„Das Recht auf ein Kind ist kein Kampf um ein Menschenrecht, sondern ein Slogan des Konsumdenkens.“
Am 27. Juli 2015 ist das Buch „Kind auf Bestellung: Ein Plädoyer für klare Grenzen“ der österreichischen Journalistin Eva Maria Bachinger erschienen (Deuticke Verlag, 256 Seiten, ISBN-13: 978-3552062962), für das auch Spenderkinder-Mitglieder Greta und Anne interviewt wurden. Im Gegensatz zu den bislang erschienenen Büchern zu diesem Thema bezieht Eva Maria Bachinger wünschenswert klar zu den ethischen Fragen der Reproduktionsmedizin Stellung und zwar aus einer kindzentrierten und feministischen Perspektive. Sie spricht sich für klare moralische und ethische Grenzen aus und eine stärkere Beachtung des Kindeswohls.
Besonders hervorzuheben an ihrem Buch ist, dass es ihr nicht um ein – oft von konservativer Seite geäußertes – Unbehagen an der Ersetzung des Zeugungsaktes durch medizinisch unterstützte Verfahren geht. Sie prangert stattdessen die moralische Sehschwäche der Befürworter einer ungebremsten Ausweitung reproduktionsmedizinischer Verfahren wie Social Freezing, Eizellspende, Leihmutterschaft und PID an, die mit niedlichen Kinderfotos, glücklichen Elternbildern und einer Rhetorik der Selbstbestimmung und des Altruismus überdecken, dass es sich hierbei um eine globalisierte Industrie handle, die eine Ausbeutung ärmerer Frauen beinhalte und Kinder zur Ware degradiere. Sie führt dabei eine Reproduktionsmedizin vor, die je nach Bedarf mal mehr, mal weniger biologistisch argumentiert und die über medizinische Indikationen hinweg alle Dienstleistungen anbieten möchte, die möglich sind, und eine Öffentlichkeit, die dieses offensichtliche Machtgefälle nicht durchschaut und einer Ideologie des Alles-muss-möglich-sein folgt.
Die angebliche Absolutheit des Kindewunsches
Eva Maria Bachinger kritisiert an der Debatte zur Reproduktionsmedizin, dass der Kinderwunsch oft verklärt werde und Ambivalenzen ausgeblendet würden (hierzu ein Leseauszug bei Zeit online).
Bezeichnend dafür sei, dass der Kinderwunsch absolut und damit als resistent gegenüber Abwägungen und Grenzen gesetzt werde, indem er als genetisch veranlagt und natürlich beschrieben werde. Das Natürlichkeitsargument werde jedoch vor allem dann eingesetzt, wenn ein Standpunkt unumstößlich sein solle. Dass Ironische daran sei, dass gerade die Reproduktionsmedizin nichts mehr der Natur überlasse. Mit solchen Argumenten werde aber vor allem gerechtfertigt, dass es undenkbar sei, vom Kinderwunsch loslassen zu können und man diesen daher mit allen Mitteln weiterverfolgen müsse. Kinderlosigkeit werde teilweise mit einer lebensbedrohenden Krankheit gleichgesetzt, wenn Reproduktionsmediziner darauf hinweisen, dass Krebspatienten und Diabetikern auch mit allen verfügbaren Mitteln geholfen werde. Bei dieser Machbarkeitsdogmatik werde jedoch kaum thematisiert, dass bei einer IVF die Schwangerschaftsrate nicht einmal 30 Prozent beträgt.
Fehlende öffentliche Kritik an der Kinderwunschindustrie
Ironischerweise würden Methoden von Social Egg Freezing bis Leihmutterschaft geradezu als feministischer Sieg gefeiert. Die legitime Frage, wo die Selbstbestimmung von Eizellspenderinnnen und Leihmüttern bleibt, bleibe dabei außen vor. Besonders tragisch für Feministinnen sei, dass sie mit ihrem Wunsch nach Selbständigkeit diese neuen Märkte beflügelt hätten, weil gerade die Reproduktionsmedizin die Nachfrage berufstätiger und älterer Frauen befriedigt. Auch wenn vor allem Frauen, die frühzeitig in die Wechseljahre gekommen seien oder aufgrund einer Krebserkrankung unfruchtbar seien, als Nutznießerinnen von Eizellspende genannt werden, sei klar, dass vor allem der Anteil von älteren Frauen zunehme und sie in Wahrheit die primäre Zielgruppe seien.
Bachinger weist zu Recht darauf hin, dass Fortpflanzungsmedizin ein absolutes Elitenthema ist. Es sei vor allem eine Minderheit wohlhabender Weißer, die sich mit dieser Methode fortpflanze, deren einziger Vorteil darin bestehe, dass sie über mehr Geld verfügten. Grenzen würden überschritten, Fortpflanzung aufgeteilt, eine Art Zulieferkette ermögliche das Auslagern von Risiken und Gefühlen sowie geringe Kosten. Die soziale Kluft zu Billiglohnländern werde wie in vielen Branchen geschickt genutzt und mit Autonomierhetorik schöngeredet. Dabei gehe es nicht nur darum, dass nationale Gesetze bestimmte Methoden verbieten würden, sondern darum, dass es in ärmeren Ländern auch mehr Spender und Leihmütter gebe. Man gehe dahin, wo das Angebot am billigsten ist, auch wenn die eigenen Gesetze liberal seien.
Da die Reproduktionsmedizin den Gesetzen eines globalisierten Marktes folge, sei es insbesondere erstaunlich, dass kaum Kritik von linker Seite geäußert werde – Kritik an der Kinderwunschindustrie gelte als ewiggestrig, homophob, fortschrittsfeindlich.
