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Ist der Wunsch nach Kenntnis der Abstammung heteronormativ?

Samenspenden werden zunehmend auch von lesbischen Frauen in Anspruch genommen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Wir haben Kontakt zu vielen lesbischen Paaren, die einen bekannten Spender oder einen später identifizierbaren Spender gerade aus Achtung der Rechte ihrer Kinder gewählt haben. Leider scheint zumindest bei offiziellen VertreterInnen des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) kein Bewusstsein dafür zu existieren, dass bei der Entscheidung für eine Samenspende auch die Würde und Rechte des Kindes beachtet werden müssen.

In dem Beitrag „Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns?“ des Ratgebers des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland schreibt die Autorin Lisa Green vom LSVD Baden–Württemberg Folgendes:

„Die „Vater-Frage“ beinhaltet die Abwägungen, wie viel von der Person des Spenders bekannt sein soll und was dies für die Kinder, das Elternpaar und die gesamte Familie bedeutet. Auch müssen lesbische Paare ihre persönliche Einstellung bezüglich der Notwendigkeit eines gegengeschlechtlichen Elternteils in der Familie und einer männlichen Bezugsperson für das Kind sowie der Wichtigkeit der biologischen Abstammung des Kindes klären: (…)“1

Die Eltern entscheiden, die Kinder müssen akzeptieren

Schon durch diese Textstelle wird klar: nur die Eltern sollen abwägen, wie ihre Einstellung zur Bedeutung der biologischen Abstammung des Kindes ist und danach ihre Entscheidung treffen. Eine Hinterfragung ihrer Einstellung und ein Hinweis auf die bestehenden Rechte des Kindes findet nicht statt. Daraufhin werden gleichberechtigt die Möglichkeiten eines bekannten Spenders, eines absolut anonymen Vaters und eines für das 18jährige Kind identifizierbaren Spenders dargestellt. Zur absolut anonymen Spende wird ausgeführt:

„Paare, die sich für die Insemination mit dem Samen eines anonymen Spenders im medizinischen System entscheiden, machen sich zwar Sorgen, ob dem Kind ein Vater fehlen wird, schätzen jedoch den „Wunsch nach Wurzeln“ als sozial auferlegt ein. Für sie steht der maximale Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen, die Klarheit der eigenen Familiengrenzen sowie der Wunsch nach einer Elternschaft zu zweit im Mittelpunkt. In dieser Konstellation besteht die Herausforderung im Umgang mit dem gesellschaftlichen Druck durch den Wegfall eines identifizierbaren biologischen Vaters sowie ihre Ambivalenzen, die diesbezüglich entstehen können.

Paare, die sich für einen für das Kind identifizierbaren Spender (in der Regel mit Volljährigkeit) entscheiden, sind der Ansicht, das Beste beider Alternativen zu vereinen. Obwohl der Spender in diesen Familien nicht mehr als bei einem anonymen Spender als Vater für die Kinder zur Verfügung steht, leiden die Eltern weniger diesbezüglich unter Schuldgefühlen. Die Herausforderung, die ihnen bevorsteht, liegt im Umgang mit den Auswirkungen und Konsequenzen, wenn die volljährigen Kinder die Identität des Spenders erfahren wollen.“2

Bei einem Vergleich dieser Alternativen stellt man fest: bei einem anonymen Spender ist die Herausforderung der Umgang mit gesellschaftlichen Druck. Bei dem identifizierbaren Spender leiden die Paare zwar weniger unter Schuldgefühlen, aber dort droht die vermeintliche Herausforderung der Auswirkungen und Konsequenzen, wenn die volljährigen Kinder die Identität des Spenders erfahren möchten. Ein paar Schuldgefühle werden dem Spender als potentiellen Konkurrenten zu den Eltern gegenübergestellt. Kein Wort dazu, dass auch die Kinder homosexueller Eltern Rechte haben und Eltern durchaus ihre eigenen Wünsche hinterfragen sollten, bevor sie für ihre Kinder Entscheidungen treffen, die deren Persönlichkeitsrechte ignorieren.

