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Keine Spendernot in Großbritannien

Am 27. Juli konnte man auf der Online-Seite der BBC folgende Meldung finden: UK facing ‚major‘ sperm shortage – in etwa: Großbritannien wird der Spendersamen knapp. Hintergrund für diese Befürchtung sind Äußerungen der British Fertility Association, weil nach Zahlen der Regulierungsbehörde HFEA eine von vier Samenspenden jetzt schon aus dem Ausland kommt (auch dann sind übrigens nur nicht-anonyme Spenden erlaubt).

Der Artikel führt dann aus, dass man vermutet, dass es weniger Samenspender gibt, seitdem 2005 anonyme Samenspenden verboten wurden. Es gäbe nun zu wenige Spender, obwohl die Nachfrage nach Samenspendern  dank Fortschritten in der Reproduktionsmedizin, die mehr Männern genetisch eigene Kinder ermöglichen, gesunken sei.

Beides ist aber falsch. Die Anzahl der Samenspender ist seit 2005 nach den Zahlen der Regulierungsbehörde HFEA sogar gestiegen. Auf der anderen Seite ist aber auch die Nachfrage gestiegen, weil – anders als in den Anfangszeiten der Samenspende – auch lesbische Paare und alleinstehende Frauen Samenspenden in Anspruch nehmen können. Zu wenige Spender sollte es in Großbritannien aber trotzdem nicht geben: die Zahlen der HFEA zeigen außerdem, dass die bestehenden Spenden nicht ausreichend verwendet werden. Obwohl ein Spender Kinder für bis zu 10 Familien zeugen darf,  werden sie durchschnittlich nur für 1,5 Familien verwendet. Anscheinend haben manche Kliniken Probleme nachzuvollziehen, für wie viele Familien ihre Spender verwendet wurden.

Ein weiterer Grund für den Import von ausländischem Sperma mag finanzieller Natur sein. Zumindest bei Eizellspenden haben viele Reproduktionskliniken wohl lukrative Absprachen mit Zentren in Spanien und Tschechien, wo es nur anonyme Spenden gibt. Den Eltern wird dann mitgeteilt, dass die Warteliste in Großbritannien unglaublich lang sei (tatsächlich beträgt die Wartezeit wohl weniger als ein Jahr) und empfehlen dann eine Partnerklinik, von deren Behandlungshonoraren sie dann einen Anteil für die Empfehlung erhalten.

Leider zeigt dieser Artikel wieder einmal, wie unkritisch viele Medien die Äußerungen von Reproduktionsmedizinern übernehmen – vielleicht auch weil es einfach viel zu gut in die vorgefertigte Meinung passt, dass Samenspender anonym bleiben wollen.

Erfahrungen unserer frühaufgeklärten Mitglieder

Von Spenderkinder-Eltern hören wir regelmäßig die Befürchtung, dass Spenderkinder bei einer Aufklärung über ihre Entstehungsweise im Kleinkindalter zu vielen anderen Personen davon erzählen könnten und dann auf Ablehnung stoßen werden. Einige Eltern verschieben die Aufklärung daher auf einen Zeitpunkt, zu dem das Kind älter ist und ihrer Meinung nach eher versteht, dass es nicht mit jedem darüber reden soll.

Das Problem ist allerdings, dass die Aufklärung nicht einfacher wird, wenn man sie aufschiebt. Es ist außerdem – auch aus der Adoptionsforschung – bekannt, dass eine frühe Aufklärung (d.h. im Kindergartenalter) für eine kontinuierliche Identitätsentwicklung des Kindes besser ist. Nach einer wissenschaftlichen Studie sinkt die Chance, dass die Aufklärung stattfindet, je älter die Kinder werden.

Daher haben wir eine Umfrage unter unseren frühaufgeklärten Mitgliedern (Aufklärung bis 14 Jahre) gemacht, wie sie die Aufklärung wahrgenommen haben – wann sie davon erfahren haben, ob sie mit Personen außerhalb der Familie über die Samenspende gesprochen haben und ob sie das Bedürfnis hierzu hatten. Auf die offen gestellte Fragen haben alle zehn frühaufgeklärte Mitglieder geantwortet, alle weiblich (unsere männlichen Mitglieder sind alle spätaufgeklärt).

Die Ergebnisse sind sehr interessant: Fast alle Frühaufgeklärten haben nur mit wenigen anderen Personen über ihre Zeugungsart gesprochen. Auf negative Reaktionen ist niemand gestoßen, als negative Erfahrung wurde lediglich das Gefühl berichtet, nicht wirklich verstanden zu werden. Jedoch berichtet die Hälfte der Frühaufgeklärten, dass sie von ihren Eltern ein (implizites) Schweigegebot auferlegt bekommen haben bzw. dass mit dem Thema trotz der frühen Aufklärung nicht offen in der Familie umgegangen wurde. In der Rückbetrachtung wünscht sich mehr als die Hälfte der Frühaufgeklärten von ihren Eltern einen offeneren Umgang der Eltern mit dem Thema Samenspende und Unfruchtbarkeit. Eltern sollten sich daher überlegen, ob sie mit der Idee, dass es nicht jeder wissen muss, wirklich ihr Kind vor negativen Reaktionen schützen möchten, oder ob dahinter nicht doch versteckt der Wunsch steht, sich selbst und insbesondere den sozialen Vater zu schützen.

Alter der Aufklärung und Reaktion

Unter den teilnehmenden Frühaufgeklärten waren drei, die als sehr kleine Kinder aufgeklärt wurden (im Folgende als „sehr Frühaufgeklärte“ bezeichnet): zwei wussten schon immer, dass sie durch eine Samenspende gezeugt wurden, eine hat es im Alter von vier Jahren erfahren. Alle berichten, dass die Samenspende für sie etwas Normales war bzw. dass sie positiv reagiert haben.

„Seit meiner Geburt hat meine Mutter hin und wieder erzählt von meiner Zeugung. Ich kann mich daher nicht an einem präzisen Zeitpunkt erinnern. Es war nichts etwas besonderes für mich“

„Mir war es damals egal, da ich ja einen Vater hatte der da war. Für mich war es einfach Alltag (…)“

„Ich war glücklich darüber, dass alles so war, wie es war.“

Dann kommt eine kleine Alterslücke: die anderen Frühaufgeklärten wurden im Alter von sieben (1), neun (1), zehn (3), elf (1) und dreizehn (1) aufgeklärt. Sie schildern gemischte Gefühle, wobei negative Gefühle in allen Altersbereichen vorkam. Interessanterweise meinten die beiden Frühaufgeklärten, die im Alter von 11 und 13 aufgeklärt wurden, dass sie schon vorher eine Ahnung gehabt hätten.

„Ich hatte mit etwas schockierenderem gerechnet und war fast erleichtert. Der Wortlaut war in etwa: „Ja, und? Mein Papa ist doch trotzdem noch mein Papa, oder?“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Ich fand es spannend, habe gefragt warum sie mir das nicht schon früher gesagt haben. Ich wollte alles dazu wissen, was meine Eltern wussten, habe gleich viele Fragen zum Spender gestellt (…)“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Fassungslosigkeit, Enttäuschung, Wut, eine betäubendes Gefühl von Verletztheit“ – (aufgeklärt im Alter von zehn)

„Im Vordergrund stand bei mir in diesem Moment die Angst mein sozialer Vater hätte mich deshalb weniger lieb oder weniger lieb gehabt als z.B. meinen Bruder, der sein leibliches Kind war.“ – (aufgeklärt im Alter von neun)

„Laut meiner Mutter war ich wohl kurz sehr traurig darüber, nicht wissen zu können, wer mein genetischer Vater ist.“ – (aufgeklärt im Alter von sieben)

„Ich glaube, dass ich ein wenig schockiert war. (…) Außerdem fand ich es spannend, dass ich auf so besondere Weise entstanden bin. Und da ich ohne Geschwister aufgewachsen bin, mir aber immer welche gewünscht habe, fand ich auch den Gedanken schön, dass ich ja möglicherweise doch Geschwister haben könnte.“ – (aufgeklärt im Alter von dreizehn)

„Es hat mich schon irritiert aber eine Ahnung hatte ich schon vorher.“ – (aufgeklärt im Alter von 11)

Wenig Kommunikation mit Dritten über die Samenspende

Mit einer Ausnahme haben fast alle Frühaufgeklärten als Kinder nur mit wenigen Personen über die Samenspende gesprochen. Etwas mehr als die Hälfte, darunter alle sehr Frühaufgeklärten, berichtet, dass sie hierzu nicht das Bedürfnis verspürten oder sie dieses Bedürfnis erst später entdeckten. Teilweise wird dieses Verhalten rückwirkend jedoch als Verdrängung wahrgenommen.

„Ich habe nicht darüber gesprochen, weil ich es nicht als Problem sah, sondern als etwas ganz normales.“

„Ich habe bis ich erwachsen wurde nur mit meinen Eltern darüber gesprochen. Später habe ich es meinem Mann erzählt.“

„Nach dem Gespräch habe ich ganz lange gar nicht über das Thema nachgedacht. Die Beschäftigung damit kam dann erst in der Pubertät. Da dann zum einen in Form von ganz klassischen Fragen nach der Identität: Wer ist mein biologischer Vater? Wie sieht er aus? Was macht er? Was habe ich mit ihm gemeinsam? In der Zeit hatte ich dann auch das Bedürfnis mit anderen Menschen darüber zu sprechen.“

„Die ersten Jahre habe ich das Thema verdrängt. Erst in den letzten Jahren habe ich es geschafft diese „Vergangenheit“ zu akzeptieren und mich jemanden anzuvertrauen.“

„Das kam erst im erwachsenenalter mit 28/29, als ich mir das Thema mal genauer angeschaut habe. davor war viel Verdrängung im spiel bzw. auch zur Seite schieben nach dem Motto „ich kann ja eh nichts dran ändern“.

