deutschland in der Zukunft orientieren? Wohl allen Menschen gemeinsam ist, dass sie als Individuen und nicht als Produkte oder Wunschobjekte wahrgenommen werden wollen. Das versuchen auch Spenderkinder weltweit zu vermitteln. Können wir den Gedanken aushalten, dass bei Familiengründung durch Keimzellspende immer eine Belastung für das Kind bleibt? Lassen Sie uns nicht der Illusion erliegen, man könnte jede mögliche Belastung wegregeln. Der technische Fortschritt bringt es mit sich, dass wir viele Möglichkeiten haben und uns selbst begrenzen müssen, um das, was wir tun, langfristig auch verantworten zu können.

Die Erfahrung der Verfügbarkeit und des Definiertwerdens von außen setzt sich fort, wenn Wunscheltern und die, die sich mit ihnen identifizieren, anfangen zu entscheiden, was für die Kinder eine Belastung sein darf und was nicht. Warum fragen wir die Kinder nicht selbst? Wer nicht selbst betroffen ist, kann sich auch selbst fragen, „wie würde es mir wohl gehen, wie würde ich es erleben, wenn ich durch eine Eizellspende entstanden wäre?“ Wir können nun auf wissenschaftliche Untersuchungen warten, die vielleicht zeigen, dass auch ein Teil der Kinder keine negativen Aspekte der Eizellspende wahrnimmt. Ethisch unbedenklich wird die Eizellspende dadurch nicht.11

Eine Zulassung in Deutschland sollte allenfalls unter strengen Voraussetzungen erfolgen

