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Zwei weitere Halbgeschwister-Treffer!

Im Verein Spenderkinder gibt es zwei weitere Halbgeschwistertreffer.

Den ersten Treffer gab es zwischen Laura und Alexandra, zwei unserer jüngeren Mitglieder von der Klinik Novum aus Essen. Laura hat vor zwei Jahren Auskunft über ihren genetischen Vater von Novum erhalten. Als sich jetzt auch Alexandra an Novum wandte, erhielt sie den Hinweis, dass bereits eine Auskunft an ein anderes Spenderkind erteilt wurde. Sie wandte sich an unseren Verein, und wir haben gerne den Kontakt vermittelt.

Der zweite Treffer ist zwischen Martina und Michaela, die beide in den späten 70er Jahren bzw. Anfang der 80er Jahre  in der Praxis des inzwischen verstorbenen Dr. Mutke in München gezeugt wurden. Martina war bereits bei dem DNA Test 23andme registriert und nutze die Möglichkeit, ihre Daten zu dem DNA-Test Family Finder zu exportieren, den unser Verein zur Verwandtensuche nutzt – und da gab es dann direkt einen Treffer! Von der Praxis Dr.
Mutke haben wir insgesamt mit Martina und Michaela nur drei Mitglieder. Gerade dieser Erfolg zeigt, dass viel Glück dabei ist, einen Treffer zu haben, und dass eine Registrierung auch dann Sinn macht, wenn erst wenige andere Spenderkinder aus dieser Praxis bekannt sind.

Damit haben wir jetzt insgesamt sieben Halbgeschwistertreffer in unserem Verein. Hoffentlich werden es bald noch mehr!

Eintragung des Spenders in das Geburtenregister – das Recht von Spenderkindern auf Wahrheit

Der Verein Spenderkinder fordert – wie viele Spenderkinder auch aus anderen Ländern – seit mehreren Jahren, dass der Name des Samenspenders in das Geburtenregister eingetragen wird.1 Dies entspricht der Regelung bei Adoptierten, bei denen die Geburtseltern im Geburtenregister eingetragen sind. Bei Eheschließungen muss dem Standesamt fast immer ein Auszug aus dem Geburtsregister vorgelegt werden, weil in diesem – anders als in der Geburtsurkunde – Auskunft über die genetische Abstammung gegeben wird. Das Standesamt kann anhand dieses Auszugs dann prüfen, ob Ehehindernisse bestehen, um Inzest auszuschließen.

Bei Adoptierten hat die Eintragung der Geburtseltern im Geburtenregister dazu geführt, dass geschätzt 90-95 % der Adoptierten über ihre Herkunft von den Adoptiveltern aufgeklärt werden.2 Neben einer umfangreichen Vorbereitung auf diese Form der Familiengründung trägt hierzu bei, dass die Adoptiveltern wissen, dass die Chance sehr hoch ist, dass die Kinder ihre Abstammung in Zukunft auch ohne ihre Mitwirkung erfahren können. Die Aufklärungsrate bei Spenderkindern ist nach einhelliger wissenschaftlicher Meinung deutlich niedriger und Studien zufolge nur zwischen 10 bis 30 % (siehe hierzu der Beitrag „Aufklärungsquote von Spenderkindern in Deutschland – was ist bekannt?„). Schon dies ist ein wichtiger Grund für den Verein Spenderkinder, die Eintragung zu fordern – viel zu viele unserer Mitglieder haben die schmerzhafte Erfahrung machen müssen, erst als Erwachsene über ihre Abstammung von einem Samenspender aufgeklärt zu werden. Alle unserer Mitglieder haben die Aufklärung über ihre Abstammung aber auch als befreiend empfunden – und dieses Recht auf Wahrheit sollte geschützt werden.

Widerstand von Seiten der Eltern, der Berater und der Ärzte

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat im Januar einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem unter anderem gefordert wird, dass die Tatsache der Zeugung durch eine reproduktionsmedizinische Maßnahme (aber nicht der Name des Samenspenders) im Geburtenregister vermerkt wird. In einer gemeinsamen Stellungnahme zu dem Antrag lehnen DI-Netz, BKiD und AK DI diese Forderung vehement ab. Sie bringen dagegen vor, dass ein Eintrag des Samenspenders im Geburtenregister international ohne Vorbild sei und unpassend wäre, weil das Geburtenregister nur die (früheren) rechtlichen Eltern enthalten würde. Einen Nachweis der Verbindung zu einer höheren Aufklärungsrate gäbe es nicht, die Zwangsaufklärung könne sogar schädlich sein. Zuletzt gäbe es ein Recht der Spenderkinder auf Nichtwissen. Diese Argumente sind allesamt nicht zutreffend.

Was bedeutet der Eintrag im Geburtenregister?

Ein Eintrag des Spenders im Geburtenregister bedeutet nicht, dass die Tatsache, dass jemand ein Spenderkind ist und wer der genetische Vater ist, unmittelbar in der Geburtsurkunde steht. Ein Auszug aus dem Geburtenregister und eine Geburtsurkunde sind verschiedene Dokumente. Die Geburtsurkunde ist ein Dokument, dass relativ häufig vorgelegt werden muss, teilweise auch bei Anmeldungen oder Vertragsabschlüssen. Sie enthält die rechtlichen Eltern, entsprechend wird sie nach einer Adoption neu ausgestellt. Ein Auszug aus dem Geburtenregister ist dagegen nur für wenige Vorgänge erforderlich. Die meisten deutschen Standesämter fordern diesen für die Anmeldung zur Eheschließung,3 um prüfen zu können, ob das Paar genetisch zu eng verwandt ist und damit Ehehindernisse bestehen. Ein Recht auf Einsicht in das Geburtenregister besteht nur bei einem „rechtlichen Grund“. Den haben nur die unmittelbar von einem solchen Auszug Betroffenen – also die Person selbst, ihre Nachkommen und die Eltern, aber keine Unbeteiligten.

