Archiv der Kategorie: DNA Test

Family Finder, Andere DNA-Tests, Suchen und Finden von Spender, Halbgeschwistern und anderen Verwandten

VICE berichtet am 29. Januar 2020 über Britta und Dietrich

Das Online-Magazin der VICE berichtete am 29. Januar 2020 unter dem Titel „Samenspende: Wie Britta ihren Vater kennenlernte“ über die Geschichte von Britta und Dietrich.

Spenderkinder-Mitglied Britta identifizierte ihren Vater DIetrich im Mai 2019 über eine DNA-Datenbank. Beide haben sich über den Treffer gefreut, auch Dietrichs Frau wusste von Anfang an Bescheid und unterstützte das Kennenlernen der Beiden. Beste Voraussetzungen also auf allen Seiten.

In dem Artikel beschreiben Britta und Dietrich sehr ehrlich ihre Gedanken und Gefühle, von der Entscheidung „Samen zu spenden“ bis zu ihrem Kennenlernen und der großen Herausforderung, die gefundenen Verbindungen in den Alltag zu integrieren.

Der Artikel widmet sich damit einem Thema, das Spenderkinder und ihre Verwandten zunehmend beschäftigt: Wie geht es weiter, wenn der genetische Vater und Halbgeschwister gefunden wurden? Wie entwickeln sich die emotionalen Beziehungen zueinander weiter? Welcher Platz ist im Alltag füreinander?

„Der fremde Vater“ – Artikel im SZ-Magazin

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung vom 22. November 2019 wird unter dem Titel „Der fremde Vater“ beschrieben, wie Spenderkinder oder ihre Mütter herausfanden, dass der „Samenspender“ eine erbliche Krankheit hat und ein Straftäter ist.

Der genetische Vater im Beitrag hat seinen Samen in den USA abgegeben und angegeben, er sei bester Gesundheit, obwohl er bereits zuvor an Schizophrenie und Größenwahn erkrankt war. Außerdem war er ein polizeibekannter Straftäter.

In Deutschland werden „Samenspender“ mittlerweile üblicherweise auf sexuell-übertragbare Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatits untersucht. Bei vielen Gesundheitsangaben zum familiären gesundheitlichen Risikoprofil verlassen sich Samenbanken jedoch auf das, was der Mann ihnen berichtet. Auch wenn DNA-Analysen möglich wären, gibt es viel zu viele Krankheiten und auch noch zu wenig Wissen über die Entstehung vieler Krankheiten, als dass man alle erblichen Anlagen für sämtliche Krankheiten medizinisch ausschließen könnte. Manche Krankheiten machen sich auch erst später im Leben bemerkbar, so dass ein Mann zum Zeitpunkt der Samenabgabe möglicherweise selbst noch gar nicht weiß, welche Erbanlagen für Krankheiten er weitergibt. Ein polizeiliches Führungszeugnis wird üblicherweise nicht angefordert.

Der Bericht macht verschiedenes deutlich:

  1. Auch in Deutschland sind Regeln notwendig, die es zumindest möglich machen, nachträglich bekanntwerdende Gesundheitsinformationen im Samenspenderregister nachzumelden. Auf diese Verantwortung sollten Männer, die Samen abgeben, damit daraus Menschen entstehen, ausdrücklich hingewiesen werden.
  2. Den genetischen Vater zu identifizieren, ist nur ein Zwischenschritt. Die Frage nach der Kontaktaufnahme, Kontaktgestaltung und die Integration des genetischen Vaters ins eigene Familienbild kann für Spenderkinder eine anspruchsvolle Herausforderung sein.
  3. a) Und wer es bisher nicht wahrhaben wollte: „Wunschkindern“ geht es nicht automatisch gut, nur weil ihre rechtlichen Eltern sich Kinder wünschten. Für das Wohlergehen eines Kindes wäre zum Beispiel ein genetischer Vater hilfreich, der sympathisch ist. b) …nicht alle Männer, die Samen abgeben, sind „nett“.