Wenn Eizellspenden in Deutschland trotz dieser Bedenken zugelassen werden sollten, dann nur unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Um die Fehler nicht zu wiederholen, die bei der Samenspende gemacht wurden, kann das Verfahren nicht einfach zugelassen werden, sondern muss von umfassenden Regelungen im Rahmen eines Fortpflanzungsgesetzes begleitet werden.
  • In diesem sollte umgesetzt werden, dass das Kind sein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung von Anfang an wahrnehmen kann, und die Spenderin im Geburtsregister eingetragen wird.
  • Zusätzlich sollte die Spenderin in einem einzurichtenden unabhängigen Zentralregister erfasst werden, über das das Kind auf Wunsch zunächst nicht-identifizierende Informationen über die Spenderin erhalten kann.
  • Frauen, die Eizellen spenden, sollten verpflichtet werden, später bekanntwerdende Informationen über mögliche erbliche Gesundheitsbelastungen an das einzurichtende zentrale Register nachzumelden.
  • Wunscheltern und die Spenderin sollten unbedingt verpflichtend vorab eine psychosoziale Information/Beratung wahrnehmen, in der sie u.a. auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hingewiesen werden, was für die Spenderin bedeutet, dass sie einer Kontaktaufnahme durch das Kind aufgeschlossen gegenüber stehen sollte und die Wunscheltern bereit sein sollten, ihr Kind dabei zu unterstützen.
  • Zur Verhinderung der Kommerzialisierung der Eizellspende sollten nur unentgeltliche Eizellspenden zugelassen werden.
  • Da Frauen – anders als Männer – auf natürliche Weise nur bis zu einem bestimmten Alter schwanger werden können, sollte eine Altersgrenze für die Empfängerinnen festgelegt werden, um die Zeugung so natürlich wie möglich zu halten. Eine Eizellspende sollte außerdem nicht nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Familienplanung zu lange aufgeschoben wurde.
  • Eine Kombination von Eizell- und Samenspenden (teilweise als Embryonenspende bezeichnet) muss verboten bleiben. Kein Kind sollte zwei Spender als Eltern haben, die sich noch nicht einmal kannten, weil diese vollkommen künstliche Erzeugung sehr hohe Anforderungen an die Identitätsfindung stellt.
  • Werbung für anonyme Eizellspenden, wie sie im Moment zum Beispiel bei der Eingabe des Suchworts „Eizellspende“ bei Internet-Suchmaschinen erscheint, sollte verboten werden.
  1. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950, BGBl. 1952 II, S. 685, 953 (bereinigte Übersetzung von 1998). []
  2.  UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989, BGBl. 1992 II, S. 122. Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 der UN-Kinderrechtskonvention gestehen dem Kind ein Recht zu, seine Eltern zu kennen und auf Wahrung seiner Identität. Eine detailliertere Darstellung bietet Ulrike Riedel in ihrem Beitrag zur anonymen Geburt bei Babyklappen unter https://www.tdh.de/was-wir-tun/themen-a-z/babyklappe-und-anonyme-geburt/warum-tdh-dagegen-ist/rechtliche-aspekte-babyklappe-anonyme-geburt/verfassungsrechtliche-aspekte-ulrike-riedel/ (l.v.09.05.2017). []
  3. Spendenaufruf von Audrey Kermalvezen für ihre Klage: https://www.lepotcommun.fr/pot/whmkeuk6 (l.v.14.03.2017).  []
  4.  Vgl. dazu Sigrid Graumann: „Eizellspende und Eizellhandel – Risiken und Belastungen für die betroffenen Frauen.“ In: Umwege zum eigenen Kind, Göttinger Schriften zum Medizinrecht. Bd.3, Göttingen 2008. []
  5.  Fordern eine Langzeit-Follow-up-Studie zur Gesundheit von Eizellspenderinnen, psychische und physische Langzeitgesundheit von Eizellspenderinnen sei unklar: Woodriff, M., Sauer, M.&Klitzmann, R. (2014). Advocating for longitudinal follow-up of the health and welfare of egg donors. Fertility and Sterility, 102(3), 662-666. []
  6.  Youssef, M., van der Veen, F., Al-Inany H., et al. (2011). Gonadotropin-releasing hormone agonist versus HCG for oocyte triggering in antagonist assisted reproductive technology cycles. Cochrane Database SystRev 1:CD008046: berichtet höhere Werte von 6% des schweren Hyperstimulationssyndroms und weist auf 6 Todesfälle bei 100.000 Spenderinnen hin: Pearson, H. (2006). Health effects of egg donation may take decades to emerge. Nature 442, 607-608. Ein Risiko von knapp 12 Prozent für das Hyperstimulationssyndrom berichten Kramer, W., Schneider, J. und Schultz, N. (2009). US oocyte donors: a retrospective study of medical and psychosocial issues. Human Reproduction, 24(12), 3144-3149. Die Zahlen sollten in jedem Fall mit Sorgfalt betrachtet werden, da die Daten häufig nicht unabhängig von persönlichen Interessen erhoben und ausgewertet werden. Auch eine vermeintlich geringe Wahrscheinlichkeit schwerer Komplikationen von 3 Prozent, bzw. eine Mortalitätsrate von 0,00006 kann als hoch angesehen werden, wenn diese Risiken ganz ohne medizinische Notwendigkeit in Kauf genommen werden. []
  7.  z.B. Schneider, J., Lahl, J. und Kramer, W. (2017). Long-term breast cancer risk following ovarian stimulation in young egg donors: a call for follow-up, research and informed consent. Reproductive healthcare 34(5), 480-485; Steinbrook, R. (2006). Egg Donation and Stem-Cell Research. N Engl J Med 354, 324-326. []
  8.  Aus der Begründung des Embryonenschutzgesetzes: „Wenn auch die Transplantation von Eierstöcken und eine Übertragung fremder Eizellen heute technisch möglich sind, so liegen andererseits doch keine Erkenntnisse darüber vor, wie junge Menschen — etwa in der Pubertätszeit — seelisch den Umstand zu verarbeiten vermögen, daß genetische wie austragende Mutter gleichsam seine Existenz mitbedingt haben. So wird das Kind entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zwischen ihm und der austragenden Mutter geprägt. Unter diesen Umständen liegt die Annahme nahe, daß dem jungen Menschen, der sein Leben gleichsam drei Elternteilen zu verdanken hat, die eigene Identitätsfindung wesentlich erschwert sein wird.“ (Bundestagsdrucksache 11/5460, S.7, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/11/054/1105460.pdf). []
  9. z.B. Golombok, S., Blake, L., Casey, P., Roman, G., &Jadva, V. (2013). Children Born Through Reproductive Donation: A Longitudinal Study of Psychological Adjustment. Journal of Child Psychology and Psychiatry, and Allied Disciplines, 54(6), 653–660. http://doi.org/10.1111/jcpp.12015; Blake, L., Casey, P., Jadva, V. &Golombok S. (2013). ‘I Was Quite Amazed’: Donor Conception and Parent–Child Relationships from the Child’s Perspective. Children & Society. http://doi:10.1111/chso.12014. Murray, C.,MacCallum, F. &Golombok, S. (2006). Egg donation parents and their children: follow-up at age 12 years. Fertil Steril, 85(3), 610–618. []
  10.  In einer Metaanalyse wurde bei Schwangerschaften durch Eizellspende ein erhöhtes Risiko für Geburts- und Neugeborenenkomplikationen, sowie ein moderat erhöhtes Risiko für Präeklampsie und hypertensive Störungen während der Schwangerschaft identifiziert: Storgaard, M., Loft, A., Bergh, C. et al. (2017). Obstetric and neonatal complications in pregnancies conceived after oocyte donation: a systematic review and meta-analysis. Obstetrics&Gynaecology, 124(4), 561–572; ebenfalls ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko bei Eizellspende weist die Meta-Analyse von Blázquez und anderen aus: Blázquez, A., García, D., Rodríguez, A. et al. (2016). Is oocyte donation a risk factor for preeclampsia? A systematic review and meta-analysis. J Assist Reprod Genet, 33(7), 855-863; ebenso: Masoudian, P.,Nasr, A., Nanassy, J. et al. (2016). Oocyte donation pregnancies and the risk of preeclampsia or gestational hypertension: a systematic review and metaanalysis. American Journal ofObstetrics&Gynecology, 214 (3), 328 – 339; weisen ebenfalls ein deutlich erhöhtes Risiko für Bluthochdruck in der Schwangerschaft nach Eizellspende aus: Letur, H.,Peigné, M., Ohl, J. et al. (2016). Hypertensive pathologies and eggdonation pregnancies: Results of a large comparative cohort study. Assisted reproduction, 106(2), 284-290; ebenfalls: Pecks, U., Maass, N. &Neulen, J. (2011). Oocyte donation: a risk factor for pregnancy-induced hypertension—a meta-analysis and case series. DtschArzteblInt, 108(3): 23–31; Dude und andere (2016) weisen u.a. auf ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten bei Schwangerschaften durch Eizellspende hin: Donoroocytesareassociatedwithpretermbirthwhencomparedtofreshautologous in vitro fertilizationcycles in singleton pregnancies. FertilityandSterility, 106(3), 660-665. []
  11.  Auf die Ausführung grundsätzlicher ethisch bedenklicher Aspekte zur Eizellspende aus der Sicht des Kindes und der Frau als „Spenderin“ wurde in dieser Stellungnahme aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet. []

Bericht über die Kinderwunsch Tage in Berlin am 18./19. Februar 2017

Am 18. und 19. Februar 2017 fanden in Berlin die „Kinderwunsch-Tage“ statt. Nach Angaben des Veranstalters sollte die Messe Informationen zur Erfüllung des Kinderwunsches übermitteln, Produkte und Dienstleistungen zeigen und den Austausch der Teilnehmer ermöglichen. Der Verein Spenderkinder kritisiert, dass unter dem Deckmantel einer Informationsveranstaltung jedoch von Seiten der Aussteller vor allem kommerzielle Interessen verwirklicht wurden, die aus dem Leid kinderloser Menschen Profit schlagen und dabei auch die Überschreitung rechtlicher Grenzen hinnehmen. Die Bedürfnisse Dritter, insbesondere der entstehenden Kinder, werden dabei nicht ausreichend berücksichtigt.