Aufgabe des Geburtenregisters ist es, Auskunft über die genetischen Eltern zu geben

Anders als von DI-Netz, BKiD und AK DI behauptet, ist es Sinn des Geburtenregisters, die genetischen Eltern nennen. Anders wäre einer der Zwecke des Geburtenregisters, Ehehindernisse zu prüfen, um Inzest zu verhindern, auch gar nicht erfüllbar. Die Eintragung des Spenders würde daher in dieses System passen.

Tatsächlich ist bei Adoptionen der Geburtsvater meist der frühere rechtliche Vater. Der Grund hierfür ist aber, dass rechtliche Vaterschaft in Deutschland von der Abstammung abhängt (die Adoption ist eine Ausnahme und wird daher auch von einem Gericht ausgesprochen).4 Diese Zuordnung auf Grund der Abstammung gilt auch bei Adoptierten fort. Zwar erlöschen bei Adoptierten mit der Adoption bestehende Verwandtschaftsverhältnisse (§ 1755 Absatz 1 Satz 1 BGB). Auch ein adoptierter Mensch kann die Vaterschaft seines Geburtsvaters anfechten und einen anderen Mann als genetischen Vater feststellen lassen. Dieser wird dann auch entsprechend im Geburtenregister nachgetragen. Begründet wird dies damit, dass nicht nur ein faktisches, sondern trotz der Adoption auch ein rechtliches Interesse des Kindes an der Feststellung der Vaterschaft besteht.5 Solche Änderungen durch Anfechtung oder Feststellung würden im Geburtenregister nachvollzogen werden – rechtlicher Vater bleibt in diesem Fall nach wie vor der Adoptivvater. Das zeigt, dass das Geburtenregister sehr wohl die genetischen Eltern enthalten soll.

Vorbilder in Victoria und Irland

Es ist auch nicht zutreffend, dass ein Eintrag im Geburtenregister bisher in keinem anderen Land vorgesehen ist. Im australischen Bundesstaat Victoria wird seit 2008 im Register für Geburten Todesfälle und Heiraten eingetragen, wenn das Kind durch eine Eizell- oder Samenspende entstanden ist. Möchte das Kind einen Auszug aus dem Register, erhält es einen Anhang, in dem steht, dass mehr Informationen über die Geburt erhältlich sind. Eine Abschrift dieses Vermerks kann nur das Spenderkind selbst ab dem Alter von 18 Jahren erhalten.6 Um die Informationen zu erhalten, muss eine weitere Nachfrage gestellt werden.

Auch Irland hat sich im Jahr 2015 für die Lösung entschieden, bei einer Zeugung durch Samen- oder Eizellspende einen Vermerk im „Register of Births“ anzubringen, dass zusätzliche Informationen verfügbar sind, und diesen Vermerk dem über 18jährigen Kind auszuhändigen, wenn es eine Abschrift aus dem Register beantragt.7

Nebenbei bemerkt wäre „das gibt es bislang nicht “ auch kein wirklich gutes Gegenargument. In den meisten Ländern werden Regelungen zur Fortpflanzungsmedizin nach wie vor stark elternzentriert getroffen. Es wäre schön, wenn Deutschland einen anderen Weg wählen würde.

Das Recht auf richtige und zutreffende öffentliche Urkunden

Durch den Eintrag in das Geburtenregister würde das Geburtenregister eine wichtige weitere Funktion erfüllen: die eines Rechts auf richtige und zutreffende öffentliche Urkunden. Spenderkinder äußern oft ein Bedürfnis, die Frage einer bestehenden genetischen Vaterschaft nicht nur für sich selbst zu klären, sondern diese Antwort auch in öffentlichen Dokumenten zum Ausdruck zu bringen. Unabhängig von einer möglicherweise existenten sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater stört sie, dass öffentliche Dokumente falsche Tatsachen über ihre Abstammung enthalten. In Großbritannien und Australien haben durch Samenspende gezeugte Menschen daher Verfahren angestrengt, um den rechtlichen Vater von ihren Geburtsurkunden entfernen zu lassen8. So äußert der durch eine Samenspende gezeugte Biologe Damian Adams aus Australien, dass es für ihn wichtig ist, dass seine Nachkommen nicht auf eine falsche Spur geschickt werden, wenn sie Ahnenforschung betreiben. Und nicht zuletzt kann nur der Eintrag des biologischen Elternteils inzestuöse Verbindungen verhindern.9

Auch Eltern von Spenderkindern haben die Bedeutung von richtigen und zutreffenden Urkunden teilweise erkannt. So fordert die Gründerin des US-amerikanischen Donor Siblings Registry, Wendy Kramer, dass in öffentlichen Dokumenten sowohl die genetischen wie auch die rechtlichen Eltern genannt werden.10

Eintrag in das Geburtenregister bedeutet starken Anreiz zur Aufklärung des Kindes

DI-Netz, BKiD und AK DI bezweifeln in ihrer Stellungnahme, dass der Eintrag im Geburtenregister überhaupt positive Effekte haben könne. Es sei nicht gewährleistet, dass Eltern zur Verhinderung unfreiwilliger Entdeckung das Kind vorsorglich lieber selbst aufklären würden. Die Entdeckung des Eintrags könne für nicht-aufgeklärte Spenderkinder sogar eine traumatisierende Information darstellen. Überhaupt stelle dies eine Bevormundung der Eltern dar.11

Dem ist insofern zuzustimmen, als dass es wohl keine Maßnahmen gibt, die gewährleisten, dass Eltern ihre durch Samenspende gezeugten Kinder über deren Abstammung aufklären. Aber es gibt Anreize, die die Wahrscheinlichkeit der Aufklärung durch die Eltern deutlich erhöhen können. Hierzu gehören nicht nur positive Anreize wie eine bessere Beratung, sondern auch negative Konsequenzen wie die die gesteigerte Möglichkeit einer unfreiwilligen Entdeckung der tatsächlichen Abstammung durch das Kindes. Anders ist kaum zu erklären, weswegen die Aufklärungsquote bei Adoptierten, bei denen die Geburtseltern im Geburtenregister eingetragen sind, mit 90-95 % relativ hoch ist. DI-Netz, BkiD und AK-DI verschließen hier aber lieber ganz die Augen, indem sie entgegen den Ergebnissen internationaler Studien bezweifeln, dass es bei der Aufklärung von Spenderkindern überhaupt ein Problem gäbe.