Die Bedeutung von Abstammung als Auseinandersetzung mit angeblich heteronormativen Vorstellungen von Familie

Die Bedeutung der biologischen Abstammung liegt für Lisa Green augenscheinlich woanders als in einer Abwägung mit den Rechten des Kindes: „Die Vater-Frage stellt Sie auf die Probe und zwingt sie, sich mit heteronormativen Vorstellungen von Familie und internalisierter Homophobie (gegen Lesben und Schwule gerichtete Feindseligkeit) auseinanderzusetzen.3

Ist der Wunsch nach Kenntnis der Abstammung also heteronormativ? Zum Hintergrund dieses Vorwurfs: Heteronormativität beschreibt eine Weltsicht, die Heterosexualität als soziale Norm postuliert und ein ausschließlich zweiteiliges Geschlechtssystem vorsieht, in welchem das biologische Geschlecht mit Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexueller Orientierung für alle gleichgesetzt wird. Normen sind Verhaltenserwartungen – aber die Erwartung, dass ein Mensch eine Mutter und einen Vater hat, ist eine biologische Tatsache und keine Verhaltenserwartung. Ohne männlichen Samen und eine weibliche Eizelle entsteht kein neues Leben. Dass ein Mensch als soziale Eltern nicht unbedingt einen Mann und eine Frau haben muss, ist eine andere Sache.

Dabei ist die Vorstellung, dass ein Mensch nur zwei Eltern haben kann, viel eher heteronormativ begründet als die nicht widerlegbare Tatsache, dass es biologisch immer einen Vater und eine Mutter gibt und dass diese beiden Personen auch für das Kind Bedeutung erlangen können. Gerade die Vorstellung, dass nur zwei Personen die Eltern eines Kindes sein können, ist geprägt von der genetischen Komponente und der Idee, dass die eigenen Gene an das gemeinsame Kind weitergegeben werden.

Vorwurf der Heteronormativität soll sorgsam konstruierte Eltern-Zweisamkeit schützen

Was Lisa Green mit dem Vorwurf der Heteronormativität im Sinne von „Angriff ist die beste Verteidigung“ eigentlich rechtfertigten möchte, ist die Zementierung des lesbischen Paares in seiner sozialen Elternrolle. Der Spender als genetischer Vater ist potentieller Konkurrent, er droht die sorgsam konstruierte Eltern-Zweisamkeit, die durch das Kind zur Familie wird, zu sprengen und um einen dritten Elternteil zu erweitern. Anstatt die biologische Notwendigkeit eines Mannes zur Zeugung eines Kindes anzuerkennen und dem biologischen Vater des Kindes seinen Platz und Raum, den er zumindest biologisch innerhalb der Familie innehat, zuzugestehen, wird es für legitim gehalten, seine biologische Bedeutung mit einer anonymen Spende zu leugnen und zu versuchen, ihn auf diese Weise für immer aus der Familie fernzuhalten und gleichzeitig auch aus dem Leben des Kindes zu verbannen. Der Vorwurf der Heteronormativität soll eine Absicht rechtfertigen, die auch heterosexuelle Paare teilweise äußern: Die Beziehung zueinander als Paar und zu dem Kind soll vor Konkurrenz geschützt werden. Die Wunscheltern konstruieren nach ihrem Willen eine Familie und definieren dabei selbst deren (enge) Grenzen nach ihren Wünschen. Dabei ist es nicht vorgesehen und nicht erwünscht, dass das Kind auf die Idee kommt, dass eine dritte Person außerhalb der Paarbeziehung der Wunscheltern ebenfalls ein Elternteil ist und Bedeutung für das Kind haben könnte.

Dazu passt der Ratschlag von Lisa Green dazu, was man dem Kind sagen könnte, wenn es im Alter von drei Jahren nach seinem Vater fragt: „Du hast keinen Papa. Deine Eltern sind Mami und Mama. Oder: Du hast keinen Vater. Ein netter Mann hat uns seinen Samen gespendet.4

Auch lesbische Paare müssen sich von der Vorstellung eines biologisch eigenen, gemeinsamen Kindes zu zweit verabschieden

Aus unserer Sicht müssen sich lesbische Paare – wie auch heterosexuelle Paare, die den Weg der Familiengründung zu Dritt wählen – von biologisch eigenen, gemeinsamen Kind zu zweit verabschieden. Ein biologisch gemeinsames Kind ist bei heterosexuellen Paaren nicht möglich, wenn ein Wunschelternteil unfruchtbar ist. Bei lesbischen Paaren ist es biologisch nicht möglich. Dieser Schritt ist wichtig, damit das vermeintliche gemeinsame „Wunschkind“ durch Samenspende kein „Ersatzkind“ für das eigentlich gewünschte biologisch gemeinsame Kind wird. Nur wenn diese Tatsache akzeptiert wurde, kann sich das Wunschelternpaar auf einen Spender einlassen, der nicht sofort wieder ausgegrenzt werden muss, sondern dessen Bedeutung respektiert werden kann. Das Kind trägt einen Teil des Spenders biologisch in sich. Versuchen die Wunscheltern den Spender auszugrenzen und seine Bedeutung zu minimieren, erschwert das die vollständige Akzeptanz des Kindes, das eben nicht nur Kind von „Mami und Mama“5 ist, sondern auch Kind des Spenders, eines real existierenden Mannes aus Fleisch und Blut.

