Archiv des Autors: Anne

Stellungnahme zum Entwurf der ESHRE-Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei unerfülltem Kinderwunsch

Die europäische Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie (ESHRE) ist erfreulicherweise dabei, Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei Unfruchtbarkeit und medizinisch-assistierter Fortpflanzung zu entwickeln. Spenderkinder hat sich mit folgender Stellungnahme an der Revision beteiligt:

 

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zum Entwurf der Leitlinien für psychosoziale Versorgung bei Unfruchtbarkeit und medizinisch-assistierter Fortpflanzung der europäischen Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie (ESHRE)

Die Leitlinien sollten nicht nur das Wohlbefinden der Wunscheltern berücksichtigen, sondern auch das der entstehenden Kinder

Wir begrüßen es sehr, dass ESHRE Leitlinien zur psychosozialen Versorgung bei Unfruchtbarkeit und medizinisch assistierter Reproduktion (im Folgenden „die Leitlinien“) entwickelt und freuen uns über die Möglichkeit, auch unsere Perspektive, die der durch Fremdsamenspende entstandenen Menschen, einbringen zu können.

Beim Durchsehen der Leitlinien ist uns aufgefallen, dass diese ausschließlich das Wohlbefinden, bzw. die psychosozialen Bedürfnisse, der Wunscheltern zum Ziel haben. Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass ebenso auch das Wohl der entstehenden Menschen, der Kinder, berücksichtigt werden sollte. Natürlich ist das in erheblichem Ausmaß vom Wohlbefinden der Eltern abhängig, aber es gibt auch einige zusätzliche Aspekte.

Im Folgenden beziehen wir uns auf die Familiengründung zu Dritt mittels Fremdsamenspende. Spenderkinder brauchen in erster Linie informierte Eltern, die selbstbewusst und reflektiert mit den lebenslangen Herausforderungen dieser besonderen Familienkonstellation umgehen.

Zum Zeitpunkt des unerfüllten Kinderwunsches und der Entscheidung für eine Familiengründung zu Dritt gibt es vieles, womit sich die Paare beschäftigen, welche Methoden es gibt, wie erfolgversprechend die einzelnen Methoden sind, Trauer über eigene Unfruchtbarkeit, Ängste und möglicherweise die Bewältigung bereits erfolglos absolvierter Versuche, den Kinderwunsch zu verwirklichen. Psychosoziale Aspekte, die möglicherweise erst in 10, 20 Jahren wichtig werden können, werden deshalb oft nicht beachtet.

Psychosoziale Versorgung der Wunscheltern bedeutet auch, sie aktiv über die Bedürfnisse der Spenderkinder zu informieren: Frühe Aufklärung und mögliches Interesse der Kinder an ihrer biologischen Verwandtschaft

Psychosoziale Sorge für die Wunscheltern und die entstehenden Familien zu tragen, bedeutet deshalb die Wunscheltern nicht nur mit ihren eigenen Ängsten und Sorgen aufzufangen, sondern sie darüber hinaus aktiv über alle wesentlichen psychosozialen Aspekte zu informieren. Nur so können sie eine bewusste, verantwortliche Entscheidung für oder gegen die Familiengründung zu Dritt treffen. Um Interessenskonflikte zu vermeiden, sollte diese Beratung von ideologisch und wirtschaftlich vom Reproduktionszentrum unabhängigen psychosozialen Fachkräften durchgeführt werden. Dennoch sollten auch die übrigen Mitarbeitenden über die psychosozialen Herausforderungen informiert sein, damit sie die Wunscheltern besser begleiten können.

Das heißt konkret, Wunscheltern sollten darüber informiert werden, dass Forschungsergebnisse und Erfahrungen mittlerweile erwachsener Spenderkinder eine möglichst frühe Aufklärung der Kinder über ihre Entstehung durch Fremdsamenspende empfehlen (i.e. Blyth, Langridge & Harris, 2010; Rumball & Adair, 1999). Außerdem sollten sie wissen, dass die meisten aufgeklärten Kinder früher oder später ein Interesse daran entwickeln, zu erfahren, wer ihr biologischer Vater ist (Beeson, Jennings & Kramer, 2011; Hertz, Nelson & Kramer, 2013; Scheib, Riordan & Rubin, 2005; Blake, Casey, Jadva & Golombok, 2013).

