Archiv des Autors: stina

Noch ein Wort und ich heirate Dich

Leider liefert das Thema Samenspende auch die Vorlagen für Fenrsehfilme der etwas kitschigeren und einfacheren Art. Auf Sat1 lief am 12. Juni der Film „Noch ein Wort und ich heirate Dich“, in den ich zufällig reingeschaltet habe.

Der Inhalt in der Kurzfassung: Mann kann keine Kinder bekommen, er und seine Frau wenden sich an eine Kinderwunschpraxis und sie bekommen mit einer Samenspende Zwillinge. Danach verlässt der Mann die Familie. Als die beiden Kinder 16 sind, möchte der Sohn seinen Personalausweis beantragen und benötigt dazu seine Geburtsurkunde, die ihm seine Mutter aber nicht geben möchte, da dort „Vater unbekannt“ steht. Die Kinder finden sie durch Zufall und wollen den Spender kennenlernen. Die Mutter geht in die Praxis (ob sie den Namen nun vom Arzt bekommen hat oder weil sie die Akten durchwühlt hat weiß ich nicht) und 2 Minuten später steht sie bei dem Spender auf der Arbeit. Nach vielen Irrungen werden die Mutter und der Spender ein
Paar.

Die Autoren haben es sich bei dem Film leider sehr einfach gemacht.
Hätte ich keine Ahnung von unserer wirklichen Situation, würde ich mich wundern, wie einfach es ist zu erfahren wer der Spender ist. Leider entspricht das zumindest bei uns älteren Spenderkindern, von denen keins die Identität des Spenders kennt. überhaupt nicht der Realität. Und dazu kommt das Klischee, dass die Kinder dann direkt in das Leben des Spenders platzen. Diese fiktive Situation gibt sicherlich spannenden Stoff her, gibt es aber in Deutschland bisher nicht! Und nach so einem Film sind vielleicht noch mehr Leute überzeugt, dass sich die Spender vor uns Kindern fürchten müssten, weil wir jederzeit unangekündigt bei ihnen klingeln und in ihr Leben platzen könnten.
Daniela

Zerrüttete Familien?

Wir sehen uns gelegentlich dem Vorwurf ausgesetzt, dass wir nur deswegen den Spender suchen und den momentanen Umgang mit Samenspende kritisieren, weil wir aus "zerrütteten Familien" kommen. Der Großteil der Spenderkinder habe an dieser Entstehungsweise nicht auszusetzen und würde nicht an die Öffentlichkeit gehen, weil sie das Thema nicht berührt.

Mal abgesehen davon, dass die unerkannten Spenderkinder auch nicht bewiesen sind, ist das natürlich nur eine Schutzbehauptung, um sich nicht näher mit unserer Kritik auseinandersetzen zu müssen. Kein Außenstehender kennt unsere Familien so gut, dass er sich ein Urteil erlauben könnte. Trotzdem, um dieses Argument auch einmal mit Fakten zu entkräften, haben wir eine kleine Umfrage unter uns Spenderkindern gemacht, an der sich 12 Mitglieder beteiligt haben.

Bei 7 von 12, also etwas mehr als die Hälfte, sind die Eltern getrennt oder geschieden. Das ist weit entfernt von 100 %. Als zerrüttet würde aber nur ein Drittel die eigene Familie einordnen und betont, dass dies aber auch an anderen Faktoren als der Samenspende liegen würde. Auch diejenigen, die ihre Familie als zerrüttet einordnen würden, meinen aber, dass dies nichts mit ihrem Wunsch zu tun hat, wissen zu wollen, wer der Spender war. Einhellig alle betonen, dass es hierbei um das Bedürfnis geht, mehr über sich zu erfahren und den Menschen, von dem wir die Hälfte unserer Anlagen geerbt haben, und dass unser Interesse alleine dadurch geweckt wurde, dass eine weitere Person an unserer Zeugung beteiligt war. Dieser Wunsch ist nicht so außergewöhnlich, sondern absolut menschlich. Die vielen Menschen, die sich für Ahnenforschung und ihren Stammbaum interessieren, kommen auch nicht aus zerrütteten Familien.

Von diesen Ergebnissen abgesehen ist der Begriff „zerrüttete Familien“ überhaupt schwierig. Ist das schon der Fall, wenn die Eltern geschieden sind, aber trotzdem gut miteinander auskommen? Und kann nicht auch eine Familie zerrüttet sein, in der die Eltern immer noch zusammen leben? Wie viel muss passieren, damit es sich nicht nur eine Familie handelt, in der einiges hätte besser laufen können, sondern um eine zerrüttete Familie? Und vielleicht sind einige Spenderkinder-Familien gerade deswegen zerrüttet, weil die Samenspende lange Zeit ein Familiengeheimnis war.