„Bei mir war es so, dass ich erst mit knapp 30 Jahren angefangen habe, mich mit dem Gedanken zu beschäftigen, wer dieser Mann ist.“

Zwei Frühaufgeklärte, die zehn bzw. dreizehn bei der Aufklärung waren, wollten von Anfang an darüber reden, taten dies aber nicht, weil sie von ihren Eltern vermittelt bekommen hätten, dass es sich um ein Geheimnis handele, über das man nicht spreche, und das auch nicht ihnen allein gehört, sondern ihrer Familie, die sie nicht verraten dürften.

„Ich habe anderen davon erzählt, habe mir als Kind aber gut überlegt wem, weil mit klar war, dass ich damit nicht nur etwas über mich, sondern auch über meine Eltern preisgebe, von dem ich weiß, dass meine Eltern das nicht gegenüber allen Menschen möchten.“

Zwei Frühaufgeklärte, eine davon sehr frühaufgeklärt, schildern, dass sie von Anfang an bzw. später davon erzählen wollten, weil sie stolz waren bzw. es cool fanden, so entstanden zu sein.

„Wenn mein Vater mir peinlich war, hab ich immer schnell dazu gesagt, dass er nicht mein leiblicher Vater ist. Auch sonst, habe ich einfach nie ein Geheimnis daraus gemacht.“

Keine negativen Reaktionen, sondern höchstens Unverständnis

Keine der Frühaufgeklärten hat je dezidiert ablehnende oder negative Reaktionen erlebt, wenn sie Dritten von ihrer Zeugung durch Samenspende erzählt haben haben. Viele schildern, dass ihre Zeugungsart auf Überraschung oder Interesse stieß, aber auch, dass viele es nicht sonderlich aufregend fanden.

„Den meisten war es einfach ziemlich egal und kaum einer hat dazu noch Fragen gehabt.“

„Alle haben ähnlich reagiert wie ich, als ich es erfahren habe, fanden es auch mehr oder weniger spannend und konnten mein Interesse, zu wissen, wer der Spender ist, gut verstehen.“

„Ich habe nie eine ablehnende Haltung erlebt, alle waren interessiert und haben Fragen gestellt aber es war in Ordnung für sie.“

„Ablehnend hat niemand reagiert, einige waren überrascht und auch interessiert, einmal bekam ich als Reaktion, dass man mir das gar nicht ansehen oder anmerken würde, das fand ich dann schon verwirrend.“

Als negative Reaktionen empfanden jedoch einige Frühaufgeklärten, dass ihr Gegenüber sprachlos war oder unsensibel reagierte oder sie das Gefühl hatten, dass kein wirkliches Interesse bestand.

„Ich habe es ganz wenigen Personen erzählt, teilweise war es gut aber andererseits nicht immer positiv. Oft wissen die Personen nicht wie sie mit diesen Thema umgehen sollen, weil es eben ein Tabu ist.“

„Ich habe es dann mit ca. 22 meinem damaligen Freund erzählt, was nicht sooo ein tolles Erlebnis war, weil ich glaube, dass er nicht so richtig wusste wie er damit umgehen soll.“

Niemand hat je bereut, es erzählt zu haben, teilweise bestand nur die Sorge, dass die dritte Person es weiter erzählen könnte.

Bei diesen geschilderten negativen Reaktionen kommt es vermutlich darauf an, mit welcher Intention von der Zeugungsart berichtet wurde: wenn man das Gefühl hatte, damit etwas Wichtiges mitzuteilen, kann mangelndes Interesse oder Einfühlungsvermögen verletzend sein, nicht jedoch, wenn von der Zeugungsart beiläufig erzählt wird. Die Frühaufgeklärten, die mit dieser Mitteilung über ihre Zeugungsweise eine besondere Öffnung vornahmen, machten hierdurch jedoch auch positive Erfahrungen:

„Mit ca. 17 wollte ich es jemanden außerhalb der Familie erzählen. Das habe ich so mit meiner Mutter besprochen (…) (Der Gesprächspartner hat) damals in dem Gespräch sehr die Bedeutung der sozialen Familie betont. Aber nicht in so einer „soziale Familie zählt und damit abgehakt“ Weise, sondern schon sehr einfühlsam. Ich denke damals war es auch genau das, was ich gebraucht habe. Die Bestätigung, dass ich trotzdem zu unser Familie dazugehöre.“

„Die meisten Reaktionen haben mir sehr gut getan. Einfach schon die Tatsache, dass ich bei den Menschen keine Notlügen mehr erzählen muss, tut gut bzw. die Erfahrung, dass ich ganz offen darüber sprechen kann, wenn ein Gespräch Gedanken an dasThema bei mir auslöst.“

Das Verhalten der Eltern – „es muss ja nicht jeder wissen“

Das Verhalten der Eltern ist nach den Berichten unserer frühaufgeklärten Mitglieder sehr unterschiedlich. Lediglich eine der sehr Frühaufgeklärten wurde von ihrer Mutter explizit ermutigt, darüber zu sprechen. Sie tat dies jedoch aus eigener Entscheidung heraus zum Schutz vor schlechten Erfahrungen nicht. Zwei Frühaufgeklärte sagen, ihre Eltern hätten ihnen die Entscheidung überlassen, wem sie davon erzählen.

„Darüber reden durfte ich, meine Mutter hat kein Geheimnis daraus gemacht, es war nur erst komisch, mir stellte sich schon die Frage ob ich normal bin, in dem Alter konnte ich das nicht richtig einordnen.“

Drei Frühaufgeklärte schildern, dass ihre Eltern ihnen gesagt hätten, dass nicht jeder von der Samenspende wissen müsse. Zwei davon, beide sehr frühaufgeklärt, nahmen dies nicht als Einschränkung wahr.

„Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich meiner Freundin von meiner Zeugung erzählt hatte, erklärte sie mir, dass ich vielleicht nicht mit jedermann darüber sprechen sollte. Die Entscheidung darüber zu sprechen oder nicht war mir gelassen.“

„Meine Eltern haben mir erklärt, dass ich es nicht jedem erzählen soll, und es war in Ordnung für mich, da ja nicht alle so offen damit umgehen können. Bei mir in der Familie wussten es alle als ich klein war, nur meine Oma nicht, weil meine Eltern ihre Reaktion nicht einschätzen konnten.“

Die Dritte empfand diesen Zusatz jedoch als Einschränkung:

„Mir war klar, dass diese Einschränkung vor allem meine Eltern schützen sollte, insbesondere meinen Vater. Und ich habe das ernstgenommen. Erst später im Studium bin ich offener mit dem Thema umgegangen, als mein Umfeld meine Eltern in der Regel nicht kannte.“

Vier Frühaufgeklärte berichten, dass ihre Eltern trotz der Aufklärung die Samenspende als Geheimnis betrachteten und dass sie ohne Erlaubnis der Eltern nicht mit Dritten darüber reden durften. Dies führte dazu, dass auch innerhalb der Familie nicht offen darüber gesprochen wurde.

„Ich hatte schon total das Gefühl, dass es ein Geheimnis wäre – zwischen meiner Mutter und mir, ein Geheimnis der Familie – das ich auf keinen Fall einfach so ausplaudern dürfte. Erst recht nicht ohne vorher ihre „Erlaubnis“ dazu eingeholt zu haben.“

„Meine Mutter war sehr darauf bedacht, dass es geheim bleibt. Wir haben leider auch innerhalb der Familie nicht offen darüber gesprochen. (…) Meine Eltern waren vermutlich selbst sehr unsicher im Umgang mit dem Thema.“

„Mir ist das Thema einmal meinem Onkel gegenüber rausgerutscht, ich glaube ich habe etwas in der Art gesagt wie „das ist nicht mein Papa, ich bin durch eine Samenspende entstanden“, so oder so ähnlich. Jedenfalls habe ich es als ganz natürlich angesehen (als Kind) und wollte auch damit normal umgehen. Kassiert habe ich einen bösen Blick meiner Mutter, der mir symbolisiert hat, dass ich da gerade etwas gesagt habe, über das man nicht spricht. Danach habe ich lange Zeit nie wieder darüber gesprochen, weil ich dadurch – ich glaube die Reaktion von ihr war ein Schlüsselerlebnis – dachte, es sei etwas Abartiges, über das man nicht sprechen dürfe.“

Retrospektive

Sechs der Frühaufgeklärten, darunter aber keine der sehr Frühaufgeklärten, wünschen sich rückblickend eine Aufklärung in noch früherem Alter und mehr Offenheit in der Familie mit der Samenspende.

„Im Nachhinein würde ich schon sagen, dass die Aufklärung zu spät war und es meiner Entwicklung gut getan hätte, wenn ich es schon immer gewusst hätte.“

Sie empfinden es als positiv, früh aufgeklärt worden zu sein, fühlten sich aber dennoch mit einem impliziten Schweigegebot belastet oder mit der Nachricht allein gelassen.