Das Recht auf Kenntnis der Abstammung hindert lesbische Paare nicht daran, ein Kind zu bekommen

Dabei kann der Wunsch von lesbischen Paaren, ein Kind zu bekommen, und das Recht des zukünftigen Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung unproblematisch miteinander vereinbart werden. In Deutschland sind anonyme Samenspenden nicht möglich, und auch hier gibt es Ärzte, die lesbischen Paare trotz der bestehenden rechtlichen Risiken eine Samenspende vermitteln. Das Kind hat dann mit 18 Jahren das Recht, die Identität seines genetischen Vaters zu erfahren. Eltern sollten es ihrem Kind dann selbst überlassen, zu entscheiden, welche Bedeutung es seinem biologischen Vater geben möchte. Wünschenswert wäre es außerdem, wenn die Wunscheltern ihre Situation für sich soweit geklärt hätten, dass sie das Kind in der Phase des Erwachsenwerdens und möglicherweise sein wachsendes Interesse am biologischen Vater begleiten könnten. Das Kind sollte nicht das Gefühl haben, sich gegen die Wunscheltern zu richten, wenn es seinem Interesse folgt.

  1. Lisa Green, Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns, in: Dorothee Wallraff, Petra Thorn, Tewes Wischmann: Kinderwunsch – Der Ratgeber des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BkiD), Kohlhammer Verlag 2014, S. 98-105, S. 99. []
  2. Lisa Green, Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns, in: Dorothee Wallraff, Petra Thorn, Tewes Wischmann: Kinderwunsch – Der Ratgeber des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BkiD), Kohlhammer Verlag 2014, S. 98-105, S. 99-100. []
  3. Lisa Green, Lesbische Paare – Welche Unterstützung gibt es für uns, in: Dorothee Wallraff, Petra Thorn, Tewes Wischmann: Kinderwunsch – Der Ratgeber des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland (BkiD), Kohlhammer Verlag 2014, S. 98-105, S. 100-101. []
  4. Lisa Green, Lesben und Samenspende – Familie, ganz normal anders, in: Andreas Hammel, Petra Thorn: Spendersamenbehandlung in Deutschland – Alles was Recht ist?! Mörfelden 2014, S. 57-65, 63. []
  5. Lisa Green, Lesben und Samenspende – Familie, ganz normal anders, in: Andreas Hammel, Petra Thorn: Spendersamenbehandlung in Deutschland – Alles was Recht ist?! Mörfelden 2014, S. 57-65, 63. []

Wunschkind – Elternwunsch oder Kinderwunsch?

Eltern, die sich für eine Samenspende oder Embryonenadoption entscheiden, wünschen sich ein Kind. Den Kindern wird deswegen oft gesagt, dass sie „echte Wunschkinder“ seien. Spätestens seit Einführung der Antibabypille ist die Zahl der Abtreibungen und ungewollte Schwangerschaften rückläufig und der Kinderwunsch planbar geworden. Dennoch wird die Betitelung als Wunschkind häufig damit in Verbindung gebracht, angenommen zu sein und dankbar sein zu sollen.

„Ich erinnere mich mehrfach von Wunscheltern und Ärzten gehört zu haben ‚aber Sie sind doch ein absolutes Wunschkind‘. Ich frage mich dann immer, was das eigentlich ausdrücken soll. Es klingt nach ‚Sei dankbar und beklag Dich nicht – Dir gehts sowieso schonmal besser als vielen anderen.'“

Trotz der Vorstellung, dass die Kinder voll und ganz angenommen werden, mussten Spenderkinder leider auch andere Erfahrungen machen: Dass sie im Nachhinein doch nicht so gewollt waren und voll angenommen wurden, weil ihre Eltern mit der Familiengründung zu Dritt nicht zurechtkommen. Zudem ist es fraglich, ob die Kinder oder späteren Erwachsenen sich über die Gewolltheit der Eltern definieren.