Für eine Eintrittsgebühr von 20 Euro präsentierten sich überwiegend Reproduktionszentren aus dem Ausland, die keine Kosten und Mühen scheuen, das Leid der Wunscheltern mit allen technisch möglichen Methoden zu beheben – auch mit Eizellspenden und Leihmutterschaften. Diese Verfahren sind in Deutschland verboten, da die Spenderinnen und Leihmütter bei ihrer Leistung erheblichen gesundheitlichen und psychischen Risiken ausgesetzt sind. Ganz zu schweigen von den Auswirkungen auf das entstehende Kind und dessen Bedürfnisse. Auch anonymisierte Keimzellspenden waren im Angebot. Das widerspricht dem in Deutschland geltenden Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das auch für Spenderkinder 2015 höchstrichterlich bestätigt wurde (Urteil des BGH vom 28.01.2015).

Als Besucher haben Mitglieder des Vereins Spenderkinder mit VertreterInnen verschiedener Organisationen und BesucherInnen der Messe sehr aufschlussreiche Gespräche geführt. Kliniken mit umstrittenen Verfahren, wie z.B. die ukrainische Klinik Intersono, begründeten ihre Verfahren damit, dass es letztlich die Entscheidung und Verantwortung der Eltern bleibe, an welchen ethischen und rechtlichen Grenzen sie sich orientieren. Als sie auf die in Deutschland geltenden Rechte der Kinder angesprochen wurden, lächelten sie darüber hinweg. Dagegen wurde mit Erleichterung festgestellt, dass zumindest die auf der Veranstaltung vertretenen deutschen Reproduktionszentren und Samenbanken die Ansicht teilen, dass anonyme Spenden nicht vertretbar sind.

Erfreulich war, dass sich viele Wunschelternpaare in ihrem Entscheidungsprozess für oder gegen reproduktionsmedizinische Verfahren prinzipiell offen für die Perspektive der Kinder zeigten und diese ernst nahmen. Umso bedenklicher ist es, wenn VertreterInnen wichtiger Anlaufstellen, wie DI-Netz, offensichtliche Problematiken, die z.B. das familiäre Ungleichgewicht genetische und soziale Elternteile betreffend, öffentlich von sich weisen. Dazu gab es sogar einen Workshop einer DI-Mutter, die mit den TeilnehmerInnen zusammen überlegen wollte, wie so unangenehme Begriffe wie „künstlich“, „gespaltene Elternschaft“ und „Bestellung“ aus dem öffentlichen Diskurs genommen werden können. Aus Spenderkinderperspektive bilden diese Begriffe jedoch ethische Problematiken ab, die auch mit geschönten Formulierungen nicht aufgelöst werden können.

Eine ernste und kritische Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten, Trauer und Abschied oder individuellen Grenzen des Kinderwunsches fand, wenn überhaupt, nur sehr vordergründig statt. Reproduktionsmedizinische Verfahren wurden übereinstimmend als notwendige Weiterentwicklung gesehen, die zu einer modernen Gesellschaft eben dazugehöre. Es machte den Eindruck, dass die Mehrheit der dort Anwesenden eine ethische Debatte über Werte und Grenzen als religiös motiviert und/oder fortschrittsfeindlich ansieht. Eine echte Debatte, die Vor- und Nachteile aus verschiedenen Perspektiven akzeptiert und zur Sprache bringt, war offensichtlich nicht erwünscht. So wurde auch das Angebot des Vereins Spenderkinder, einen Vortrag über die Notwendigkeit der Aufklärung aus der Perspektive der Spenderkinder zu halten, im Vorhinein abgelehnt.

Wir hoffen, dass die umstrittene Veranstaltung wenigstens dazu beitragen konnte, im Nachhinein die aus unserer Sicht überfällige umfassende Debatte darüber anzustoßen, welche Werte und Grenzen unser Handeln als Gesellschaft leiten sollen.

Autorin: Anja

Interview im Online-Magazin FRIEDA am 18. Februar 2017

Unter dem Titel Spenderkinder ohne Lobby ist im Online-Magazin FRIEDA anlässlich der Berliner Kinderwunsch-Tage ein Interview mit Spenderkinder-Mitglied Anne erschienen.

Für alle, die FRIEDA noch nicht kennen: FRIEDA ist ein noch junges, konfessions- und parteiloses Online-Magazin, das sich mit den unterschiedlichsten Themen interessiert, neugierig und unkonventionell auseinandersetzt.

Neunter Halbgeschwistertreffer

Wir freuen uns, von unserem neunten Halbgeschwistertreffer berichten zu können: Jörg und Philipp haben ihre Verbindung über unseren DNA-Test FamilyFinder herausgefunden und sich am Wochenende erstmals getroffen. Diesem ersten sehr entspannten und vertrauten Treffen sollen viele weitere folgen.

Sie sind im Heinrich-Braun-Krankenhaus in Zwickau entstanden und damit unser erster Halbgeschwistertreffer aus einer Klinik der ehemaligen DDR. Da wir aus der betreffenden Klinik erst drei Mitglieder haben, wundert uns der direkte Treffer umso mehr. Zwischen den beiden liegt außerdem ein Altersunterschied von sechs Jahren.