Das Problem an diesem Vorwurf ist, wie Antonija sehr schön ausgedrückt hat, dass uns unterstellt wird, uns ohne Selbstreflektion von unterdrückten Gefühlen und Wünschen leiten zu lassen. Im Grunde geht es hierbei (wieder mal) um die Rechtfertigung unseres Bedürfnisses der Kenntnis der eigenen Abstammung. Das nervt! Reicht es nicht anzuerkennen, dass wir dieses Recht, das alle anderen Menschen (auch) haben, auch für uns in Anspruch nehmen wollen? Müsste sich nicht eher die Gegenseite rechtfertigen, die uns dieses Recht abspricht?

Wenn es einen Hintergrund gibt, der uns alle verbindet, dann eher, dass wir alle nachdenkliche Menschen sind.
Stina

Teure Samenspende

Seit gestern befindet sich der Artikel Teure Samenspende auf Spiegel Online, in dem von einem lesbischen Paar berichtet wird, das von einem Mann eine private Samenspende erhalten hat und damit einen inzwischen vierjährigen Sohn bekommen hat. Angeblich war abgemacht, dass er nichts zahlen muss, das Kind aber ab und zu sehen kann. Jetzt verklagen ihn die Mütter auf Unterhalt. Der Artikel beschreibt gut das uns bekannte Dilemma, dass der Samenspender unterhaltspflichtig werden kann, sobald er als Vater festgestellt wird und wogegen wir uns aussprechen.

Leider fehlt in dem Artikel völlig die Perspektive des Kindes sowie ein Hinweis auf die fragwürdige Praxis vieler Spenderkliniken, die Spendernamen geheim zu halten. "Die rechtliche Situation ist für alle Betroffenen unbefriedigend. Samenspender wie Schröder haben damit zu rechnen, nachträglich in die Verantwortung für das Kind gezogen zu werden. Frauen, die Samen von fremden Spendern empfangen haben, müssen unter Umständen befürchten,
dass die genetischen Väter Anspruch auf die Kinder erheben. Mediziner und Samenbanken wiederum drohen Regresse, wenn sie den Samenspender nicht richtig über die rechtlichen Konsequenzen aufgeklärt haben."

Wie kommt Spiegel online eigentlich dazu, die Kinder nicht als Beteiligte zu sehen? Richtigerweise sollte da stehen: Die Kinder müssen befürchten, dass Spender, Mediziner und Samenbanken Anonymität des Spenders vereinbaren und dem Kind Steine in den Weg legen, sein Recht auf Kenntnis der genetischen Identität geltend zu machen.

Es wäre wünschenswert, wenn der geschilderte Fall dazu beiträgt, die rechtliche Situation zu ändern – leider wird so etwas ja oft erst gemacht, wenn jemand zahlen muss und die Mehrheit der Bevölkerung das ungerecht finden.
Stina

The Kids are alright?

Einer der großen Oscar-Favoriten ist der Film "The Kids are alright", der in Deutschland schon am 18. November 2010 angelaufen ist. In dem Film geht es um ein lesbisches Paar und seine beiden Teenager-Kinder, die durch eine Samenspende entstanden sind. Als die Tochter 18 wird, erfährt sie von der Klinik die Personalien des Spenders und nimmt Kontakt zu ihm auf. Dieser erwärmt sich mehr und mehr für die kinder und ihr Zuhause, was die Familie wiederum ziemlich durcheinander bringt.

Ich habe es leider immer noch nicht geschafft, mir den Film anzusehen. In der Presse wurde vor allem gelobt, dass ein lesbisches Paar mit Kindern von einem Samenspender als normal dargestellt wird. Was mir aber an der Geschichte gefällt, ist dass die Kinder als eigenständige Personen mit eigenen Wünschen dargestellt werden – und zumindest der Sohn möchte wissen, wer sein genetischer Vater ist. In den beiden anderen Filmen über Samenspende, die letztes Jahr herauskamen (The Backup Plan(Plan B für die Liebe und The Switch/Umständlich verliebt) waren es dagegen immer nur die Wünsche der Eltern die wichtig waren. Und was noch schöner in diesem Film ist: der Samenspender hat nichts dagegen, die mit seiner Hilfe gezeugten Kinder kennenzulernen und empfindet es sogar als schöne Erfahrung. Ich frage mich nur, was der Titel soll. Ist es ein Anspruch, dass es Kindern aus einer Samenspende gut zu gehen hat? Und was, wenn es nicht so ist?
Stina

Plötzlich Eltern – Trend Leihmutterschaft

Bei den Prominenten boomen die Leihmutterschaften: Elton John und sein Partner John Furnish (übrigens 63 bzw. 48 Jahre alt) haben es getan, Ricky Martin, Nicole Kidman, Sarah Jessica Parker auch.