Eine unfreiwillige Entdeckung der Abstammung durch eine Samenspende kann eine sehr schmerzhafte Erfahrung darstellen. Aber der Fehler liegt hier nicht in der Tatsache der Aufklärung durch Dritte oder einem Geburtenregistereintrag, sondern in dem Schweigen oder den Lügen der Eltern. Und wenn man die Wahrscheinlichkeit des Schweigens oder Lügens dadurch verringern kann, dass die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung steigt, würden voraussichtlich weniger Spenderkinder diese schmerzhafte Erfahrung machen. Viele Eltern wiegen sich hier immer noch in einer falschen Sicherheit. Mehrere Mitglieder unseres Vereins haben durch einen Abgleich der Blutgruppen, Dokumente oder Dritte von ihrer tatsächlichen Abstammung erfahren – und zwar zu so ungünstigen Zeitpunkten wie während einer Schwangerschaft, kurz nach der Entbindung, nach dem Tod des sozialen Vaters oder kurz vor einer wichtigen Prüfung.

Vielleicht sollte man auf diejenigen Personen hören, die wie einige von uns die Erfahrung einer unfreiwilligen Entdeckung selbst gemacht haben: Auch wenn es eine schmerzhafte Erfahrung war, haben wir bislang von keinem Spenderkind den Wunsch gehört, dieses Wissen rückgängig zu machen. Trotz aller Enttäuschung waren alle froh darüber, die Wahrheit erfahren zu haben und nicht mehr mit einer Lüge zu leben. Viele waren auch erleichtert, weil sie schon zuvor das Gefühl gehabt hatten, etwas würde in ihrer Familie nicht stimmen und die Auflösung ihnen bestätigte, dass sie ihren Gefühlen doch trauen können. Der Staat sollte Spenderkinder bei ihrem Recht auf Wahrheit unterstützen.

Eltern haben bei einem Eintrag ins Geburtenregister nach wie vor die Wahl, zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise sie ihre Kinder aufklären. Eine Bevormundung der Eltern durch einen solchen Eintrag ins Geburtenregister kann man nur dann sehen, wenn man eigentlich der Meinung ist, dass die Autonomie der Eltern höher wiegt als das Recht der Kinder auf Kenntnis ihrer Abstammung und dass Eltern auch entscheiden können sollten, ihre Kinder NICHT aufzuklären.

Ein Recht auf Nichtwissen gibt es logisch nicht

Bei einer Regelung wie bei Adoptierten, den Namen des genetischen Vaters im Geburtenregister festzuhalten, sehen DI-Netz, BkiD und der AK DI das Recht des Spenderkindes auf Nichtwissen beeinträchtigt. Dass es ein solches Recht auf Nichtwissen als negative Kehrseite des Rechts auf Kenntnis der Abstammung überhaupt gibt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil „Heimliche Vaterschaftstest“ angezweifelt, weil die Nichtkenntnis anders als die positive Kenntnis der Abstammung dem Einzelnen mit der Information nicht die Möglichkeit eröffne, sich zu konkreten Personen in Beziehung zu setzen und den persönlichen familiären Zusammenhang zu erfahren, an dem sich die eigene Identität ausrichten könne.12

Davon abgesehen ist es aber unwahrscheinlich, dass nur die Nennung eines Namens ein Spenderkind belastet, weil es plötzlich mehr weiß, als es eigentlich wollte. Zwar sagen viele Spenderkinder, dass allein die Kenntnis des Namens ihres genetischen Vaters ihnen viel bedeuten würde. Auf der anderen Seite ist ein Name aber nicht wirklich aussagekräftig – wer tatsächlich mehr über seine Abstammung wissen möchte, wird sich für Informationen über den genetischen Vater wie Aussehen, Größe, Haarfarbe, Beruf, und gesundheitliche Belastungen interessieren. Wer kein Interesse an dem Spender hat, wird nur durch die Kenntnis des Namens des genetischen Vaters wenig Wissen dazugewinnen – er oder sie kann sich weiterhin dafür entscheiden, nicht mehr wissen zu wollen. Ein Name kann aber bereits entscheidend dazu beitragen, Inzest-Fälle zu verhindern.

Fazit

Der Eintrag des Spenders in das Geburtenregister ist notwendig, weil Spenderkinder in Bezug auf ihre Abstammung ein Recht auf zutreffende öffentliche Urkunden haben. Auch wird nur durch einen solchen Anreiz in einem Register, in das die meisten Menschen während ihres Lebens Einsicht begehren möchten (und das ist der große Unterschied zu einem Samenspender-Register), ein starker Anreiz auf die Eltern ausgeübt wird, ihre Kinder über ihre Abstammung von einem Samenspender aufzuklären.

Hinter dem Widerstand von DI-Netz, BKiD und AK DI, den Spender im Geburtenregister eintragen zu lassen, lassen sich zwei Beweggründe vermuten:

1. Die Autonomie der Eltern nicht aufzuklären wird höher bewertet als das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung. Es wirkt halbherzig, wenn diese Organisationen vermeintlich für die Aufklärung der Kinder über deren Entstehungsweise eintreten, jegliche gesetzliche Regelungen aber ablehnen, die dahingehend Druck auf die Eltern ausüben könnten.

2. Die Autonomie der Eltern, ihr Kind als vollständig „eigenes“ zu erleben ohne sich mit der Existenz eines anderen genetischen Elternteils des Kindes zu beschäftigen, wird höher bewertet als die Anerkennung der tatsächlichen Herkunft des Kindes. Es wirkt einer psychologischen Verdrängung der Eltern Vorschub leistend, wenn eine wahrheitsgemäße Dokumentation der genetischen Vaterschaft in öffentlichen Dokumenten abgelehnt wird.