Spenderkinder brauchen starke Eltern, die sie unterstützen und mit denen sie offen über die Familiengründung zu Dritt reden können

Wunscheltern sollten sich nur dann für eine Familiengründung zu Dritt entscheiden, wenn sie auch offen zu ihrer Entscheidung stehen können. Spenderkinder brauchen Eltern, die sie unterstützen und mit denen sie über die Familienkonstellation reden können. Sie brauchen Eltern, die sie begleiten, wenn sie ein Interesse an dem unbekannten Dritten entwickeln. Es besteht die Gefahr der Parentifizierung, wenn die Kinder das Gefühl entwickeln, ihre Eltern schonen zu müssen und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihren Eltern vermeiden, weil diese mit den Herausforderungen der Familienkonstellation überfordert sind.

Weitere familiendynamische Aspekte, die aktiv mit den Wunscheltern thematisiert werden sollten, sind die ungleiche Ausgangslage der Eltern, da nur die Mutter biologisch mit dem Kind verwandt ist (Becker, Butler & Nachtigall, 2005). Regelmäßig äußern Eltern die Befürchtung, der soziale Vater könne vom Kind zurückgewiesen werden (Lalos, Gottlieb & Lalos, 2007) oder das Wissen um die Unfruchtbarkeit könnte als verletzende Waffe gegenüber dem nicht biologisch-verwandten Elternteil eingesetzt werden (Kirkman, 2004). Diese Asymmetrie in der Beziehung zum Kind kann zu Spannungen innerhalb der Paarbeziehung führen und leider auch dazu, dass immernoch viele Spenderkinder entgegen besseren Wissens nicht aufgeklärt werden.

Die Leitlinien vernachlässigen das bestehende Wissen über die Bedürfnisse der Wunschväter

Ein Großteil der Leitlinien soll die Aufklärung und Versorgung der Wunschmütter verbessern und bemängelt die Unwissenheit über die Bedürfnisse der Wunschväter. Deshalb erscheint es uns wichtig, wenigstens die vorhandenen Erkenntnisse in den Leitlinien zu berücksichtigen. Die Belastung der unfruchtbaren Männer wird häufig auch von den Männern selbst übersehen und macht sich erst Jahre später bemerkbar (Thorn & Wischmann, 2014; Indekeu et al., 2012). Die sozialen Väter von Spenderkindern setzen sich oft wenig mit ihren Gefühlen auseinander und haben deshalb häufig große Probleme mit dem notwendigen offenen Umgang (Beeson, Jennigs, Kramer, 2011). Das Gefühl des Verlusts durch die Diagnose der Unfruchtbarkeit kann so überwältigend sein, dass manche (nicht alle) Wunscheltern die Familiengründung zu Dritt zunächst lediglich als pragmatischen Weg sehen, Eltern zu werden – bevor sie die genetische Verbindung aus Sicht ihrer Kinder neu bewerten (Kirkman, 2004).

Der Spender spielt ab der Familiengründung zu Dritt eine existenzielle Rolle für das Kind und damit für die Familie. Auch wenn die Eltern ihn auf seine Funktion als Spender zu reduzieren versuchen, ist er ein Mensch aus Fleisch und Blut, den das Kind mit großer Wahrscheinlichkeit im Laufe seines Lebens kennenlernen möchte.

Die (ambivalenten) Gefühle der Männer bezüglich ihrer Unfruchtbarkeit, die Demütigung durch den potenten Spender, von dem ihre Frau möglicherweise ein Kind erwartet, ihre Gefühle gegenüber ihrem (fremden) Kind und der Frau, die im Gegensatz zu ihnen zusätzlich über eine biologische Verbindung zum Kind verfügt, sowie ihre Vorstellungen davon, wie sie ihre soziale Vaterrolle wahrnehmen möchten, sollten unbedingt aktiv mit den Wunschvätern thematisiert werden, auch wenn die Wunschväter keinen Gesprächsbedarf deutlich machen. Die Probleme der Männer schlagen sich nicht notwendigerweise als klinisch relevante Angststörung oder Depression nieder. Die familiendynamischen Zusammenhänge sind komplexer und zeigen sich bei manchen Männern z.B. in Unsicherheit gegenüber dem Kind, indifferenten Gefühlen, die sie selbst nicht einordnen können, in Spannungen mit der Partnerin, obwohl sie doch eigentlich glücklich sein müssten, Vater geworden zu sein. Hier besteht großer Aufklärungsbedarf zum Wohle der Männer und ihrer Paar- sowie Eltern-Kind-Beziehung.

