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Vaterschaftsanfechtung durch ein Spenderkind

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Menschen, deren rechtlicher Vater nicht ihr genetischer Vater ist, können die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters anfechten (§ 1600 Absatz 1 Nummer 4 BGB) und damit beseitigen. Das gilt auch für Spenderkinder. ((Die Einwilligung in eine Samenspende führt nur dazu, dass die Mutter und der Vater die Vaterschaft nicht anfechten können. Das gilt aber nicht für das Kind.))

Wenn die Anfechtung erfolgreich ist, hat die Person, die angefochten hat, keinen rechtlichen Vater mehr. Man kann entweder eine Leerstelle im Personenstandsregister lassen und nur noch eine rechtliche Mutter haben oder den genetischen Vater in einem weiteren Verfahren als rechtlichen Vater feststellen lassen1

Geschätzt haben etwa zehn Prozent der Mitglieder des Vereins Spenderkinder die Vaterschaft ihres rechtlichen Vaters angefochten. In dem meisten dieser Fälle hatten die Spenderkinder eine schlechte Beziehung zu ihrem rechtlichen Vater. Teilweise hatten sich die Eltern bereits getrennt und der Kontakt war seit längerem abgerissen. Daher war es den Spenderkindern wichtig, sich auch rechtlich zu lösen. Anderen Spenderkindern war wichtig, dass öffentliche Register ihre genetische Abstammung richtig wiedergeben. Zum Teil haben Spenderkinder auch erst nach dem Tod des rechtlichen Vaters dessen Vaterschaft angefochten, weil sie sich während seiner Lebzeit verpflichtet gefühlt haben, auf seine Gefühle Rücksicht zu nehmen.

Sind mit der Anfechtung Risiken verbunden?

Ob die Anfechtung der Vaterschaft mit Risiken verbunden ist, hängt von der individuellen Situation des Spenderkindes ab:

Erbe

Mit der Anfechtung der Vaterschaft verliert das Kind die Stellung als gesetzlicher Erbe des Vaters, weil sie nicht mehr miteinander verwandt sind. Der Vater kann das Kind aber – wie jeden anderen Dritten – natürlich als Erben in seinem Testament einsetzen. Das Erbrecht hat aber nur Bedeutung, wenn es überhaupt etwas zu erben gibt.

Unterhalt

Mit Wegfall der rechtlichen Verwandtschaft entfällt die Verpflichtung, sich als Verwandten gerader Linie Unterhalt zu gewähren (vgl. § 1601 BGB). Das wirkt sich aber auf beide aus: der Vater ist bei erfolgreicher Anfechtung gegenüber dem Kind nicht mehr zu Unterhalt verpflichtet und das Kind nicht mehr gegenüber dem Vater. Für ein erwachsenes Kind kann die Anfechtung unter Umständen günstig sein, weil es dann bei hohen Pflegekosten des Vaters nicht unterhaltspflichtig ist.

Staatsangehörigkeit

Eine Anfechtung kann Auswirkungen auf die deutsche Staatsbürgerschaft haben, wenn sich diese von dem rechtlichen Vater ableitet. Ein Verlust der Staatsangehörigkeit wegen einer Vaterschaftsanfechtung ist jedoch nach dem 5. Geburtstag einer Person nicht möglich (§ 17 Absatz 2 Satz 2 Staatsangehörigkeitsgesetz).

Zeugnisverweigerungsrecht

Verwandte in gerader Linie sind im gerichtlichen Verfahren zur Zeugnisverweigerung berechtigt, das entfällt mit Anfechtung ebenfalls.

Familienname

Nach einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung muss das Spenderkind seinen Familiennamen nicht ändern. Es kann aber beantragen, dass es den Namen als Geburtsnamen erhält, den die Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt geführt hat (§ 1617b Absatz 2 Satz 1 BGB). Ist das kein andere Name, weil die Eltern verheiratet waren und den Namen des Vaters als Ehenamen geführt haben, kann das Spenderkind eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nach § 3 Absatz 1 Namensänderungsgesetz beantragen und sich darauf berufen, dass mit der Anfechtung ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt.

Geburtsurkunde

Nach erfolgreicher Anfechtung informiert das Gericht auch das zuständige Standesamt2. Das Spenderkind kann eine Neuausfertigung der Geburtsurkunde erhalten.

Anfechtungsfrist zwei Jahre

Die Vaterschaftsanfechtung muss innerhalb einer Frist von zwei Jahren erklärt werden. Die Frist läuft ab dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen (§ 1600b Absatz 1 BGB). Sie läuft aber frühestens ab dem 18. Geburtstag (§ 1600 Absatz 3 BGB). Hat ein Kind also im Altern von 6 Jahren von der Samenspende erfahren, kann es bis zum 20. Geburtstag die Vaterschaft anfechten. Erfährt ein Spenderkind erst mit 26 Jahren von der Samenspende, läuft die Frist ab diesem Zeitpunkt.

Die Fristen berechnet sich ab der tagesgenauen Kenntnis von der nicht bestehenden Abstammung zum rechtlichen Vater3. Die Frist wird eingehalten, wenn der Anfechtungsantrag fristgerecht bei Gericht zugeht.

Wiederaufleben der Anfechtungsfrist z. B. bei Tod des Vaters

Die Anfechtungsfrist von zwei Jahren kann aber auch mehrere Jahre nach dem Ablauf erneut zu laufen beginnen. Das Gesetz stellt hierfür auf die Kenntnis von Umständen beim Kind ab, auf Grund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden (§ 1600b Absatz 6 BGB).

Ein sehr wichtiger Grund für das Wiederaufleben ist der Tod des rechtlichen Vaters. Es wird angenommen, dass sich das Kind zu Lebzeiten des rechtlichen Vaters zu Rücksicht verpflichtet gefühlt hat und man ihm deswegen nicht zumuten konnte, fristgemäß anzufechten. Ab Kenntnis des Todes beginnt die Frist daher erneut zu laufen. Eine andere Fallgruppe ist eine spätere Scheidung der Eltern – aus den oben genannten Gründen. oder wenn der rechtliche Vater eine Straftat gegen das Kind begeht.

Voraussetzungen der Anfechtung

Die Anfechtung muss beim Amtsgericht (als Familiengericht) erklärt werden, in dessen Bezirk das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat4. Erforderlich ist ein Antrag, in dem folgendes angegeben wird (§ 171 FamFG):

  • das Ziel (Anfechtung der Vaterschaft),
  • die betroffenen Personen (Beteiligte: Mutter, Vater, Kind),
  • die Umstände, die gegen die Vaterschaft sprechen sowie
  • der Zeitpunkt, zu dem die Umstände bekannt wurden.

Es ist für die Anfechtung nicht erforderlich, dass Mutter oder Vater noch am Leben sind. Wenn der Vater nicht mehr lebt und auch kein DNA-Material vorhanden ist, kann dies allerdings die Einholung eines Abstammungsgutachtens erschweren.

Auch ein minderjähriges Kind kann die Vaterschaft anfechten. Hierbei stellen sich jedoch schwierige Fragen zur Vertretung und inwiefern die Anfechtung dem Kindeswohl dient.

Was passiert im Anfechtungsverfahren vor Gericht?

Die Vaterschaftsanfechtung durch das Kind ist erfolgreich, wenn keine genetische Verwandtschaft besteht und die Anfechtungsfrist eingehalten wurde. Es sind keine Gründe für die Anfechtung erforderlich (z. B. dass keine soziale Beziehung zum Vater mehr vorhanden ist). Zum Teil bestehende soziale Erwartungen wie dass ein Spenderkind gegenüber dem rechtlichen Vater dankbar sein muss, dürfen keine Rolle spielen.

Das Gericht wird einen Termin bestimmen, zu dem alle Beteiligten persönlich erscheinen müssen. Es muss eine förmliche Beweisaufnahme durchgeführt werden5. Die Beteiligten werden dazu angehört, aber auch vernommen. Das Gericht prüft von Amts wegen, ob eine genetische Verwandtschaft besteht. Daher ist ein Anerkenntnis durch den Vater nicht dadurch möglich, dass er auch nicht mehr Vater sein möchte. Grund hierfür ist, dass ein allgemeines öffentliches Interesse daran besteht, dass der familienrechtliche Status wahrheitsgemäß zugeordnet wird und Bestand hat. Auskunftsperson (vergleichbar dem Zeugen) könnte bei einer Samenspende auch der damals behandelnde Arzt sein, falls er sich noch erinnert oder noch Unterlagen besitzt.