Eine treffende Entgegnung hierzu stammt aus dem bereits erwähnten Artikel von Wendy Kramer und ist ein Zitat aus der Diskussion zu dem Thema auf dem Donor Siblings Registry:
„Eine Geburtsurkunde ist kein Eigentumsnachweis. Es ist der Nachweis über die Geburt eines Kindes, bedeutend mit woher sie kommen, und sollte nicht von irgendeinem Ego beeinflusst werden. Die biologischen Tatsachen sollten aufgezählt werden, damit dass Kind wissen wird, woher es genetisch stammt und niemand es anlügen kann.13

  1. so auch Wellenhofer, Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Vor § 1591 Rn. 35. []
  2. Interview mit Dagmar Trautner, Vorsitzende des Bundesverbandes der Pflege- und Adoptivfamilien, Welt Online vom 10.12.2009; Knobbe, Psychologische Aspekte der Adoption, FPR 2001, 309, 316. []
  3. siehe zum Beispiel die Seite des Bezirksamtes Berlin-Charlottenburg. []
  4. Die grundsätzliche Abhängigkeit von der genetischen Abstammung zeigt sich daran, dass die Zuordnung angefochten werden kann, wenn sie über eine Vermutung (wegen bestehender Ehe mit der Mutter) oder aufgrund einer rechtlichen Erklärung (Anerkennung) erfolgte, tatsächlich aber keine genetische Verwandtschaft besteht. []
  5. Maurer, in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012; § 1755 Rn. 24. []
  6. sec. 153-17B Assisted Reproductive Treatment Act 2008, S. 125. []
  7. section 39, Children and Family Relationships Act (2015). []
  8. The Telegraph vom 2. Juli 2014: My life was a lie . . . now gaps on my birth certificate tell the truth about my father; ABC Net: Birth certificate should be honest to aid genealogy, donor-conceived SA man Damien Adams says. []
  9. Kramer/Lado, Biology and Birth Certificates: Our Right to Accuracy, Donor Siblings Registry Blog: “Ignorance of biological ancestry has had devastating consequences for some. In the U.K. in 2008, twins that were separated and adopted at birth unknowingly married each other. This year, a Brazilian couple found out after they were married that the same biological mother had abandoned them as infants. Random meetings amongst half siblings are not uncommon, as many have reported in the news, and on the Donor Sibling Registry.“ []
  10. Kramer/Lado, Biology and Birth Certificates: Our Right to Accuracy, Donor Siblings Registry Blog. []
  11. S. 3. []
  12. BVerfG, Urteil vom 13. 02. 2007 – 1 BvR 421/05, Rn. 70 ff. []
  13. Kramer/Lado, Biology and Birth Certificates: Our Right to Accuracy, Donor Siblings Registry Blog: „A birth certificate is not a deed of ownership. It is a record of a child’s birth, as in who they came from & should not be about anyone’s ego. The biologicals should absolutely be listed, so that the child will know who they came from genetically and nobody is able to lie to them.“ []

Bundesverfassungsgericht: Kein Anspruch auf rechtsfolgenlose Abstammungsklärung

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern entschieden, dass aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Kenntnis der Abstammung nicht folgt, dass ein Verfahren zur sogenannten rechtsfolgenlosen Klärung der Abstammung gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater bereit gestellt werden muss.

Eine rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung bedeutet, dass hiermit keine Konsequenzen in dem rechtlichen Status der Beteiligten folgen, wie zum Beispiel eine Feststellung als Vater oder eine Anfechtung der Vaterschaft. Bislang gibt es eine solche rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung nach § 1598a BGB nur zwischen den Personen, die rechtlich als Vater, Mutter und Kind gelten.

Geklagt hat eine 1950 als uneheliches Kind geborene Frau, deren Antrag auf Feststellung der Vaterschaft im Jahr 1954 gerichtlich abgelehnt wurde. Daher war ihr der Weg über die Vaterschaftsfeststellung verwehrt, die mit modernen DNA-Tests möglicherweise anders als im Jahr 1954 ausgefallen wäre. Nachdem im Jahr 2008 mit § 1598a BGB ein „Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“ geschaffen wurde, versuchte die Klägerin eine Klärung ihrer Abstammung über diese Norm. § 1598a BGB sieht jedoch nur einen Klärungsanspruch des Kindes gegenüber seinem rechtlichen Vater vor (und umgekehrt), nicht jedoch gegenüber dem vermuteten leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater.

Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass es vom Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt sei, wenn die rechtsfolgenlose Klärung der Abstammung nur innerhalb der rechtlichen Familie, nicht aber gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater besteht. Die Betonung des Ausgestaltungsspielraums des Gesetzgebers bedeutet jedoch, dass es verfassungsrechtlich möglich ist, dass der Gesetzgeber einen Anspruch auf rechtsfolgenlose Abstammungsklärung auch außerhalb der rechtlichen Familie einführt – er ist verfassungsrechtlich nur nicht dazu verpflichtet.

Der Verein Spenderkinder fordert den Gesetzgeber daher auf, ein Verfahren zur rechtsfolgenlosen Vaterschaftsfeststellung zuführen. Auch für Menschen, die durch Samenspende entstanden sind, kann die rechtsfolgenlose Klärung der genetischen Vaterschaft wichtig sein. Spenderkinder haben zwar einen Anspruch gegenüber dem Arzt oder der Reproduktionsklinik, die Identität des Samenspenders zu erfahren. Es kann jedoch unklar sein, ob dieser tatsächlich der genetische Vater ist. In der Vergangenheit wurden zum Beispiel in einem Zyklus die Proben von zwei verschiedene Spender bei der Mutter verwendet. Der Weg über eine normale Vaterschaftsfeststellung ist nur möglich, wenn man keinen rechtlichen Vater hat. Der Großteil der durch Samenspende gezeugten Menschen hat aber einen rechtlichen Vater und möchte bzw. kann diese rechtliche Vaterschaft auch nicht anfechten

Es kann nicht die Lösung sein, dass eine endgültige Klärung der Vaterschaft mittels eine DNA-Tests nur dann erreicht werden kann, wenn die Vaterschaft des bisherigen rechtlichen Vaters angefochten wird. Grundrechte der betroffenen Männer können dadurch geschützt werden, dass begründete Anhaltspunkte für die Vermutung vorgebracht werden müssen und Ansprüche auf Grund von Vermutungen ins Blaue als unbegründet abgelehnt werden können.

