Archiv des Autors: stina

Fünfter Halbgeschwister-Treffer

Wir konnten uns vor ein paar Tagen über den fünften Halbgeschwister-Treffer in unserem Verein freuen.

Entdeckt wurde die Verwandtschaftsbeziehung über den US-amerikanischen DNA-Test Family Finder, den wir zur Suche nach Verwandten benutzen. Manuel war dort schon seit über drei Jahren registriert, Désirée ist erst vor ein paar Monaten zu unserem Verein gestoßen und hat den Test gemacht. Zwischen beiden besteht ein Altersunterschied von zehn Jahren.

Beide wurden in der Praxis von Dr. Poluda in München gezeugt – von der wir erst vier Mitglieder haben. Daran sieht man gut, dass weder das Alter entscheidend ist für die Beurteilung der Chance, einen Treffer zu haben, noch die Zahl der Spenderkinder von derselben Klinik, die bislang bei Family Finder registriert sind. Es ist immer ein bisschen Glück dabei, und für viele eher eine Investition in die Zukunft.

Manuel und Désirée freuen sich über den Austausch und planen auch ein Treffen. Und wir hoffen, dass noch viele Spenderkinder (und nicht nur unsere Mitglieder) den Test machen werden und wir uns noch über viele Treffer freuen können.

Europarat debattiert Leihmutterschaft – mit einer Reproduktionsärztin als Berichterstatterin

Am 15. März 2016 wird der Europarat den Bericht “Human Rights and ethical issues related to surrogacy” debattieren. Der dazugehörige Antrag aus dem Jahr 2014 lehnte kommerzielle Leihmutterschaft ab. Heikel ist jedoch die Berichterstatterin: die belgische Senatorin Petra De Sutter ist als Reproduktionsmedizinerin an der Durchführung von Leihmutterschaften am Universitätskrankenhaus Ghent beteiligt und vermittelt laut einem Bericht der Huffington Post auch Leihmutterschaften an die indische Reproduktionsklinik “Seeds of Innocence“.

Nach den Verhaltensregeln des Europarates für Berichterstatter dürfen diese eigentlich keine ökonomischen, kommerziellen, finanziellen, oder andere Interessen im beruflichen, persönlichen oder familiären Zusammenhang haben, die mit dem Thema des Berichts verbunden ist. Das diese Verpflichtungen bei einer beruflichen Vermittlung von Leihmutterschaften verletzt werden, ist offensichtlich. Wer an einer solchen Praxis mitwirkt, wird sie vermutlich für ethisch unbedenklich halten. Das Komitee für soziale Angelegenheiten, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung der parlamentarischen Versammlung des Europarates lehnte einen Befangenheitsantrag dennoch mit 21 zu 17 Stimmen ab.

Der Europarat1 ist eine internationale Organisation, die heute 47 Mitgliedsstaaten hat und die allgemeine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Förderung von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt verfolgt. Das wichtigste Abkommen im System des Europarates stellt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950 dar. Bei Verletzungen der durch die Konvention gewährleisteten rechte können Einzelpersonen eine so genannte Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen.

Das Europäische Parlament, das Parlament der Europäischen Union, hat Leihmutterschaft dagegen am 17. Dezember 2015 als Verletzung der Würde von Frauen verurteilt.  ((Nr. 115 „Condemns the practice of surrogacy, which undermines the human dignity of the woman since her body and its reproductive functions are used as a commodity; considers that the practice of gestational surrogacy which involves reproductive exploitation and use of the human body for financial or other gain, in particular in the case of vulnerable women in developing countries, shall be prohibited and treated as a matter of urgency in human rights instruments…“))

Es bleibt zu hoffen, dass sich auch der Europarat ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt – insbesondere weil auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention die Würde des Menschen schützen sollte, was beinhaltet dass Kinder kein Handelsgut sind.

  1. nicht zu verwechseln mit der Europäischen Union []

Buchrezension „Triplo X – ein Kinderwunschroman“ von Lucie Bach

Der Verlag hat uns netterweise ein Rezensionsexemplar des Buches „Triplo X – ein Kinderwunschroman“ zugeschickt. Leider kann ich über den Inhalt aber nicht viel Gutes berichten.

Die Story: die Hauptperson Marta hat ein X-Chromosom zu viel (Triplo X), kann deswegen selbst keine Kinder bekommen und entscheidet sich daher für eine Eizellspende in Spanien. Da das als Handlung etwas dünn ist, wird es noch damit garniert, (Achtung Spoiler) dass sie herausfindet, dass ihre als Kind verstorbene Schwester Selbstmord begangen hat, weil sie unter der Mutter litt. Die Kinderwunsch-Odyssee hätte als zweiseitige Betroffenheits-Story für eine Zeitschrift wie nido oder Brigitte vielleicht noch ganz gut funktioniert, ist aber auf über 200 Seiten nur ermüdend, besonders wenn es nachher darum geht, welche Schwangerschaftstests sie wann und wie macht, wie sie Schwangerschaft und Geburt erlebt und wie sie sich für den Namen des Kindes entscheidet.