Ist ein genetisches Abstammungsgutachten erforderlich?

Das Gericht ordnet bei einer Vaterschaftsanfechtung in der Regel an, dass ein genetisches Abstammungsgutachtens eingeholt wird, um zu überprüfen, ob eine genetische Verwandtschaft zwischen Kind und Vater besteht6. Zum Teil wird auch die Mutter mitgetestet. Die Untersuchungen für die Abstammungsfeststellung müssen die Beteiligten dulden (§ 178 FamFG). Das Gericht kann die Mitwirkung an der Untersuchung mit Zwangsgeld durchsetzen. Für die Probeentnahme wird in der Regel ein Schleimhautabstrich, Speichel, eine Blutprobe, Gewebeproben oder Haare mitsamt der Haarwurzel verwendet.

Ein Auszug aus einer DNA-Datenbank wie Ancestry, 23andme, MyHeritageDNA oder FTDNA ist vor Gericht nicht verwertbar, weil die DNA-Datenbanken eine andere Testmethode verwenden und die Identität der Getesteten nicht überprüfen.

Wurde vor dem gerichtlichen Verfahren mit Zustimmung der anderen Beteiligten ein privates Abstammungsgutachten erstellt, kann das Gericht dieses Gutachten zur Entscheidungsgrundlage machen, wenn die anderen Beteiligten einverstanden sind und keine Zweifel an der Richtigkeit des privaten Gutachtens bestehen7. Dies setzt grundsätzlich voraus, dass das private Gutachten durch ein nach § 5 Absatz 1 Gendiagnostikgesetz zertifiziertes Institut erstellt wurde. Außerdem muss das Institut bei der Erstellung des Gutachtens die Standards der Richtlinie der Gendiagnostik-Kommission für die Anforderungen an die Durchführung genetischer Analysen zur Klärung der Abstammung und an die Qualifikation von ärztlichen und nichtärztlichen Sachverständigen eingehalten haben.

Abstammungsgutachten, denen die anderen Getesteten nicht zugestimmt haben (so genannte heimliche Vaterschaftstests), sind rechtswidrig und daher vor Gericht nicht verwertbar.

Einige Familiengerichte haben bei einer Vaterschaftsanfechtung durch das Kind wegen einer Samenspende darauf verzichtet, ein Abstammungsgutachten einzuholen. In einem Fall lagen neben den Aussagen der Eltern ein Schreiben der Reproduktionsklinik vor, in dem der Samenspender gegenüber der Antragstellerin bezeichnet wurde8. Da aber auch eine solche Auskunft nicht zweifelsfrei ergibt, dass die Abstammung zum rechtlichen Vater nicht besteht, kann es sein, dass das Gericht auch in vergleichbaren Fällen anordnet, dass ein genetisches Gutachten eingeholt werden muss.

Das AG Pankow hat bei einer Samenspende von der Einholung eines genetischen Gutachtens abgesehen, weil der rechtliche Vater bereits verstorben war, kein DNA-Material von ihm vorhanden war, der Vortrag der anderen Beteiligten übereinstimmend war und ein Auszug aus einer DNA-Datenbank vorlag, wonach ein anderer Mann als genetischer Vater gelistet wurde9.

Was kostet die Vaterschaftsanfechtung?

Die Gerichtsgebühren einer Vaterschaftsanfechtung betragen 219 Euro10 Sie werden bereits mit der Stellung des Anfechtungsantrags bei Gericht fällig. Nur wenn sie von dem anfechtenden Kind gezahlt werden, wird der Antrag auch an die anderen Beteiligten zugestellt.

Zu den Gerichtsgebühren hinzu kommen die Kosten der Beweisaufnahme, insbesondere wenn das Gericht anordnet, dass ein genetisches Abstammungsgutachten eingeholt werden muss. Die Kosten für ein gerichtlich angeordnetes Abstammungsgutachten sind unterschiedlich, können aber bis zu 1.000 Euro betragen.

Außergerichtliche Gutachten sind ab ca. 300 Euro erhältlich und damit deutlich günstiger. Sie müssen aber vor dem Verfahren mit Einvernehmen von Vater und Mutter erstellt werden und beide müssen mit der Verwertung im gerichtlichen Verfahren einverstanden sein. Ein außergerichtliches Gutachten eignet sich also nicht, wenn die Eltern die Anfechtung nicht unterstützen oder sie sogar ablehnen.

Alle Beteiligten müssen die Kosten eines Anwalts selbst tragen, wenn sie einen engagieren.

Ist die Anfechtung erfolgreich, müssen die Beteiligten die Gerichtskosten (bestehend aus den Gerichtsgebühren und den Kosten der Beweisaufnahme) zu gleichen Teilen tragen (§ 183 FamFG). Das bedeutet: Leben Mutter und der bisherige Vater noch, muss jeder (Kind, Mutter, Vater) 1/3 der Gerichtskosten tragen. Da das Kind, wenn es die Anfechtung erklärt hat, die Gerichtsgebühren bereits vorstrecken musste, hat es einen Anspruch auf anteilige Kostenerstattung gegen die anderen Beteiligten.

Was ist, wenn ein Spenderkind die Kosten des Verfahrens nicht tragen kann?

Hat ein Spenderkind nur ein geringes Einkommen oder Vermögen, kann es Verfahrenskostenhilfe für eine Vaterschaftsanfechtung beantragen (76 Absatz 1 FamFG). Hierfür finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung. Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe muss zusammen mit dem Anfechtungsantrag und einem Formblatt über die persönlichen Verhältnisse eingereicht werden.

Die Verfahrenskostenhilfe kann auch die Kosten für einen Rechtsanwalt umfassen. Da bei der Vaterschaftsanfechtung keine anwaltliche Vertretung erforderlich ist, wird dies nur gewährt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint (§ 78 Absatz 2 FamFG). Die Verfahrenskostenhilfe muss unter Umständen zurückgezahlt werden. Über das Verfahren, den Umfang und die eventuelle Rückzahlungspflicht bei Prozesskostenhilfe informiert das Bundesministerium der Justiz auf seiner Internetseite.

Braucht man einen Anwalt für die Vaterschaftsanfechtung?

Vor dem Familiengericht besteht kein Anwaltszwang11. Ein Spenderkind kann also ohne Anwalt bei Gericht auftreten. Aber ist es auch empfehlenswert, als Kind ohne Unterstützung eines Anwalts die Vaterschaft anzufechten? Dabei muss man berücksichtigen, dass man auch bei einer erfolgreichen Anfechtung die Kosten für den Anwalt selbst zahlen muss (wenn keine Rechtsschutzversicherung für Familienrecht besteht).

Die Vaterschaftsanfechtung durch ein volljähriges Kind ist rechtlich nicht sonderlich schwierig, da es – bis auf die fehlende Verwandtschaft und die Einhaltung der Anfechtungsfrist – keine weiteren Voraussetzungen gibt. Wer bereit ist, sich gut vorzubereiten, kann sich auch selbst vor dem Familiengericht vertreten. Für den Anfechtungsantrag gibt es Muster, man kann aber notfalls auch zur Geschäftsstelle des Gerichts gehen und sich helfen lassen. Im Anfechtungsverfahren besteht anders als im normalen familiengerichtlichen Verfahren nur ein eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz12. Das Gericht darf von Amts wegen nur Tatsachen berücksichtigen, die für die Vaterschaft sprechen. Tatsachen, die dagegen sprechen, muss der Antragsteller selbst vorbringen. Bei einem anwaltlich nicht vertretenen Beteiligten wird das Gericht aber vermutlich schon in gewissem Umfang unterstützen.

Wir würden die Unterstützung durch einen Anwalt empfehlen, wenn man sich selbst nicht gut vorbereiten kann / möchte, die anderen Beteiligten voraussichtlich Einwände vorbringen werden, die Einhaltung der Anfechtungsfrist angezweifelt werden könnte oder das Gericht dazu bewegt werden soll, kein Abstammungsgutachten einzuholen. Allerdings haben einige Spenderkinder Schwierigkeiten gehabt, einen Anwalt oder eine Anwältin zu finden, die bereit waren, die Vaterschaftsanfechtung zu übernehmen. Grund hierfür könnte sein, dass die gesetzlichen Gebühren vergleichsweise gering sind.