„Als ich noch Kind war, war ich froh zu wissen, dass ich per Samenspende gezeugt wurde. Ich war kein Unfall, dem man im Streit sagen konnte ‚du bist nicht gewollt gewesen‘. Gründe für Streit gab es genug. Meine Eltern haben sich nämlich kurz nach dem dritten Kind per Samenspende geschieden.“

„Bezeichnenderweise sagt mir das Wunschkind-Argument nie jemand ins Gesicht, sondern immer nur übers Internet. Ich vermute weil bei einem persönlichen Kontakt klar ist, dass eine über 30jährige sich nicht über die Gewolltheit von ihren Eltern definiert.“

Oft wird die Bezeichnung auch damit verbunden, dass Spenderkinder ihren Eltern, dem Samenspender oder gar den Ärzten deswegen dankbar sein sollen. Dabei sind es die Eltern, die dankbar dafür sein sollten, dass sie ein Kind beim Aufwachsen begleiten dürfen. Während der Wunsch der Eltern klar im Vordergrund steht, sind eigene Wünsche und Bedürfnisse vieler „Wunschkinder“ nur in begrenztem Rahmen erlaubt und enden häufig da, wo sie die von den Wunscheltern mühsam konstruierte Familie zu sprengen drohen, wenn also die engen Familiengrenzen um die Person des Spenders erweitert werden sollen.

Fabian

Vortrag beim Arbeitskreis Donogene Insemination – vom Wunschkind zum Erwachsenen mit Wünschen

Letzten Samstag waren Spenderkinder-Vorständin Sarah und ich zu Besuch beim Jahrestreffen des Arbeitskreises Donogene Insemination. Wir haben dort einen Kurzvortrag über unsere Wünsche an Reproduktionsmediziner und Samenbanken mit dem Titel „Vom Wunschkind zum Erwachsenen mit Wünschen“ gehalten und mit den Mitgliedern diskutiert. Eine kurze Zusammenfassung des Vortrags findet sich unter diesem Bericht.

Mitglieder des Arbeitskreises sind vor allem Reproduktionsärzte und psychosoziale Berater. Da wir einige Reproduktionsärzte seit Jahren kritisieren und wir uns teilweise schon vor Gerichte getroffen haben, war unser Auftritt nicht ganz unbefangen. Gerade deswegen waren wir aber sehr dankbar für die Gelegenheit, unsere Sicht auf die Arbeit von Reproduktionsmedizinern erklären und diskutieren zu können.

Unser Eindruck war, dass im Arbeitskreis ein sehr breites Spektrum von Meinungen vorhanden ist. Während einige (vor allem jüngere) Mitglieder meinten, dass unsere Wünsche doch alle schon erfüllt würden, zeigten einige Redebeiträge leider, dass dem noch nicht so ist. Insbesondere das Recht auf Kenntnis der Abstammung scheint von einigen immer noch nicht anerkannt zu werden. Interessant war auch, dass die Vorgaben der Ärztekammer, dass nicht mehr als zehn Kinder durch einen Spender gezeugt werden sollen, lediglich als unverbindliche Orientierungshilfe angesehen wird. Auch unsere Forderung nach mehr Engagement für Altfälle, die die seit den 80er Jahre tätigen Ärzte betrifft, schien leider nicht wirklich auf fruchtbaren Boden zu fallen.

Auf jeden Fall war es wichtig, einmal miteinander und nicht wie so häufig nur übereinander zu reden. Hoffnung macht auch, dass gerade die jüngeren Mitglieder des Arbeitskreises offener wirken.

Wünsche des Vereins Spenderkinder an Reproduktionsärzte und Samenbanken

1. Anerkennung der Bedürfnisse von Spenderkindern und mehr Engagement für Altfälle

  • Akzeptanz des Wunsches von Spenderkinderm, ihre genetische Abstammung zu kennen;
  • Freundliche und korrekte Beantwortung von Anfragen, Übermittlung der den Spender identifizierenden Daten, Angebot der Begleitung des Erstkontaktes zum Spender;
  • langjährige Aufbewahrung der Spenderdaten bei einem Notar (solange es noch keine Eintragung im Geburtenregister oder ein zentrales Register gibt).

Mehr Engagement für Spenderkinder, bei denen auf den ersten Blick keine Behandlungsdaten mehr vorhanden sind:

  • ernsthafter Versuch der Beschaffung von Informationen;
  • Befragung von Angestellten, auch ehemaligen;
  • gründliche Sichtung des Aktenbestandes;
  • Kontaktierung von ehemaligen Spendern, die den Empfängern nicht mehr zugeordnet werden können, Bitte um Kontaktaufnahme so dass Zuordnung noch gelingen kann, Hinweis auf DNA Test Family Finder (https://www.familytreedna.com/family-finder-compare.aspx);
  • Suchannonce der Klinik nach ehemaligen Spendern;
  • Angebot, Kontakt zu Spendern und anderen Spenderkindern herzustellen, die sich in Zukunft melden werden.