Das Märchen vom Altruismus
Bemerkenswert klar arbeitet Eva Maria Bachinger dabei die widersprüchliche Argumentation einer Kinderwunschindustrie heraus, die die reine Menschenfreundlichkeit von Eizellspenderinnen und Leihmüttern beschwört. Zwar möge dies durchaus vorkommen, aber der Anteil sei marginal.
Dabei sei, so Bachinger, bei der Eizellspende eine Aufwandsentschädigung, die die tatsächlichen Mühen und Risiken für die Spenderin miteinbeziehe, so hoch, dass sie einen eindeutigen finanziellen Anreiz zur Spende und Gesundheitsgefährdung ausübe. Mit einer unabhängigen Aufklärung der Spenderin über die Gesundheitsgefahren könne man kaum rechnen, so lange dieser mit einer Eizellspende erheblich verdiene.
Auch bei der in Österreich und Deutschland verbotenen Leihmutterschaft wird stets der angeblich vorhandene Altruismus der Leihmutter bemüht. Angaben über die Motive von Leihmüttern müssten jedoch mit Vorsicht zur Kenntnis genommen werden, da sie meist durch Ärzte und Auftraggeber gefiltert seien. Gegen die Selbstlosigkeit sprächen aber viele andere Faktoren: wieso sollen Verträge mit Klagemöglichkeiten nötig sein? Leihmutterschaft im privaten Bereich ist in Österreich und Deutschland nicht verboten, sie ist nur nicht einklagbar. Da eine Leihmutter ihre Selbstbestimmung erheblich einschränkt und eine Schwangerschaft physisch stark belastend und immer noch nicht völlig ungefährlich ist, sei es aber logisch, dass so eine Vereinbarung meistens nur mit Vertrag und Geld funktioniere. Bezeichnend sei auch, dass die Leihmütter stets an der unteren Einkommensskala angesiedelt seien, während die Inanspruchnahme einer Leihmutter nur eine Option für Wohlhabende sowohl aus dem Westen als auch aus dem Land selbst sei.
Richtigerweise ist, so Bachinger, Leihmutterschaft wie Kinderarbeit ein Phänomen der Armut. Würde man den Frauen die Möglichkeit eröffnen, sinnvolle, erfüllende Aufgaben anzunehmen, mit fairen Arbeitsbedingungen und akzeptablen Löhnen, würden sie wohl zugreifen. Die Realität sei, dass sie diese Möglichkeiten nicht haben. Diese Tatsache mit dem Gerede von Altruismus oder Autonomie zu beschönigen, sei aber unverfroren und zynisch.
Bei der Beschwörung der altruistischen Spende geht es nach Bachinger eigentlich darum, das Unbehagen über die Kommerzialisierung und das Machtgefälle aufzulösen zwischen denen, die es sich leisten können, Reproduktionstechnologien in Anspruch zu nehmen und jenen, die ihre Körper und ihre Gesundheit hierfür zur Verfügung stellen. Die Vorstellung, dass der Zeugung des Kindes der Erwerb des Samens oder einer Eizelle vorangeht, dass man ein Kind also kaufen kann, widerspräche in höchstem Maße dessen Würde. Dass viele die Degradierung des Kindes zur Ware nicht mehr als schlimm empfänden, zeige nur, wie nutzenorientiert und ökonomisch die Gesellschaft inzwischen denke.
Und die Kinder?
Anhand der Debatte und ihrer Darstellung in den Medien kommt Eva Maria Bachinger zu dem Schluss: Die Interessen der Kinder werden bei der Debatte über reproduktive Freiheit und Kinderwunsch in den Hintergrund gedrängt. In Sonnntagsreden seien alle für die Rechte der Kinder, aber wenn es konkret werde, scheinen die Rechte der Erwachsenen wichtiger zu sein. Nur das könne die wiederkehrende Forderung eines Rechts auf ein Kind oder die Verteidigung von anonymen Spenden erklären.
Ein Recht auf ein Kind gebe es aber genauso wenig wie ein Recht auf einen Ehemann oder eine Ehefrau.
Wo bleibt die öffentliche Debatte?
Insofern kann man diesem hervorragenden Buch nur so viele Leser wie möglich wünschen. Eva Maria Bachinger stellt die richtigen Fragen und gibt gut durchdachte Denkanstöße – – und man fragt sich unweigerlich, warum das bislang so wenige getan haben.
Mein einziger Kritikpunkt an diesem hervorragenden Buch ist, dass an den Stellen, in denen auf Äußerungen, Artikel und Studien verwiesen wird, Fußnoten wünschenswert gewesen wären, um diese auch selbst nachlesen zu können.
Zu der Beobachtung, dass von linker Seite kaum Kritik an der Reproduktionsmedizin geäußert wird, passt leider, dass Eva Maria Bachingers Buch bislang nur in der FAZ und der Welt besprochen wurde. Dabei sollten die hierin angesprochenen Themen gerade auch eher links orientierte Medien wie die Süddeutsche, die Zeit oder die taz interessieren. Vermutlich würde dies aber bedeuten, dass gerade diese Zeitungen dann einige in der Vergangenheit erschienen Artikel über Eizellspende und Leihmutterschaft kritisch hinterfragen müssten.
Insofern bleibt zu hoffen, was die Welt in ihrer hervorragenden Kritik des Buches als Schlusssatz schreibt: „Wer als Anbieter oder Kunde problematischer reproduktionsmedizinischer Dienstleistungen in Zukunft weiterhin so gewollt blauäugig zu Werke geht wie bisher, hat nach Bachingers Buch keine Entschuldigung mehr.“