Dokumentation „Sehnsuchtsziel Wunschkind – Deutsche Baby-Touristen“ am 11. Januar 2017 im Bayerischen Fernsehen

Am 11. Januar 2017 wurde im Rahmen der Sendereihe „DokThema“ im Bayerischen Fernsehen die Dokumentation „Sehnsuchtsziel Wunschkind – Deutsche Baby-Touristen“ ausgestrahlt.

Spenderkindermitglied Kerstin und ihr jüngerer Bruder Marco haben sich dafür bei der Suche nach ihrem Samenspender ein Stück weit begleiten lassen.  Beide erfuhren erst Mitte 2016 – mit 34 und 31 Jahren – von ihrer Mutter, dass ihr Vater nicht ihr leiblicher Vater ist. Diese Nachricht kam zwar überraschend, hat jedoch nicht zu einem Bruch in der Familie geführt, da beide eine sehr glückliche Kindheit hatten und der realen Beziehung zu ihrem sozialen Vater eine höhere Bedeutung beimessen, als der genetischen Abstammung. Dennoch haben sie sich auf die Suche nach ihrem Spender gemacht …

Die Geschichte von Kerstin und Marco zeigt in der Dokumentation die Seite der Kinder, die durch Leihmutterschaft, Samenspende oder Eizellspende zur Welt kommen. Erfreulicherweise schimmerte an einigen Stellen der Sendung auch die problematische Seite, insbesondere von Leihmutterschaft, durch, wenn zum Beispiel eine Leihmutter ankündigte, dass sie ihren Bauch während der Schwangerschaft nicht streicheln und auch nicht mit dem Kind im Bauch sprechen wolle, weil es ja nicht ihr Kind sei.

Am Ende der Sendung fällt der Satz, dass ungewollt Kinderlose in Deutschland keine Lobby hätten. Das erscheint uns angesichts des breitgefächerten Angebots der Reproduktionsmedizin – zur Not im Ausland – doch fraglich. Den Wunsch, ein Kind zu bekommen, können die meisten Menschen intuitiv gut nachempfinden. Die Verbote, die es in Deutschland und anderen Ländern gibt, wurden nicht formuliert um ungewollt Kinderlose zu bestrafen, sondern um dafür zu sorgen, dass bei der Entstehung von Menschen die Würde aller Beteiligten gewahrt bleibt. Eizellspende und Leihmutterschaft werden nicht allein dadurch ethisch und psychologisch unbedenklich, wenn Spenderinnen und Leihmüttern Freiwilligkeit garantiert und eine Kommerzialisierung verhindert würde. Schon die konkrete Umsetzung dieser beiden Forderungen dürfte schwierig sein.

Pressemitteilung: Ethische und rechtliche Bedenken gegenüber der Veranstaltung „Kinderwunschtage“ am 18./19. Februar 2017 in Berlin

Am 18. und 19. Februar 2017 findet die Veranstaltung „Kinderwunsch-Tage“ in Berlin statt.

Der Verein Spenderkinder, der sich für die Rechte und Bedürfnisse von durch Keimzellspende entstandenen Menschen einsetzt, sieht diese Veranstaltung kritisch. Laut Ankündigung auf der Internetseite werden unter anderem die spanische Reproduktionsklinik „IVFSpainAlicante“, die tschechische Reproduktionsklinik „Karlsbad Fertility“ sowie die amerikanische Reproduktionsklinik „OregonReproductiveMedicine“ an der Veranstaltung teilnehmen. Diese Kliniken bieten Verfahren wie die Eizellspende und die kombinierte Eizell- und Samenspende an, die gegen das Embryonenschutzgesetz verstoßen. Die spanische und tschechische Klinik weisen außerdem auf die Anonymität ihrer Spender hin. Auch die ebenfalls teilnehmende dänische Samenbank „Cryos International Denmark ApS“ bietet anonyme Samenspenden an. Das widerspricht eindeutig dem in Deutschland geltenden Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das auch für Spenderkinder 2015 höchstrichterlich bestätigt wurde (Urteil des BGH vom 28.01.2015).

Die amerikanische Klinik bietet sogar Leihmutterschaft als Dienstleistung an. Leihmutterschaft ist in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern verboten, weil es gegen die Würde eines Menschen verstößt, gegen Geld gehandelt zu werden.

Der Verein Spenderkinder findet es außerordentlich bedenklich, dass eine öffentliche Veranstaltung stattfinden soll, bei der ganz offensichtlich Methoden angeboten werden, die gegen die deutsche Rechtslage verstoßen. Die Veranstaltung wird durch den auf Verbrauchermessen spezialisierten Organisator „F2F Events“ ausgerichtet. Es scheint dabei allein um die Erfüllung des Kinderwunsches von Menschen zu gehen, ohne die Grenzen der geltenden Rechtslage zu respektieren oder gar eine Auseinandersetzung mit ethischen Aspekten zu wagen.

Bedenklich ist auch, dass mit Frau Dr. Petra Thorn ein Mitglied des Deutschen Ethikrates als vermeintliche Expertin zum Beratungsausschuss der Veranstaltung gehört. Erst im März 2016 veröffentlichte der Deutsche Ethikrat eine Stellungnahme zur Embryonenspende/-adoption, in der er auf die Unvereinbarkeit der Eizellspende mit dem Embryonenschutzgesetz verweist.

Bundestags-Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz am Mittwoch, den 19. Oktober 2016, um 15 Uhr, zum Thema Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende

Am Mittwoch, den 19. Oktober 2016, beginnt um 15 Uhr die Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages zum Thema „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende“.