Aus den o.g. Gründen sind wir der Meinung, dass die Familiengründung mit Fremdsamenspende eine sehr große Herausforderung für alle Beteiligten darstellt, die nicht leichtfertig empfohlen werden sollte. In jedem Fall raten wir vor jeder Entscheidung für diese Form der Familiengründung dringend zu einer ausführlichen Aufklärung der Wunscheltern über die psychosozialen Implikationen der Familiengründung zu Dritt.

In vielen europäischen Ländern wie zum Beispiel Schweden, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und zuletzt Irland, ist es bereits selbstverständlich, dass Spenderkinder ihren biologischen Erzeuger in Erfahrung bringen können. Wir möchten darauf hinweisen, dass wir dies für eine Grundvoraussetzung halten als Ausdruck des Respekts vor den Bedürfnissen der (erwachsenen) Spenderkinder.

Literatur:
Becker G, Butler A, Nachtigall R (2005) Resemblance talk: A challenge for parents whose children were conceived with donor gametes in the US. Social Science & Medicine 61 (2005), p. 1300–1309, p. 1307.
Beeson D, Jennings P, Kramer W (2011) offspring searching for their sperm donors: how family type shapes the process. Human Reproduction 9 (26), p. 2415-2424, p. 2419.
Beeson D, Jennigs P, Kramer W (2011), Offspring searching for their sperm donors: how family type shapes the process. Human Reproduction (9) 26, p. 2415–2424, p. 2422.
Blake L, Casey P, Jadva V, Golombok S (2013) ‘I Was Quite Amazed’: Donor Conception and Parent–Child Relationships from the Child’s Perspective. Children & Society, p. 10.
Blyth E, Langridge D, Harris R (2010) Family building in donor conception: parents‘ experiences of sharing information, in: Journal of Reproductive and Infant Psychology (2) 28, p. 116-127, p. 124-125.
Hertz R, Nelson M, Kramer W (2013) Donor conceived offspring conceive of the donor: The relevance of age, awareness, and family form. Social Science & Medicine 86, p. 52-65, p. 56.
Indekeu A et. al. (2012) Parenthood motives, well-being and disclosure among men from couples ready to start treatment with intrauterine insemination using their own sperm or donor sperm. Human Reproduction (1) 27, p. 159–166, p. 164.
Kirkman M (2004) Genetic Connection And Relationships in Narratives Of Donor-Assisted Conception. Australian Journal of Emerging Technologies and Society (1) 2, p. 1-21, p. 12.
Kirkman M (2004) Genetic Connection And Relationships In Narratives Of Donor-Assisted Conception. Australian Journal of Emerging Technologies and Society (1) 2, p. 1-21, p. 15.
Lalos A, Gottlieb C, Lalos O (2007) Legislated right for donor-insemination children to know their genetic origin: a study of parental thinking. Human Reproduction (6) 22, p. 1759–1768, p. 1766.
Rumball A, Adair V (1999) Telling the story: parents‘ scripts for donor off-jump. Human Reproduction (5) 14 p.1392-1399, p. 1397.
Scheib J, Riordan M, Rubin S (2005) Adolescents with open-identity sperm donors: reports from 12–17 year olds. Human Reproduction (1) 20, p. 239–252, p. 248.
Thorn P, Wischmann T (2014) Der Mann in der Kinderwunschbehandlung (unter besonderer Berücksichtigung der donogen Insemination). Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie, Pre-Publishing Online.

Zweiter Halbgeschwistertreffer bei FTDNA

Nachdem unser DNA-Test Family-Finder von FTDNA letztes Jahr im August unser erstes Halbgeschwisterpaar identifizierte, gibt es jetzt einen Treffer zweier Halbschwestern, die beide vor gut 30 Jahren im Uniklinikum Gießen entstanden sind.