  1. Eine Feststellung ist nach § 1600d Absatz 4 BGB ausgeschlossen, wenn das Kind durch eine ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung in einer Einrichtung der medizinischen Versorgung im Sinne von § 1a Nummer 9 des Transplantationsgesetzes unter heterologer Verwendung von Samen gezeugt worden, der vom Spender einer Entnahmeeinrichtung im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1 des Samenspenderregistergesetzes zur Verfügung gestellt wurde. Das gilt allerdings erst seit dem 1. Juli 2018 für Kinder, die seitdem gezeugt wurden. []
  2. § 56 Absatz 1 Nr. 1 Ziff b) Personenstandsverordnung. []
  3. § 187 Absatz 1 und § 188 Absatz 2 BGB. []
  4. § 170 Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit – FamFG, § 23a Absatz 1 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz. []
  5. § 177 Absatz 2, 3 FamFG []
  6. Musielak/Borth FamFG § 177 Rn. 2. []
  7. § 177 Absatz 2 Satz 2 FamFG. []
  8. AG Nürnberg, Beschluss vom 8.10.2013, Az. 107 F 2604/13. []
  9. AG Pankow/Weißensee, Beschluss vom 29.10.2018, Az. 26 F 5828/18. []
  10. Stand Oktober 2024, nach § 47 Absatz 1 FamGKG beträgt der Verfahrenswert bei einer Vaterschaftsanfechtung 2.000 Euro. Daraus ergeben sich Gerichtsgebühren von 219 Euro. []
  11. §§ 114, 10 FamFG. []
  12. § 177 FamFG. []

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Abstammungsrechts und den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Kindschaftsrechts: Modernisierung von Sorgerecht, Umgangsrecht und Adoptionsrecht vom 15. Januar 2024

Am 16 Januar hat das Bundesministerium der Justiz zwei Eckpunktepapiere zur Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrechts mit Vorschlägen für neue Regeln im Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts.

Der Verein Spenderkinder bedankt sich für die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Eckpunkten des Bundesministeriums für Justiz.

I. Der Verein Spenderkinder

Der Verein Spenderkinder vertritt die Interessen von durch Samen“spende“ (im Folgenden Samenvermittlung) gezeugten Menschen in Deutschland. Dabei repräsentiert er die Sicht der entstandenen Kinder auf Samenvermittlung und andere Formen der Familiengründung mit den Geschlechtszellen einer dritten Person wie Eizellvermittlung, Embryonenvermittlung und Leihmutterschaft. Zu den Zielen gehört insbesondere, andere Spenderkinder, Menschen mit Kinderwunsch und Menschen, die ihre Keimzellen abgeben, über die rechtlichen Rahmenbedingungen und psychologischen Herausforderungen dieser Arten der Familiengründung sowie über den aus Sicht des Vereins bestehenden rechtlichen Handlungsbedarf zu informieren.

II. Zusammenfassende Positionierung des Vereins Spenderkinder zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz für eine Reform des Abstammungsrechts und des Kindschaftsrechts

Der Verein Spenderkinder begrüßt viele der vorgesehenen Eckpunkte für eine Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts. So unterstützt der Verein Spenderkinder, dass Kinder von Eltern in homosexueller Ehe von Anfang an zwei rechtliche Elternteile haben, damit ihre Versorgung genauso gut abgesichert ist, wie die von Kindern, deren Eltern in heterosexueller Ehe leben. Vor demselben Hintergrund unterstützt der Verein Spenderkinder die Möglichkeit, Kindern durch eine Elternschaftsvereinbarung bereits präkonzeptionell einen zweiten Elternteil zuzuordnen.

Der Verein Spenderkinder begrüßt alle Bestrebungen, um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv zu sichern. Dazu gehört ein Vermerk im Geburtenregister, wenn eine Elternschaftsvereinbarung getroffen wurde oder ein Kind durch ärztliche Keimzellvermittlung entstanden ist. Auf diese Weise stellt das Kind spätestens bei einer Anmeldung zur Eheschließung fest, dass weitere Informationen zu seiner Abstammung vorliegen, und nur so ist es Behörden möglich, effektiv zu prüfen, ob Ehehindernisse, wie eine zu nahe Verwandtschaft, bestehen. Ebenfalls zur Sicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung gehört die Erweiterung des Samenspenderregisters um Daten zu Embryonenvermittlungen und um Daten aus ärztlicher Samenvermittlung vor 2018. Auch die Möglichkeit, die leibliche Abstammung mit einem mutmaßlichen leiblichen Elternteil gerichtlich feststellen zu lassen, ohne dazu wie bisher die rechtliche Vaterschaft anfechten zu müssen, ist ein wichtiger Schritt. Er ermöglicht es dem Kind, sein Recht auf Kenntnis der Abstammung wahrzunehmen, ohne dabei eine möglicherweise bestehende rechtliche Elternschaft zu dem zweiten Elternteil auflösen zu müssen.

Ferner begrüßt der Verein Spenderkinder das Umgangsrecht des Kindes mit seinen leiblichen Elternteilen als wichtiges Signal, dass das Kind Bedürfnisse entwickeln kann, die von den ursprünglichen Vereinbarungen seiner Elternteile abweichen. Zwar kann das Kind sein Recht auf Umgang mit einem leiblichen Elternteil in der Praxis nur dann wahrnehmen, wenn der leibliche Elternteil dazu bereit ist; möglicherweise ist der leibliche Elternteil aber dazu bereit, wenn er erfährt, dass das Kind Umgang wünscht, auch wenn er initial darauf verzichtet hat.

Kritisch sieht der Verein Spenderkinder, dass dem Kind die Möglichkeit genommen werden soll, die Zuordnung zu den rechtlichen Eltern anzufechten. Es dient gerade nicht dem Schutz der Rechte und Interessen des Kindes, ihm die bestehende Anfechtungsmöglichkeit seiner Zuordnung zu einem nicht genetisch verwandten Elternteil zu erschweren oder die Frist dazu zu verkürzen.

Ebenfalls nicht im Sinne des Kindes sind Elternschaftsvereinbarungen, bei denen ein genetischer Elternteil seine elterliche Verantwortung für das Kind abgibt, ohne dass ein zweiter rechtlicher Elternteil vorgesehen ist, der sie übernehmen möchte. Dies ist regelhaft bei Kindern von sogenannten Solo-Müttern der Fall. Gleichfalls dient es nicht der Absicherung des Kindes, wenn der rechtliche Elternteil neben der Geburtsmutter vereinfacht seine rechtliche Elternschaft ablegen kann, ohne dass eine andere Person als zweiter rechtlicher Elternteil des Kindes festgestellt wird.

An diesen Punkten zeigt sich, wie die Eckpunkte teilweise versuchen, die Wünsche von (Wunsch-)eltern auf Kosten der Rechte des Kindes abzusichern.

Stattdessen muss die Zuordnung der Elternschaft durch Ehe oder kraft Anerkennung – wie bisher auch – bei fehlender genetischer Verbindung durch das Kind anfechtbar bleiben. Ergänzend ist es erforderlich, dass das Kind die Mutterschaft der Geburtsmutter anfechten kann, wenn sie mit dem Kind nicht genetisch verwandt ist.

Zudem haben Kinder ein Recht auf zwei Elternteile. Daher sollte bei der Ausgestaltung der Reformideen darauf geachtet werden, dass allen Kindern ein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet wird.

Weitere Ergänzungen sind notwendig, um das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung effektiv zu sichern: Die relevanten Daten müssen im erweiterten Samenspenderregister nicht optional, sondern verpflichtend hinterlegt werden. Bei Spenderkindern, die vor 2018 gezeugt worden sind, muss alles Erforderliche getan werden, um zu ermitteln, ob die Daten über den genetischen Vater noch vorhanden sind. Die Samen vermittelnden Ärzt:innen und Kliniken sollten hier zu einer Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde verpflichtet werden. Auch Daten aus Keimzellvermittlung und Leihmutterschaft, die im Ausland durchgeführt worden sind, sollten wenn möglich im Spenderdatenregister aufgenommen werden. Auch reicht es nicht aus, dass die Daten für das Kind zugänglich sind, sondern das Kind muss aktiv in die Lage versetzt werden, von seinem Recht Gebrauch zu machen. Dazu sollten die rechtlichen Eltern verpflichtet werden, ihre Kinder über deren Abstammung aufzuklären.