2. Anerkennung von Verantwortung für die entstehende Familie

  • Weil die Gründung einer Familie mit Hilfe eines Dritten eine andere und auch herausforderndere Situation ist, als ein genetisch eigenes Kind zu bekommen, sollen Eltern diese Möglichkeit nur nach gründlicher Überlegung unter Berücksichtigung ihrer eigenen Wünsche und der Rechte der zukünftigen Kinder wählen.
  • Reproduktionsmediziner müssen Eltern mit Blick auf die Verantwortung für die ganze Familie – und das beinhaltet das zukünftige Kind – beraten. Im Sinne eines informed consent müssen die Wunscheltern auf die psychosozialen Herausforderungen vorbereitet werden. Diese beinhalten:
    – dass sie das Kind auf jeden Fall aufklären sollten, um es nicht zu bevormunden und eine kontinuierliche Identitätsentwicklung zu ermöglichen. Hinweise, dass Eltern rechtlich nicht verpflichtet sind, die Kinder aufzuklären, helfen dagegen überhaupt nicht weiter,
    – dass das Kind höchstwahrscheinlich im Laufe seines Lebens Kontakt zum Spender herstellen möchte,
    – dass der Spender eine existenzielle Rolle durch seine biologische Verbindung zum Kind inne haben wird,
    – dass der Wunschvater Wege finden muss, mit dieser potenziellen Konkurrenzsituation umzugehen, und dass er eine soziale Beziehung anders als bei biologischer Verwandtschaft aktiv herstellen muss.
  • Ärzte sollten daher eine Samenspende nicht einfach als Folgebehandlung empfehlen, wenn die Zeugungsunfähigkeit des Mannes feststeht.
  • Eine ideologisch und wirtschaftlich unabhängige Beratung durch eine psychosoziale Fachkraft vor der Entscheidung für oder gegen eine Familiengründung zu Dritt muss Voraussetzung sein.
  • Hinweis der Wunscheltern auf Organisationen wie Spenderkinder oder DI-Netz.
  • Vorsicht bei der Werbung für Familienbildung durch Samenspende, keine beschönigenden oder verharmlosenden Aussagen wie „Die Scheidungsrate bei den Eltern, die eine entsprechende Behandlung haben durchführen lassen, ist geringer als in der durchschnittlichen Bevölkerung“ oder „das Kind darf von ihnen geliebt aufwachsen“. Forschungsergebnisse legen eine höhere Scheidungsrate nahe (Owen /Golombok (2009), Daniels/Gillett/Grace (2009) Scheib/Riordan/Rubin (2003)). Menschen, die durch Samenspende entstanden sind, sind nicht glücklicher oder dankbarer für ihr Leben als andere Menschen.

3. Eintreten für mehr Offenheit

  • Überzeugtes Eintreten dafür, dass es bei einer Familiengründung durch Samenspenden nichts zu verheimlichen gibt.
  • Förderung von Verbindungen zwischen Spenderkindern, Spender, Familien: Hinweis auf DI-Netz, Spenderkinder, donor siblings registry, Family Finder Test.
  • Geben Sie Familien die Nummer des Spenders, damit sie diese in sozialen Netzwerken verwenden können.
  • bieten Sie Wunscheltern an, Kontakt zu anderen Eltern herzustellen, die ebenfalls Kinder vom selben Spender haben. Verstehen sich alle, könnten die Kinder von Anfang an Kontakt zu ihren Halbgeschwistern haben.
  • Suchen Sie explizit offene Samenspender, für die die Motivation, anderen helfen zu wollen und Leben zu zeugen im Vordergrund steht.
  • Nehmen Sie diese Spender als Mensch war und vermitteln sie ihnen, dass es nicht nur auf ihr Material ankommt, zum Beispiel durch Fragebögen zur Persönlichkeit des Spenders. Spender könnten außerdem schon jetzt mitteilen, welche Form der Kontaktaufnahme sie in 19 Jahren oder später bevorzugen würden.
  • Fragen Sie Samenspender, ob diese an – anonymisierten – Informationen über die durch sie gezeugten Kinder interessiert sind oder bei einem entsprechenden Wunsch auch zu einem Kontakt vor dem 18. Lebensjahr des Kindes bereit sind.