Und so kam es dazu: Nachdem Mia Ende letzten Jahres von ihrer Zeugungsart erfahren hatte und bisher von der Klinik noch keine Informationen über den Spender erhalten konnte, erfuhr sie zufällig von einer Person, die einige Monate vor ihr ebenfalls im Uniklinikum Gießen gezeugt worden war. Einem Bauchgefühl folgend nahm sie Kontakt zu ihr auf und beide ließen sich beim Family Finder registrieren. Letzte Woche bekamen sie die Benachrichtigung, dass beide tatsächlich unmittelbar miteinander verwandt sind!

Vielleicht kann diese kleine Geschichte auch anderen Spenderkindern Mut machen, sich bei FTDNA zu registrieren. Je mehr mitmachen, desto größer ist die Chance auf weitere Treffer! Dafür braucht man kein Mitglied in unserem Verein zu sein oder überhaupt Kontakt zu uns aufgenommen haben – die Teilnahme an dem Test bei FTDNA reicht aus.

Radiobeitrag zum 1. Erlanger Symposium am 20.03.2014 um 19.00 Uhr

Der Radiobeitrag mit Bezugnahme auf das 1. Erlanger Symposium zur Familienbildung durch Samenspende, der Donnerstag (20.03.) auf Radio Corax gesendet wurde, kann im Sendearchiv nachgehört werden. Interviewpartnerinnen sind Brigitte Zypries, Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundesjustizministerin, sowie Spenderkindermitglied Anne.

Fernsehhinweis: Justice am Montag, 18.11. um 23.30 Uhr auf RTL

Kommenden Montag, den 18.11.2013, um 23.30 Uhr wird auf RTL im Rahmen der Sendereihe Justice – mit Richterin Julia Scherf der Film „Tabuthema Samenspende“ von Andrea Böll zum Thema Samenspende gezeigt. Mit dabei: Spenderkinder-Mitglied Sunny.

Der Beitrag wird auf der Internetseite der Sendung folgendermaßen angekündigt:

„Sunny Müller ist 33 Jahre alt. Ihr Leben begann im Oktober 1979 in einem Krankenhaus in Berlin. Dort wurde ihrer Mutter der Samen eines anonymen Spenders eingepflanzt. Lange Zeit ist das überhaupt kein Thema für Sunny. Aber dann, vor etwa einem Jahr, beginnt es in ihr zu rumoren: wer ist dieser Mann, der genetisch ein Teil von ihr ist? „Ich habe nicht nur zwei Eltern, ich habe eigentlich drei Eltern, und das dritte Teil fehlt halt noch. Es ist Ungewissheit da, und ich versuche einfach, dieses Loch zu füllen.“

Schätzungsweise 100.000 Samenspenderkinder leben in Deutschland. Die Anonymität des Spenders wurde Jahrzehnte lang einfach hingenommen. In den betroffenen Familien wurde so gut wie nie darüber gesprochen. Zu groß war die Angst vor gesellschaftlicher Ächtung.“

Zeitungsartikel „Die geheimen Väter“

Unter diesem Titel erschien am Mittwoch, den 13.11.2013, ein Beitrag der Journalistin Irmtraud Fenn-Nebel in den Tageszeitungen Fränkischer Tag, Bayerische Rundschau, Coburger Tageblatt, Saale-Zeitung und DIE KITZINGER. Zu Wort kommen Dr. Andreas Hammel, Leiter der Erlanger Samenbank und ein Spenderkindermitglied. Der vollständige Artikel kann kostenpflichtig nachgelesen werden.

Kommentar zur Sendung ‚Blaue Couch‘ auf Bayern 1 vom 22.09.2013

Unter dem Titel „Auf der Suche nach dem biologischen Vater“ durfte ich von meinen Erfahrungen sowie meiner Suche nach dem Spender berichten. Mir hat die Sendung sehr gut gefallen, und ich möchte mich bei allen bedanken, die daran beteiligt waren.