Urteil des BVerfG zu Abstammungsklärung am Dienstag

Das Bundesverfassungsgericht wird am Dienstag sein Urteil zur so genannten rechtsfolgenlosen Abstammungsklärung verkünden – ein wichtiges Urteil auch für Spenderkinder.

Der Fall: Geklagt hat eine 1950 als uneheliches Kind geborene Frau. Im Jahr 1954 nahm sie (bzw. ihre Mutter für sie) den vermuteten Vater auf „Feststellung der blutsmäßigen Abstammung“ in Anspruch. Das Landgericht wies die Klage nach Einholung eines Blutgruppengutachtens und eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens im Jahr 1955 rechtskräftig ab. Die Klägerin erfuhr mit 14 von ihrer Mutter von der Identität des Mannes. Daraufhin bestand ein sporadischer Kontakt zu ihm, der jedoch nach dem Tod der Mutter im Jahr 1972 abbrach. Die Frage ihrer Abstammung ließ sie jedoch nicht los. In den Medien wird sie so zitiert, dass sie ein Bekenntnis des genetischen Vaters möchte, dass sie zu ihm gehört (mehr zu ihr persönlich in einem SZ-Artikel). 2009 forderte sie ihn zu einem DNA Test auf, er lehnte jedoch ab. Die Klage wurde vom Amtsgericht und dem Oberlandesgericht abgewiesen.

Der rechtliche Hintergrund: Im Jahr 1988 hat das Bundesverfassungsgericht die herrschende juristische Meinung bestätigt, dass es ein Recht auf Kenntnis der Abstammung gibt. Nach dem Urteil „Heimliche Vaterschaftstests“1 wurde in das Bürgerliche Gesetzbuch im Jahr 2008 ein „Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung“ eingefügt. Nach allgemeiner Auffassung gewährt § 1598a BGB jedoch nur einen Klärungsanspruch des Kindes gegenüber seinem rechtlichen Vater, nicht jedoch gegenüber dem vermuteten leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater. In einem solchen Fall bleibt eine Klage auf rechtliche Feststellung der Vaterschaft. Die ist aber nur möglich, wenn keine rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes besteht und ist mit rechtlichen Verpflichtungen wie Unterhaltszahlungen verbunden. Im Fall der Klägerin ist außerdem eine Feststellung der Vaterschaft wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils aus dem Jahr 1954 nicht möglich. Zu dieser Zeit waren Abstammungsgutachten jedoch  ungenauer als heute.

Bei der Frage um die so genannte folgenlose Abstammungsklärung handelt es sich um ein wichtiges Urteil auch für Spenderkinder: viele Spenderkinder haben einen rechtlichen Vater, dessen Vaterschaft sie nicht anfechten möchten. Wenn sie die Identität ihres Spenders genannt bekommen (oder begründete Vermutungen haben, wer er sein könnte), haben sie jedoch keine rechtlichen Möglichkeiten, den Spender dazu zu bewegen, die Frage der genetischen Abstammung auch tatsächlich durch einen DNA Test zu klären. Genauso wenig haben sie eine Möglichkeit öffentlich festzuhalten, wer ihr genetischer Vater ist. Durch Samenspende gezeugte Menschen äußern oft ein Bedürfnis, die Frage einer bestehenden genetischen Vaterschaft nicht nur für sich selbst zu klären, sondern diese Antwort auch in öffentlichen Dokumenten zum Ausdruck zu bringen. Unabhängig von einer sozialen Beziehung zum rechtlichen Vater stört sie, dass öffentliche Dokumente falsche Tatsachen über ihre genetische Abstammung enthalten.2

Das Bundesverfassungsgericht verhandelte am 24. November 2015 öffentlich zu der Verfassungsbeschwerde. Welche Richtung das Bundesverfassungsgericht einschlagen wird, ist noch nicht klar. Nach dem Anwalt der Klägerin habe das Gericht anerkannt, dass es viele Fälle wie den der Klägerin gebe und dass sich daraus ein dringender Klärungsbedarf ergebe. Doch das Gericht habe auch zu bedenken gegeben, dass DNA-Tests potenzieller Väter nicht „ins Blaue hinein“ gefordert werden dürften. Auch müssten bei einer so festgestellten Vaterschaft die Folgen auf das soziale Umfeld des Vaters bedacht werden.

Der Verein Spenderkinder hofft, dass das Bundesverfassungsgericht sich grundsätzlich für einen Anspruch auf Vaterschaftsklärung als Teil des Rechts auf Kenntnis der Abstammung aussprechen wird. Dass die Klägerin 65 Jahre alt ist und diese Frage immer noch klären möchte, zeigt, welchen hohen Stellenwert die Frage der Abstammung für Menschen besitzen kann. Es ist richtig, dass andere Personen davor geschützt werden müssen, ins Blaue hinein mit Ansprüchen auf DNA-Tests überzogen zu werden. Dieser Schutz sollte aber auch in den Details eines solchen Anspruchs umgesetzt werden können. Etwas ähnliches gibt es auch schon im derzeitigen § 1598a BGB: Nach dessen Absatz 3 setzt das Gericht das Verfahren aus, wenn und solange die Klärung der leiblichen Abstammung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des minderjährigen Kindes begründen würde.