Gewundert habe ich mich aber insbesondere über die Motivation, ein solches Buch zu veröffentlichen. Wenn man Sympathie für unfruchtbare Menschen wecken möchte, dann garantiert nicht mit so einer Hauptperson. Würde ich dagegen eine negative Schilderung schreiben wollen über eine Frau mit Kinderwunsch, die auf eine künstliche Befruchtung zurückgreift, würde sie genau so aussehen wie Marta. Sie hat nämlich eigentlich nur ein einziges Thema – sich selbst. Sie will Mutter werden, und deswegen muss das irgendwie funktionieren. Ohne Kind zu leben, ist für sie nicht vorstellbar. Die Motivation hierfür, die ausdrücklich genannt wird, ist, dass sie selbst eine so schlechte Mutter hatte, dass sie es selbst besser machen möchte. Dass ein Kind kein Mittel sein sollte, um die eigenen seelischen Wunden zu heilen, sollte eigentlich klar sein, wird aber nie hinterfragt. Sie hat eine stark überspannte Persönlichkeit, worunter auch ihr ganz sympathischer Mann im gesamten Buch leiden muss, wenn er sie immer wieder beruhigen muss.

Die Entscheidung für eine Eizellspende fällt Marta so: Bei Adoptiv- und Pflegekindern befürchtet sie, dass sie krank oder behindert sind. Also muss sie selbst eins bekommen. „In vielen Ländern der EU ist Eizellspende legal, praktiziert wird sie regelmäßig aber nur in Tschechien, Spanien und seit 2015 auch in Österreich. Die Tschechen betrügen uns bestimmt, vorverurteile ich, und die Österreicher müssen noch üben, also werden wir nach Spanien gehen, eine renommierte Kinderwunschklinik liegt auf Mallorca“. Genau, da ist dann ja auch schönes Wetter. Dass Eizellspenden in Österreich anders als in Spanien nicht anonym sind, ist nicht Teil ihrer Entscheidung. Nicht anonyme Eizellspenden sind auch in einigen anderen europäischen Ländern möglich – aber das wird im Buch noch nicht einmal thematisiert.

Die Perspektive des Kindes wird im gesamten Buch nicht angesprochen – es ist nur das Wesen, was sehnlichst erwünscht wird. Das Verbot der Eizellspende in Deutschland sieht Marta als Ausdruck einer patriarchalischen Gesellschaft, deren Entscheidungsträger weiterhin Männer sind. Dass das Verbot auch das Kind schützen soll, interessiert sie überhaupt nicht, bei Restriktionen kann es sich nur um Schikane handeln. Ethische Bedenken hat Marta wenig – „Skrupel steigen in mir hoch – aber die müssen weg, damit wir unser Mädchen holen können.“ Zur Anonymität von Eizellspenderinnen in Spanien sagt sie nur: „Damit wird unser Kind leben müssen und auch können. Wir werden ihm dabei helfen.“ Bleibt nur zu hoffen, dass das Kind diese Entscheidung dann auch so akzeptieren wird.

Ihr Mann hat nach dem ersten Beratungsgespräch auf Mallorca Zweifel, ob die Eizellspende das Richtige für sie ist. „Weißt Du, Du bist nun mal etwas labil, und ich kann nicht immer alles auffangen. Wir beide wissen nicht wie das sein wird für dich, wenn unser Kind meine Gene hätte, aber deine nicht, sondern die einer Unbekannten. Wirst du nicht doch neidisch sein, dich ausgegrenzt fühlen? Und für das Kind wird es auch nicht einfach, dass es seine biologische Mutter nie kennenlernen kann.“ Sehr wahre Bedenken – und was macht Marta? Setzt ihm ein Ultimatum, dass sie es notfalls alleine durchzieht. Das widerspricht natürlich diametral dem Ratschlag, dass beide Eltern voll hinter der Entscheidung für eine Gametenspende stehen müssen.

Nach der Lektüre des Buches hoffe ich nur, dass der Großteil der Kinderwunsch-Eltern in Deutschland anders als die Protagonistin ist und sich etwas tiefer gehende Gedanken macht und dass das Buch zum Nachdenken über die elternzentrierte Erfüllung eines Kinderwunsches durch Eizellspende anregt.

Spenderkinder bei der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses

Am 16. Oktober 2015 fand eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages statt zu einem Gesetzentwurf der Grünen (BT-Drucksache 18/3279). Dieser forderte, die bisherige Regelung in § 25a SGB V, wonach miteinander verheiratete Paare die Hälfte der kosten von bis zu drei künstlichen Befruchtungen erstattet wird, wenn der Samen des Ehemannes verwendet wird, auch auf unverheiratete Paare, Lebenspartner und Samenspenden zu erweitern.

Wir lehnen die Übernahme der Kosten von Samenspenden durch die gesetzliche Krankenversicherung ab, insbesondere weil Samenspenden bislang rechtlich nur unzureichend geregelt sind und insbesondere die Rechte der hierdurch gezeugten Menschen auf Kenntnis ihrer Abstammung nicht ausreichend geschützt sind. Eine finanzielle Förderung würde daher ein politisch völlig falsches Signal senden. Auch handelt es sich bei Samenspenden – anders als bei der homologen Insemination – nicht um eine Behandlung von Unfruchtbarkeit,
sondern um eine besondere Form der Familiengründung zu Dritt. Diese ist mit
psychologischen Herausforderungen verbunden, und sollte nur nach gründlicher
Aufklärung und Reflektion zu den damit verbundenen Herausforderungen eingegangen
werden – ähnlich wie eine Adoption. Eine solche gründliche Überlegung wird aber
voraussichtlich entfallen, wenn die gesetzliche Krankenversicherung die
Behandlungskosten für Samenspenden übernimmt und damit vermittelt, dass
hier kein Unterschied zu einer homologen Insemination bestünde, bei der ein von beiden
Wunscheltern genetisch abstammendes Kind gezeugt wird.