Diskutiert wird ein Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen, in dem Vorschläge zur rechtlichen Regelung von Familiengründung durch Samenspende gemacht werden.

Der Verein Spenderkinder begrüßt es sehr, dass politische Bemühungen gezeigt werden, die Rechte von Spenderkindern in Deutschland durch rechtliche Rahmenbedingungen besser zu schützen. So halten auch wir die Schaffung eines zentralen Spenderregisters für unerlässlich um zu gewährleisten, dass eine Maximalanzahl von Kindern pro Spender nicht überschritten wird und es eine zentrale Anlaufstelle für die Dokumentation und für Aufkunftsanfragen gibt. Anderen Aspekten des Antrags stehen wir kritisch gegenüber und sehen darin eher die Wünsche von Eltern berücksichtigt, während bestehende Rechte der Kinder zu deren Gunsten sogar eingeschränkt werden sollen. Aus Kinderperspektive wäre zudem ein Eintrag des genetischen Vaters ins Geburtenregister wünschenswert. Dieser Wunsch wurde leider auf einen lediglichen Vermerk reduziert und elterlicherseits gänzlich abgelehnt. Das bedauern wir, stellt dies doch international eine Forderung von Spenderkindern dar, die letztlich auch nur diese betrifft.

Die Stellungnahme des Vereins Spenderkinder und der übrigen Sachverständigen (Eva Becker, Prof. Dr. Nina Dethloff, Prof. Dr. Tobias Helms, Dr. Frank Klinkhammer und Dr. Helga Müller) zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen können öffentlich eingesehen werden.

ZDF Katie Fforde „Mein Sohn und seine Väter“ am 23.Oktober 2016 um 20.15 Uhr

In der Reihe „Herzkino“ sendet das ZDF am 23. Oktober 2016 um 20.15 Uhr den Film „Mein Sohn und seine Väter“ nach einem Roman der britischen Bestsellerautorin Katie Fforde. Darin geht es um den 13jährigen Luke, der erfährt, dass er durch eine anonyme Samenspende entstanden ist.

Der Film zeigt sehr einfühlsam und authentisch die verschiedenen Perspektiven zu den verschiedenen Zeitpunkten für die Wunscheltern sowie für den Spender und auch für Spenderkind Luke auf, dessen Eltern sich einst so sehr ein Kind gewünscht hatten und nur das Beste für ihn wollten. Dennoch müssen sie erkennen, dass es nicht ausreicht, sich ein Kind zu wünschen, sondern das dieses Kind auch ein Recht auf Wahrheit sowie ein Bedürfnis nach Kenntnis seiner genetischen Wurzeln hat.

Ein sehenswerter Film für alle, die sich der Samenspende-Thematik emotional annähern möchten.

Achter Halbgeschwistertreffer

Unser achter Halbgeschwistertreffer ist ein Treffer zwischen insgesamt fünf Halbschwestern. Christin und Christina davon wussten bereits über die Spendernummer, die ihnen von dem ihre Eltern behandelnden Arzt mitgeteilt wurde, dass sie Halbschwestern sind. Die Übereinstimmung fiel ihnen über ein Suchprofil auf unserer Internetseite auf. Beide haben von der Samenbank Novum außerdem Auskunft darüber erhalten, wer ihr genetischer Vater ist.

Im Frühjahr hatten Nicole und Sophie über den DNA-Test Family Finder herausgefunden, dass sie Halbschwestern sind. Nun hat sich auch Christin bei Family Finder registrieren lassen und dort direkt einen Halbgeschwistertreffer mit Nicole und Sophie entdeckt. So kam die Verbindung der beiden Halbgeschwisterpaare ans Licht. Eine Woche später kam ein Treffer mit einer weiteren Halbschwester über Family Finder hinzu.

Für die Hinzugetroffene bedeutet dies, dass sie auf einen Schlag vier Halbschwestern gefunden hat und außerdem weiß, wer ihr genetischer Vater ist. Für die anderen kamen erst eine und dann drei weitere Halbschwestern sowie ihr genetischer Vater dazu. Da die Essener Samenbank Novum derzeit behauptet, keine Behandlungsdaten mehr aus den Jahren vor 1996 zu besitzen und daher nicht nachvollziehen zu können, welcher Spender für welche Empfängerin verwendet wurde, hätten sie ansonsten nur unter großen Schwierigkeiten herausfinden können, wer ihr genetischer Vater ist.

Gleichzeitig wirft dies aber auch die Frage auf, wie viele Kinder dieser eine Spender gezeugt hat – wenn sich schon jetzt fünf Halbgeschwister gefunden haben.

Wir freuen uns sehr über diesen Treffer, weil er zeigt, dass die Chancen steigen, Verwandte zu finden, je mehr Spenderkinder sich bei Family Finder registrieren. Gleichzeitig zeigt es auch, dass die wenigen Spenderkinder, die Auskunft über ihren genetischen Vater erhalten haben, anderen Spenderkindern, bei denen die Daten angeblich nicht mehr vorhanden sind, durch die Registrierung bei Family Finder helfen können, den Spender doch noch ausfindig zu machen.

Aufklärungsquote von Spenderkindern in Deutschland – was ist bekannt?