  1. Urteil vom 13. 02. 2007 – 1 BvR 421/05 = NJW 2007, 753. []
  2. The Telegraph vom 2. Juli 2014: My life was a lie . . . now gaps on my birth certificate tell the truth about my father, http://www.telegraph.co.uk/news/10978332/My-life-was-a-lie-…-now-gaps-on-my-birth-certificate-tell-the-truth-about-my-father.html; ABC Net vom Birth certificate should be honest to aid genealogy, donor-conceived SA man Damien Adams says http://www.abc.net.au/news/2015-07-20/sperm-donor-not-reflected-on-birth-certificate-damien-adams/6634734; Kramer/Lado, Biology and Birth Certificates: Our Right to Accuracy, Donor Siblings Registry Blog https://www.donorsiblingregistry.com/blog/?p=618 []

Fünfter Halbgeschwister-Treffer

Wir konnten uns vor ein paar Tagen über den fünften Halbgeschwister-Treffer in unserem Verein freuen.

Entdeckt wurde die Verwandtschaftsbeziehung über den US-amerikanischen DNA-Test Family Finder, den wir zur Suche nach Verwandten benutzen. Manuel war dort schon seit über drei Jahren registriert, Désirée ist erst vor ein paar Monaten zu unserem Verein gestoßen und hat den Test gemacht. Zwischen beiden besteht ein Altersunterschied von zehn Jahren.

Beide wurden in der Praxis von Dr. Poluda in München gezeugt – von der wir erst vier Mitglieder haben. Daran sieht man gut, dass weder das Alter entscheidend ist für die Beurteilung der Chance, einen Treffer zu haben, noch die Zahl der Spenderkinder von derselben Klinik, die bislang bei Family Finder registriert sind. Es ist immer ein bisschen Glück dabei, und für viele eher eine Investition in die Zukunft.

Manuel und Désirée freuen sich über den Austausch und planen auch ein Treffen. Und wir hoffen, dass noch viele Spenderkinder (und nicht nur unsere Mitglieder) den Test machen werden und wir uns noch über viele Treffer freuen können.

Europarat debattiert Leihmutterschaft – mit einer Reproduktionsärztin als Berichterstatterin

Am 15. März 2016 wird der Europarat den Bericht “Human Rights and ethical issues related to surrogacy” debattieren. Der dazugehörige Antrag aus dem Jahr 2014 lehnte kommerzielle Leihmutterschaft ab. Heikel ist jedoch die Berichterstatterin: die belgische Senatorin Petra De Sutter ist als Reproduktionsmedizinerin an der Durchführung von Leihmutterschaften am Universitätskrankenhaus Ghent beteiligt und vermittelt laut einem Bericht der Huffington Post auch Leihmutterschaften an die indische Reproduktionsklinik “Seeds of Innocence“.

Nach den Verhaltensregeln des Europarates für Berichterstatter dürfen diese eigentlich keine ökonomischen, kommerziellen, finanziellen, oder andere Interessen im beruflichen, persönlichen oder familiären Zusammenhang haben, die mit dem Thema des Berichts verbunden ist. Das diese Verpflichtungen bei einer beruflichen Vermittlung von Leihmutterschaften verletzt werden, ist offensichtlich. Wer an einer solchen Praxis mitwirkt, wird sie vermutlich für ethisch unbedenklich halten. Das Komitee für soziale Angelegenheiten, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung der parlamentarischen Versammlung des Europarates lehnte einen Befangenheitsantrag dennoch mit 21 zu 17 Stimmen ab.

Der Europarat1 ist eine internationale Organisation, die heute 47 Mitgliedsstaaten hat und die allgemeine Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Förderung von wirtschaftlichem und sozialem Fortschritt verfolgt. Das wichtigste Abkommen im System des Europarates stellt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) von 1950 dar. Bei Verletzungen der durch die Konvention gewährleisteten rechte können Einzelpersonen eine so genannte Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen.

Das Europäische Parlament, das Parlament der Europäischen Union, hat Leihmutterschaft dagegen am 17. Dezember 2015 als Verletzung der Würde von Frauen verurteilt.  ((Nr. 115 „Condemns the practice of surrogacy, which undermines the human dignity of the woman since her body and its reproductive functions are used as a commodity; considers that the practice of gestational surrogacy which involves reproductive exploitation and use of the human body for financial or other gain, in particular in the case of vulnerable women in developing countries, shall be prohibited and treated as a matter of urgency in human rights instruments…“))

Es bleibt zu hoffen, dass sich auch der Europarat ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt – insbesondere weil auch nach der Europäischen Menschenrechtskonvention die Würde des Menschen schützen sollte, was beinhaltet dass Kinder kein Handelsgut sind.

  1. nicht zu verwechseln mit der Europäischen Union []

Buchrezension „Triplo X – ein Kinderwunschroman“ von Lucie Bach

Der Verlag hat uns netterweise ein Rezensionsexemplar des Buches „Triplo X – ein Kinderwunschroman“ zugeschickt. Leider kann ich über den Inhalt aber nicht viel Gutes berichten.

Die Story: die Hauptperson Marta hat ein X-Chromosom zu viel (Triplo X), kann deswegen selbst keine Kinder bekommen und entscheidet sich daher für eine Eizellspende in Spanien. Da das als Handlung etwas dünn ist, wird es noch damit garniert, (Achtung Spoiler) dass sie herausfindet, dass ihre als Kind verstorbene Schwester Selbstmord begangen hat, weil sie unter der Mutter litt. Die Kinderwunsch-Odyssee hätte als zweiseitige Betroffenheits-Story für eine Zeitschrift wie nido oder Brigitte vielleicht noch ganz gut funktioniert, ist aber auf über 200 Seiten nur ermüdend, besonders wenn es nachher darum geht, welche Schwangerschaftstests sie wann und wie macht, wie sie Schwangerschaft und Geburt erlebt und wie sie sich für den Namen des Kindes entscheidet.