Bei der Anhörung habe ich für Spenderkinder drei Fragen der Parlamentarier beantwortet. Von der CDU/CSU wurde ich gefragt, was wir bei der Samenspende unter einem „bewussten Vorenthalten des genetischen Vaters“ verstehen und was dies für ein Spenderkind und seine Familie bedeutet, und was für psychologische Auswirkungen eine späte Aufklärung für die Betroffenen hat und ob dies vergleichbar mit den Erfahrungen Adoptierter ist. Die Linke hat uns nach der derzeitigen Rechtslage zwischen Spenderkind und Spender gefragt, welchen Reformbedarf wir sehen und ob es hierfür international vorbildliche Regelungen gibt.

Die meisten schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen waren eher kritisch gegenüber dem Gesetzentwurf, insbesondere wegen der Rechtslücken bei Samenspenden und wegen des offenen Rechtsbegriffs der „auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft“, bei der eine Kostenerstattung möglich sein soll. Das Schicksal des Gesetzentwurfs wird auf einer der nächsten Bundestagssitzungen entschieden – dass er abgelehnt werden wird, war aber auch schon vor der Anhörung relativ klar, weil er von der Opposition eingebracht wurde und außerdem recht hohe Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung bedeutet hätte.

Wir haben uns sehr über das Interesse der Parlamentarier an der Sicht unseres Vereins gefreut. Leider schloss direkt die nächste Anhörung an, so dass wenig Zeit für einen Austausch blieb, aber das Thema wird den Bundestag ganz sicher wieder beschäftigen.

Die Aufzeichnung der Anhörung kann man sich auf der Seite des Bundestages ansehen, genauso wie unsere ausführliche schriftliche Stellungnahme.

Termine im Bundestag

In der nächsten Woche sind wir gleich zwei Mal zu Veranstaltungen im Bundestag eingeladen.

Am Montag, den 12. Oktober veranstaltet die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen ein Fachgespräch zu „Änderungsbedarf im Abstammungsrecht“. Außer uns nehmen Vertreter des Deutschen Richterbundes, der Berliner Samenbank, von DI-Netz und Dr. Petra Thorn teil. Besprochen wird ein Antragsentwurf, der überlegt, Samenspenden über das Adoptionsverfahren zu regeln.

Am Mittwoch, den 14. Oktober, findet eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages zu einem Gesetzentwurf der Grünen vor, der eine Kostenübernahme von Behandlungskosten zur Samenspende durch die Gesetzliche Krankenversicherung fordert (Bundestags-Drucksache 18/3279). Mit uns sind einige andere Sachverständige eingeladen, deren schriftliche Stellungnahmen man auch nachlesen kann.

Wir freuen uns, unsere Anliegen im Bundestag vorstellen zu können und freuen uns auf viele spannende Diskussionen.

BGH: Wenn ein Mann in die Zeugung eines Kindes mit Samenspende einwilligt, ist er unterhaltsverpflichtet

Ein weiterer Samenspende-Fall hat heute den Bundesgerichtshof (BGH), Deutschland höchstes Gericht in Zivilsachen, beschäftigt. Ein siebenjähriges durch Samenspende gezeugtes Mädchen wurden gegen den ehemaligen Lebensgefährten ihrer Mutter Unterhaltsansprüche zugesprochen, weil er in die Samenspende eingewilligt hat (Pressemitteilung des BGH, Artikel in der FAZ).

Der Fall ist etwas atypisch: die Samenspende erfolge bei einem Hausarzt,  der Wunschvater besorgte die Samenspende selbst und vermerkte nur auf einem seitens des Hausarztes vorgelegten „Notfall-/Vertretungsschein“ handschriftlich: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!“

Der Fall zeigt eine weitere Rechtslücke bei Samenspenden auf. Sind die Wunscheltern verheiratet, gilt der Ehemann nach § 1592 Nr. 1 als Vater. Die Vaterschaft kann er bei einer Einwilligung in die Samenspende nicht anfechten (§ 1600 Absatz 5 BGB). Sind die Eltern aber nicht verheiratet, muss der Mann die Vaterschaft anerkennen. Das ist vor der Geburt möglich, aber nicht vor der Zeugung des Kindes (§ 1594 Absatz 4 BGB) – und damit auch nicht zeitgleich zur Einwilligung in die Samenspende. Überlegt es sich der Wunschvater also nach Zeugung des Kindes durch Samenspende anders und erkennt die Vaterschaft nicht an, hat das Kind keinen rechtlichen Vater – und damit auch keinen direkt Unterhaltsverpflichteten.

Der BGH hat die Einwilligung in die Samenspende nun gleichzeitig als Vertrag zu Gunsten des Kindes gewertet, aus dem sich für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht ergibt, wie ein rechtlicher Vater für dessen Unterhalt zu sorgen. Für die Einwilligung in die Samenspende bestehe kein Zwang zu einer besonderen Form.

Es ist positiv, dass der Bundesgerichtshof diese Lücke nun halbwegs geschlossen hat. Eine völlige Gleichberechtigung zu in eine Ehe hineingeborene Kinder wird damit aber nicht erreicht, denn das Kind wird nicht erbberechtigt sein. Und leider ist es ein weiterer Beispielsfall dafür, dass manche Menschen zu leichtfertig in eine Samenspende einwilligen, ohne die psychosozialen Herausforderungen zu sehen. Leidtragende ist vor allem das siebenjährige Mädchen das vom Wunschvater doch nicht so gewollt war, vermutlich ohne Vater aufwächst und mehrere Jahre keinen Unterhalt erhielt. Hoffentlich wird es einmal herausfinden können, wer der Samenspender war – Anspruchsgegner wird hier erneut der Wunschvater sein.