Brief an den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz

Über ein Jahr ist es her, dass CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben, dass Recht von durch Samenspende gezeugten Menschen auf Kenntnis ihrer Abstammung rechtlich regeln zu wollen. Passiert ist bisher leider nichts. Grund genug für uns, den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz Heiko Maas an das Vorhaben zu erinnern:

Sehr geehrter Herr Minister,

ich schreibe Ihnen als Vorstand des Vereins Spenderkinder, ein Zusammenschluss von durch Samenspende gezeugten Erwachsenen.

Wir haben uns sehr gefreut, dass die Regierungskoalition in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen hat, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich zu regeln. Leider haben wir jedoch bislang nicht von einer entsprechenden Gesetzesinitiative gehört. Bekannt geworden ist uns lediglich die Einberufung eines Arbeitskreises Abstammung zur Regelung von so genannten „privaten Samenspenden“.

Wir möchten Sie bitten, das Thema der rechtlichen Regelung von über Kliniken und Ärzten vorgenommenen Samenspenden (denn das sind die meisten Samenspenden) unabhängig von der Einberufung dieses Expertenkreises engagiert zu verfolgen. Private Samenspenden betreffen unserer Erfahrung nach andere Interessen: diese werden vor allem gewählt, um die (anfängliche) Anonymität der Samenspender bei über Kliniken und Ärzte vermittelten Samenspenden zu vermeiden. Oft ist auch ein geteiltes Sorgerecht oder ein Umgangsrecht geplant, über das in der Folge gestritten wird.

Bei über Reproduktionskliniken und -ärzte vermittelten Samenspenden gibt es jedoch Probleme, die seit Jahren bekannt sind. Schätzungen zufolge klären nur 10 % der Eltern ihre durch Samenspende gezeugten Kinder über ihre Entstehungsart auf. Faktisch wurde den Spendern lange Zeit Anonymität zugesichert und ein ein Recht auf Kenntnis der Abstammung von mit einer Samenspende gezeugten Menschen geleugnet. Erst das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm von 6. Februar 2013 hat hier eine gewisse Klärung gebracht. Ein gesetzlich fixierter Auskunftsanspruch würde dieses Recht kodifizieren und auch eine Ausstrahlungswirkung auf Ärzte und Eltern haben.

Für viele durch eine Samenspende gezeugte Menschen ist die Realisierung ihres Auskunftsanspruchs weiterhin schwierig. Viele Ärzte und Kliniken behaupten, nach 10 Jahren die Behandlungsunterlagen vernichtet zu haben. Andere berufen sich darauf, dass der Auskunftsanspruch inzwischen aufgrund eines Ablaufs von mehr als 30 Jahren verjährt sei. Auch heute beträgt die Aufbewahrungsdauer für Behandlungsunterlagen nur 30 Jahre – eine deutliche Ungleichbehandlung zu Adoptierten.

Wir bitten Sie daher, über Ärzte und Samenbanken vermittelte Samenspenden möglichst schnell umfassend zu regeln. Neben einem gesetzlich kodifizierten Auskunftsanspruch sollte eine umfassende Regelung beinhalten:

  • eine Eintragung des Spenders in das Geburtenregister, entsprechend der Regelung bei Adoptivkindern, oder zumindest ein nationales Register dass die Daten für die Lebenszeit eines Menschen speichert,
  • eine effektive Kontrolle der Vorgabe des Bundesärztekammer, dass von einem Spender nicht mehr als 10 Kinder gezeugt werden,
  • eine Freistellung des Samenspenders vor Unterhalts- und Erbansprüchen,
  • eine Verpflichtung der Wunscheltern zu einer unabhängigen psychologischen Beratung vor Inanspruchnahme einer Samenspende, da diese sich unserer Erfahrung nach oft nicht der besonderen Herausforderungen bewusst sind, die eine Familiengründung mit Hilfe eines Dritten lebenslang beinhaltet. In dieser Beratung sollte auf das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hingewiesen werden.

Wir würden uns daher freuen, wenn Sie uns über den Ansatz und den Zeitplan für die Umsetzung des Rechts von Kindern aus Samenspenden auf Kenntnis ihrer Abstammung informieren könnten. Gerne sind wir auch bereit, unsere Erfahrungen in den Gesetzgebungsprozess oder einen Arbeitskreis mit ein zu bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Zeit-Artikel „Bist Du mein Vater?“

Die Zeit-Journalistin Jenny Becker konnte bei einem ganz besonderen Moment dabei sein: dem ersten Treffen von Spenderkinder-Mitglied Christoph mit seinem Samenspender Udo. Gefunden haben sich die beiden über unseren DNA-Test Family Finder. Nachzulesen in dem Artikel mit dem Titel „Bist Du mein Vater?“ im Ressort Wissen.