„Ich hätte es fairer gefunden, wenn meine Eltern selbst offen zu ihrer Entscheidung und der Unfruchtbarkeit meines Vaters gestanden hätten und mir tatsächlich und ohne indirektes Schweigegebot überlassen hätten, damit umzugehen wie, und darüber zu reden mit wem ich möchte. Psychologisch betrachtet haben sie mich mit ihrer Offenheit einerseits und dem Schweigegebot andererseits in einen Loyalitätskonflikt zwischen meinen und ihren Bedürfnissen gebracht. Man könnte es auch als Parentifizierung verstehen, wenn durch die Aufklärung ein Elternteil plötzlich schutz- und schonungsbedürftig durch das Kind wird. Diese Rolle habe ich meinem Vater gegenüber auf jeden Fall inne (und hatte ich auch als Kind) und das finde ich nicht gut.“

„Es zeigt (.) wie empfänglich Kinder für die ungeschriebenen Gesetze der Geheimhaltung von Familiengeheimnissen sind. Ich habe jetzt erst das Gefühl selbstständig mit dem Thema umzugehen. Das Gefühl, dass es „mein“ Thema ist und nicht das meiner Mutter und das ich damit umgehen kann wie ich will bzw. wie es mir gut tut.“

„Rückblickend bin ich hier sehr wütend gewesen, auf diese Tabuisierung, weil ich glaube, es hätte mir sehr gut getan, darüber zu sprechen. Vielleicht auch an die Hand genommen zu werden, und bewusst motiviert werden, mich damit auseinander setzen. Ich weiß, meine Mutter hätte mir immer Antworten gegeben, wenn ich gefragt hätte oder was wissen wollte. Aber es wäre doch schön gewesen, wenn sie es gewesen wäre, die mich hier an die Hand nimmt und in der Phase der „Realisation“ begleitet. Und dazu gehört auch, dass das Thema in der Familien präsent gehalten wird, dass man darüber spricht, vielleicht auch andere Gleichgesinnte ausfindig macht, trifft. Das hätte mir sicherlich viele schwere Phasen im Erwachsenenalter erspart.“

„Ich denke, es ist auch sehr wichtig, dass man als Kind selbst entscheiden kann ob es ein Geheimnis bleibt oder nicht. Denn man selbst muss damit umgehen können, man selbst hat Vorrang vor den Anliegen der Eltern.“

„Eigentlich finde ich schon allein die Befürchtung von Eltern bedenklich, „dass die Kinder bei einer frühen Aufklärung im Kleinkindalter zu vielen anderen davon erzählen und dann abgelehnt werden.“ Meines Erachtens sollten die Eltern ihren Kindern vermitteln können, dass ihre Entstehung völlig ok ist. Dafür ist ein offener Umgang mit dem Thema wichtig und der sollte eben auch einschließen, dass es ok ist mit anderen darüber zu sprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind Ablehnung erfährt (weil es Mitschüler/innen davon erzählt, dass es durch eine Samenspende entstanden ist), ist aus meiner Sicht geringer, wenn das Kind ganz selbstbewusst damit umgehen kann und auch neugierige Frage zu diesem Thema selbstsicher beantworten kann.(…) Ich denke die Eltern können hier wählen, welches das geringere Übel ist:
1) Riskieren, dass ihr Kind die eigene Entstehung niemals als ganz normal empfindet (und im schlimmsten Fall sein Leben lang darunter leidet), indem sie ihm möglichst spät davon erzählen, wie es entstanden ist. So können sie sicherstellen, dass ihr Kind niemanden von diesem Thema erzählt.
2) Dem Kind einen entspannten Umgang mit dem Thema ermöglichen und dabei das Risiko eingehen, dass es eventuell Ablehnung erfahren könnte. Ablehnung kann es auch aus vielen anderen Gründen erfahren, bspw. weil es die falschen Schuhe trägt oder nicht so gut (oder besser) lesen oder rechnen kann als die anderen Kinder. Eltern können ihr Kind aus meiner Sicht vor solcher Ablehnung nicht vollständig beschützen. Sie können nur versuchen ihr Kind möglichst selbstbewusst zu erziehen.“

Fazit

Die von manchen Eltern geäußerten Befürchtungen, frühaufgeklärte Kinder könnten mit zu vielen Personen außerhalb der Familie über die Samenspende sprechen und auf Ablehnung stoßen, werden durch die Erfahrungen unserer frühaufgeklärten Mitglieder nicht gestützt. Fast alle Frühaufgeklärten, auch die im sehr jungen Alter aufgeklärten, haben nur mit wenigen über ihre Zeugung durch Samenspende gesprochen. Auf explizite Ablehnung ist niemand gestoßen, als negativ wurde nur mangelndes Einfühlungsvermögen oder Desinteresse geschildert.

Bedenklich ist aber, dass mindestens die Hälfte der frühaufgeklärten Mitglieder den Wunsch der Eltern, darüber nicht mit jedem zu sprechen, als implizites Schweigegebot oder sogar als Tabuisierung empfunden hat, der sie in ihrem Umgang mit ihrer Zeugungsart beeinträchtigt hat. Das zeigt, wie empfänglich Kinder für die ungeschriebenen Gesetze der Geheimhaltung von Familiengeheimnissen sind, und das aufklärende Eltern sich bewusst sein sollten, dass sie ein solches Geheimhaltungsgebot möglicherweise – bewusst oder unbewusst – übermitteln. Interessanterweise hat keine der sehr Frühaufgeklärten ein Schweigegebot wahrgenommen – vielleicht, weil diese Eltern aufgrund der sehr frühen Aufklärung tatsächlich offen mit dem Thema umgingen.

Deutlich wird, dass frühe Aufklärung nicht mit einem offenen Umgang mit der Samenspende gleichzusetzen ist. Dieser findet noch nicht allein dadurch statt, dass die Eltern einmalig mit ihrem Kind darüber sprechen, wie es entstanden ist. Viele unserer Mitglieder wünschen sich rückblickend einen offeneren Umgang mit der Samenspende derart, dass Eltern dem Kind auch nach der Aufklärung des Gefühl vermitteln, dass sie sich mit Fragen über das Thema an sie wenden und darüber mit anderen sprechen können oder dass sie das Kind aktiv dazu motivieren, sich mit der Samenspende auseinander zu setzen.

Dagegen fühlte sich keine unserer Frühaufgeklärten zu früh aufgeklärt, zu viel Offenheit ausgesetzt oder von den Eltern nicht genügend vor möglichen negative Reaktionen Dritter geschützt. Eltern sollten sich daher überlegen, ob sie mit der Idee, dass es nicht jeder wissen muss, wirklich ihr Kind vor negativen Reaktionen schützen möchten, oder ob dahinter nicht doch versteckt der Wunsch steht, sich selbst und insbesondere den sozialen Vater zu schützen oder zu entlasten. Auf jeden Fall sollten sie vorsichtig sein, ihrem Kind nicht ein Schweigegebot oder sogar eine Tabuisierung des Themas implizit zu vermitteln, dass ähnlich belastend wirken kann wie eine späte Aufklärung im Erwachsenenalter.

Redaktionskonferenz auf DR Wissen heute zum Thema Samenspende

Die Sendung Redaktionskonferenz auf Deutschlandradio Wissen beschäftigt sich heute von 18:15 bis 20 Uhr unter dem Titel Die Elternmacherin mit Samenspende. Gast ist die Familientherapeutin Dr. Petra Thorn, zwischendrin gibt es ein Interview mit Spenderkinder-Mitglied Stina. Die Sendung kann live über den Internet-Stream angehört werden oder nachher als Podcast.

Rezension des Buches Ungestillte Sehnsucht von Millay Hyatt

Ich habe lange Zeit gezögert, ein Buch über Kinderwunsch zu lesen. Vielleicht weil ich befürchtet habe, die absolute Verteidigung dieses Wunsches und aller möglichen Mittel auf Buchformat ausgewalzt zu bekommen. Über eine Talkshow zu Reproduktionsmedizin bin ich dann auf Millay Hyatts Buch Ungestillte Sehnsucht aufmerksam geworden, habe es gelesen und bin sehr angetan. Ich wünschte, mehr Wunscheltern würden dieses Buch lesen und sich ebenfalls derart differenzierte Gedanken machen.

Millay Hyatt erfährt mit 30 Jahren, dass sie frühzeitig in die Wechseljahre gekommen ist. Die Verarbeitung dieser Diagnose, die Überlegung woher ihr Kinderwunsch kommt und welche Schritte sie bereit ist für ein Kind zu gehen, schildert sie in ihrem Buch, begleitet von den Geschichten von anderen Menschen mit Kinderwunsch, darunter auch homosexuelle und alleinstehende Menschen. Bei manchen wird der Kinderwunsch später erfüllt – durch Reproduktionsmedizin, Adoption, oder auch anderweitigen Kontakt zu Kindern – während andere nach erfolglosen Behandlungen mit dem Wunsch abschließen.