Der Gesetzgeber sollte daher endlich Samenspenden umfassend regeln (bis nächstes Jahr tagt noch der Arbeitskreis Abstammung, der hierzu Vorschläge machen soll). Dieser Fall zeigt, dass zu einer solchen Regelung unbedingt die Möglichkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung bei Samenspende gehören, eine verpflichtende Beratung der Wunscheltern vor einer Samenspende sowie dass nur speziell für Samenspende zugelassene Ärzte diese durchführen können.

Artikel in der SZ: Das Rätsel ihres Lebens

In der Süddeutschen Zeitung Online ist gestern der Artikel „Kinder von Samenspendern – Das Rätsel ihres Lebens“ erschienen, in dem Spenderkinder-Mitglieder Jule und Elisa ihre Geschichte erzählen sowie ihre Vermutung, dass sie Halbeschwestern sind. Die beiden haben sich über unseren Verein kennengelernt und stammen aus der Praxis von Herrn Dr. Kupka in Düsseldorf, der inzwischen verstorben ist.

Song „novum“ – eine Antwort an Samenbanken auf der ganzen Welt, die sich weigern, Spenderkinder über deren Herkunft zu informieren

Spenderkinder-Mitglied Kevin hat vor zwei Tagen seine neue Single ’novum‘ veröffentlicht. In dem Song, der nach der Klinik benannt ist, in der Kevin gezeugt wurde, schildert er seine Gefühle über den unbekannten genetischen Vater und die Ohnmachtsgefühle aufgrund dieses Nichtwissens. Es ist ein wunderschönes Lied, und Kevin hat eine unglaublich tolle Stimme.

Gleichzeitig hat Kevin eine Online-Suchaktion gestartet, um seinen Spender zu finden. Bitte teilt sein Suchvideo auf Youtube, damit er auf diesem Weg vielleicht Informationen über seinen Spender findet. Als kleines Dankeschön bietet Kevin allen, die seinen Appell über facebook oder andere sozialen Netzwerke teilen und ihm davon über facebook einen screenshot schicken, ’novum‘ kostenlos als MP3 or WAV an. Und was sehr berührend ist: unter beiden Videos finden sich sehr viele unterstützende Botschaften für Kevin.

Hier die Lyrics zu ’novum‘:

Verse 1:
Undercover for so long,
what have i become?
Empty, desolate I waste away in the bitterness.
In the broken dreams
in which i always seek my identity
that you stole from me.
What a nice design, Dr. Frankenstein!
Indeterminate, unidentified.

Pre-Chorus 1:
Strangers for so long.
Tell me where I belong.

Chorus 1:
I’m not gonna fall in line! (Who are you to own us all?)
No I’m not gonna waive this right! (Always wondering what if i knew…)
What if I knew…

Verse 2:
I’ve tried to let it go
but it numbs me not to know.
Yeah it numbs me! It haunts me!
In the mirrors! In the diaries!
All the compliments, the accomplishments
never weighed as much as the silence…

Pre-Chorus 2:
…of uncertainty for so long, but i will hold on.

Repeat Chorus 1

Bridge:
Who you really were – so familiar.
To look into the eyes that look just like mine…

Chorus 2:
No I’m… I’m gonna chase this light! (all the way until the end!)
I’m… I’m gonna win this fight! (no more wondering what if I knew)
What if I knew (the truth)

 

Rezension Abstammungsrecht 2.0

Vor einigen Wochen ist die juristische Doktorarbeit „Abstammungsrecht 2.0 – ein rechtsvergleichender Reformvorschlag vor dem Hintergrund der Methoden der künstlichen Befruchtung“ von Marc Alexander Voigt erschienen.1 Auf 274 Seiten wird ein „interessengerechten Lösungsansatz“ im Abstammungsrecht für Samen-, Eizell- und Embryonenspende und Leihmutterschaft diskutiert. Zusammengefasst sieht der Autor nur punktuellen Änderungsbedarf im Abstammungsrecht zur Berücksichtigung von Reproduktionstechnologien und schlägt auch immer gleich eine entsprechende Formulierung vor.

Zusammenfassung der geforderten Änderungen im Abstammungsrecht

Bei Samenspenden sind außer der Normierung eines Auskunftsanspruchs des Kindes die wichtigsten im Übrigen geforderten Änderungen die Möglichkeit der präkonzeptionellen Anerkennung durch den Wunschvater (momentan erst ab Zeugung möglich), um zu verhindern dass ein nicht mit der Mutter verheirateter Mann das Kind nach der Samenspende abredewidrig nicht anerkennt. Durch Reproduktionsmedizin gezeugte Menschen sollen außerdem einen Anspruch auf Klärung der Abstammung gegenüber dem potentiellen genetischen Elternteil erhalten. Momentan beinhaltet § 1598a BGB nur einen Anspruch auf Einholung eines Abstammungsgutachtens gegen die rechtlichen Eltern.

Im Fall einer Eizellspende wird das Kind der Wunschmutter bereits jetzt über § 1591 BGB erreicht, wonach Mutter eines Kindes immer die Frau ist, die es zur Welt gebracht hat. Als Änderung sollte das mit Eizellspende gezeugte Kind ein Recht zur Anfechtung der Mutterschaft und Feststellung der Eizellspenderin als genetischer Mutter erhalten.

Bei einer Leihmutterschaft, bei der die Wunschmutter auch genetische Mutter ist, soll das Kind wie bisher primär der Leihmutter zugeordnet werden. Die Wunschmutter soll die Mutterschaft nur anfechten können, wenn die Beteiligten der Anfechtung zustimmen. Das würde verhindern, dass einer Leihmutter gegen ihren Willen das Kind weggenommen werden kann, um den geschlossenen Vertrag zu erfüllen. Allerdings soll das Kind in diesem Fall ein Recht zur Anfechtung der Mutterschaft und zur Auskunft über die genetische Mutter haben. Bei einer Zuordnung zu den Wunscheltern soll das Kind einen Anspruch auf Nennung der Identität der Leihmutter haben.