Dem Recht auf Umgang mit Halbgeschwistern folgend, sollte das Samenspenderregister zudem nicht identifizierende Informationen über Halbgeschwister bereitstellen sowie bei gegenseitigem Interesse Daten für eine Kontaktaufnahme vermitteln.

III. Im Einzelnen zu den Eckpunkten für eine Reform des Abstammungsrechts

1. Die Zuordnung der Elternschaft durch Ehe oder kraft Anerkennung muss bei fehlender genetischer Verbindung durch das Kind anfechtbar bleiben, unabhängig vom Bestehen einer sozial-familiären Beziehung

Vorgesehen ist, dass das Kind die Elternschaft der Person, die sich ihm durch eine Elternschaftsvereinbarung zugeordnet hat oder in die medizinisch unterstützte Befruchtung der Geburtsmutter mittels einer Samenspende eines Dritten eingewilligt hat, regulär nicht anfechten kann und dass es die Elternschaft des nicht genetischen Elternteils kraft Ehe oder Anerkennung nur dann erfolgreich anfechten kann, wenn keine sozial-familiäre Beziehung zu ihm besteht (Eckpunkte Abstammungsrecht, S. 12). Eine sozial-familiäre Beziehung wird vermutet, wenn eine Ehe zwischen der Mutter und dem Mann besteht (§ 1600 Abs. 3 Satz 2 BGB). Das ist nicht im Interesse des Kindes.

Welche Bedeutung der weitere genetische Elternteil für das Kind hat, kann nur das Kind selbst entscheiden. Unter Umständen hat das Kind ein Interesse daran, dass ihm der zweite genetische Elternteil auch rechtlich zugeordnet wird. Es ist nachvollziehbar, dass sich Wunscheltern ihre Elternstellung absichern möchten. Hier dürfen jedoch nicht allein die Interessen der Wunscheltern ausschlaggebend sein. Das Kind muss weiterhin für eine gewisse Zeit ab der Volljährigkeit bzw. ab Kenntnis seiner Entstehungsweise, eine Möglichkeit zur Anfechtung von Elternschaft haben, wenn es mit dem ihm zugeordneten Elternteil nicht genetisch verwandt ist, unabhängig von einem sozial-familiären Miteinander im Alltag. Bei der Anfechtungsmöglichkeit geht es nicht darum, soziale oder Versorgungsbeziehungen abzubilden, sondern darum, die Autonomie des (erwachsengewordenen) Kindes zu wahren, nicht gegen seinen Wunsch einem anderen Menschen allein auf dessen Wunsch als Kind zugeordnet zu sein. Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfasst nicht nur das Wissen darüber, von wem ein Mensch abstammt, sondern beinhaltet auch die rechtliche Abbildung der tatsächlichen biologischen Abstammungsverhältnisse.

Ferner gehen die Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts davon aus, dass Personen, die elterliche Verantwortung tragen, ein Kind regelhaft zu dessen Wohl pflegen und erziehen. Dies entbehrt völlig der Lebenserfahrung und ist geradezu zynisch gegenüber der Erfahrung von Spenderkindern, die – genau wie andere Kinder auch – alle Formen sozialer bzw. rechtlicher Eltern erleben. Der Wunsch, rechtlicher Elternteil zu werden, oder allein die Tatsache, mit der Geburtsmutter eines Kindes verheiratet zu sein, erlaubt keinen Rückschluss auf die grundsätzlichen oder sogar spezifischen Elternqualitäten eines Menschen gegenüber einem anderen. Die Möglichkeit des Kindes, sich aus einer willkürlichen Zuordnung nach den Wünschen der Eltern zu einem rechtlichen, aber nicht genetischen Elternteil durch Anfechtung zu lösen, muss wie bisher erhalten bleiben.

2. Elternschaftsvereinbarungen, bei denen niemand die zweite Elternstelle übernehmen soll, sind nicht im Interesse des Kindes – Kinder haben ein Recht auf zwei Elternteile

Durch Elternschaftsvereinbarungen soll künftig vor Zeugung eines Kindes rechtsverbindlich vereinbart werden können, welche Person neben der Geburtsmutter zweiter rechtlicher Elternteil eines Kindes wird.

Schon in der Vergangenheit hatte sich der Verein Spenderkinder für die Möglichkeit einer solchen präkonzeptionellen Elternschaftsvereinbarung eingesetzt, damit Kinder, die nicht in eine heterosexuelle Ehe geboren werden, materiell genauso gut abgesichert sind, wie Kinder in heterosexuellen Ehen, und von Beginn an zwei rechtliche Eltern haben.

Nach wie vor schlechter gestellt sind jedoch Kinder, bei denen die Geburtsmutter wünscht, dass neben ihr niemand die zweite rechtliche Elternstelle übernimmt. Zusammen mit dem Samenspenderregistergesetz wurde eingeführt, dass ein Mann, der Samen über eine Samenbank abgegeben hat, nicht als rechtlicher Vater festgestellt werden kann (§ 1600d Absatz 4 BGB). Bereits diese Regelung sieht der Verein Spenderkinder sehr kritisch, weil er durch ärztliche Samenvermittlung gezeugte Personen zu Menschen zweiter Klasse macht, die ihren genetischen Vater nicht offiziell als rechtlichen Vater feststellen lassen können. Begründet wurde dieser Ausschluss damit, dass regelmäßig der intendierte Vater die zweite rechtliche Elternstelle besetzen wolle.1 Als Folge vermitteln Samenbanken in Deutschland jedoch Samen an alleinstehende Personen. Die so gezeugten Kinder haben keinen zweiten rechtlichen Elternteil.

Die Eckpunkte für eine Reform des Abstammungsrechts sehen außerdem vor, dass der kraft Ehe mit der Geburtsmutter rechtliche Elternteil sich vereinfacht aus seiner rechtlichen Elternschaft lösen können soll, wenn er nicht genetischer Elternteil des Kindes ist und nicht mittels Elternschaftsvereinbarung oder Einwilligung in eine Befruchtung mit dem Samen einer dritten Person der Zeugung des Kindes zugestimmt hat. Das Kind hat dadurch nur noch einen rechtlichen Elternteil.

Kinder, auch Spenderkinder, haben ein grundsätzliches Recht auf zwei rechtliche Elternteile und dass die Feststellung eines genetischen Elternteils als rechtlicher Elternteil nicht von vornherein rechtlich ausgeschlossen wird. Auch das Bundesverfassungsgericht führt aus, dass es ein Interesse des Kindes geben kann, „seinen leiblichen Vater nicht nur zu kennen, sondern ihn auch als Vater rechtlich zugeordnet zu erhalten“.2 Dieser Gesichtspunkt wurde bei § 1600d Absatz 4 BGB ignoriert – was zeigt, wie sehr sich der Diskurs im Abstammungsrecht an Elternwünschen orientiert. Es sollte bei dem Grundsatz bleiben, dass Menschen für die Kinder verantwortlich sind, die sie zeugen, egal ob innerhalb oder außerhalb einer Ehe.

Bei der Ausgestaltung der Reformvorschläge sollte daher darauf geachtet werden, dass Kindern auf jeden Fall ein zweiter rechtlicher Elternteil zugeordnet wird.

3. Die Frist zur Anfechtung durch das Kind muss weiterhin mindestens zwei Jahre betragen

Der Verein Spenderkinder begrüßt es, dass die Anfechtungsfrist für heranwachsende Spenderkinder nicht vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres enden soll. Ansonsten ist vorgesehen, die Frist zur Anfechtung der Vaterschaft bzw. Elternschaft für erwachsene Spenderkinder auf ein Jahr zu verkürzen. Dies ist nicht im Interesse des Kindes.