Gewundert habe ich mich aber insbesondere über die Motivation, ein solches Buch zu veröffentlichen. Wenn man Sympathie für unfruchtbare Menschen wecken möchte, dann garantiert nicht mit so einer Hauptperson. Würde ich dagegen eine negative Schilderung schreiben wollen über eine Frau mit Kinderwunsch, die auf eine künstliche Befruchtung zurückgreift, würde sie genau so aussehen wie Marta. Sie hat nämlich eigentlich nur ein einziges Thema – sich selbst. Sie will Mutter werden, und deswegen muss das irgendwie funktionieren. Ohne Kind zu leben, ist für sie nicht vorstellbar. Die Motivation hierfür, die ausdrücklich genannt wird, ist, dass sie selbst eine so schlechte Mutter hatte, dass sie es selbst besser machen möchte. Dass ein Kind kein Mittel sein sollte, um die eigenen seelischen Wunden zu heilen, sollte eigentlich klar sein, wird aber nie hinterfragt. Sie hat eine stark überspannte Persönlichkeit, worunter auch ihr ganz sympathischer Mann im gesamten Buch leiden muss, wenn er sie immer wieder beruhigen muss.

Die Entscheidung für eine Eizellspende fällt Marta so: Bei Adoptiv- und Pflegekindern befürchtet sie, dass sie krank oder behindert sind. Also muss sie selbst eins bekommen. „In vielen Ländern der EU ist Eizellspende legal, praktiziert wird sie regelmäßig aber nur in Tschechien, Spanien und seit 2015 auch in Österreich. Die Tschechen betrügen uns bestimmt, vorverurteile ich, und die Österreicher müssen noch üben, also werden wir nach Spanien gehen, eine renommierte Kinderwunschklinik liegt auf Mallorca“. Genau, da ist dann ja auch schönes Wetter. Dass Eizellspenden in Österreich anders als in Spanien nicht anonym sind, ist nicht Teil ihrer Entscheidung. Nicht anonyme Eizellspenden sind auch in einigen anderen europäischen Ländern möglich – aber das wird im Buch noch nicht einmal thematisiert.

Die Perspektive des Kindes wird im gesamten Buch nicht angesprochen – es ist nur das Wesen, was sehnlichst erwünscht wird. Das Verbot der Eizellspende in Deutschland sieht Marta als Ausdruck einer patriarchalischen Gesellschaft, deren Entscheidungsträger weiterhin Männer sind. Dass das Verbot auch das Kind schützen soll, interessiert sie überhaupt nicht, bei Restriktionen kann es sich nur um Schikane handeln. Ethische Bedenken hat Marta wenig – „Skrupel steigen in mir hoch – aber die müssen weg, damit wir unser Mädchen holen können.“ Zur Anonymität von Eizellspenderinnen in Spanien sagt sie nur: „Damit wird unser Kind leben müssen und auch können. Wir werden ihm dabei helfen.“ Bleibt nur zu hoffen, dass das Kind diese Entscheidung dann auch so akzeptieren wird.

Ihr Mann hat nach dem ersten Beratungsgespräch auf Mallorca Zweifel, ob die Eizellspende das Richtige für sie ist. „Weißt Du, Du bist nun mal etwas labil, und ich kann nicht immer alles auffangen. Wir beide wissen nicht wie das sein wird für dich, wenn unser Kind meine Gene hätte, aber deine nicht, sondern die einer Unbekannten. Wirst du nicht doch neidisch sein, dich ausgegrenzt fühlen? Und für das Kind wird es auch nicht einfach, dass es seine biologische Mutter nie kennenlernen kann.“ Sehr wahre Bedenken – und was macht Marta? Setzt ihm ein Ultimatum, dass sie es notfalls alleine durchzieht. Das widerspricht natürlich diametral dem Ratschlag, dass beide Eltern voll hinter der Entscheidung für eine Gametenspende stehen müssen.

Nach der Lektüre des Buches hoffe ich nur, dass der Großteil der Kinderwunsch-Eltern in Deutschland anders als die Protagonistin ist und sich etwas tiefer gehende Gedanken macht und dass das Buch zum Nachdenken über die elternzentrierte Erfüllung eines Kinderwunsches durch Eizellspende anregt.

Spenderkinder bei der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses

Am 16. Oktober 2015 fand eine öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages statt zu einem Gesetzentwurf der Grünen (BT-Drucksache 18/3279). Dieser forderte, die bisherige Regelung in § 25a SGB V, wonach miteinander verheiratete Paare die Hälfte der kosten von bis zu drei künstlichen Befruchtungen erstattet wird, wenn der Samen des Ehemannes verwendet wird, auch auf unverheiratete Paare, Lebenspartner und Samenspenden zu erweitern.

Wir lehnen die Übernahme der Kosten von Samenspenden durch die gesetzliche Krankenversicherung ab, insbesondere weil Samenspenden bislang rechtlich nur unzureichend geregelt sind und insbesondere die Rechte der hierdurch gezeugten Menschen auf Kenntnis ihrer Abstammung nicht ausreichend geschützt sind. Eine finanzielle Förderung würde daher ein politisch völlig falsches Signal senden. Auch handelt es sich bei Samenspenden – anders als bei der homologen Insemination – nicht um eine Behandlung von Unfruchtbarkeit,
sondern um eine besondere Form der Familiengründung zu Dritt. Diese ist mit
psychologischen Herausforderungen verbunden, und sollte nur nach gründlicher
Aufklärung und Reflektion zu den damit verbundenen Herausforderungen eingegangen
werden – ähnlich wie eine Adoption. Eine solche gründliche Überlegung wird aber
voraussichtlich entfallen, wenn die gesetzliche Krankenversicherung die
Behandlungskosten für Samenspenden übernimmt und damit vermittelt, dass
hier kein Unterschied zu einer homologen Insemination bestünde, bei der ein von beiden
Wunscheltern genetisch abstammendes Kind gezeugt wird.