Achtung der Individualität des Kindes und seiner Bedürfnisse

Beeindruckt hat mich Millay Hyatts konsequente Sicht des Kindes als Individuum und ihre Orientierung am Kindeswohl, die ich mir bei mehr Kinderwunscheltern wünschen würde. Sie sagt ganz deutlich am Ende des Buches: „(.) es gibt kein Recht darauf, Kinder zu haben. (…) Ein Kind ist auch kein Geschenk, dass mir jemand (eine Behörde, abgebende Eltern, die Medizin) zukommen lässt, um mir meinen Wunsch zu erfüllen. Ein Kind ist ein Mensch, der noch nicht eigenständig ist und (seine) Eltern braucht.“

Eines der von ihr porträtierten Paare bekommt im Alter von 45 bzw. 60 Jahren ein Kind mit einer anonymen Eizellspende aus Spanien. Das kritisiert sie nicht ausdrücklich, deutlich wird aber, dass dies ein Weg ist, den sie selbst nicht gehen würde. Das Angebot einer Freundin aus den USA, ihre Leihmutter zu sein, lehnt sie ab, als sie im Internet Berichte von Kindern von Leihmüttern findet, die diese Praxis entwürdigend finden und Gefühle äußern, verlassen und verkauft worden zu sein. Eine Eizellspende möchte sie wegen der Gesundheitsgefahren für die Spenderin und deren Anonymität in vielen Ländern nicht. Nach einem längeren Prozess des Abschieds der Idee von einem genetisch eigenem Kind entschließt sie sich mit ihrem Mann zu einer Adoptionsbewerbung, legt aber Wert darauf, dass es eine ethisch arbeitende Agentur ist, damit nicht zur Erfüllung ihres Kinderwunsches ein Kind von seiner Familie getrennt wird. Sie kritisiert die zu oft auftretende Verdinglichung von Kinder und der Nichtachtung ihrer Würde.

Nicht richtig finde ich allerdings ihre Darstellung, dass vor allem die Verheimlichung der Zeugungsart und mangelnde Offenheit in der Familie den mit Samen- oder Eizellspende gezeugten Menschen zu schaffen macht. Das wirkt so, als könnten anonyme Spender unter diesen Umständen doch okay sein. Das ist aus unserer Sicht nicht so. Auch früh aufgeklärte Spenderkinder wollen wissen, von wem sie abstammen, und das Unwissen darüber macht ihnen ebenfalls zu schaffen.

Beschäftigung mit Kinderwunsch auch als Chance, sich selbst besser kennenzulernen

Millay Hyatt schildert auch die Notwendigkeit, sich mit dem Kinderwunsch selbst zu beschäftigen und nicht nur damit, wie man ihn erfüllen kann. Sie gibt sie zu, dass es in den ersten Jahren ihrer Kinderwunschgeschichte vor allem um sich selbst ging. Mit der Zeit wich jedoch ihr Bedürfnis, möglichst schnell ein Kind zu bekommen, der Sorge um die Bedürfnisse des Kindes. Ihren unerfüllten Kinderwunsch sieht sie auch als Chance, sich selbst besser kennenzulernen und von der Situation, ein Kind haben zu wollen, zu ein Kind lieben zu wollen über zu gehen.

Neben Paaren, die ihr Wunschkind doch noch bekommen haben, schildert sie genauso die Geschichten von Paaren, die sich vom Kinderwunsch verabschiedet haben und trotzdem ein erfülltes Leben führen, weil sie zum Beispiel die Beziehung zu ihrem Partner noch mehr zu schätzen gelernt haben. Das fand ich wiederum sehr tröstlich. Wir von Spenderkinder möchten keinem Menschen mit Kinderwunsch sagen, dass er sich mit einem Leben ohne Kinder abfinden soll. Genauso befremdlich finde ich aber die oft vehement vorgetragene Ansicht, man könne sich ein Leben ohne Kinder auf keinen Fall vorstellen. Ein Kind als alleinige Sinnstiftung zu sehen, spricht von einer seltsamen Konzeption des eigenen Lebens – vor allem da man sich ja klar machen muss, dass das Kind nur einen Teil des Lebens wirklich präsent sein wird.

Unabhängige Beratung erforderlich

Die von Millay Hyatt und ihren Interviewpartnern geschilderten Gefühle und Geschichten haben mich in der Ansicht bestätigt, dass unsere Forderung sehr wichtig ist, dass Wunscheltern vor Inanspruchnahme von Samenspenden zu einer unabhängigen Beratung verpflichtet werden sollten.

Dabei ist eine freiwillig aufgesuchte Beratung natürlich wirksamer. Wie Millay Hyatt jedoch schreibt, ist die Hemmschwelle von Kinderwunschpatienten groß, sich selbst einzugestehen, man könnte ganz gut eine Außenperspektive oder Unterstützung gebrauchen, wenn man in dem Prozess drin steckt. An anderer Stelle schildert sie, dass viele Wunscheltern gar nicht oder nur mit wenigen Menschen über ihren Kinderwunsch oder die reproduktionsmedizinische Behandlung sprechen – auch aus Angst, nicht verstanden zu werden. Diese fehlende Kommunikation ist aber weder gut für sie und wird es bestimmt auch nicht einfacher machen, mit dem entstehenden Kind hierüber zu sprechen. Wir von Spenderkinder stellen immer wieder fest – auch bei unseren eigenen Eltern – dass der Scham über die eigenen Unfruchtbarkeit und die daraus resultierende Scheu, über den Kinderwunsch zu sprechen, eine der Hauptgründe für das spätere Verschweigen uns gegenüber darstellt. Eine Kinderwunsch-Beratung könnte daher auch Kontakt zu anderen Betroffenen wie zum Beispiel DI-Netz vermitteln.

Sog der Erfüllungsmaßnahmen

Die unabhängige Beratung ist auch deswegen nötig, weil die Reproduktionsmedizin auch nach der Ansicht von Millay Hyatt nicht am Wohl der Patienten ausgerichtet ist, sondern nur auf die Erzielung einer Schwangerschaft. Die meisten Betroffenen, mit denen sie spricht, hätten das starke Gefühl, alles was in Reichweite ist versuchen zu müssen. Sei man aber einmal in den Sog der Erfüllungsmaßnahmen geraten, könne es sehr schwer sein zu erkennen, wie weit zu weit ist.

Eine gewinnbringende Lektüre

Für mich war es sehr gewinnbringend, Millay Hyatts Buch zu lesen, und ich glaube dass ich ein tieferes Verständnis für die Situation von Eltern mit Kinderwunsch dadurch bekommen habe. Das soll übrigens nicht bedeuten, dass ich – oder die anderen Spenderkinder-Mitglieder – vorher kein Verständnis für Kinderwunsch-Eltern hatten. Schließlich stammen unsere eigene Eltern auch aus diesem Personenkreis, ich kenne einige Kinderwunsch-Eltern in meinem Alter, und viele von uns haben auch selbst Kinder. Genauso wenig bedeutet es, dass ich deswegen jetzt alles akzeptiere, was manche Eltern zur Erfüllung ihres Kinderwunsches machen. Das tut Millay Hyatt genauso wenig, denn sie fordert zum Beispiel nicht, dass Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland zugelassen werden sollten.

Aber ich verstehe jetzt vielleicht besser, in welchem Sog sich manche Eltern befinden. Vieles, was Millay Hyatt schreibt, habe ich so oder so ähnlich gewusst oder geahnt, auch weil ich mir nach meiner späten Aufklärung selbst sehr viele Gedanken darüber gemacht habe, woher eigentlich der Kinderwunsch kommt. Aber es so fundiert, differenziert und auch hinterfragend zu lesen, war ein echter Genuss, und ich wünsche dem Buch noch viel mehr Leser.

Teilnehmer für Online-Studie des DSR und Wellesley College and Middlebury College gesucht

Das Donor Siblings Registry in Zusammenarbeit mit dem Wellesley College and Middlebury College suchen Teilnehmer (Spenderkinder, Eltern, Spender) für ihre Studie “Donor Gametes, Donor Siblings, and the Making of New Families.” Die Studie soll Einstellungen zu Eizell-, Samen und Embryonenspende untersuchen und die Beziehungen zwischen Familien mit dem selben Spender, die Kontakt zueinander geknüpft haben. Die Teilnahme am englischsprachigen Online-Formular dauert etwa 15 Minuten.

Die Studie zielt von den Fragen her zwar eher auf die USA und Nutzer des Donor Siblings Registry, aber ist offen für alle Nationalitäten. Das Donor Siblings Registry hat schon an einigen sehr interessanten Studien mitgewirkt, daher empfehlen wir eine Teilnahme, auch damit die Forscher ihre Ergebnisse auf mehr Fallzahlen basierend erhalten können.

Es gibt getrennte Fragebögen für Spenderkinder ab 13 Jahren, Spenderkinder-Eltern und Spender.

 

Teilnahme an der Tagung des deutschen Ethikrates

Stina und Anne haben an der diesjährigen Tagung des deutschen Ethikrates zum Thema (zum Thema) „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland. Individuelle Lebensentwürfe – Familie – Gesellschaft“ am 22. Mai in Berlin teilgenommen. Bei der Tagung wurde diskutiert, was Familie heute vor dem Hintergrund von Reproduktionsmedizin bedeutet, inwiefern Menschen ein Recht auf Fortpflanzung haben und ob bestimmte Verfahren – die Eizellhüllenspende, Eizellspende, Leihmutterschaft und social freezing – in Deutschland zugelassen werden sollten.