Keinen Reformbedarf sieht der Autor bei der Ersatzmutterschaft, bei der die Wunschmutter mit dem Kind nicht genetisch verwandt ist. Hier soll die Mutter wie bislang auf die Erlangung der Elternstellung über Adoption verwiesen werden bzw. der Vater auf die allgemeinen Regeln des Abstammungsrechts.

Kritik

Die geforderten Änderungen des Abstammungsrechts sind aus meiner Sicht tatsächlich interessengerecht, insbesondere weil sie das Recht des Kindes berücksichtigen, die Zuordnung zu einem nicht genetischen Elternteil anfechten zu können sowie Auskunft über den genetischen Elternteil oder die austragende Mutter zu erhalten. Die Darstellung der derzeitigen Rechtslage ist stringent und angenehm kurz gefasst. Je nach Regelungsgegenstand wird Rechtsvergleich mit anderen europäischen Staaten vorgenommen, die Ergebnisse aber stets einer kritischer Betrachtung der Übertragungsmöglichkeit ins deutsche Recht unterzogen. Positiv ist auch, dass der Autor zahlreiche psychologische Studien zur Situation von durch Reproduktionsmedizin gezeugten Menschen und ihren Familien in seine Darstellung einbezieht. Damit gelingt ihm eine vielschichtige Darstellung der Interessenlagen der Beteiligten. So wird zum Beispiel darauf hingewiesen, dass Spender teilweise Interesse an den durch sie gezeugten Kindern zeigen oder dass das Verbot von anonymen Samenspenden nicht zu einem Absinken der Spenderzahl führt.

Der Autor beweist bei einigen Fragen einen deutlichen Willen zu einer eigenen Position und stellt sich gegen die derzeitige vorherrschende juristische Meinung. Das zeigt sich besonders deutlich an der Diskussion um das Recht eines mit Samenspende gezeugten Kindes, die Vaterschaft seines rechtlich-sozialen Vaters anzufechten. Hier bezieht der Autor mit einer umfassenden eigenen Prüfung Stellung, dass der oft geforderte Ausschluss des Rechts zur Vaterschaftsanfechtung nicht mit den Rechten des Kindes zu vereinbaren sei. Er bemerkt sehr richtig, dass eine solche Statusbestandsgarantie für den rechtlich-sozialen Vater auf Kosten des Kindes gehen würde, dem jegliches Recht abgesprochen würde, seine rechtliche, wahrheitswidrige Zuordnung ändern zu lassen – ein Recht, das jedem natürlich gezeugten Kind ohne weiteres zusteht. Damit würden die Rechte des künstlich gezeugten Kindes gänzlich den Interessen der Eltern untergeordnet. Den oft gezogenen Vergleich zur Adoption lehnt er ab, weil diese auf einer gerichtlichen Entscheidung und einer Kindeswohlprüfung beruht. Nicht richtig ist in diesem Zusammenhang jedoch der vom Autor erweckte Eindruck, dass Vaterschaftsanfechtungen nicht vorkommen würden. In unserem Verein gibt es einige wenige Fälle, in denen Spenderkinder die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters erfolgreich angefochten wurde. Die Urteile wurden allerdings nicht veröffentlicht, da sie von der rechtlichen Seite her wenig interessant sind.

Ähnlich unabhängig bezieht der Autor zu der ebenfalls oft erhobenen Forderung Stellung, die Feststellung des Samenspenders als Vater des Kindes auszuschließen.2 Hier weist er auf das Recht hin, die genetische Vater-Kind Beziehung abbilden zu lassen, insbesondere da dem Kind die Umstände seiner Zeugung nicht zur Last gelegt werden könnten. Auch sei es inkonsequent, den Spender von jeglicher Verantwortlichkeit für das Kind zu befreien.

Komme ich zu den Punkten, die mir nicht so gut gefallen:

Am Anfang der Kapitel zu Eizellspenden, Leih- und Ersatzmutterschaft plädiert der Autor jeweils für die nicht-kommerzielle Zulassung der Verfahren.3 Dafür verwendet er fast ausschließlich Argumente der Befürworter von Reproduktionsmedizin – dass angeblich keine psychischen Schäden bei den Kinder entstehen, dass die Spenderinnen und Leihmütter selbst entscheiden müssten, ob sie ihre Gesundheit gefährden möchten, und es auch viele altruistische Spenderinnnen und Leihmütter gäbe. Hier fehlt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Gegenargumenten – und bei der Leihmutterschaft insbesondere mit der Frage, ob sie das Kind nicht zum Handelsobjekt macht und damit gegen seine grundrechtlich geschützte Würde verstößt. Bei der Würde des Menschen handelt es sich um einen objektiven, unverfügbaren Wert, auf dessen Beachtung der einzelne nicht wirksam verzichten kann und zu dessen Schutz der Staat verpflichtet ist.4 Dagegen nur einzuwenden, dass das Kind ansonsten nicht existieren würde und schon deswegen seine Würde nicht verletzt werden könne, ist ein Argument, mit dem man auch Klonen rechtfertigen könnte. Es übersieht auch, dass nicht die Zeugung an sich die Würde verletzt, sondern die dieser vorhergehende und zugrundeliegende Absprache, das Kind nach der Geburt abzugeben, womit es zum Objekt gemacht wird.