Auf Seiten des Kindes gibt es keinen Grund, die bestehende Anfechtungsfrist von zwei Jahren durch das Kind zu verkürzen. Dieser Zeitraum ist bereits sehr kurz, bedenkt man den Loyalitätskonflikt, den viele Spenderkinder spüren, wenn sie ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen möchten, die von denen ihrer Eltern abweichen. Nach wie vor erfahren viele Spenderkinder erst im fortgeschrittenen Erwachsenenalter von ihrer Entstehungsweise, teilweise unter sehr ungünstigen Umständen, z.B. indem ihnen DNA-Datenbanken Halbgeschwister anzeigen oder weil sie durch Krankheit oder Tod ihrer rechtlichen Eltern von deren Krankheitsgeschichte oder Blutgruppe erfahren, die eine leibliche Verwandtschaft ausschließen. Viele solch spät aufgeklärter Spenderkinder benötigen einige Zeit, um sich neu zu orientieren. Die vorgesehene Verlängerung der bisherigen Anfechtungsfrist für heranwachsende Spenderkinder wird damit begründet, dass sie vor einer übereilten Entscheidung geschützt werden sollen. Dieses Argument lässt sich übertragen auf Spenderkinder, die im Erwachsenenalter von ihrer Entstehungsweise erfahren. Die Frist zur Anfechtung muss daher weiterhin mindestens zwei Jahre betragen.

4. Anfechtung der Elternschaft der Geburtsmutter ermöglichen

Vorgesehen ist, dass das Kind künftig nicht nur wie bislang die Vaterschaft des rechtlichen Vaters anfechten kann, wenn dieser mit ihm genetisch nicht verwandt ist, sondern auch die Mutterschaft der rechtlichen Mutter neben der Geburtsmutter.

Seit einigen Jahren finden in Deutschland jedoch auch Embryonenvermittlungen statt und Kinder werden nach Eizell- oder Embryonenvermittlung im Ausland in Deutschland geboren. Dadurch ist die austragende Person nicht mehr automatisch die genetische Mutter. Folglich sollte das Kind die Möglichkeit erhalten, auch die Mutterschaft der Geburtsmutter anzufechren, wenn es nicht genetisch verwandt mit ihr ist.

5. Erweiterung des Samenspenderregisters auch für Embryonenvermittlungen und „Leihmütter“ aus dem Ausland und verpflichtende Übernahme von Daten aus ärztlicher Samenvermittlung ab 1970

Vorgesehen ist, dass das Samenspenderregister, das bisher nur Daten zu ärztlicher Samenvermittlung im Inland ab 1. Juli 2018 erfasst, ausgebaut wird und künftig als Spenderdatenregister auch Daten über ärztliche Samenvermittlung aus der Zeit vor dem 1. Juli 2018 sowie private Samenvermittlung, Embryonenvermittlung und im Ausland durchgeführte Eizellvermittlung erfassen kann.

Der Verein Spenderkinder begrüßt diese Erweiterung. Um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv zu sichern, ist es notwendig, dass diese Daten nicht nur optional sondern verpflichtend beim Spenderdatenregister hinterlegt werden. Hier kommt es auch entscheidend darauf an, dass die Keimzellen vermittelnden Ärzt:innen sowie Kliniken zu einer Zusammenarbeit aufgefordert werden und die vorhandenen Daten weiterleiten. Zusätzlich sollten Daten über die genetischen Elternteile bei Embryonen- oder Keimzellvermittlung im Ausland und die Identität der austragenden Person von im Ausland durchgeführten Leihmutterschaften wenn möglich im Spenderdatenregister aufgenommen werden. Für Menschen, die vor dem Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes am 1. Juli 2018 gezeugt wurden, sollten die bei Ärzt:innen und Kliniken oder privaten Notar:innen noch vorhandenen Daten der genetischen Elternteile an das Spenderdatenregister übertragen werden, ohne dass es dabei auf das Einverständnis der genetischen Elternteile ankommt. Die Bundesärztekammer wies bereits mit Zulassung der ärztlichen Samenvermittlung im Jahr 1970 auf das unverzichtbare Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung hin und machte explizit, dass Ärzte die Identität des „Spenders“ nicht verschweigen dürfen.3 Dies war Reproduktionsmedizinern auch bekannt.4 Da insbesondere Spenderkinder, die bis Mitte der 1990er Jahre gezeugt wurden, häufig auf wenig Kooperationsbereitschaft bei den zuständigen Ärzt:innen und Kliniken treffen, wären ergänzend konkrete Maßnahmen umzusetzen, die Reproduktionsmediziner:innen und Kliniken in die Pflicht nehmen, dass sie Unterlagen von vor 2018 auch tatsächlich an das Register übergeben.

IV. Im Einzelnen zu den Eckpunkten für eine Reform des Kindschaftsrechts

1. Recht auf Umgang mit Halbgeschwistern

Die Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts erinnern daran, dass Kinder ein Recht auf Umgang mit ihren Geschwistern haben.

Der Verein Spenderkinder begrüßt diesen Hinweis. Viele Spenderkinder wünschen sich Informationen über ihre Halbgeschwister, z.B. wie viele sie insgesamt haben und erleben Kontakt zu ihnen als bereichernd.5. Das Samenspenderregister sollte daher grundsätzlich auch Auskunft über nicht identifizierende Informationen wie z. B. die Anzahl und die Geburtsjahre geben und bei gegenseitiger Einwilligung der betroffenen Personen auch Daten zur Kontaktaufnahme vermitteln.

2. Spenderkinder müssen in die Lage versetzt werden, ihr Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung geltend zu machen

Der Verein Spenderkinder begrüßt, dass die Eckpunkte für eine Reform des Kindschaftsrechts vorsehen, dass ein Kind einen einfachen Anspruch auf Informationen über seine Abstammung gegen seine Eltern geltend machen kann, um das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung besser als bisher zu schützen.

Dieser Auskunftsanspruch bringt jedoch wenig, wenn eine Person nicht weiß, dass sie durch Samenvermittlung gezeugt wurde. Nach einer Meta-Analyse aus dem Jahr 2016 wissen nur etwa 20 % der Spenderkinder von ihrer Zeugungsart.6 Das Recht auf Kenntnis der Abstammung zu sichern, bedeutet auch, dass die Inhaber dieses Rechts in die Lage versetzt werden, ihr Recht effektiv auszuüben.7 Das ist auch wichtig in Bezug auf mögliche vererbte Gesundheitsrisiken und mögliche Ehehindernisse durch zu nahe genetische Verwandtschaft. Um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung effektiv zu sichern, muss daher klargestellt werden, dass rechtliche Eltern als Teil ihrer sorgerechtlichen Verpflichtung verpflichtet sind, ihre Kinder über deren Abstammung aufzuklären und ihnen entsprechende Auskünfte zu geben. Das würde auch für Adoptierte und so genannte „Kuckuckskinder“ gelten. Da sich das Befolgen einer solchen Verpflichtung nicht überprüfen lässt, wären ergänzend weitere konkrete Maßnahmen notwendig, die gewährleisten, dass Kinder mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihrer Entstehungsweise erfahren.

  1. Siehe BT-Drs. 18/11291, S. 35 zur Begründung des neuen § 1600d Absatz 4 BGB: „Bisher kann ein solcher Samenspender als genetischer Vater gemäß § 1600d Absatz 1 als rechtlicher Vater des mittels des gespendeten Samens gezeugten Kindes festgestellt werden, obgleich er bei Abgabe der Spende an die Entnahmeeinrichtung und damit für ihn regelmäßig unbekannte Paare mit Kinderwunsch keinerlei elterliche Verantwortung übernehmen wollte. Vielmehr will regelmäßig der intendierte Vater die elterliche Verantwortung übernehmen; Ziel ist daher die Zuordnung des Kindes zu ihm, weil damit dem Kindeswohl regelmäßig am besten gedient ist (…) []
  2. BVerfG, Beschluss vom 9. 4. 2003 – 1 BvR 1493/96 u.a. = NJW 2003, 2151, 2154. []
  3. Bundesärztekammer (1970). Entschließungen und Beschlüsse. Deutsches Ärzteblatt, 24, S. 1982. []
  4. Katzorke, T. & Propping, D., 1985. Voraussetzungen und Ergebnisse der heterologen (donogenen) Insemination. Pro familia magazin 3, 20-22. []
  5. Scheib, J. E., McCormick, E., Benward, J. & Ruby, A. (2020). Finding people like me: contact among young adults who share an open-identity sperm donor, Human Reproduction Open, 2020(4), hoaa057, https://doi.org/10.1093/hropen/hoaa057 []
  6. Tallandini et. al. (2016), Parental disclosure of assisted reproductive technology (ART) conception to their children: a systematic and meta-analytic review, Human Reproduction Advance Access published April 10, 2016, S. 9. []
  7. Straub, C., (2023). „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold?“ – Überlegungen zur Reform des Abstammungsrechts. FamRZ, 12. []

Eckpunkte zur Reform des Abstammungsrechts und des Kindschaftsrechts am 16. Januar 2024 veröffentlicht

Das Bundesministerium der Justiz hat am 16. Januar 2024 zwei Eckpunktepapiere zur
Modernisierung des Familienrechts veröffentlicht: ein Eckpunktepapier
zur Reform des Kindschaftsrechts
mit Vorschlägen für neue Regeln im
Sorge-, Umgangs- und Adoptionsrecht sowie ein Eckpunktepapier zur
Reform des Abstammungsrechts
. Die wichtigsten vorgesehenen Veränderungen sind in der Pressemitteilung des Ministeriums zusammengefasst.