Schon im Vorhinein hatten wir kritisiert, dass das Programm nur vorsah, dass über die mit Reproduktionsmedizin gezeugten Menschen gesprochen wird, wir als unmittelbar Betroffene aber nicht selbst eine Stellungnahme dazu abgeben konnten. Vielleicht ist bei manchen Menschen immer noch nicht angekommen, dass es uns gibt und wir auch nicht mehr alle im Kindesalter sind. Daher konnten wir unsere Perspektive nur wie jeder andere Teilnehmer nach den Vorträgen am Mikrophon äußern.

In dem morgendlichen Vortrag von Georg Griesinger vom universitären Kinderwunschzentrum Lübeck übermögliche reproduktive Verfahren wurde sehr deutlich, dass Kinderwunsch für viele Ärzte eine Dienstleistung ist, bei der die Frage, wie es den damit verbundenen Menschen damit geht, eher untergeordnet ist. Frau Prof. Coester-Waltjen, deren Meinung wir im Zusammenhang mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung sehr schätzen, forderte in ihrem rechtlichen Vortrag die Zulassung von Eizellspende in Deutschland und die Anerkennung von Leihmutterschaftsverträgen aus anderen Ländern. Auch hierbei kamen die Belange der gezeugten Kinder – gespaltene Mutterschaft und Behandlung des mit einer Leihmutterschaft gezeugten Kindes als Handelsobjekt – nicht vor.

In dem Vortrag von Claudia Wiesemann, Mitglied des Deutschen Ethikrates, wurde die „reproduktive Autonomie“ der Eltern stark betont. Die Darstellung dieses „Rechts“ vor dem Hintergrund von in der Vergangenheit in einigen Ländern erfolgten Zwangssterilisationen und -adoptionen und der Vergleich mit dem Recht auf Bildung ließen das Recht auf die Inanspruchnahe von Reproduktionsmedizin jedoch geradezu zwingend erscheinen und ließen aus unserer Sicht außer Acht, dass bei Reproduktionsmedizin ein neuer Mensch entsteht, dessen Rechte ebenfalls geachtet werden müssen. Pervertiert auf die Spitze getrieben wurde das ganze mit dem Argument, dass Eizellspende gerade zum Schutze des Kindeswohls in Deutschland erlaubt werden müsse, damit Paare nicht auf anonyme Spenden im Ausland zurückgreifen „müssten“, so dass es dem Kind nahezu unmöglich ist, seine Abstammung zu erfahren.

Kindzentrierter gab sich Eberhard Schockenhoff, MItglied des Deutschen Ethikrates, der vor allem auf die Bedeutung der Familie für die Entwicklung eines Kindes hinwies, in der sich das Kind bedingungslos angenommen weiß. Er wies darauf hin, dass es für Kinder wichtig sei, zwei Eltern zu erleben, die auch untereinander füreinander da sind und dem Kind eine erwachsene Beziehung vorleben. Kritisch äußerte er sich in diesem Zusammenhang für Singlefrauen, die eine Samenspende zur Befriedigung ihres Kinderwunsches in Anspruch nehmen. Er erinnerte daran, Kinder als Subjekte und nicht als Projektion elterlicher Wünsche wahrzunehmen.

In dem Forum zu Eizellspende und Leihmutterschaft waren die Vorträge immerhin kritisch zu diesen Verfahren, allerdings vor allem aus Gründen des Schutzes der Eizellspenderin und der Leihmutter. In der Diskussion verglich dann ein Mitglied des Ethikrates eine Eizellspende sogar mit einer Blutspende, die ja auch risikoreich sei, und natürlich durfte auch das beliebte Argument nicht fehlen, das die damit gezeugten Kinder doch „gewolllt“ seien, was viele wohl als gleichbedeutend mit dem Kindeswohl sahen. Stina trug am Publikumsmikrophon die Position von Spenderkinder zu Eizellspende vor und wies darauf hin, dass Samenspenden in Deutschland immer noch unzureichend rechtlich geregelt sind und dies der Zulassung neuer Reproduktionsverfahren voran gehen müsse.

Zu dieser eher elternbezogenen und reproduktionstechnologie-freundlichen Diskussion hob sich die Abschlussdiskussion mit den Politikern Hubert Hüppe (CDU), Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen) und Kathrin Vogler (Die Linke) wohltuend hervor (Audioprotokoll). Diese ließen insbesondere nicht das Argument gelten, man müsse Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland anerkennen, weil es ansonsten im Ausland durchgeführt würde. Dies würde ansonsten zu einem Ethikdumping führen.

Die Position des Vereins Spenderkinder zu Eizellspende

Immer wieder vergleichen Medienberichte die in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verbotene Eizellspende mit Samenspenden und stellen das Verbot als unfaire Ungleichbehandlung dar. Auch bei der diesjährigen Tagung des Ethikrats wird das Verbot der Eizellspende (neben Leihmutterschaft) diskutiert werden. Aber ist eine Eizellspende wirklich mit einer Samenspende vergleichbar? Aus unserer Sicht sprechen gute Gründe für die Beibehaltung des Verbots. Sollte Eizellspende in Deutschland trotzdem zugelassen werden, dann nur unter umfangreichen begleitenden Regelungen in einem Fortpflanzungsmedizingesetz.

Gesetzgeber möchte mit Verbot gespaltene Mutterschaft verhindern

Nach der Begründung des Embryonenschutzgesetzes aus dem Jahr 1989 (Bundestags-Drucksache11/5460) soll mit dem Verbot der Eizellspende eine Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische Mutter – die Eizellspenderin – und eine austragende Mutter verhindert werden. Der Gesetzgeber befürchtet, dass diese gespaltene Mutterschaft zu besonderen Schwierigkeiten bei der Selbstfindung des Kindes führt und negative Auswirkungen auf die seelische Entwicklung hat, weil dieses entscheidend sowohl durch die von der genetischen Mutter stammenden Erbanlagen als auch durch die enge während der Schwangerschaft bestehende Bindung zur austragenden Mutter geprägt wird.

Unterschiede zur Samenspende

Einige unserer Mitglieder können diesen Grund gut nachvollziehen. Der Unterschied zur Samenspende ist, dass das Kind bei einer Eizellspende genetisch von der einen Mutter abstammt, während die andere Mutter durch das Austragen ganz existenziell dazu beigetragen hat, dass sich der Embryo zu einem ausgewachsenen Menschen entwickelt. Beide Mütter übernehmen also biologische, existenzielle Komponenten, während bei der Samenspende die Aufteilung in biologisch und sozial klar ist. Diese Aufspaltung empfinden einige von uns als deutliche Herausforderung für das Selbstbild. Diese könnte noch schwieriger dadurch werden, dass die Bindung zur Mutter eine andere als zum Vater ist.

Auch halten einige von uns die Eizellspende für schwieriger, weil sie künstlicher als eine Samenspende ist. Bei der Samenspende hat die Mutter ein Kind mit einem anderen Mann (wenn auch ohne sexuellen Akt), während bei der Eizellspende die Eizelle einer anderen Frau eingepflanzt wird, wo sie auf natürlichem Wege nicht herangewachsen wäre.

Andere Mitglieder von Spenderkinder sehen die gespaltene Mutterschaft bei einer Eizellspende nicht grundsätzlich als Problem, so lange die Eltern – wie sie es bei der Samenspende sollten – von Anfang an offen mit dieser Entstehungsweise umgehen und die Eizellspenderin gegenüber dem Kind nicht anonym ist.

Kommerzialisierung als besonderes Problem der Eizellspende

Ein weiterer sehr bedenklicher Aspekt bei der Eizellspende ist jedoch die mögliche Kommerzialisierung. Die Entnahme von Eizellen ist ein nicht ungefährlicher medizinischer Eingriff, der eine belastende Hormonbehandlung zur Stimulierung der Eierstöcke und eine Entnahme unter Narkose erfordert. Die Hormonbehandlung kann in Extremfällen zu Nierenversagen und Thrombosen führen. In Spanien beträgt die „Aufwandsentschädigung“ für eine Eizellspende wegen dieser Risiken daher etwa 900 Euro. Eine solche Summe ist finanziell stark motivierend und stellt eigentlich keine Spende mehr dar. Für die „Spenderin“ kann die Inaussichtstellung einer solchen Summe dazu führen, dass sie nicht an die Folgen ihrer Spende (die Zeugung eines Kindes, das sie möglicherweise einmal kennenlernen möchte) und die Gefahren für ihren eigenen Körper denkt. Für uns Spenderkinder ist die Vorstellung außerdem belastend, dass unsere genetischen Eltern ihre Samen- oder Eizellen nur aufgrund des Geldes „gespendet“ haben.

Fortpflanzungstourismus kein Argument für Zulassung in Deutschland

Das Argument, nur bei einer Zulassung der Eizellspende in Deutschland könnte das Recht der betroffenen Kinder auf Kenntnis ihrerAbstammung gewahrt werden, weil deutsche Frauen dann keine zwingend anonymen Eizellspenden in Tschechien und Spanien mehr in Anspruch nehmen müssen, finden wir dagegen nicht überzeugend. Der Verstoß gegen ein Verbot kann nicht dazu führen, dass man diese Handlung erlaubt. Auch hat ein Verbot die Wirkung, dass die Betroffenen zumindest über den Grund des Verbots nachdenken und für die Umgehung einen deutlich höheren Aufwand betreiben müssen. Im Übrigen könnte der Reproduktionstourismus von Deutschland aus auch eingedämmt werden, indem das Verbot der ärztlichen Vermittlung stärker durchgesetzt wird und die Werbung von tschechischen und spanischen Kliniken über Internet-Suchmaschinen in Deutschland untersagt wird.