Die Plädoyers für die Zulassung der Verfahren sind aber auch unnötig, weil der Autor am Anfang der Arbeit richtigerweise argumentiert, dass die Frage der Zulassung nichts mit der abstammungsrechtlichen Frage zu tun habe. Der Raum, den diese Ausführungen einnehmen, fehlt an anderer Stelle: der Beschränkung auf heterosexuelle Paarbeziehungen. Zwar hat der Autor wohl Recht, wenn er anführt, dass bei Befruchtungen in homosexuellen Paarbeziehungen völlig neue Probleme aufwirft. Aber angesichts der fast erreichten rechtlichen Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften kann man schlecht eine Neugestaltung des Abstammungsrechts vorschlagen, ohne die Auswirkungen auf homosexuelle Partnerschaften und ihren Familien zumindest zu diskutieren.

Auch an anderer Stelle wird die Arbeit der am Anfang geäußerten Intention, insbesondere die Interessen der mit Reproduktionsmedizin gezeugten Kinder zu berücksichtigen, aus meiner Sicht nicht immer ganz gerecht. Der Aussage, dass eine Dokumentation durch eine zentrale Behörde oder zumindest den behandelnden Arzt einem Vermerk im Geburtenbuch vorzuziehen sei, kann angesichts der immer noch niedrigen Aufklärungsquote von Spenderkindern und den häufig auftretenden Problemen bei der Dokumentation durch Ärzte nicht nachvollzogen werden. Für den Anspruch von durch Samenspende gezeugten Menschen auf Kenntnis ihrer Abstammung favorisiert der Autor stattdessen ein Modell, wonach der Spender der Bekanntgabe seiner Daten gegenüber dem Kind widersprechen kann, woraufhin der Arzt (oder ein Register) dann eine gerichtlich überprüfbare Interessenabwägung trifft. Der einzige Vorteil im Vergleich zur jetzigen Rechtslage wäre, dass es einen gesetzlich normierten Anspruch gibt.

Die Annahme, dass die Interessen der Eltern und des Spenders durch die Möglichkeit zum Widerspruch berücksichtigt werden müssen, ist meines Erachtens so nicht zutreffend. Der Autor begründet sie mit der Rechtsprechung über Auskunftsansprüche aus den Generalklauseln des §§ 242 und 1618 BGB sowie mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Auskunftsanspruch gegen die Mutter auf Nennung des genetischen Vaters. Gerade bei letzterer ist jedoch die Intimsphäre der Mutter betroffen – was bei dem Auskunftsanspruch gegen den Arzt zu einer künstlichen Befruchtung, auf die sich die Beteiligten bewusst eingelassen haben, wohl eher nicht der Fall ist. Der BGH lehnt außerdem in seinem Urteil vom Januar 2015 ein schützenswertes Interesse der Eltern ab, dass ein Kind, das bereits von seiner Zeugung durch Samenspende weiß, nicht die Personalien des Spenders erfährt. Deswegen ist überhaupt nicht ersichtlich, weswegen der Autor den Eltern ein Widerspruchsrecht zugestehen möchte. Nicht bedacht wird, dass der Gesetzgeber möglicherweise durch einen ausdrücklichen Auskunftsanspruch eine Interessenabwägung vorweg nehmen kann. Dafür würde zum Beispiel sprechen, dass in der Diskussion bislang kein Interesse des Spenders genannt wurde, bei dem man annehmen kann, dass es das Interesse des Kindes an Kenntnis der Abstammung überwiegen würden.

Zuletzt wäre es an einigen Stellen notwendig gewesen, die von Ärzten genannten Zahlen und rechtlichen Ansichten etwas kritischer zu hinterfragen – insbesondere bei dem Kapitel über die praktischen Probleme des Auskunftsanspruchs wird ein von einem Arzt verfasster Artikel mehrfach zitiert, der spätestens durch die Urteile des OLG Hamm vom Februar 2013 und des BGH vom Januar 2015 überholt sein dürfte.

Alles in allem handelt es sich aber um ein interessantes und engagiertes Buch, dem zu wünschen ist, dass es auch unter den Mitgliedern des Arbeitskreises Abstammung Leserinnen und Leser findet.

  1. Marc Alexander Voigt, Abstammungsrecht 2.0 – ein rechtsvergleichender Reformvorschlag vor dem Hintergrund der Methoden der künstlichen Befruchtung, Peter Lang Verlag 2015, ISBN 978-3-631-66363-9. []
  2. In dem Zusammenhang werden die Forderungen unseres Vereins auf S. 116 etwas missverständlich wiedergegeben: wir schlagen einen Ausschluss von Unterhalts- und Erbansprüchen des Kindes gegenüber dem Samenspender vor, nicht aber einen Ausschluss der Möglichkeit, den Samenspender als Vater feststellen zu lassen. []
  3. Interessant ist aber, dass er in dem Zusammenhang auf Großbritannien hinweist, wo nur nicht-kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist, aber der Leihmutter eine Aufwandsentschädigung gezahlt wird. Bei der Bezifferung der Aufwandsentschädigung fällt allerdings auf, dass diese mit 10.000-15.000 Euro fast genauso hoch ist wie die übliche Bezahlung einer US-amerikanischen Leihmutter, wo kommerzielle Leihmutterschaft in einigen Staaten erlaubt ist. Ein solcher Betrag dürfte zumindest für Frauen mit keinem oder nur einem geringen Erwerbseinkommen einen hohen Anreiz ausüben. []
  4. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.12.1981 – 1 C 232/79 (Münster) = NJW 1982, 664 (Peep-Show); Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 21.05.1992 – 7 L 1271/92 = NVwZ 1993, 98 (Zwergenweitwurf). []