Die jetzt vorgelegten Eckpunktepapiere beschreiben ausführlich die Veränderungspläne des Ministeriums. Es handelt sich aber noch nicht um Gesetzesentwürfe.

Für uns Spenderkinder sind besonders die Pläne zur Veränderung des Abstammungsrechts interessant. So ist z.B. vorgesehen, dass ein familiengerichtliches Feststellungsverfahren eingeführt wird, mit dem die leibliche Abstammung festgestellt werden kann, ohne dass ein (Spender-)Kind vorher die Zuordnung zu seinem rechtlichen Vater anfechten muss (wie bisher). Außerdem soll das Samenspenderregister erweitert werden und auch Daten zu Altfällen (d.h. Unterlagen von vor 2018), Embryonenspenden und private Samenspenden erfassen.

Spenderkinder: Gar nicht neugierig?

Einige Spenderkinder betonen, dass sie überhaupt nicht neugierig auf ihre genetische Herkunft sind.

Autorin dieses Textes ist Wendy Kramer. Sie ist Mutter eines durch Samenvermittlung gezeugten Sohnes und Gründerin des Donor Sibling Registry, über das Spenderkinder weltweit, z. B. mittels Spendernummer, bereits vor dem Aufkommen von DNA-Datenbanken nach genetischen Verwandten suchten. Der Text wurde im Original bei Psychology Today veröffentlicht. Mit Wendys freundlichem Einverständnis durften wir ihn für unsere Homepage übersetzen. Da die Rechtslage in Deutschland eine andere ist, als in den USA, haben wir den ersten Absatz durch eine Darstellung der deutschen Rechtslage ersetzt.

Menschen, die mit Spendersamen, -eizellen oder -embryonen gezeugt wurden, wachsen in der Regel auf, ohne einen Teil ihrer nahen genetischen Verwandten zu kennen. Die Bundesärztekammer wies zwar bereits 1970 darauf hin, dass durch Samenvermittlung entstehende Menschen ein Recht darauf haben, die Identität der genetischen Elternteile zu erfahren.1 Die Daten werden in Deutschland aber erst seit 2018 zentral gespeichert.2 Für vor 2018 gezeugte Menschen oder Menschen, die im Ausland oder durch vermittelte Eizellen oder Embryonen gezeugt wurden, ist es daher oft schwierig, ihr Recht durchzusetzen und Informationen über unbekannte genetische Elternteile zu erhalten – und dadurch auch über ihre medizinische Familiengeschichte. Das Recht auf Kenntnis ist nicht abhängig von einem bestimmten Alter, wie der Bundesgerichtshof 2015 bestätigte. Dennoch ist Kontakt zum weiteren genetischen Elternteil und zu Halbgeschwistern in der Kindheit in der Regel nicht geplant. Das bedeutet, dass Spenderkinder sich früher oder später selbst mit der Frage beschäftigen, ob sie mehr über ihre genetischen Verwandten wissen und ggf. Kontakt aufnehmen möchten.

Oft hören wir Geschichten von Menschen, die durch Samen-, Eizell- oder Embryonenvermittlung entstanden sind und die ihre Verwandten suchen und finden. Das Donor Sibling Registry hat 85.500 Mitglieder, von denen mehr als 24.000 Verbindungen zu Halbgeschwistern und/oder genetischen Elternteilen hergestellt haben. Viele weitere haben durch die Übermittlung ihrer DNA an kommerzielle DNA-Datenbanken und über private Suchen Verbindungen hergestellt. Manchmal haben auf diese Weise entstandene Menschen jedoch widersprüchliche Gefühle oder bestehen darauf, dass sie überhaupt nicht neugierig oder daran interessiert sind, ihre Halbgeschwister und/oder ihren weiteren biologischen Elternteil (den Spender/die Spenderin) kennenzulernen oder etwas über ihre Abstammung oder ihre medizinische Familiengeschichte zu erfahren. Auch wenn einige tatsächlich kein Interesse haben mögen, kann die Ambivalenz oder das völlige Desinteresse auch folgende Gründe haben:

  • Sie fühlen sich verunsichert, wie sie Beziehungen zu genetischen Verwandten gestalten sollen, die gleichzeitig Fremde sind.
  • Sie schämen sich für die Art und Weise, wie sie gezeugt wurden, und wollen es nicht wahrhaben oder darüber nachdenken.
  • Sie nehmen an, dass der unbekannte genetische Elternteil anonym bleiben möchte, obwohl die Anonymität von den Samen- und Eizellbanken vorgegeben wurde. Viele Spender*innen wollten jedoch nie anonym bleiben oder haben ihre Meinung geändert und sind froh, gefunden zu werden.
  • Sie befürchten, dass ihre Eltern durch die Neugierde verletzt oder enttäuscht werden könnten. Das gilt vor allem in Familien, in denen es nicht erwünscht ist, über Spender*in oder Halbgeschwister zu sprechen, oder wenn ihr Einfluss oder ihre Bedeutung heruntergespielt wird.
  • Ihre Eltern haben ihnen vermittelt, dass jegliche Neugier auf genetische Verwandte ausdrückt, dass die Eltern nicht perfekt oder als Eltern nicht gut genug waren.
  • Sie haben das Gefühl, dass jegliche Neugier als Verrat empfunden wird an den Eltern, die sie aufgezogen haben, insbesondere an den nicht-genetischen Elternteilen, selbst wenn diese bereits verstorben sind.
  • Sie befürchten, dass andere denken könnten, sie wären neugierig, weil sie unzufrieden mit ihrer Familie sind.
  • Ihre Eltern spielen die Bedeutung oder Wichtigkeit der unbekannten biologischen Familie des Kindes herunter oder verneinen oder verleugnen sie. Manchmal vermitteln die Eltern durch Worte oder Schweigen die klare Botschaft, dass der unbekannte genetische Elternteil oder die Halbgeschwister keine willkommene Ergänzung ihres Lebens oder des Familienkreises wären.
  • Sie befürchten, dass die Geschwister, mit denen sie aufgewachsen sind, über die neu gefundenen genetischen Verwandten nicht erfreut wären.
  • Sie befürchten, dass Freunde, Familie, Ehepartner, Partner oder andere sie dafür verurteilen würden – etwa mit Bemerkungen wie: „Diese Leute gehören nicht zu deiner Familie“, „DNA macht noch keine Familie aus“ oder „Warum dieses Fass aufmachen?“
  • Sie fühlen sich nach einem Kontaktversuch oder sogar nach Zustandekommen eines Kontakts zurückgewiesen oder verlassen. Die Zurückweisung ist in der Regel ein Hinweis auf die Grenzen der zurückweisenden Person und hat nichts mit der Person zu tun, die zurückgewiesen wird.
  • Sie haben Angst, nicht gut genug zu sein oder nicht genug geleistet zu haben.
  • Sie fühlen sich überfordert angesichts der Möglichkeit, 10, 50, 100 oder sogar mehr als 200 Halbgeschwister zu finden und dann herausfinden zu müssen, wie sich diese neuen Beziehungen mit einem bereits vollen Schul-/Arbeits-/Hausleben und Zeitplan pflegen/vereinbaren lassen.
  • Sie befürchten, nicht über die emotionale Kapazität oder mentale Stabilität zu verfügen oder einfach gerade nicht am „richtigen Punkt“ im Leben zu sein, um ein Treffen oder die Aufnahme neuer Verwandter in ihr Leben bewältigen zu können, insbesondere wenn es viele sind. Das kann auch an allgemeiner Angst liegen, neue Menschen kennenzulernen.
  • Sie befürchten, dass ihre neuen Verwandten sie nicht mögen oder von ihnen enttäuscht sein werden oder dass sie nicht genügend Gemeinsamkeiten haben werden.
  • Sie befürchten, zu erfahren, dass der biologische Elternteil, der 50 % ihrer DNA beigesteuert hat, in irgendeiner Weise Schwachstellen hat, was sich dann auf ihr eigenes persönliches Identitätsgefühl auswirken könnte.
  • Sie befürchten, dass es ihre derzeitigen Familienbeziehungen, ihr Familiensystem und ihre familiäre Stabilität beeinträchtigen könnte, genetische Verwandte kennenzulernen
  • Sie befürchten, etwas über genetisch vererbbare Gesundheitsprobleme zu erfahren.