Wenn überhaupt, Zulassung in Deutschland nur unter strengen Voraussetzungen

Wenn Eizellspenden in Deutschland trotz dieser Bedenken zugelassen werden sollte, dann nur unter den folgenden Voraussetzungen:

  • Um die Fehler nicht zu wiederholen, die bei der Samenspende gemacht wurden, kann das Verfahren nicht einfach zugelassen werden, sondern muss von umfassenden Regelungen im Rahmen eines Fortpflanzungsgesetzes begleitet werden.
  • In diesem sollten die Forderungen umgesetzt werden, die wir für Samenspenden aufgestellt haben, insbesondere die Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung durch Eintragung der Spender in die Geburtsurkunde oder in einem unabhängigen Zentralregister, und eine vorherige verpflichtende Beratung für die Empfängerin.
  • Zur Verhinderung der Kommerzialisierung der Eizellspende sollten nur unentgeltliche Eizellspenden zugelassen werden. So könnten zum Beispiel Frauen, denen Eizellen für eine In-vitro-Fertilisation entnommen werden, überzählige Eizellen spenden. Entsprechend der Regelungen bei Organspenden könnten außerdem Spenden von Verwandten und engen Freunden erlaubt werden, wenn diese über die möglichen emotionalen Komplikationen aufgeklärt wurden.
  • Da Frauen – anders als Männer – natürlich nur bis zu einem bestimmten Alter schwanger werden können, sollte eine Altersgrenze für die Empfängerinnen festgelegt werden, um die Zeugung so natürlich wie möglich zu halten. Eine Eizellspende sollte außerdem nicht nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Familienplanung zu lange aufgeschoben wurde.
  • Eine Kombination von Eizell- und Samenspenden (fälschlicherweise teilweise als Embryonenspende bezeichnet) muss verboten werden. Kein Kind sollte zwei Spender als Eltern haben, die sich noch nicht einmal kannten, weil diese vollkommen künstliche Erzeugung sehr hohe Anforderungen an die Selbstfindung stellt.
  • Werbung für anonyme Eizellspenden, wie sie im Moment zum Beispiel bei der Eingabe des Suchworts „Eizellspende“ bei Internet-Suchmaschinen erscheint, sollte verboten werden.

Überarbeitung von Psychologisches online

Bestimmte Annahmen wie „Die Spender wollen doch eh nur Geld“ oder „eine frühe Aufklärung verstört Spenderkinder“ sind leider weit verbreitet. Sieht man sich jedoch die dazu vorhandenen Studien an, stellt man fest: das stimmt gar nicht. Die am häufigsten geäußerte Motivation von Samen- und Eizellspendern ist, anderen helfen zu wollen, und früh aufgeklärte Spenderkinder wie auch deren Eltern berichten ausschließlich positive Erfahrungen mit früher Aufklärung.

Seit ein paar Tagen ist nun das lang gehegte Projekt von uns fertig gestellt, die Seite Psychologisches zu überarbeiten. Neu ist, dass zu den einzelnen, mit Familienbildung durch Reproduktionsmedizin verbundenen Themen die Ergebnisse der dazu vorhandenen Studien vorgestellt werden. Alle Quellen sind mit Fußnoten mit der genauen Fundstelle belegt. Viele der Studien sind online kostenlos zugänglich, so dass alle, die noch mehr dazu wissen möchten, auch das Original nachlesen können. Das lohnt sich durchaus, da eine kurze Darstellung der Ergebnisse natürlich nicht einen ganzen Aufsatz zu dem Thema mit O-Tönen der Befragten ersetzen kann. Manche Studien betreffen Samen- und Eizellspende, Studien die ausschließlich Eizellspenden betreffen, haben wir wegen des Verbots in Deutschland jedoch nicht aufgenommen.

Über die Repräsentativität der Studien kann man natürlich geteilter Auffassung sein. Da es teilweise schwierig ist, an die Beteiligten heranzukommen, nehmen natürlich eher Personen teil, für die dieses Thema einen nicht unwichtigen Teil ihres Lebens darstellt. Wahrscheinlich nehmen daher eher aufklärende Eltern, Eltern mit einer positiven Familiensituation, offene Spender und an ihrer Abstammung interessierte Spenderkinder an den Studien teil. Fast unmöglich ist es, die Situation von nicht über die Zeugung durch Samenspende aufgeklärten Spenderkinder zu untersuchen. Oft sind die Teilnehmerzahlen gering, oder die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgt über einschlägige Netzwerke wie das Donor Siblings Registry. Trotzdem sind die Studien wichtig, denn sie basieren immerhin auf einer Untersuchung und den Erfahrungen der Betroffenen – alles andere ist nur Spekulation.

Wir hoffen, dass die Zusammenstellung eine Hilfe für alle sein wird, die sich mehr mit Fragen der Motivation der von einer Familienbildung durch Samen- und Eizellspende betroffenen Personen auseinandersetzen möchten. Wir freuen uns außerdem über Nachrichten zu neuen oder noch nicht aufgeführten Studien.

Kritik am Netzwerk Embryonenspende

Seit August letzten Jahres gibt es die Initiative „Netzwerk Embryonenspende“, hinter der vor allem Reproduktionsmediziner aus Bayern stehen. Dieses Netzwerk möchte neben Embryonen im auch Eizellen, die im Rahmen einer In-Vitro-Fertilisation bereits mit dem Samen des Mannes imprägniert und mit Zustimmung des Paares für einen späteren Kinderwunsch-Zyklus eingefroren wurden (sog. 2-PN-Zellen), aber nun nicht mehr vom Ursprungspaar verwendet werden können, an andere Empfänger vermitteln. Die Vermittlung erfolgt angeblich unentgeltlich, aber natürlich verdienen die reproduktionsmedizinischen Einrichtungen an den daraus resultierenden erforderlichen Maßnahmen. Ob die Weiterkultivierung einer solchen 2-PN-Zelle zum Zweck der Übertragung auf eine andere Frau eine nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Embryonenschutzgesetz verbotene Befruchtung zur Übertragung an eine andere Frau darstellt, ist rechtlich umstritten. Das Rechtsgutachten des Netzwerks Embryonenspende und die Medizinrechtler Börgers und Frister kommen dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Was – abgesehen von dem möglichen rechtlichen Verbot – so altruistisch und praktisch klingt, wird aber den aus einer solchen Situation erwachsenden Anforderungen an diese Form der Familiengründung und insbesondere den Bedürfnissen der hierdurch entstehenden Kinder nicht gerecht. Diese Kritikpunkte haben wir gegenüber dem Netzwerk Embryonenspende in zwei Schreiben dargelegt, sind aber leider auf sehr wenig Verständnis gestoßen. Damit scheint das Netzwerk Embryonenspende die Fehler der Vernachlässigung der Rechte von Spenderkindern und der aus einer solchen Spende resultierenden Familiensituation zu begehen, die bei der Samenspende viele Jahre lang gemacht wurden. Daher machen wir im Folgendem diese Kritik öffentlich:

Mangelnde Darstellung der psychologischen Herausforderungen dieser Art der Familiengründung auf der Internetseite

Die Darstellung der Embryonenspende (für die wir den Begriff Embryonenadoption passender finden) auf der Internetseite der Initiative beschränkt sich momentan auf den Vermittlungsprozess. Dies erweckt den Eindruck, dass lediglich der Wunsch kinderloser Erwachsener nach einem Kind bedient werden soll – ungeachtet der Bedürfnisse und Anforderungen einer Adoption und insbesondere der Rechte der Kinder. Adoption sowie jegliche Gametenspende stellen nicht nur die Befriedigung eines Kinderwunsches dar, sondern auch einen dynamischen, unbegrenzten und lebenslangen Prozess für alle Beteiligten.

Hierzu schreibt das Netzwerk Embryonenspende nichts auf seiner Internetseite und empfiehlt lediglich eine psychologische Beratung. Die Empfehlung einer psychologischen Beratung der Empfangseltern ohne auch nur ansatzweise die psychologische Seite dieser Form von Familienbildung zu thematisieren, ist angesichts des mit einer Embryonenadoption einschneidenden Eingriffs in die Familiendynamik unzureichend – insbesondere verglichen mit der umfassenden Beratung, die bei einer normalen Adoption notwendigerweise anfällt.

Aus unserer Sicht ist eine Darstellung der psychologischen Herausforderung der Annahme eines genetisch nicht eigenen Kindes – was eine Embryonenadoption darstellt – auf der Internetseite selbst erforderlich (siehe zu den Herausforderungen zum Beispiel Knobbe, FPR 2001, S. 309 ff.). Eine solche Information kann eine fachkundige psychologische Beratung – die nicht nur empfohlen, sondern gefordert werden sollte – natürlich nicht ersetzen. Sie wird jedoch einen ersten Anhaltspunkt für interessierte Paare geben, was bei einer solchen Familiengründung typischerweise zu beachten ist und damit den Empfängern wichtige Anhaltspunkte geben, ob diese Art der Familiengründung für sie überhaupt in Frage kommt. Zu solchen Themen gehören mögliche Spannungen aufgrund der mangelnden Verwandtschaft zu dem Kind, die Notwendigkeit der Aufklärung des Kindes über die Adoption, die notwendige Auseinandersetzung mit der eigenen Unfruchtbarkeit, sowie die zukünftige Situation, dass das Kind interessiert an einem Kontakt zu den genetischen Eltern sein kann und ein Recht hat, zu erfahren, wer diese sind.