Leseempfehlung: Kind auf Bestellung von Eva Maria Bachinger

„Das Recht auf ein Kind ist kein Kampf um ein Menschenrecht, sondern ein Slogan des Konsumdenkens.“

Am 27. Juli 2015 ist das Buch „Kind auf Bestellung: Ein Plädoyer für klare Grenzen“ der österreichischen Journalistin Eva Maria Bachinger erschienen (Deuticke Verlag, 256 Seiten, ISBN-13: 978-3552062962), für das auch Spenderkinder-Mitglieder Greta und Anne interviewt wurden. Im Gegensatz zu den bislang erschienenen Büchern zu diesem Thema bezieht Eva Maria Bachinger wünschenswert klar zu den ethischen Fragen der Reproduktionsmedizin Stellung und zwar aus einer kindzentrierten und feministischen Perspektive. Sie spricht sich für klare moralische und ethische Grenzen aus und eine stärkere Beachtung des Kindeswohls.

Besonders hervorzuheben an ihrem Buch ist, dass es ihr nicht um ein – oft von konservativer Seite geäußertes – Unbehagen an der Ersetzung des Zeugungsaktes durch medizinisch unterstützte Verfahren geht. Sie prangert stattdessen die moralische Sehschwäche der Befürworter einer ungebremsten Ausweitung reproduktionsmedizinischer Verfahren wie Social Freezing, Eizellspende, Leihmutterschaft und PID an, die mit niedlichen Kinderfotos, glücklichen Elternbildern und einer Rhetorik der Selbstbestimmung und des Altruismus überdecken, dass es sich hierbei um eine globalisierte Industrie handle, die eine Ausbeutung ärmerer Frauen beinhalte und Kinder zur Ware degradiere. Sie führt dabei eine Reproduktionsmedizin vor, die je nach Bedarf mal mehr, mal weniger biologistisch argumentiert und die über medizinische Indikationen hinweg alle Dienstleistungen anbieten möchte, die möglich sind, und eine Öffentlichkeit, die dieses offensichtliche Machtgefälle nicht durchschaut und einer Ideologie des Alles-muss-möglich-sein folgt.

Die angebliche Absolutheit des Kindewunsches

Eva Maria Bachinger kritisiert an der Debatte zur Reproduktionsmedizin, dass der Kinderwunsch oft verklärt werde und Ambivalenzen ausgeblendet würden (hierzu ein Leseauszug bei Zeit online).

Bezeichnend dafür sei, dass der Kinderwunsch absolut und damit als resistent gegenüber Abwägungen und Grenzen gesetzt werde, indem er als genetisch veranlagt und natürlich beschrieben werde. Das Natürlichkeitsargument werde jedoch vor allem dann eingesetzt, wenn ein Standpunkt unumstößlich sein solle. Dass Ironische daran sei, dass gerade die Reproduktionsmedizin nichts mehr der Natur überlasse. Mit solchen Argumenten werde aber vor allem gerechtfertigt, dass es undenkbar sei, vom Kinderwunsch loslassen zu können und man diesen daher mit allen Mitteln weiterverfolgen müsse. Kinderlosigkeit werde teilweise mit einer lebensbedrohenden Krankheit gleichgesetzt, wenn Reproduktionsmediziner darauf hinweisen, dass Krebspatienten und Diabetikern auch mit allen verfügbaren Mitteln geholfen werde. Bei dieser Machbarkeitsdogmatik werde jedoch kaum thematisiert, dass bei einer IVF die Schwangerschaftsrate nicht einmal 30 Prozent beträgt.

Fehlende öffentliche Kritik an der Kinderwunschindustrie

Ironischerweise würden Methoden von Social Egg Freezing bis Leihmutterschaft geradezu als feministischer Sieg gefeiert. Die legitime Frage, wo die Selbstbestimmung von Eizellspenderinnnen und Leihmüttern bleibt, bleibe dabei außen vor. Besonders tragisch für Feministinnen sei, dass sie mit ihrem Wunsch nach Selbständigkeit diese neuen Märkte beflügelt hätten, weil gerade die Reproduktionsmedizin die Nachfrage berufstätiger und älterer Frauen befriedigt. Auch wenn vor allem Frauen, die frühzeitig in die Wechseljahre gekommen seien oder aufgrund einer Krebserkrankung unfruchtbar seien, als Nutznießerinnen von Eizellspende genannt werden, sei klar, dass vor allem der Anteil von älteren Frauen zunehme und sie in Wahrheit die primäre Zielgruppe seien.

Bachinger weist zu Recht darauf hin, dass Fortpflanzungsmedizin ein absolutes Elitenthema ist. Es sei vor allem eine Minderheit wohlhabender Weißer, die sich mit dieser Methode fortpflanze, deren einziger Vorteil darin bestehe, dass sie über mehr Geld verfügten. Grenzen würden überschritten, Fortpflanzung aufgeteilt, eine Art Zulieferkette ermögliche das Auslagern von Risiken und Gefühlen sowie geringe Kosten. Die soziale Kluft zu Billiglohnländern werde wie in vielen Branchen geschickt genutzt und mit Autonomierhetorik schöngeredet. Dabei gehe es nicht nur darum, dass nationale Gesetze bestimmte Methoden verbieten würden, sondern darum, dass es in ärmeren Ländern auch mehr Spender und Leihmütter gebe. Man gehe dahin, wo das Angebot am billigsten ist, auch wenn die eigenen Gesetze liberal seien.

Da die Reproduktionsmedizin den Gesetzen eines globalisierten Marktes folge, sei es insbesondere erstaunlich, dass kaum Kritik von linker Seite geäußert werde – Kritik an der Kinderwunschindustrie gelte als ewiggestrig, homophob, fortschrittsfeindlich.