Diese Gefühle und Befürchtungen hängen damit zusammen, wie Menschen beigebracht wird, Familie zu definieren. Wenn Kindern gesagt wird: „Diese Leute sind nicht deine Familie“, wie sollen sie dann eine eigene Vorstellung davon entwickeln, was Familie für sie bedeutet? Wenn Eltern bewusst nicht einmal über die Tatsache sprechen, dass ihre Kinder einen weiteren genetischen Elternteil haben (z. B. durch beiläufige Erwähnung verschiedener körperlicher Merkmale, Gaben, Stärken, Hobbys oder Interessen, die von der unbekannten Seite der Familie stammen könnten), vermitteln sie ihren Kindern die klare Botschaft, dass dieses Thema nicht erforscht, anerkannt oder diskutiert werden sollte.

Sind die Eltern bereit, ihre eigenen Ängste und Unsicherheiten zu hinterfragen und sogar neu zu definieren, was der Begriff „Familie“ für ihre Kinder bedeutet, die mit den Ei- oder Samenzellen fremder Personen gezeugt wurden? Manchmal bestehen Eltern darauf, dass ihre Kinder überhaupt nicht neugierig seien – und dann sieht man dieselben erwachsenen Spenderkinder im Donor Sibling Registry [Anm.: oder in anderen vertraulichen Gruppen] schreiben, dass ihre Eltern wütend oder verletzt wären, wenn sie von ihrem Wunsch wüssten, die Seite ihres weiteren genetischen Elternteils kennenzulernen.3 Dabei können Spenderkinder, die sich als einzigartige und wunderbare Mischung aus Anlage und Umwelt begreifen, sowohl die biologischen als auch die nicht-biologischen Elternteile anerkennen, ohne dass sie deren Anteile herunterspielen müssen.

Die Neugier kann im Laufe des Lebens eines Spenderkindes variieren, und die Familien können ihren Kindern zugestehen, zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich neugierig zu sein. Manche Spenderkinder sind erst neugierig, wenn sie in die Pubertät kommen und anfangen, sich damit auseinanderzusetzen, wer sie als Erwachsene sein werden. Andere sind besonders neugierig, wenn sie selbst Kinder bekommen.4 Zuweilen lässt die Neugier nach, wenn andere Dinge im Leben anstehen und Aufmerksamkeit fordern.

Desinteresse vorzutäuschen, kann eine gute Möglichkeit sein, sich selbst und andere vor Enttäuschungen und vor dem Unbekannten zu schützen. Manche Spenderkinder behaupten erst dann, kein Interesse zu haben, wenn sie erfahren, dass der unbekannte genetische Elternteil anonym bleiben möchte. Diese Reaktion schützt sie davor, sich zurückgewiesen zu fühlen. Wenn ein genetischer Elternteil Kontakt verweigert, bedeutet das jedoch nicht, dass es keine Hoffnung für die Zukunft gibt. Manche genetischen Elternteile brauchen Zeit, um zu verarbeiten, dass sie einige oder auch sehr viele genetische Kinder haben. Andere genetische Elternteile müssen vielleicht mit Familienmitgliedern verhandeln oder sie respektieren, die nicht so aufgeschlossen sind, die Spenderkinder kennenzulernen. Leider kommt es manchmal vor, dass Partner*innen oder Ehepartner*innen der genetischen Elternteile eine mögliche Beziehung zwischen Spenderkindern und ihren biologischen Eltern verhindern.

Diese allgemeinen Sorgen, Ängste und Vorbehalte gegenüber der unbekannten genetischen Familie können anerkannt und verarbeitet werden, so dass es nicht notwendig ist, jemanden davon abzuhalten, die erweiterte Familie zu erforschen.

If we know where we came from, we may better know where to go. If we know who we came from, we may better understand who we are. Anonymous

(Wenn wir wissen, wo wir herkamen, wissen wir vielleicht besser, wo wir hingehen sollen. Wenn wir wissen, von wem wir herkamen, verstehen wir vielleicht besser, wer wir sind. – Anonym)

  1. An Eizellen und Embryonen dachte man im Jahr 1970 noch nicht. []
  2. Im Samenspenderregister []
  3. Diese Befürchtung äußern auch nicht wenige Spenderkinder, die den Verein Spenderkinder kontaktieren. []
  4. Vermutlich weil ihnen die Bedeutung von Vererbung mit eigenen Kindern bewusster wird. []

Der Fall des Massenspenders Jonathan Jacob Meijer

Ende April ging die Meldung durch die Nachrichten, dass die niederländische Spenderkinder-Organisation Stichting Donorkind ein Unterlassungsurteil bei einem Gericht in Den Haag gegen den niederländischen Samenspender Jonathan Jacob Meijer erwirkt hat, der über 500 Kinder gezeugt haben soll. Das Urteil verbietet Meijer bei Androhung einer Strafe von 100 000 Euro, weiterhin seinen Samen anzubieten, er muss Kliniken auffordern seinen Samen zu vernichten. Ausnahmen gibt es für die Zeugung von Geschwisterkinder.

In den Niederlanden durften bis 2019 nur 25 Kinder durch einen Samenspender entstehen, seit 2019 wurde die die Grenze zur besseren Berücksichtigung von Geschwisterkindern auf 12 Familien geändert. Meijer, ein 41jähriger Musiker, hatte sich laut den Berichten bei 11 Samenbanken in den Niederlanden sowie bei jeweils einer in Dänemark und der Ukraine als Spender registriert und außerdem seinen Samen auch privat über diverse Online-Foren angeboten. Dabei soll er die empfangenden Familien nach Berichten teilweise bewusst über die Anzahl der durch ihn gezeugten Kinder getäuscht haben. 2017 wurde die niederländische Vereinigung für Reproduktionsmedizin auf die Massenspenden aufmerksam und setzte ihn auf eine schwarze Liste. Allerdings gibt es in den Niederlanden kein Zentralregister, das über die Einhaltung dieser Grenze wachen würde und die Kliniken teilen ihre Informationen über Spender nicht.

Das Gericht begründete sein Unterlassungsurteil mit der hohen Inzestgefahr bei über 500 Halbgeschwistern und damit, dass viele Eltern nun ungewollte Teil eines riesigen Verwandtschaftsnetzwerks seien.

Stichting Donorkind nannte das Verhalten Meijers ein „bizarres soziales Experiment“. Während es einige Berichte über Massenspender gibt, bewegt sich die Zahl der genannten gezeugten Kinder meist um die 100 – der Fall Meijer sticht wegen der ungewöhnlich hohen Zahl von über 500 besonders hervor. Obwohl sich die meisten Spenderkinder durchaus über Halbgeschwister freuen, sollte eine bestimmte Zahl nicht überschritten werden (siehe auch unser Beitrag 100 Halbgeschwister und mehr) – vor allem weil die Gefahr einer unwissentlichen Inzest-Beziehung steigt, aber auch weil eine so hohe Zahl die Fähigkeit der meisten überfordern wird, eine sinnvolle Beziehung aufbauen und pflegen zu können.

Ein Fall wie mit Meijer könnte jedoch ohne weiteres auch in Deutschland passieren. Anders als in den Niederlanden gibt es in Deutschland noch nicht einmal eine gesetzliche Obergrenze für die Zahl von Kindern, die durch eine Person gezeugt werden können, die Samen abgibt. Ein Münchner Reproduktionsmediziner dokumentierte über 100 Schwangerschaften durch den Samen eines Mannes. Der Arbeitskreis Donogene Insemination empfiehlt offiziell eine Grenze von 15 Kindern, die jedoch nicht einmal von den eigenen Mitgliedern eingehalten wird. So bot z.B. eine Samenbank aus Essen noch im Jahr 2022 bis zu 74 Einheiten eines Mannes in ihrem Online-Katalog an.