Der Verein Spenderkinder setzt sich für eine möglichst frühe Aufklärung von Spenderkindern über ihre Entstehungsweise ein. Eine möglichst frühe Aufklärung eines Menschen über seine Herkunft wird auch von psychologischer Seite empfohlen um eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu gewährleisten.1 Erfährt ein Mensch erst als Erwachsener, dass er andere als die bisher als solche geglaubten genetischen Elternteile hat, muss er wesentliche Grundlagen seiner Identität neu aufbauen. Das kann psychisch eine große Herausforderung sein. Zudem erleben es viele erwachsene Menschen als Vertrauensbruch, wenn die Personen, denen sie am meisten vertrauten, sie jahrelang falsche Tatsachen glauben ließen. Auch wenn in den letzten Jahren die Anzahl der aufklärenden Eltern zugenommen zu haben scheint,2 klären immer noch viele Eltern ihr Kind nicht oder zu spät auf. In einer aktuellen Metaanalyse von Tallandini und anderen (2016) konnte zwischen 1996 und 2015 eine steigende Tendenz zur Aufklärung von Spenderkindern nicht bestätigt werden: Die Aufklärungsrate korrelierte nicht mit dem Publikationsjahr der jeweiligen Studie.3

Bagatellisierung von Seiten der Eltern, Berater und Ärzte

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat im Januar einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem unter anderem gefordert wird, dass die Tatsache der Zeugung durch eine reproduktionsmedizinische Maßnahme im Geburtenregister vermerkt wird. In einer gemeinsamen Stellungnahme zu dem Antrag lehnen die Elternorganisation DI-Netz, das Beratungsnetz Kinderwunsch in Deutschland (BKiD) und der Arbeitskreis Donogene Insemination (AK-DI) diese Forderung vehement ab.4 Gleichzeitig werfen sie unserem Verein vor, in der Öffentlichkeit bewusst mit einer niedrigen Aufklärungsrate von 10 Prozent aus einer alten Studie aus den 80er Jahren zu argumentieren.5

Dieser Vorwurf gegenüber unserem Verein ist nicht richtig. Zwar verweisen wir in dem Text zu Aufklärung auf unserer Internetseite auf eine niedrige Aufklärungsquote von etwa 5-10 Prozent. Diese Zahl bezieht sich jedoch auf die Zahl der aufgeklärten Spenderkinder insgesamt – was auch die Spenderkinder beinhaltet, die in den 70er und 80er Jahren gezeugt wurden, als Ärzte ausdrücklich die Geheimhaltung gegenüber den Kindern empfohlen haben. Unmittelbar im nächsten Satz weisen wir mit einem expliziten Verweis auf einige aktuelle Studien darauf hin, dass bei jüngeren Familien mit einer höheren Aufklärungsbereitschaft von bis zu 30 Prozent gerechnet wird. Uns die gezielte Verbreitung falscher Daten vorzuwerfen, ist daher ein ziemlich unfaires Mittel der Auseinandersetzung – das umso fragwürdiger ist, als mit Herrn Prof. Katzorke einer der Unterzeichner der Stellungnahme selbst in einigen Publikationen auf diese niedrige Aufklärungsrate verwiesen hat.6 Trotzdem stellt sich natürlich die Frage, wie die Datenlage zur Aufklärungsrate tatsächlich aussieht.

Welche Erkenntnisse zur Aufklärungsrate liegen bislang vor?

Nach einer aktuellen Meta-Studie von Tallandini aus dem Jahr 2016, die 26 Studien aus den Jahren 1996 bis 2015 umfasst, haben 21 Prozent der Samenspende-Eltern und 23 Prozent der Eizellspende-Eltern ihre Kinder aufgeklärt.7 Bei der Betrachtung einzelner ausländischer Studien zeigen sich darin Aufklärungsraten zwischen 8 und 35 Prozent.8

Aufklärungswille vermutlich höher als tatsächliche Aufklärungsrate

Die Rate der aufklärungswilligen Eltern ist in einigen Studien deutlich höher. Insbesondere eine schwedische Studie von 2011 fällt positiv auf: Darin äußern 90 Prozent der Eltern die Absicht, ihre Kinder aufzuklären.9 Allerdings bedeutet dieses Vorhaben nicht unbedingt, dass dies auch tatsächlich umgesetzt wird. Tallandini et al. (2016) beobachteten diesbezüglich, dass zwar 52 Prozent der Eltern von Kindern im Alter unter 10 Jahren angaben, diese aufklären zu wollen, dass aber nur 9 Prozent ihre Kinder zwischen 10 und 22 Jahren auch tatsächlich aufgeklärt hatten.10 Auffällig ist die Heterogenität der Studien: Neben der optimistisch stimmenden Isaksson-Studie gibt es andere – darunter auch einige recht aktuelle – in denen ein Großteil der Eltern die Kinder (die alle im Kindergartenalter oder älter sind) nicht aufgeklärt hat und ein Teil davon auch in Zukunft nicht aufklären möchte.11

Stichprobenzusammensetzung legt eher Über- als Unterschätzung der Aufklärungsrate nahe

Bei allen Studien lässt sich die Frage aufwerfen, inwieweit die Ergebnisse verallgemeinert werden können bzw. welche zusätzlichen Faktoren das Studienergebnis möglicherweise beeinflusst haben. Bei den Studien zur Aufklärungsrate ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass keine Zufallsstichproben aus allen Eltern gezogen wurden, sondern die Teilnahme freiwillig erfolgte. Daher kann man eine Stichprobenselektion derart vermuten, dass eher aufklärungsbereite Familien sich bereiterklären, an Studien, insbesondere an Langzeitstudien, teilzunehmen weil dies eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema beinhaltet.12 Möglicherweise hat auch allein die Fragestellung nach der Aufklärungsabsicht einige Eltern dazu angeregt, über das Thema Aufklärung weiter nachzudenken und sich schließlich dafür zu entscheiden.13 Eine weitere Schwäche sind die insgesamt eher kleinen Stichprobengrößen. Trotz der sicherlich bestehenden methodischen Schwächen bilden die vorliegenden Untersuchungen aber Tendenzen ab. Insbesondere aufgrund der freiwilligen Teilnahme vermutlich eher offener Eltern und durch die Thematisierung der Aufklärung ist eher von einer Über- als von einer Unterschätzung der tatsächlichen Aufklärungsrate auszugehen.