Manche Klatschzeitschriften sprechen schon von einem "Leihmuttertrend". Bild.de beschreibt die Vorteile: "Keine Übelkeit, kein Baby-Bauch, keine überflüssigen Kilos nach der Geburt!" Und alle freuen sich über die süßen Babys. Nun ist kritische Berichterstattung bei Klatschzeitschriften und der Panorama-Seite auch nicht die Regel, es sei denn es geht um modische Fehlgriffe oder ein paar Kilo Gewichtzunahme.

Trotzdem, ein bisschen moralische Verortung könnte man auch bei solchen Magazinen erwarten. Für mich ist Leihmutterschaft in den meisten Fällen Kinderkauf und damit Menschenhandel. Anders als bei einer Eizellspende wird das Kind 9 Monate ausgetragen und dann gegen Geld weggegeben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man als Mutter/Leihmutter in dieser Zeit nicht irgend eine Beziehung zu dem Kind aufbaut. Und zumindest bei den homosexuellen Auftraggebern handelt es sich nicht um eine Leihmutter, sondern höchstwahrscheinlich um die Mutter, denn irgendwo muss die Eizelle ja herkommen. Ist eines eine eingesetzte Eizelle, gibt es neben der Leihmutter noch eine Eizellspenderin. Ob die Kinder zu dieser Frau je eine Beziehung aufbauen können, wird nicht angesprochen. Und wie werden sich die Kinder fühlen, wenn sie erfahren, dass sie von einer Frau zur Welt gebracht wurden, die sie dann gegen Geld abgegeben hat?

Dazu kommt noch: In Deutschland ist Leihmutterschaft nicht möglich, der Trend kann also nicht so einfach mitgemacht werden. Nach dem Embryonenschutzgesetz macht sich ein Arzt strafbar, der eine künstliche Befruchtung bei einer Leihmutter vornimmt. Wunscheltern und Leihmutter bleiben nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar, es kann sich aber immer noch um Kinderhandel nach § 236 Strafgesetzbuch handeln. Wenigstens die Süddeutsche hat hierauf hingewiesen und angesprochen, dass die Bezeichnung der Leihmutter durch Nicole Kidman als "Brutmaschine" ziemlich fragwürdig ist. Ansonsten werden jetzt wohl die Anfragen bei Kinderwunschkliniken nach diesem Service zunehmen….
Stina

EGMR stärkt Rechte leiblicher Väter

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem Kammerurteil am 21. Dezember 2010 entschieden, dass Deutschland das Recht auf Familie aus der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt hat, indem es einem Vater kein Umgangsrecht mit seinen leiblichen Töchtern gestattete, weil nach deutschem Recht als Vater unanfechtbar der Ehemann der Mutter gilt. Ein Gutachter hatte in dem deutschen Verfahren betont, es sei besonders wichtig für die Identität der Kinder, ihren Vater kennen zu lernen, da dieser Nigerianer sei. Das Gericht führt aus, selbst wenn man davon ausginge, dass die Beziehung des Vaters zu seinen Kindern in diesem Fall nicht an ein "Familienleben" heranreiche, so betreffe seine Beziehung zu den Kindern doch einen wichtigen Teil seiner Identität und damit sein "privates Leben", da er mit der Mutter zusammen gelebt habe und Interesse an der Kindern zeige.

Das Urteil ist natürlich positiv für die leiblichen Väter. Zu wissen, dass man ein Kind hat, und keine Beziehung zu ihm haben zu dürfen, muss schrecklich sein. Funktioniert es aber auch anders herum – haben Kinder auch aus dem Recht auf Familie der Europäischen Menschenrechtskonvention ein Recht darauf zu wissen, wer ihr genetischer Vater ist? Das hat das Gericht noch in dem Odievre Urteil, in dem es um die Praxis der anonymen Geburt in Frankreich ging, ganz anders gesehen und geurteilt, dass Frankreich die EMRK nicht verletzt, indem es eine anonyme Geburt und Adoption erlaubt. Vielleicht würde diese Entscheidung heute anders ausfallen.

Positiv ist auch, dass das Urteil anerkennt, dass es wichtig für die Identität der Kinder ist, ihren leiblichen Vater zu kennen. Ich hoffe aber, dass das nicht nur gilt, wenn der Vater ausländischer Abstammung ist. Für mich ist es wichtig, obwohl mein genetischer Vater vermutlich Deutscher ist.