Aus der Zeit-Ankündigung: „Sagt das Woher auch etwas aus über das Warum und über das Wer-bin-ich? Immer mehr Kinder von Samenspendern wollen ihren biologischen Vater kennenlernen, mit dem sie doch erst mal nichts gemein haben außer den Genen. Erfahren sie etwas über sich, wenn sie ihn sehen? Jenny Becker hatte das große Reporterglück, bei einer ersten Begegnung zwischen einem erwachsen gewordenen Sohn und seinem biologischen Vater dabei zu sein. Und man sieht in ihrem Artikel Bist Du mein Vater?: Die Gene waren der Anlass, der Charakter ist das, worauf es ankommt.“

Vielen Dank n Christoph und Udo, dass sie einer Journalistin erlaubt haben, bei diesem wichtigen Ereignis dabei zu sein. Hoffentlich zeigt er einem breiteren Publikum, weswegen wir unsere Erzeuger treffen möchten, aber auch dass so ein Treffen einfach nur nett sein kann und nicht hochemotional sein muss.

Den Artikel gibt es bislang leider nur in der Printausgabe, wahrscheinlich wird er aber spätestens in einer Woche auch online abrufbar sein.

Social Freezing als neues Geschäftsmodell der Reproduktionsmedizin

Im Moment wird das Angebot von Apple und Facebook heiß diskutiert, für ihre weiblichen Angestellten das Einfrieren von Eizellen zu ermöglichen, damit diese mit ihrem Kinderwunsch nicht mehr ganz so festgelegt auf die fruchtbaren Jahre sind. Einige sehen dieses so genannte „social freezing“ als Akt weiblicher Selbstbestimmung, andere als Ökonomisierung auch der Fortpflanzung. Uns Spenderkinder betrifft das Thema nicht direkt, denn es werden ja die eigenen Eizellen für eine spätere Schwangerschaft eingefroren.

Was mich an social freezing in diesem Rahmen aber beunruhigt, ist die Festigung des Gedankens, dass Reproduktionsmedizin alles möglich mache und man die Realisierung des Kinderwunsches damit absichern könne

Genau dieser Gedanke, dass Reproduktion alles möglich macht, führt dazu, dass Paare mit Kinderwunsch häufig denken, sie müssten alle Möglichkeiten ausschöpfen, die ihnen die Reproduktionsmedizin bietet, um alles Machbare probiert zu haben: Samen-, Eizell- und Embryonenspende und am besten auch noch die Leihmutterschaft – auch wenn diese Verfahren in Deutschland – aus ethischen Gründen, abseits der technischen Machbarkeit – teilweise verboten sind. Mir fehlt dabei die Achtung davor, dass es nicht vollkommen planbar ist, Kinder ins Leben zu bringen. Entsprechend vermissen wir aufgrund dieses Machbarkeitsdogmas bei einigen Wunscheltern das Bewusstsein, dass die Würde der Kinder von manchen dieser Verfahren verletzt werden.

In der Süddeutschen Zeitung vom Wochenende war ein dazu passender Artikel über eine Frau, die erst im Alter von 40 Jahren ihren Kinderwunsch realisieren wollte. Als es dann nicht funktioniert hat, ist sie, als sei das ein probates Mittel, erfolglos auf eine anonyme Eizellspende im Ausland ausgewichen, für eine Leihmutterschaft fehlt ihr dann „leider“ das Geld. Sowohl bei der – zudem noch anonymen – Eizellspende als auch bei der Leihmutterschaft, werden die Rechte der dadurch entstehenden Menschen nicht gewahrt. Für eine Adoptionsbewerbung war sie zu alt. So begibt man sich durch den Aufschub des Kinderwunsches freiwillig in die Hände der Reproduktionsmedizin, die entgegen ihrer Versprechen kein Kind garantieren kann.