Geringe Aufklärungsquote für Deutschland naheliegend

Ohne eine Würdigung der ausländischen Studienlage vorzunehmen, verweisen BKiD, DI-Netz und der AK-DI in ihrer Stellungnahme lediglich darauf, es lägen keine belastbaren Daten vor und insbesondere keine Daten aus Deutschland. Auf dieser Grundlage stellen sie eine geringe Aufklärungsrate für Deutschland in Frage. Diese Vorgehensweise ist wissenschaftlich fragwürdig. Vielmehr mangelt es an Argumenten, weshalb die internationalen Ergebnisse ausgerechnet auf Deutschland – zumindest der Tendenz nach – nicht übertragbar sein sollten.

Fehlende Regelungen und jahrzehntelanges Klima der Geheimhaltung deuten auf geringe Aufklärungsquote hin

Es fällt auf, dass die Aufklärungsrate zwischen den Ländern erheblich variiert, zwischen 90 Prozent aufklärungswilliger Eltern in einer schwedischen Studie14 und überhaupt keinen aufklärungswilligen Eltern in Italien15. Selbst wenn sich daraus keine konkreten Zahlen für Deutschland ableiten lassen, so können die ausländischen Studien zumindest als Anhaltspunkte dienen, in welchem Bereich sich die tatsächliche Aufklärungsquote vermutlich bewegt. Schweden war eines der ersten Länder, in denen die anonyme Samenspende verboten wurde (1985) und in dem gesellschaftlich ein Klima der Offenheit herrscht, während in Italien ein konservativeres Familienbild vorherrscht und die Samenspende für viele Jahre komplett verboten war. Auch in Deutschland hüllte sich die Praxis der Samenspende jahrzehntelang in Schweigen und bis vor Kurzem wurde Spendern noch Anonymität zugesichert.16
Das stimmt mit den Beobachtungen der Ethnologin Maren Klotz überein, dass deutsche Eltern größere Angst vor der Aufklärung ihrer Kinder äußerten als britische Eltern, was sie der größeren Verunsicherung der Eltern durch fehlende Regelungen und der Spannung zwischen Geheimhaltungsdruck durch die Kliniken und moralischem Aufklärungsdruck zuschreibt.17 In Großbritannien werden die Spenderdaten in einem Register festgehalten und die Klinik muss den Eltern die Aufklärung der Kinder empfehlen. Vergleichbare Regelungen gibt es in Deutschland nicht.

Auf Grund dieser Überlegungen ist es wahrscheinlich, dass die Aufklärungsrate in Deutschland eher niedriger ist als in den dargestellten Studien. Es gibt jedenfalls keine Hinweise dafür, weswegen sie höher sein könnte.

Praktische Erfahrungen deuten eher auf Angst vor und Vermeidung von Aufklärung hin

Hält man unbeirrbar an den methodischen Mängeln der ausländischen Studien fest und lehnt deshalb eine Auswertung und deren Übertragbarkeit auf die Situation in Deutschland komplett ab, so bleiben empirisch überhaupt keine Anhaltspunkte – weder für eine niedrige, noch für eine hohe Aufklärungsquote. Was bleibt, sind jedoch die praktischen Erlebnisse, Begegnungen mit Eltern auch junger Spenderkinder, die ihre Kinder nicht aufklären möchten, was in direkten E-Mails und Kommentaren an unseren Verein oder aber in einschlägigen Foren deutlich wird. Wie hoch deren Prozentsatz gemessen an der Gesamtanzahl der Eltern auch sein mag – so lange die Aufklärung von Spenderkindern nicht für alle Eltern selbstverständlich ist, kann man nicht ernsthaft behaupten, dass Samenspende-Eltern keiner Motivation zur Aufklärung ihrer Kinder bedürften.

Fazit

Es spricht viel dafür, dass nach wie vor auch in Deutschland zu wenige Kinder über ihre Zeugung durch eine Samenspende aufgeklärt werden und daher ein Bedarf besteht, Eltern stärker zur Aufklärung zu motivieren.

Das Vorgehen, die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der Eltern trotz mehrerer Studien mit gegenteiligen Ergebnissen in Frage zu stellen, wirkt dabei vielmehr wie ein mehr oder weniger starkes Bedürfnis, Hinweise zu leugnen, die ein schlechtes Bild auf Samenspende-Eltern werfen könnten. Wir würden uns stattdessen wünschen, dass insbesondere Eltern und Beratungsfachkräfte konsequent für das Thema frühe Aufklärung eintreten: Elterliche Verantwortung zu übernehmen, bedeutet aufzuklären und nicht, dass man es den Eltern überlässt, ob sie aufklären.

Dabei ist es Aufgabe des Staates, das Recht von Spenderkindern auf Kenntnis ihrer Abstammung zu schützen und Vorkehrungen zu treffen, dass Kinder auch unabhängig von ihren Eltern die Wahrheit über ihre Herkunft erfahren können und auch um Inzest nach Möglichkeit ausschließen zu können.