Das Märchen vom Altruismus

Bemerkenswert klar arbeitet Eva Maria Bachinger dabei die widersprüchliche Argumentation einer Kinderwunschindustrie heraus, die die reine Menschenfreundlichkeit von Eizellspenderinnen und Leihmüttern beschwört. Zwar möge dies durchaus vorkommen, aber der Anteil sei marginal.

Dabei sei, so Bachinger, bei der Eizellspende eine Aufwandsentschädigung, die die tatsächlichen Mühen und Risiken für die Spenderin miteinbeziehe, so hoch, dass sie einen eindeutigen finanziellen Anreiz zur Spende und Gesundheitsgefährdung ausübe. Mit einer unabhängigen Aufklärung der Spenderin über die Gesundheitsgefahren könne man kaum rechnen, so lange dieser mit einer Eizellspende erheblich verdiene.

Auch bei der in Österreich und Deutschland verbotenen Leihmutterschaft wird stets der angeblich vorhandene Altruismus der Leihmutter bemüht. Angaben über die Motive von Leihmüttern müssten jedoch mit Vorsicht zur Kenntnis genommen werden, da sie meist durch Ärzte und Auftraggeber gefiltert seien. Gegen die Selbstlosigkeit sprächen aber viele andere Faktoren: wieso sollen Verträge mit Klagemöglichkeiten nötig sein? Leihmutterschaft im privaten Bereich ist in Österreich und Deutschland nicht verboten, sie ist nur nicht einklagbar. Da eine Leihmutter ihre Selbstbestimmung erheblich einschränkt und eine Schwangerschaft physisch stark belastend und immer noch nicht völlig ungefährlich ist, sei es aber logisch, dass so eine Vereinbarung meistens nur mit Vertrag und Geld funktioniere. Bezeichnend sei auch, dass die Leihmütter stets an der unteren Einkommensskala angesiedelt seien, während die Inanspruchnahme einer Leihmutter nur eine Option für Wohlhabende sowohl aus dem Westen als auch aus dem Land selbst sei.

Richtigerweise ist, so Bachinger, Leihmutterschaft wie Kinderarbeit ein Phänomen der Armut. Würde man den Frauen die Möglichkeit eröffnen, sinnvolle, erfüllende Aufgaben anzunehmen, mit fairen Arbeitsbedingungen und akzeptablen Löhnen, würden sie wohl zugreifen. Die Realität sei, dass sie diese Möglichkeiten nicht haben. Diese Tatsache mit dem Gerede von Altruismus oder Autonomie zu beschönigen, sei aber unverfroren und zynisch.

Bei der Beschwörung der altruistischen Spende geht es nach Bachinger eigentlich darum, das Unbehagen über die Kommerzialisierung und das Machtgefälle aufzulösen zwischen denen, die es sich leisten können, Reproduktionstechnologien in Anspruch zu nehmen und jenen, die ihre Körper und ihre Gesundheit hierfür zur Verfügung stellen. Die Vorstellung, dass der Zeugung des Kindes der Erwerb des Samens oder einer Eizelle vorangeht, dass man ein Kind also kaufen kann, widerspräche in höchstem Maße dessen Würde. Dass viele die Degradierung des Kindes zur Ware nicht mehr als schlimm empfänden, zeige nur, wie nutzenorientiert und ökonomisch die Gesellschaft inzwischen denke.

Und die Kinder?

Anhand der Debatte und ihrer Darstellung in den Medien kommt Eva Maria Bachinger zu dem Schluss: Die Interessen der Kinder werden bei der Debatte über reproduktive Freiheit und Kinderwunsch in den Hintergrund gedrängt. In Sonnntagsreden seien alle für die Rechte der Kinder, aber wenn es konkret werde, scheinen die Rechte der Erwachsenen wichtiger zu sein. Nur das könne die wiederkehrende Forderung eines Rechts auf ein Kind oder die Verteidigung von anonymen Spenden erklären.

Ein Recht auf ein Kind gebe es aber genauso wenig wie ein Recht auf einen Ehemann oder eine Ehefrau.

Wo bleibt die öffentliche Debatte?

Insofern kann man diesem hervorragenden Buch nur so viele Leser wie möglich wünschen. Eva Maria Bachinger stellt die richtigen Fragen und gibt gut durchdachte Denkanstöße – – und man fragt sich unweigerlich, warum das bislang so wenige getan haben.

Mein einziger Kritikpunkt an diesem hervorragenden Buch ist, dass an den Stellen, in denen auf Äußerungen, Artikel und Studien verwiesen wird, Fußnoten wünschenswert gewesen wären, um diese auch selbst nachlesen zu können.

Zu der Beobachtung, dass von linker Seite kaum Kritik an der Reproduktionsmedizin geäußert wird, passt leider, dass Eva Maria Bachingers Buch bislang nur in der FAZ und der Welt besprochen wurde. Dabei sollten die hierin angesprochenen Themen gerade auch eher links orientierte Medien wie die Süddeutsche, die Zeit oder die taz interessieren. Vermutlich würde dies aber bedeuten, dass gerade diese Zeitungen dann einige in der Vergangenheit erschienen Artikel über Eizellspende und Leihmutterschaft kritisch hinterfragen müssten.

Insofern bleibt zu hoffen, was die Welt in ihrer hervorragenden Kritik des Buches als Schlusssatz schreibt: „Wer als Anbieter oder Kunde problematischer reproduktionsmedizinischer Dienstleistungen in Zukunft weiterhin so gewollt blauäugig zu Werke geht wie bisher, hat nach Bachingers Buch keine Entschuldigung mehr.