Mir ist es wichtig, an dieser Stelle eine Korrektur der geschilderten Rechtslage vorzunehmen: Entgegen der Darstellung des beteiligten Juristen galt bereits vor 2007 eine Aufbewahrungspflicht für Behandlungsunterlagen über die üblichen 10 Jahre hinaus, wenn die ärztliche Erfahrung dies gebot. Bei einer Samenspende ist dies eindeutig der Fall. Wenn trotzdem Unterlagen vernichtet werden und es dem Kind dadurch unmöglich wird, die Identität des Spenders zu erfahren, können Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Dies wurde den Ärzten schon seit 1970 z.B. im Deutschen Ärzteblatt kommuniziert.

Die Kontaktierung des Arztes ist der direkte und einfachste Weg, die Identität des Spenders in Erfahrung zu bringen. Der Zugang zu den Unterlagen wird jedoch gerade bei Spenderkindern, die sich heute bereits im Erwachsenenalter befinden, in den meisten Fällen von Seiten der Ärzte verhindert. Weitere Möglichkeiten sind die DNA-Datenbank „Family Tree DNA“ (FTDNA) sowie die Suchprofile auf dieser Website. Über FTDNA gab es in diesem Jahr sogar die ersten Treffer! Wünschenswert wäre es, Samenspender insoweit zu sensibilisieren, selbst zu erkennen, wie bereichernd es für sie und Spenderkinder sein kann, einander kennen zu lernen. Spender könnten jene Vermittlungsplattformen (FTDNA etc.) nutzen, um die gegenseitige Suche zu unterstützen.

Sicherlich ist der Verzicht auf die einst von den Ärzten zugesicherte Anonymität für viele Spender mit Unsicherheiten verbunden, was z.B. auch Unterhalts- und Erbschaftsansprüche betrifft. Auch auf der Blauen Couch wurde darüber gesprochen. Ich möchte diesen Gedanken noch einmal aufgreifen: Das ausgemalte Szenario ist ein sehr theoretisches. Voraussetzung dafür ist, dass das Spenderkind die Vaterschaft seines sozialen Vaters anficht, so dass es vor Gericht vaterlos wird. Erst unter dieser Bedingung könnte der Spender – theoretisch – an rechtlicher Vaterstelle eingesetzt werden. Für diese Entscheidung hat das Kind zwei Jahre nach seiner Aufklärung (bei Minderjährigen ab Volljährigkeit) Zeit.

Sollte das Kind sich tatsächlich für diese Möglichkeit entscheiden, würde es aber auch dem Spender gegenüber unterhaltspflichtig, wenn er z.B. alt und pflegebedürftig wird. Der Spender hätte außerdem die Möglichkeit, sich das Geld zurück zu holen indem er die Eltern oder den Arzt (wenn dieser ihn z.B. nicht darüber aufgeklärt hat) belangt.

Diese Bedingungen schaffen für uns Spenderkinder also keine Anreize, von dieser theoretischen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Vielmehr setzen auch wir uns für den ausdrücklichen Ausschluss von gegenseitigen Unterhaltsansprüchen ein.

Ich hoffe, dass in naher Zukunft für alle klare Verhältnisse geschaffen werden und die Tragweite der im Zusammenhang mit der Samenspende getroffenen Entscheidungen offen und ehrlich kommuniziert wird.

Autorin: Anja

Kritik an den Beratungsleitlinien von BKiD e.V.

Das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch Deutschland (BKiD e.V.) hat Leitlinien für die psychosoziale Beratung bei Keimzellenspende aufgestellt (letzte Version 03.03.2008). Der Verein Spenderkinder setzt sich ebenfalls für eine psychosoziale Beratung der Wunscheltern sowie potenzieller Spender ein und begrüßt, dass beratungsrelevante Inhalte in entsprechenden Leitlinien festgehalten werden. In drei Punkten der bisherigen Fassung der Leitlinien sind wir jedoch nicht einverstanden:

1. In Punkt 3.3 wird vorgeschlagen, bewusst eine Terminologie zu wählen, die zwischen biologischem und sozialem Vater unterscheidet, zum Beispiel „Spender“ und „Vater“ und den Prozess der Zeugung umzudefinieren als die Entscheidung zu einer Fremdsamenspende, statt als biologischen Akt.