Bei der Anhörung habe ich für Spenderkinder drei Fragen der Parlamentarier beantwortet. Von der CDU/CSU wurde ich gefragt, was wir bei der Samenspende unter einem „bewussten Vorenthalten des genetischen Vaters“ verstehen und was dies für ein Spenderkind und seine Familie bedeutet, und was für psychologische Auswirkungen eine späte Aufklärung für die Betroffenen hat und ob dies vergleichbar mit den Erfahrungen Adoptierter ist. Die Linke hat uns nach der derzeitigen Rechtslage zwischen Spenderkind und Spender gefragt, welchen Reformbedarf wir sehen und ob es hierfür international vorbildliche Regelungen gibt.

Die meisten schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen waren eher kritisch gegenüber dem Gesetzentwurf, insbesondere wegen der Rechtslücken bei Samenspenden und wegen des offenen Rechtsbegriffs der „auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft“, bei der eine Kostenerstattung möglich sein soll. Das Schicksal des Gesetzentwurfs wird auf einer der nächsten Bundestagssitzungen entschieden – dass er abgelehnt werden wird, war aber auch schon vor der Anhörung relativ klar, weil er von der Opposition eingebracht wurde und außerdem recht hohe Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung bedeutet hätte.

Wir haben uns sehr über das Interesse der Parlamentarier an der Sicht unseres Vereins gefreut. Leider schloss direkt die nächste Anhörung an, so dass wenig Zeit für einen Austausch blieb, aber das Thema wird den Bundestag ganz sicher wieder beschäftigen.

Die Aufzeichnung der Anhörung kann man sich auf der Seite des Bundestages ansehen, genauso wie unsere ausführliche schriftliche Stellungnahme.

Termine im Bundestag

In der nächsten Woche sind wir gleich zwei Mal zu Veranstaltungen im Bundestag eingeladen.

Am Montag, den 12. Oktober veranstaltet die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen ein Fachgespräch zu „Änderungsbedarf im Abstammungsrecht“. Außer uns nehmen Vertreter des Deutschen Richterbundes, der Berliner Samenbank, von DI-Netz und Dr. Petra Thorn teil. Besprochen wird ein Antragsentwurf, der überlegt, Samenspenden über das Adoptionsverfahren zu regeln.

Am Mittwoch, den 14. Oktober, findet eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages zu einem Gesetzentwurf der Grünen vor, der eine Kostenübernahme von Behandlungskosten zur Samenspende durch die Gesetzliche Krankenversicherung fordert (Bundestags-Drucksache 18/3279). Mit uns sind einige andere Sachverständige eingeladen, deren schriftliche Stellungnahmen man auch nachlesen kann.

Wir freuen uns, unsere Anliegen im Bundestag vorstellen zu können und freuen uns auf viele spannende Diskussionen.

BGH: Wenn ein Mann in die Zeugung eines Kindes mit Samenspende einwilligt, ist er unterhaltsverpflichtet

Ein weiterer Samenspende-Fall hat heute den Bundesgerichtshof (BGH), Deutschland höchstes Gericht in Zivilsachen, beschäftigt. Ein siebenjähriges durch Samenspende gezeugtes Mädchen wurden gegen den ehemaligen Lebensgefährten ihrer Mutter Unterhaltsansprüche zugesprochen, weil er in die Samenspende eingewilligt hat (Pressemitteilung des BGH, Artikel in der FAZ).

Der Fall ist etwas atypisch: die Samenspende erfolge bei einem Hausarzt,  der Wunschvater besorgte die Samenspende selbst und vermerkte nur auf einem seitens des Hausarztes vorgelegten „Notfall-/Vertretungsschein“ handschriftlich: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretenden Schwangerschaft aufkommen werde und die Verantwortung übernehmen werde!“

Der Fall zeigt eine weitere Rechtslücke bei Samenspenden auf. Sind die Wunscheltern verheiratet, gilt der Ehemann nach § 1592 Nr. 1 als Vater. Die Vaterschaft kann er bei einer Einwilligung in die Samenspende nicht anfechten (§ 1600 Absatz 5 BGB). Sind die Eltern aber nicht verheiratet, muss der Mann die Vaterschaft anerkennen. Das ist vor der Geburt möglich, aber nicht vor der Zeugung des Kindes (§ 1594 Absatz 4 BGB) – und damit auch nicht zeitgleich zur Einwilligung in die Samenspende. Überlegt es sich der Wunschvater also nach Zeugung des Kindes durch Samenspende anders und erkennt die Vaterschaft nicht an, hat das Kind keinen rechtlichen Vater – und damit auch keinen direkt Unterhaltsverpflichteten.

Der BGH hat die Einwilligung in die Samenspende nun gleichzeitig als Vertrag zu Gunsten des Kindes gewertet, aus dem sich für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht ergibt, wie ein rechtlicher Vater für dessen Unterhalt zu sorgen. Für die Einwilligung in die Samenspende bestehe kein Zwang zu einer besonderen Form.

Es ist positiv, dass der Bundesgerichtshof diese Lücke nun halbwegs geschlossen hat. Eine völlige Gleichberechtigung zu in eine Ehe hineingeborene Kinder wird damit aber nicht erreicht, denn das Kind wird nicht erbberechtigt sein. Und leider ist es ein weiterer Beispielsfall dafür, dass manche Menschen zu leichtfertig in eine Samenspende einwilligen, ohne die psychosozialen Herausforderungen zu sehen. Leidtragende ist vor allem das siebenjährige Mädchen das vom Wunschvater doch nicht so gewollt war, vermutlich ohne Vater aufwächst und mehrere Jahre keinen Unterhalt erhielt. Hoffentlich wird es einmal herausfinden können, wer der Samenspender war – Anspruchsgegner wird hier erneut der Wunschvater sein.

Der Gesetzgeber sollte daher endlich Samenspenden umfassend regeln (bis nächstes Jahr tagt noch der Arbeitskreis Abstammung, der hierzu Vorschläge machen soll). Dieser Fall zeigt, dass zu einer solchen Regelung unbedingt die Möglichkeit einer präkonzeptionellen Anerkennung bei Samenspende gehören, eine verpflichtende Beratung der Wunscheltern vor einer Samenspende sowie dass nur speziell für Samenspende zugelassene Ärzte diese durchführen können.