In Einklang mit den Erfahrungen aus der Säuglingsadoption und Samenspende sollte den Wunscheltern ein offener Umgang mit dieser Zeugungsweise gegenüber dem Kind empfohlen werden. Dem wird eine Formulierung wie in dem „Aufklärungsbogen Spenderpaar“, in dem steht: „Diese Information obliegt den Eltern des Kindes“ nicht gerecht. Bereits seit den siebziger Jahren setzt sich vor allem im Bereich der Adoption und in den letzten Jahren endlich auch im Bereich der Samenspende ein offener Umgang mit der Form der Familiengründung durch, weil sich herausgestellt hat, dass die Geheimhaltung nicht nur für die Eltern eine hohe Belastung sein kann, sondern insbesondere auch eine Bevormundung des Kindes darstellt, die Werte wie Aufrichtigkeit und die Gleichwertigkeit der Familienmitglieder untereinander untergräbt. Deshalb wird heute aus psychologischer Sicht eine möglichst frühe Aufklärung der Kinder empfohlen. Die Forschung zeigt außerdem (vgl. Scheib, Riordan and Rubin, Human Reproduction 2005), dass viele der aufgeklärten Kinder die biologischen Elternteile kennenlernen möchte.

Auch wenn das Netzwerk Embryonenspende lediglich als Vermittler auftritt, kann es die Verantwortung für solche grundlegenden Informationen über eine Familienbildung durch Embryonenadoption (und eben nicht nur die Erfüllung des Kinderwunsches) nicht durch Empfehlung einer externen Beratung abgeben, da aufgrund der Vermittlungsleistung das Interesse an einer solchen Familienbildung möglicherweise erst geweckt und ermöglicht wird. Daher sollten hinreichende Informationen bereitgestellt werden, bevor die an einer Embryonenadoption interessierten Paare überhaupt die Anmeldeformulare ausfüllen. Es ist unseriös, dies auf den Zeitpunkt zu verschieben, zu dem die Möglichkeit der Adoption eines Embryos bereits akut wird und die Erfüllung des Kinderwunsches andere Aspekte wie die Rechte des Kindes und die damit verbundenen Herausforderungen überdeckt.

Vorgeschriebene Anonymität zwischen Spender- und Empfängereltern

Das Netzwerk Embryonenspende schreibt die Anonymität zwischen Spender- und Empfängereltern zur Vermeidung der Kommerzialisierung der Embryonenspende vor. Aus Sicht von Spenderkindern ist zu begrüßen, dass eine Kommerzialisierung der Spende verhindert werden soll. Für viele von uns bedeutet es eine psychische Belastung zu hören, dass sich viele Samenspender angeblich nur aufgrund der „Aufwandsentschädigung“ zu einer Spende – und damit zu unserer Zeugung – entschieden haben. Trotzdem denken wir, dass die von dem Netzwerk Embryonenspende vorgeschriebene Anonymität zwischen Spender- und Empfängereltern den Anforderungen an diese Form der Familiengründung nicht gerecht wird und auch nicht erforderlich zur Verhinderung einer Kommerzialisierung ist.

Die Gefahr einer Kommerzialisierung besteht unserer Ansicht nach lediglich, wenn die Spendereltern entweder das Empfängerpaar stellen oder namentlich aussuchen können, denn hier besteht die Möglichkeit, dass die spendenden Eltern finanzielle Forderungen für den Empfang der Embryonenspende stellen.

Eine Kommerzialisierung würde jedoch nicht vorliegen, wenn sich das abgebende Paar das empfangende Paar anhand einiger nicht-identifizierender Anhaltspunkte aussuchen könnte. Aus der Adoptionsforschung ist bekannt, dass adoptierte Kinder sich insbesondere mit dem Aspekt beschäftigen, aus welchem Grund sie abgegeben wurden und den Aspekt einer mangelnden Gewünschtheit durch die Geburtseltern als besonders belastend empfinden (vgl. zum Beispiel Martin R. Textor, Offene Adoption von Säuglingen, Aus: Unsere Jugend 1988, S. 530-536; Rüdiger Haar (2010): Eltern unter Druck: Beratung von hilflosen und überforderten Eltern). Insbesondere aus Sicht der Kinder ist es daher wünschenswert, dass die genetischen Eltern sie nicht an anonyme Empfänger abgeben, sondern sich Gedanken darüber machen, in was für einer Art von Familie das Kind aufwachsen soll. Dies demonstriert, dass den abgebenden Eltern auch das zukünftige Wohlergehen des Kindes am Herzen liegt. Ohnehin zeigte zum Beispiel die Studie von Lacey in der Zeitschrift Human Reproduction aus dem Jahr 2005, S. 1661, dass die abgebenden Eltern diese Embryonen bereits als eigenen Menschen betrachten, der von ihnen als Paar abstammt, und den sie deswegen nicht anonym abgeben möchten.

Insbesondere aber nachdem die Spende erfolgreich war, besteht kein Grund für die vom Netzwerk Embryonenspende vorgeschriebene Anonymität. Auch bei Samenspenden wird mittlerweile von einigen Samenbanken ein Kontakt zwischen Spender, Empfängereltern und dem Kind ermöglicht, wenn der Spender hiermit einverstanden ist oder dies sogar wünscht. Dies dient dem Kindeswohl, da das Kind nicht bis zum Erwachsenenalter über seine Abstammung im Unklaren gelassen wird und das Gefühl vermittelt bekommt, dass trotz der Abgabe durch die genetischen Eltern Interesse an einem Kontakt besteht. Auch wird nur hierdurch bereits ein früherer Kontakt zu den möglicherweise existierenden leiblichen Geschwistern bei den abgebenden Eltern ermöglicht. Falls die abgebenden Eltern einen solchen Kontakt als zu schwierig empfinden, sollte ihnen sowie dem Kind zumindest die Möglichkeit gegeben werden, anonym Kontakt aufzunehmen.

Die vom Netzwerk Embryonenspende vorgeschriebene Anonymität zwischen Spender- und Empfängereltern auch nach der Spende widerspricht aber insbesondere der normalen Adoptionspraxis. Hier können die abgebenden Eltern selbst angeben, ob sie eine offene, eine halboffene oder eine inkognito-Adoption wünschen. Bei einer offenen Adoption wird nach der Adoption der Kontakt zwischen abgebenden und annehmenden Eltern ermöglicht. Bei der halboffenen Adoption findet dieser Kontakt unter Begleitung des Jugendamtes statt. Lediglich bei einer inkognito-Adoption kann das adoptierte Kind erst ab dem Alter von 16 Jahren erfahren, wer die genetischen Eltern sind, und einen Kontakt zu diesen aufnehmen.

Für die vom Netzwerk Embryonenspende vorgeschriebene Anonymität besteht auch unter unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten kein Anlass. Familienrechtlich unterscheidet sich die Situation nach einer Embryonenspende nicht von der nach einer Samenspende. Hier bestehen vertragliche Möglichkeiten der Risikominimierung der Inanspruchnahme des genetischen Vaters nach einer möglichen erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung des Kindes im Rahmen eines Schuldbeitritts des Wunschvaters.

Erst in den auf der Internetseite bereitgestellten pdf-Dokumenten wie dem „Aufklärungsbogen Spenderpaar“ findet sich ein Hinweis darauf, dass die vom Netzwerk Embryonenspende proklamierte Anonymität der Spende nicht gegenüber dem Kind gelten kann. Dies sollte bereits auf der Internetseite klar gestellt werden, um den Eindruck zu vermeiden, dass in Deutschland anonyme Spenden möglich seien.

Nicht zutreffende Informationen über das Recht auf Kenntnis der Abstammung

Zuletzt ist die Darstellung des Rechts des durch eine Embryonenspende gezeugten Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung auf der Internetseite des Netzwerks Embryonenspende nicht zutreffend. Dort steht im „Aufklärungsbogen Spenderpaar“: „Das aus der Embryospende entstandene Kind hat das Recht, seine genetische Abstammung des Vaters in Erfahrung zu bringen (..). Somit kann die Anonymität zwischen den Rechtspersonen später durch das Kind aufgehoben werden.“

Das ist zum einen rechtlich unvollständig. Das Recht auf Kenntnis der genetischen Abstammung bezieht sich nicht nur auf das Recht des Kindes zu wissen, wer der genetische Vater ist. Fallen genetische und soziale Mutterschaft auseinander, besteht auch ein Recht des Kindes auf Informationen über die Person der Mutter. § 1591 BGB, nach dem Mutter stets die Frau ist, die das Kind geboren hat, stellt lediglich eine Zuordnungsregelung in einem einfachen Gesetz dar, die Verfassungsrecht nicht modifizieren kann.