Das sehen wir als zu intellektualisierend, wenn nicht gar verleugnend. Die Wunscheltern sollten der Tatsache klar in die Augen blicken, dass das Kind eben NICHT auf herkömmliche Weise gezeugt wird und auch kein reines Produkt des Verstandes oder ein wahrgewordener Wunschtraum ist, sondern dass es einen biologischen Ursprung hat, der es mit einem biologischen Vater verbindet, der dadurch für immer Teil der Konstellation ist.

2. Unter Punkt 4.3 wird ausgeführt: „Ein weiteres Thema in der Beratung ist die Bedeutung des Spenders für das Kind. Manche Wunscheltern befürchten, dass sich das Kind nach einer Aufklärung aufgrund der biologischen Verbindung zum Spender hingezogen fühlt und den Vater als weniger wichtig erachtet und dass dies bspw. in der Pubertät zu einer Ablehnung des Vaters führen könne. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass der soziale Vater die einzige reale Vaterfigur für das Kind ist,denn der Spender ist keine präsente Bezugsperson.“ – Diese Haltung bildet aus unserer Sicht die Tendenz ab, eine mögliche Bedeutung des Spenders abzuwiegeln und kleinzureden. Genau das, was die Wunscheltern befürchten, kann selbstverständlich passieren. Daher ist es wichtig, dass sich die Eltern überlegen, wie sie damit umgehen möchten und sowohl zu ihrer sozialen Familie stehen als auch die biologischen Bindungen des Kindes respektieren.

3. Unter Punkt 5 werden die Rechte des Kindes dargestellt: Wie so oft wird bis 2006 eine nur 10jährige Aufbewahrungspflicht und ab 2006 eine 30jährige Aufbewahrungspflicht angeführt. Das ist nicht korrekt. Mehr dazu auf dieser Seite unter Aufbewahrungspflicht und Schadensersatzansprüche.

Aufhebung der Anonymität = Aus für die Samenspende in Deutschland?

Im Urteil des OLG Hamm vom 6. Februar 2013 wurde der Reproduktionsmediziner Prof. Dr. Thomas Katzorke dazu verurteilt, Spenderkinder-Mitglied Sarah die Identität des Samenspenders preiszugeben. Als Reaktion auf das Urteil wurde insbesondere in den Internet-Foren prognostiziert, ohne Anonymität wolle niemand mehr spenden. Zahlreiche Kommentare beschuldigten uns Spenderkinder, unsere Suche nach unseren genetischen Wurzeln auf Kosten der Interessen kinderloser Paare zu verwirklichen. 

Tatsächlich ist aber das Gegenteil eingetreten: So melden sowohl die Laborleiterin der Berliner Samenbank in einem Tagesspiegel-Artikel als auch Prof. Katzorke von novum in Essen in der Frauenzeitschrift „Tina“ vom 15. Mai 2013 eine Zunahme der Spendebereitschaft in den Monaten nach dem Urteil. Auch die Hamburger Samenbank berichtet in einem Welt-Artikel vom 6. März 2013 und bei Spiegel Online am 10. Mai 2013, dass seit dem Urteil zumindest nicht weniger Spender kommen. Vielleicht war das Urteil also sogar eher Werbung für Samenspenden.

Diese Erfahrungen werden auch durch die Beispiele in anderen Ländern gestützt, in denen die Anonymität der Spender bereits vor einigen Jahren aufgehoben wurde,  zum Beispiel in Schweden (1985), in den Niederlanden (2004) und in Großbritannien (2005). In allen diesen Ländern gibt es nach wie vor genug Samenspender. In Großbritannien hat sich die Zahl der Spender seit 2004 laut einer Meldung der zuständigen Behörde HFEA sogar verdoppelt! Außerdem wird den Spendern dort seit einigen Jahren nur noch eine Unkostenpauschale von umgerechnet etwa 41 Euro pro Spende bezahlt. Die Veränderung der Rahmenbedingungen führte nicht zu einem Rückgang der Spendenbereitschaft, aber die Zusammensetzung der Spender änderte sich. Eine Studie von Shukla et al. (2013)  kam zu dem Ergebnis, dass seit 2005 mehr Singles als zuvor spenden und dass die Partnerin oder der Partner der Spender häufiger als zuvor über die Spendentätigkeit informiert war. Außerdem spendeten mehr Homosexuelle als vorher und das Hauptmotiv für die Spende war „helfen wollen“.