Heribert Prantl sieht in der Süddeutschen in dem jetzigen Urteil einen Sprengsatz für Zehntausende Familien, in denen Kinder aus früheren nichtehelichen Beziehungen aufwachsen. Ich frage mich dagegen, warum ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters unbedingt ein Sprengsatz sein soll. Ist es nicht eher an der Zeit darüber nachzudenken, ob ein Kind nicht mehr als 2 Elternteile haben kann und dass Besitzdenken dem Kindeswohl entgegen läuft?
Stina

Samenspende als Fall in Boston Legal

In der US-amerikanischen Serie Boston Legal habe ich die erste wirklich gute Darstellung der Problematik von Samenspende für die Kinder gesehen. Die Folge heisst "Geschwisterliebe" (Englisch: The bad seed) und ist die 5. Folge der 5. Staffel. Auf Anwalt Jerry Espensen kommt seine Schwester zu, die ihren sechzehnjährigen Sohn mit einer Samenspende bekommen hat. Dessen erste Freundin ist durch eine Samenspende der selben Klinik gezeugt worden und sieht im ähnlich. Um herauszufinden, ob die beiden Halbgeschwister sind, erheben sie Klage gegen die Klinik auf Herausgabe der Unterlagen. In der mündlichen Verhandlung beruft sich die Klinik vor allem auf die mit den Müttern getroffenen Anonymitätsvereinbarungen. Daraufhin sagt der Sohn, dass er nie irgendeinen Vertrag unterschrieben hat, jetzt aber die Konsequenzen des Handelns derer tragen muss, die den Vertrag geschlossen haben. Das Gericht verurteilt die Klinik wegen der Anonymitätsvereinbarungen lediglich zur Auskunftserteilung darüber, ob die beiden Jugendlichen den gleichen Spender als genetischen Vater haben – im Ergebnis leider ja.

Hier besteht übrigens ein großer Unterschied des amerikanischen zum deutschen Recht: im deutschen Recht können Verträge nicht zu Lasten Dritter, des Kindes, geschlossen werden. Anonymitätsvereinbarungen sind daher unwirksam. Insgesamt aber, besonders wegen der Darstellung der Auswirkung auf die Kinder, die beste Darstellung die ich bisher gesehen habe. Ein bisschen schade finde ich nur, dass es gleich an dem Tabu-Thema Inzest aufgezogen wurde, denn das Recht auf Kenntnis der Herkunft besteht nicht nur wegen der Möglichkeit, sich zufällig in den Halbbruder zu verlieben.
Stina

Zeit-Dossier über Spenderkind Sonja

In dem heutigen Dossier der Zeit ist ein Artikel über unser Mitglied „Sonja“ mit dem Titel „Ich will wissen, wer er ist“. Sonja hat vor einem Jahr von ihrer Zeugung durch eine Samenspende bei der Praxis novum in Essen erfahren. Der Artikel von Henning Sussebach handelt von ihren Gefühlen nach dieser Offenbarung, aber auch, wie sie bisher vergeblich versucht, die Identität ihres genetischen Vaters von novum zu erfahren.

Sehr interessant sind wieder einige Aussagen von Prof. Katzorke, Mitbegründer von novum, der vor 1981 auch an der Uniklinik Essen tätig war. Besonders schlimm ist folgende Machtdemonstration: „Manchmal, auf Empfängen, stehen ihm junge Menschen gegenüber, und Katzorke denkt: Du ahnst gar nicht, dass auch du in meinem Labor entstanden bist.“ Schön auch, dass sein Hintergrund ein bisschen dargestellt wird: selbstverständlich Millionär, eine große private Kunstsammlung, für die er extra ein neues Haus gebaut hat, und er fährt einen Jaguar. Da fällt es doch leicht, anderen Menschen zu helfen, auch wenn die erzeugten Produkte, die Kinder, eine „Zeitbombe“ sind und irgendwann mit Fragen auf ihn zukommen.

Fortsetzung der eigenen Person im Kind

Ich habe heute in einem juristischen Aufsatz (Eser, Klin Med 1990, 1281) ein sehr wahres Zitat gefunden: .. "der Spender einer Keimzelle wird sich fragen müssen, inwieweit er sich von der genetischen Verantwortung von seinem zum Menschen gewordenen Erbgut freizeichnen kann. Keimspende ist nicht gleich Blutspende: Blut geht im fremden Körper restlos auf, die Keimzelle geht dort nicht nur auf, sondern setzt die eigene Person im Kind fort."
Stina