Auch bei social freezing ist nicht sicher, wie lange die Eizellen das Einfrieren überleben und ob eine Schwangerschaft überhaupt entstehen kann – die Erfolgsquoten bei künstlicher Befruchtung sind nicht so gut. Die Entnahme der Eizellen erfordert außerdem eine vorherige hormonelle Stimulierung und Entnahme unter Vollnarkose – Eingriffe in den Körper, die Risiken, auch für die eigene Fruchtbarkeit bergen. Wenn sich das durch social freezing geplante Kind dann doch nicht realisieren lässt, wird die Inanspruchnahme von Eizellspenden und Leihmutterschaft vermutlich steigen, denn das Kind ja war geplant und vermeintlich abgesichert. So schafft sich die Reproduktionsmedizin neue Geschäftsfelder auf Kosten der betroffenen Kinder und nennt es Selbstbestimmung der Frau – eine clevere Geschäftsidee.

Wir können jedem nur empfehlen, sein Bestes zu tun, um nicht auf Reproduktionsmedizin angewiesen zu sein – die Verfahren sind sowohl für die Eltern wie auch die Kinder belastend. Manche Menschen haben wirklich keine Wahl – aber wenn es nur den richtigen Zeitpunkt betrifft, kann man sich auch durchaus früher Gedanken darüber machen, wann man wie eine Familie gründen möchte.

 

Irland schafft anonyme Samenspenden ab

Mit Irland schafft ein weiteres europäisches Land anonyme Samenspenden ab. Ein neues Gesetz mit dem Namen Children and Family Relationships Bill verpflichtet alle Ärzte und Kliniken, ab nächstem Jahr die Identität von Samenspendern an ein nationales Register zu melden. Damit verfolgt Irland in etwa das selbe Modell wir Großbritannien. Wir freuen uns, dass ein weiteres Land die Rechte von Spenderkindern erst nimmt, und hoffen dass noch viele andere folgen werden.

Spenderkinder ist Gründungsmitglied von Donor Offspring Europe (DOE)!

Seit heute ist die Internetseite von Donor Offspring Europe (DOE) online! DOE ist eine Dachorganisation von Spenderkinder-Organisationen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Spenderkindern aus Dänemark, UK und der Schweiz.

Die Abkürzung DOE beruht auf dem Gedanken, dass im englischsprachigen Raum ein „John“ oder eine „Jane Doe“ eine Person ungeklärter Herkunft ist. DOE ist vor allem als Plattform gedacht, um Informationen zu teilen, aber auch, um für unsere Ziele wie die Kenntnis unserer Abstammung auf europäischer Ebene einzutreten. Nicht zuletzt hoffen wir, dass wir dazu beitragen können, dass auch in anderen Ländern Spenderkinder-Organisationen entstehen werden.

Auf der Webseite informieren die einzelnen Verbände über die Situation in ihren Ländern aus der Sicht von Spenderkindern, aber es wird in den nächsten Monaten zusätzliche Informationen zu aktuellen Ereignnissen in unseren Ländern sowie europäischem Recht geben.

Kenia bekommt Spenderregister

Bei künstlicher Befruchtung denkt man vielleicht nicht gleich an Kenia – dennoch wird es auch dort gemacht und das kenianische Parlament berät momentan einen Gesetzesentwurf zur Regelung von künstlicher Befruchtung. Die In Vitro Fertilisation Bill 2014 soll vor allem Menschen schützen, die durch künstliche Befruchtung entstehen, die gleiche Rechte besitzen sollen wir Kinder, die durch Geschlechtsverkehr gezeugt werden. Es soll die damit gezeugten Kinder insbesondere vor einer inzestuösen Beziehung schützen.

Das Gesetz sieht die Schaffung einer Behörde vor, die ein Register mit aus solchen Behandlungen resultierenden Geburten und den dazu gehörigen biologischen Vätern führen wird. Mit dem Alter von 18 Jahren kann jeder Auskunft von dieser Behörde verlangen, ob Informationen in dem Register über den Antragsteller vorhanden sind. Der Antragsteller muss vor Auskunftserteilung über die möglichen Konsequenzen der Informationen beraten werden. Minderjährige können nur bei medizinischer Notwendigkeit Auskunft erhalten.

Das Gesetz trifft allerdings keine Aussagen darüber, wie oft ein Samenspender spenden kann und wie viele Kinder er zeugen darf.

Wir freuen uns, dass sich ein weiteres Land entschieden hat, den Bereich der künstlichen Befruchtung rechtlich zu regeln und sich gegen anonyme Spenden auszusprechen. Es ist lange überfällig, dass sich auch der deutsche Gesetzgeber diesen Sachverhalten widmet und die ungeklärten Fragen nicht weiterhin nur Ärzten und Gerichten überlässt.