Nicht zutreffend ist die Aussage im Aufklärungsbogen „Wunscheltern“, dass das gezeugte Kind die Vaterschaft des Wunschvaters anfechten kann, dieses Begehren aber rechtsmissbräuchlich und daher aussichtslos sein dürfte. Eine Vaterschaftsanfechtung des Kindes nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB ist statthaft, wenn keine genetische Verwandtschaft zwischen Vater und Kind besteht. Aus unserem Verein haben mehrere Mitglieder die Vaterschaft des rechtlichen Vaters angefochten. Ein besonderes Motiv hierfür wurde von keinem Gericht verlangt und die Anfechtung hat auch nichts mit der Kenntniserlangung über die Abstammung zu tun (so auch das Urteil des OLG Hamm vom 6.2.2013).

Fazit: So nicht – Regeln zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich

Aus diesen Gründen können wir keinem Paar, das entsprechende imprägnierte Eizellen noch in einer reproduktionsmedizinischen Einrichtung gelagert hat, empfehlen, diese über das Netzwerk Embryonenspende zur Adoption frei zu geben. Wir würden uns außerdem wünschen, dass rechtlich geklärt wird, ob die Tätigkeit des Netzwerks überhaupt erlaubt ist. Das Embryonenschutzgesetz möchte eindeutig untersagen, dass die Mutterschaft in eine genetische und eine austragende Mutter auseinanderfällt. Selbst wenn das Netzwerk nur eine Lücke im Embryonenschutzgesetz ausnutzt, sind Regeln zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich, damit Reproduktionsmediziner nicht – wie jetzt – selbst entscheiden, was sie für die betroffenen Familien und entstehenden Menschen für angemessen halten.

Rezension des Buches „Kinder machen“ von Andreas Bernard

Für das 500-Seiten starke Buch „Kinder machen“ des (damaligen) SZ-Journalisten Andreas Bernard aus dem Jahr 2014 wurden Spenderkinder-Mitglieder Anne und Stina interviewt und unser Verein kommt auch etwas ausführlicher darin vor. Die vier Kapitel thematisieren die Geschichte der Empfängnislehre, Samenspende, Leihmutterschaft und Eizellspende und zuletzt die in-vitro Fertilisation. Es handelt sich um eine kulturhistorische Untersuchung – Reproduktionsmedizin wird in den Kontext gestellt, wie wenig man lange Zeit über menschliche Fortpflanzung wusste, was tatsächlich faszinierend ist, und wie viel sich im letzten Jahrhundert und insbesondere seit Ende der 70er Jahre verändert hat. Ein größerer Teil des Buchs handelt von Entwicklungen in den USA, wo die in Deutschland verbotene Eizellspende und Leihmutterschaft zugelassen sind und sich ein großer, fast unreglementierter Fortpflanzungsmarkt entwickelt hat.

Das Buch ist gut geschrieben und wird jedem, der sich für Reproduktionsmedizin interessiert und mehr darüber erfahren möchte, sicherlich Spaß bei der Lektüre bereiten. Andreas Bernard schildert plastisch Begegnungen mit Reproduktionsmedizinern, Samenbankinhabern, Spenderkindern, einer Leihmutter und Eltern. Dabei nimmt er die sachliche Perspektive eines Kulturhistorikers ein und bleibt auch bei der Darstellung der ethischen Probleme bei dieser Herangehensweise.

Aus Perspektive der Spenderkinder wäre eine tiefergehende Diskussion der ethischen Probleme wünschenswert gewesen: wie wirkt sich die Ausblendung des Dritten auf die entstandenen Familien aus, was ist eigentlich die Bedeutung genetischer Abstammung, was bewirkt die Bezahlung der „Spender“. Bei Lektüre des Buches kann man den Eindruck gewinnen, als sei alles schon einmal dagewesen – „Leih“mütter in der Bibel und Ammen als nicht-genetischverwandte Aufzieherinnen – und alles Aufhebens über entsprechende Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin übertrieben. Dabei wird nicht ausreichend gewürdigt, dass es die Menschen seit jeher beschäftigt, woher sie kommen und es auch historisch alles andere als egal war, wer Vater eines Kindes war (die Mutter war ja ohnehin klar). Und auch die Sklavinnen, die in der Bibel als „Leih“mütter dienten, hätten es verdient, dass auch ihre Perspektive gewürdigt wird.

Jedoch wird auch bei den eher neutralen Schilderungen deutlich, wie wenig das Kindeswohl im Fokus der Reproduktionsmedizin steht. Es geht lediglich darum, Eltern zu einem Kind zu verhelfen, die sich auch immer mehr dem Druck ausgesetzt sehen, alles zu versuchen was möglich ist. Genauso wird dargestellt, dass viele Reproduktionsmediziner nicht fähig sind, die mit ihrer Hilfe gezeugten Menschen als Subjekte mit eigenen Rechten, Gefühlen, und Wünschen wahrzunehmen. Andreas Bernard beschreibt auch ausführlich die Ausblendung des „Dritten“ durch die Eltern, die insbesondere von deutschen Reproduktionsmedzinern empfohlen wird.

Das Buch verlässt sich in vielen Teilen auf die Schilderung von Anekdoten und persönlichen Begegnungen und liest sich in Teilen eher wie eine Reportage. Das macht es angenehm zu lesen. Das beinhaltet aber gleichzeitig das Problem, dass Begegnungen mit einzelnen Repräsentanten wie einer Leihmutter oder einem Samenspender nicht repräsentativ sind. Trotzdem werden in dem Buch daraus oft bestimmte Einsichten gezogen. Diese Herangehensweise betrifft auch das Kapitel über uns Spenderkinder (ab S. 124). Der unvoreingenommene Leser kommt bei der Schilderung der vier Einzelfälle möglicherweise zu dem Schluss, dass Spenderkinder ein generelles Probleme mit ihrer Zeugungsweise haben. Nur kurz wird zum Schluss mit der Bezeichnung „genetische Lücke“ dargestellt, dass das eigentliche Problem die für viele Spenderkinder de facto vorhandene Anonymität der genetischen Väter ist, der „Spender“.

Korrektur der rechtlichen Aussagen

Aus unserer Perspektive müssen wir auch klarstellen, dass die Dokumentationsdauer für Spenderdaten in Deutschland nicht bis 2007 nur 10 Jahre betrug – die Berufsordnung für Ärzte wies jahrelang darauf hin, dass Daten länger aufbewahrt werden müssen, wenn angenommen werden muss, dass ein Grund hierfür besteht. Auch durfte Spendern in Deutschland nie – und nicht nur nach aktueller Rechtslage – Anonymität gewährt werden. Darauf weist schon der Beschluss der Ärztekammer von 1970 hin, mit dem Samenspenden nicht mehr als „nicht standesgemäß“ beurteilt wurden. Grund für das Verbot der Leihmutterschaft in Deutschland ist insbesondere auch, dass die Bestellung und Abgabe eines Kindes gegen Entgelt als Verletzung der durch Art. 1 Grundgesetz geschützten Würde des Kindes gesehen wird, weil der Leihmutterschaftsvertrag es zum Handelsobjekt macht (siehe zum Beispiel KG Berlin, Beschluss vom 01.08.2013, S. 8.).

Fakten zum Verein Spenderkinder

Da das Buch aus dem Jahr 2014 stammt, sind einige Fakten aus dem Buch über unseren Verein veraltet. Wir haben inzwischen deutlich mehr Mitglieder, auch Männer, und viele von uns haben inzwischen Verwandte über DNA-Datenbanken gefunden.

Die Vermutung des Autors, Spenderkinder studierten eher Psychologie, weil ihre Existenz so schwierig sei (S. 129), halten wir für etwas überfrachtet. Wir haben genauso viele Ärztinnen wie Psychologinnen als Mitglieder.

Eine der Forderungen unseres Vereins wird missverständlich dargestellt: wir haben nie gefordert, die Möglichkeit für Kinder abzuschaffen, die Vaterschaft des nicht genetischen Vaters nach § 1600 Abs. 1 Nr. 4 BGB anzufechten. Einen solchen, oft von den Wunscheltern geforderten Ausschluss lehnen wir sogar ausdrücklich ab und halten ihn für eine Verletzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung. Wir haben früher, wie auch in dem darauf folgendem Absatz im Buch richtig zitiert, die Abschaffung der Möglichkeit gefordert, den Spender als Vater rechtlich feststellen zu lassen. Das ist aber rechtlich nicht mit einer Anfechtung verbunden. Kann ein Spenderkind anfechten, aber niemand anderen als Vater feststellen lassen, ist es danach rechtlich vaterlos.

Ein lesenswertes Buch

Alles in allem handelt es sich um ein wirklich lesenswertes Buch. Sehr aufschlussreich ist auch das Kapitel über die deutschen Reproduktionsmediziner. Der Schlussthese von Andreas Bernard, dass sich die Familie nicht aufgrund von Reproduktionsmedizin auflöst, sondern dass sie die Integration von Dritten bewerkstelligt und somit eine Erweiterung des Familienbegriffs stattfindet, stimme ich zu. Leider bleibt es in Realität oft noch bei einer möglichen Familienerweiterung. Dieser Prozess findet oft nicht statt, weil Eltern die Abstammung von einem Dritten vor den Kindern geheim halten oder den Dritten Anonymität gewährleistet (oder aufgezwungen) wurde. Daher bleibt zu hoffen, dass auch mehr Eltern die Vorteile dieser erweiterten Familie erkennen werden.