  1. vgl. z.B. Blyth E, Langridge D, Harris R (2010), Family building in donor conception: parents’ experiences of sharing information, Journal of Reproductive and Infant Psychology (2) 28, S. 116–127, S. 124-125; Oelsner W, Lehmkuhl G (2016), Spenderkinder. Was Kinder fragen werden und was Eltern wissen sollten, Munderfing: Fischer & Gann. []
  2. Greenfeld DA. (2008), The impact of disclosure on donor gamete participants: donors, intended parents and offspring. CurrOpinObstetGyn;20, S. 265–268.:Söderström-Anttila V, Sälevaara M, Suikkari AM. (2010), Increasing openness in oocyte donation families regarding disclosure over 15 years. Hum Reprod25, S. 2535–2542.; MacCallum F, Keeley S. (2012), Disclosure patterns of embryo donation mothers compared with adoption and IVF. Reprod Biomed Online 24,S. 745–748. []
  3. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S.9. []
  4. DI-Netz, BKiD und AK DI, Gemeinsame Stellungnahme zum Gesetzesantrag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung“ vom 24. März 2016 – siehe auch gesonderter Beitrag „Eintragung des Spenders in das Geburtenregister – das Recht von Spenderkindern auf Wahrheit“.) Sie stellen in diesem Zusammenhang in Frage, ob es überhaupt notwendig sei, die Motivation der Eltern zur Aufklärung ihrer Kinder zu stärken und ob dies Aufgabe des Staates sei. ((S. 2 []
  5. Fußnote 2: „Die medial kursierende Zahl von 10% Aufklärungsrate bei Samenspende stammt aus einer kleinen Studie einer Forschergruppe um Susan Golombok aus den späten 1980er Jahre mit 111 Patienten aus den Ländern Spanien, Italien, den Niederlanden und Großbritannien (Deutschland wurde nicht erfasst). Die geschätzte Zahl von 10% Aufklärungsquote wird in Deutschland derzeit durch den Verein „Spenderkinder“ lanciert.“ []
  6. siehe z.B. Katzorke T (2008) Entstehung und Entwicklung der Spendersamenbehandlung in Deutschland. Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 5(1), S.14-20, 20; Katzorke T (2003), Donogene Insemination –  Gegenwärtiger Stand der Behandlung in der BRD, Gynäkologische Endokrinologie, S. 85-94, 88. []
  7. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 9. []
  8. 8% bei Owen L, Golombok S (2009), Families created by assisted reproduction: Parent-child relationships in late adolescence, Journal of Adolescence 32, 835-848; 8,6% bei Golombok S et al. (2002), The European study of assisted reproduction families: the transition to adolescence. Human Reproduction Vol. 17 No. 3, S. 830-840; 17% bei Sälevaara M, Suikkari A-M, Söderström-Anttila V (2013), Attitudes and disclosure decisions of Finnish parents with children conceived using donor sperm. Human Reproduction, Vol. 28, No. 10, S. 2746–2754; 28% bei Readings J, Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S (2011), Secrecy, disclosure and everything in-between: decisions of parents of children conceived by donor insemination, egg donation and surrogacy. Reprod Biomed Online; 22: 485 – 495; 35% bei Daniels K, Gillett W, Grace V (2009), Parental information sharing with donor insemination conceived offspring: a follow-up study. Human Reproduction, Vol.24, No.5 S. 1099–1105; 35% bei Kovacs G T, Wise S, Finch S (2013), Functioning of families with primary school-age children conceived using anonymous donor sperm. Human Reproduction, Vol.28, No. 2, S. 375–384. []
  9. Isaksson S et al. (2011), Two decades after legislation on identifiable donors in Sweden: are recipient couples ready to be open about using gamete donation? Human Reproduction, Vol.26, No.4 pp. 853–860. []
  10. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S.10. []
  11. z.B. haben 61% zum Zeitpunkt der Studie noch nicht aufgeklärt, insgesamt 43% haben sich ausdrücklich gegen Aufklärung entschieden bei Lycett E, Daniels K, Curson R, Golombok S (2005), School-aged children of donor insemination: a study of parents‘ disclosure patterns. Human Reproduction Vol. 20, No. 3 S.810-819; 92% haben noch nicht aufgeklärt, 81% haben sich explizit dagegen entschieden bei Owen L, Golombok S (2009), Families created by assisted reproduction: Parent-child relationships in late adolescence, Journal of Adolescence 32, 835-848; 53% haben nicht aufgeklärt und haben es auch nicht vor bei Daniels/Gillet/Grace (2009), Human Reproduction Vol. 24, S. 1099–1105, 1102; 72% haben noch nicht aufgeklärt, 39% der Eltern wollen ausdrücklich nicht aufklären bei Readings J, Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S. (2011), Secrecy, disclosure and everything in-between: decisions of parents of children conceived by donor insemination, egg donation and surrogacy. ReprodBiomed Online; 22: 485 – 495. []
  12. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 11. []
  13. Daniels et al. (2009) untersuchten 43 Familien, von denen 15 (35%) ihre 17-21jährigen Kinder aufgeklärt hatten. Zu einem Folgezeitpunkt hatten sich weitere 5 Familien für eine Aufklärung entschieden – Daniels K, Gillett W, Grace V (2009), Parental information sharing with donor insemination conceived offspring: a follow-up study. Human Reproduction, Vol.24, No.5 pp. 1099–1105. []
  14. Isaksson S et al. (2011), Two decades after legislation on identifiable donors in Sweden: are recipient couples ready to be open about using gamete donation? Human Reproduction, Vol.26, No.4 pp. 853–860. []
  15. Golombok S et al. (2002), The European study of assisted reproduction families: the transition to adolescence. HumanReproduction Vol. 17 No. 3 830-840 []
  16. Thorn P, Katzorke T, Daniels K (2008), Semen donors in Germany: A study exploring motivations and attitudes. Human Reproduction Vol. 23(11) pp. 2415–2420. []
  17. Klotz M (2013), Genetic Knowledge and Family Identity: Managing Gamete Donation in Britain and Germany. Sociology 47: 939-956. []