Britta bei Leeroy Matata auf YouTube

Spenderkinder-Mitglied Britta wurde von Leeroy Matata auf YouTube über die Suche nach ihrem genetischen Vater interviewt.

Das Video ist seit dem 20. November 2019 online und hatte in den ersten zwei Tagen bereits über 300.000 Aufrufe. Britta wusste schon 11 Jahre lang, dass sie einen anderen genetischen Vater hat, bevor sie sich auf die Suche machte. Ihr hat es geholfen, mit anderen über das Thema zu sprechen. Nun möchte sie anderen Spenderkindern Mut machen, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu machen.

Aufklärung durch DNA-Datenbank

DNA Tests wie Family Finder, MyHeritage DNA, Ancestry oder 23andme werden auch in Deutschland immer häufiger genutzt.1 Dahinter steht meistens ein allgemeines Interesse an der Zusammensetzung der DNA oder an Ahnenforschung. Die meisten DNA-Tests warnen neue TeilnehmerInnen inzwischen davor, dass die Testergebnisse Familiengeheimnisse enthüllen können – aber vermutlich rechnen die meisten nicht damit, dass sie selbst davon betroffen sein könnten.

Auch in unserem Verein hatten wir in den letzten beiden Jahren die ersten Fälle, in denen unseren Mitgliedern Halbgeschwister angezeigt wurden, die bislang nichts von ihrer Zeugung durch eine Samenvermittlung wussten. In den USA ist diese Art der Aufklärung wegen der weiten Verbreitung der DNA-Tests übrigens gefühlt die Häufigste. Die amerikanischen Spenderkinder rechnen nach Sonderaktionen der DNA-Datenbanken wie „Prime Day“ und dem „Black Friday Sale“ regelmäßig mit neuen Halbgeschwistern.

Für das aufgeklärte, suchende Spenderkind ist das eine schwierige Situation: einerseits besteht Freude über den Halbgeschwistertreffer, andererseits findet es sich vor die Aufgabe gestellt, die neue Halbschwester oder den neuen Halbbruder aufzuklären. Es ist eine sehr unangenehme Aufgabe, einem Menschen, den man noch nicht weiter kennt, vermitteln zu müssen, dass er von den Menschen, denen er vermutlich am meisten vertraut, seinen Eltern, getäuscht wurde. Es ist wahrscheinlich, dass der neue Halbbruder oder die neue Halbschwester in ein Chaos der Gefühle gestürzt wird. Er oder sie hat nicht nur ein Familiengeheimnis entdeckt und seine bzw. ihre Eltern von einer neuen Seite kennengelernt sondern gleichzeitig enge Verwandte gefunden, von denen er oder sie bislang nicht wusste, dass sie existieren.

Unsere Empfehlung: vorsichtig vorgehen

Wir empfehlen, erst einmal vorsichtig vorzugehen. Wenn die Halbschwester oder der Halbbruder nichts von ihrer oder seiner Zeugungsart weiß, könnte es als traumatisch empfunden werden, wenn man gleich mit der Tür ins Haus fällt mit Sätzen wie „Bist Du auch in der Klinik XXX entstanden?“ Ihr könnt gerne bei unserem Verein nachfragen, ob euer Treffer Mitglied bei uns ist (und dementsprechend von der Zeugungsart weiß). Wenn wir dazu nichts sagen können, empfehlen wir, erst einmal nachzufragen, weswegen die Halbschwester oder der Halbbruder sich bei einer DNA-Datenbank hat eintragen lassen und ob er oder sie eine Idee hat, weswegen man so nah verwandt sein könnte. Aus der Antwort kann man dann schließen, ob die Halbschwester oder der Halbbruder von der Samenvermittlung (oder Eizellvermittlung) weiß. Wenn das nicht der Fall ist, kann man bei einer Rückfrage wie ob man selbst eine Idee dazu hat hoffentlich einschätzen, ob eInteresse an einer Klärung der Verwandtschaftsbeziehungen besteht. In diesem Fall könnte man von der eigenen Abstammung durch eine Samenvermittlung erzählen oder dass man nicht weiß, wer der biologische Vater ist. Es besteht immerhin auch die Möglichkeit, dass die Halbschwester oder der Halbbruder ein „bekanntes“ Kind des biologischen Vaters ist (und dann damit zurechtkommen muss, dass der Vater seinen Samen abgegeben hat).2