Wir freuen uns, dass über diese Entwicklung auch jenseits unserer Homepage berichtet wird und möchten auf den Artikel Das Ende der Samenspende in Deutschland? des Online Portals für deutsche Gesundheitsnachrichten vom 24.05.2013 sowie auf den Artikel Spenderaffäre: Ebbe in der Samenbank? vom 13.05.2013 in den DocCheckNews hinweisen.

Wer übrigens immer noch glaubt, erst das Urteil im Februar habe die Anonymität der Spender in Deutschland aufgehoben, der irrt sich: Bereits 1970 erläuterte der Justitiar der Bundesärztekammer, Rechtsanwalt Dr. Arnold Hess im Deutschen Ärzteblatt „Der Arzt, der die Insemination vorgenommen hat, kann, wenn er nicht schadensersatzpflichtig oder wegen Personenstandsfälschung straffällig werden will, die Identität des Spenders nicht verschweigen“1. Von „Aufhebung der Anonymität“ durch das Urteil kann also keine Rede sein. Vielmehr hatten die vollmundigen Anonymitätsversprechen spätestens ab 1970 keine tragfähige juristische Grundlage. Dennoch Anonymität zuzusichern war ein bisschen gewagt. Und wer wagt, gewinnt eben nicht immer.

  1. Deutsches Ärzteblatt 1970, Heft 24, S. 1982 []

Artikel Wir kommen gern bei SPON

Passend zur Werbung einer Samenbank „Kommen Sie bei uns“ gab es heute (10.05.2013) einen Artikel bei Spielgel-online mit dem unglaublich originellen, doppeldeutigem Titel Wir kommen gern.

In den Kommentaren wird leider wieder hauptsächlich auf die vermeintlich zu befürchtenden Unterhaltsverpflichtungen eingegangen. Deshalb halte ich es für wichtig, zumindest an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Preisgabe der Identität des Spenders keinesfalls bedeutet, dass der Spender nun unterhaltspflichtig ist. Die Preisgabe der Identität verpflichtet den Spender zu gar nichts. Erst wenn der Spender vor dem Gesetz als Vater des erwachsenen Spenderkindes eingesetzt wurde (und das ist bisher in Deutschland noch nicht vorgekommen), kann es zu einer GEGENSEITIGEN Unterhaltspflicht kommen. Was dafür alles passieren muss, und dass auch wir Spenderkinder diese Möglichkeit gesetzlich ausschließen möchten, ist nachzulesen auf dieser Seite unter Die rechtliche Situation.

Artikel über Mia in der Zeit Online

In der Zeit-Online ist ein Artikel über Mia von Spenderkinder, die die Vaterschaft ihres rechtlich-sozialen Vaters angefochten hat. Vorab: Der Artikel ist keine wörtliche Wiedergabe von Paulines/Mias Aussagen, sondern eine Bearbeitung, in der sich Mia selbst nicht vollständig wiederfindet.

Ich möchte diesen Artikel aber zum Anlass nehmen um auf ein Phänomen hinzuweisen, das sich unabhängig von der individuellen Geschichte durch die uns gegenüber größtenteils abschätzigen Kommentare zieht: Der (arme!) soziale Vater wird auch in diesem Artikel wie selbstverständlich bedauert und in Schutz genommen. Diese Tendenz erlebe ich beinahe durchgängig, fast wie einen Reflex. Ich halte diesen Schutz deshalb für so gefährlich, weil er es aus meiner Sicht erschwert, dass sich die sozialen Väter (als aktive Individuen!) mit ihrer Situation auseinandersetzen: Mit ihrer unabänderlichen Unfruchtbarkeit und ihrer aktiven Entscheidung für eine Samenspende. Die Samenspende ist keine „Behandlung“ der Unfruchtbarkeit, keine letzte Möglichkeit, sich irgendeine „Normalität“ zurechtzubasteln, sondern eine Entscheidung mit dem Samen eines anderen Mannes ein Kind zu bekommen und dieses Kind zu begleiten. Keine einfache Entscheidung und eine Aufgabe, die Mut, Selbstbewusstsein und nicht Kompensation, sondern Integration von Schwäche verlangt.