Der Verein Spenderkinder fordert daher, dass eine gesetzliche Höchstgrenze von Familien festgelegt wird, die Samen einer Person in Anspruch nehmen, die diesen über eine Samenbank zur Verfügung stellt. Die Einhaltung könnte das Samenspenderregister überprüfen, die entsprechenden Spender sperren und auch eine Warnung aussprechen, wenn sich Spender bei mehreren Samenbanken registrieren lassen.

Es gibt auch deutsche Eltern, die ein Kind durch Jonathan Jacob Meijer bekommen haben, und die sich in Kontakt zueinander und zu den niederländischen Familien befinden. Einen Kontakt können wir für andere betroffene Familien auf Nachfrage gerne herstellen.

ZDF-37°-Reportage „Auf der Suche nach dem leiblichen Vater“ am 16. April 2023 mit Spenderkinder-Mitglied Sandra

In der ZDF 37°-Folge „Auf der Suche nach dem leiblichen Vater“ erzählt Spenderkinder-Mitglied Sandra wie sie als Erwachsene über ihre Entstehungsweise aufgeklärt wurde. Anschließend machte sie sich auf die Suche nach ihrem Erzeuger.

Rechtliche Korrektur: Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung galt auch schon zu Sandras Entstehungszeit. Bereits 1970 wies die Bundesärztekammer darauf hin, dass Spenderkinder ein Recht haben, zu erfahren, wer ihr genetischer Vater ist (Deutsches Ärzteblatt, 1970). Die Sendung ist bis zum 16.04.2028 über die Mediathek abrufbar.

ZDF-37°-Reportage „Lebenslügen und Familiengeheimnisse“ am 28.März 2023 mit Spenderkinder-Mitglied Britta

Spenderkinder-Mitglied Britta erfuhr als Erwachsene, dass sie durch Samenvermittlung entstanden ist. In der Reportage „Lebenslügen und Familiengeheimnisse“ in der ZDF-Reihe 37° blickt sie darauf zurück, was die Aufklärung für sie bedeutet und erzählt, wie es anschließend für sie weiterging. Neben Britta äußern sich in der Reportage auch ihre Mutter und ihr sozialer Vater zur Aufklärung, die sie mit ganz verschiedenen Gefühlen berührt. Britta betont, wie wichtig die frühe Aufklärung von Spenderkindern ist, um eine authentische Beziehung zwischen ihnen und ihren Eltern zu ermöglichen. Die Sendung kann in der ZDF-Mediathek nachgeschaut werden.

Gewünscht zu sein ist keine Garantie für eine glückliche Kindheit

Der in Wien lebende Pianist Albert Frantz wurde durch eine Samenspende gezeugt – und erzählt in einem Beitrag „Jetzt weiß ich, wer ich bin“ in der österrechischen Zeitung Der Sonntag, dass sein rechtlicher Vater ihn schwer misshandelt hat. Darüber zu sprechen fiel ihm schwer, und es ist ihm wichtig zu betonen, dass Eltern keine genetische Verbindung zu ihren Kindern benötigen, um sie lieben und unterstützen zu können. In seinem Fall ist er sich jedoch sicher, dass sein rechtlicher Vater ihn gerade deswegen misshandelt hat, weil sie nicht genetisch verwandt waren. 2018 fand er seinen genetischen Vater über einen DNA-Test – und erfuhr, dass seine Großmutter väterlicherseits Pianistin war.

Spenderkindern, die sich irgendwie kritisch über ihre Zeugungsart oder den Umgang damit äußern, wird oft entgegen gehalten, sie seien doch so gewollt gewesen. Damit verbunden ist die Annahme, dass Spenderkinder es wegen dieses Gewolltseins gut getroffen hätten im Leben und sie sich eigentlich nicht beschweren können. Schon wegen dieser pauschalen Annahme und der Aussage „Hör mal auf, Dich zu beschweren“, sind solche Äußerungen total ungebracht (siehe auch 12 Bemerkungen die Spenderkinder nerven und welche Reaktion sie sich stattdessen wünschen).

Geschichten wie die von Albert zeigen aber, dass alleine der Wunsch nach einem Kind nicht bedeutet, dass die Wünschenden auch gute Eltern sein werden. Mit dem tatsächlichen Kind konfrontiert zu werden, das sich teilweise nicht so verhält wie erwartet, und das vielleicht auch an die eigene Unfruchtbarkeit erinnert, kann sehr schwierig sein. Das muss nicht in Misshandlungen enden, aber kann auch zu Desinteresse und Distanzierung führen – was ebenfalls sehr schmerzhaft sein kann.

Wir haben vor einigen Tagen einen Tagen auf Instagram einen Artikel aus der Süddeutschen geteilt über eine 62jährige Frau aus Hildesheim, die wegen schwerer Misshandlung ihres siebenjährigen Sohnes verurteilt wurde, den sie mit einer Samen- und Eizellvermittlung aus Spanien bekommen hatten. Einige Kommentare haben das als Generalverdacht gegen Wunscheltern aufgefasst und kritisiert, es bestünde kein Zusammenhang zwischen der Misshandlung und der Zeugung mit fremden Ei- und Samenzellen.

Wir fanden sehr bedauerlich, dass unser eigentliches Anliegen – die Kritik an dem Argument „Ihr seid doch Wunschkinder“ dabei nicht mehr wahrgenommen wurde. Misshandlungen geschehen auch von leiblichen Eltern an ihren Kindern. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft hier genauer hinsieht und die Kinder efektiv schützt.

Die fehlende genetische Verwandtschaft kann aber einen zusätzlichen Risikofaktor darstellen. Und Wunscheltern werden – anders als Adoptiveltern – nicht auf die zusätzlichen Herausforderungen vorbereitet, die eine Familiengründung mit fremden Samen- oder Eizellen beinhaltet. Die Forderung unseres Vereins nach einer unabhängigen psychosozialen Beratung vor einer Samenspende wurde bislang nicht aufgenommen. Kritisch sehen wir auch, dass manche Kliniken anscheinend die Wunscheltern nicht genauer überprüfen und die spanische Klinik anscheinend kein Problem damit hatte, bei einer 55jährigen Frau eine kombinierte Ei- und Samenvermittlung vorzunehmen. Solche Zeugungen sind eigentlich eher vergleichbar mit einer Adoption – für die ein Verfahren mit Kindeswohlüberprüfung erforderlich ist.

WAZ vom 5. Februar 2023: Gezeugt durch Fremdsamen: Ein Spenderkind sucht seinen Vater

Anfang Februar 2023 berichtete die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) in ihrer Print- und Onlineversion von Martinas Suche nach ihrem genetischen Vater. Martina wurde 1985 in einer Praxis in Essen mit dem Samen eines ihrer Mutter unbekannten Mannes gezeugt. Der vermittelnde Reproduktionsmediziner sagte bereits 2008 in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung, dass er nur Auskunft gebe, wenn ein Gericht ihn dazu zwinge. Der Gerichtsprozess zieht sich hin.

Spenderkinder haben – wie alle Menschen – ein Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung. Darauf wies die Bundesärztekammer bereits 1970 in Zusammenhang mit Samenvermittlung hin. Der Bundesgerichtshof hat dies 2015 bestätigt. Ein Recht anonym Kinder zu zeugen, gibt und gab es hingegen nicht.

Martina bittet Männer, die in den 80er-Jahren in Essen Samen „gespendet“ haben, sich per E-Mail an martoena@gmx.de bei ihr zu melden. Auch Hinweise können helfen: Wer kennt jemanden, der in den 80er Jahren in Essen Samen „gespendet“ hat? Wer erkennt Ähnlichkeiten mit Martina? Sehr wahrscheinlich hat Martina auch Halbgeschwister, die womöglich nichts von ihrer Entstehungsweise wissen.

Martina ist 33 Jahre alt, als sie erfährt, dass sie ein Spenderkind ist. Nun sucht sie nach ihrem genetischen Vater.
Martina heute
Martina wurde 1985 in Essen durch eine Samenspende gezeugt. Seit sie davon weiß, sucht sie ihren genetischen Vater.
Martina als Kind