Ab und zu hört man die Empfehlung, dass man die Halbschwester oder den Halbbruder darauf verweisen sollte, erst einmal mit den Eltern zu sprechen. Auch wenn wir eine Aufklärung durch die Eltern selbst günstiger finden, halten wir so einen Verweis für bevormundend: wer sich bei einer DNA-Datenbank registriert, ist erwachsen und kann selbst bestimmen, was er oder sie wissen möchte. Wir haben außerdem die Erfahrung gemacht, dass manche Eltern selbst angesichts von DNA-Test-Ergebnissen nicht die Wahrheit sagen und behaupten, die Ergebnisse müssten falsch sein.

Wie reagieren die Betroffenen?

Jeder Mensch reagiert abhängig von Charakter und Vorahnungen anders auf eine solche Enthüllung.

Obwohl wir eine Aufklärung durch die Eltern günstiger finden, sind manche auch froh, dass sie von einem anderen Spenderkind aufgeklärt werden:

„Ich war heilfroh, dass ich bei meinem absolut unerwarteten Treffer über die DNA-Datenbank direkt eine Halbschwester gefunden habe, die bereits über ihre Entstehung informiert war. Durch die Gespräche mir ihr konnte ich den Schock ein Spenderkind, ohne von den eigenen Eltern aufgeklärt worden zu sein, deutlich besser verdauen. Wäre es mir am Tisch von meinen Eltern oder noch schlimmer: durch Zufallsfund in den Dokumenten derselben eröffnet worden, dass ich Spenderkind bin, wäre dieser Schock womöglich anders verarbeitet worden. Sich alleine damit abzufinden und ggfs. mehrere Wochen auf DNA-Treffer zu warten – schwer einzuschätzen, ob ich mich dann nicht auch erstmal zurückgezogen hätte.“

Im Allgemeinen wurde die Situation nach einer kurzen Phase der Ungläubigkeit und Freude über den Halbbruder oder die Halbschwester akzeptiert. Manche hatten schon geahnt, dass sie möglicherweise nicht von ihrem Vater abstammen, waren aber eher von einer Affäre der Mutter ausgegangen.

Bei anderen war festzustellen, dass die Neuigkeit sie sehr schockierte und sie erst einmal Zeit zur Verarbeitung brauchten. Es gab jedoch auch Fälle, in denen die Betroffenen es nicht wahrhaben wollten und das Testergebnis für falsch hielten oder überhaupt keinen Kontakt wollten. Das ist traurig für das suchende Spenderkind – hier tröstet nur der Gedanke, dass die Halbschwester oder der Halbbruder vielleicht nur Zeit zur Verarbeitung braucht. Genetische Verwandtschaft kann in verschiedenen Lebensphasen eine ganz unterschiedliche Bedeutung besitzen, und vielleicht verändert sich diese Bedeutung einmal in der Zukunft. Wer nicht wahrhaben möchte, dass die Eltern ihnen die Wahrheit über ihre Abstammung vorenthalten haben, ist vermutlich noch nicht bereit für diese Einsicht und die damit verbundene Auseinandersetzung mit den Eltern.

Wurden die Eltern mit dem Wissen konfrontiert?

Wurde das Kind durch einen Halbbruder oder eine Halbschwester aufgeklärt, stellt sich für das Kind die Frage, ob und wie es seinen Eltern davon erzählt. Während meistens zumindest das Gespräch mit der Mutter gesucht wird, auch um die Entstehungsweise zu bestätigen, fällt das Gespräch mit dem sozialen Vater deutlich schwerer, wenn vermutet wird, dass er nicht der leibliche Vater ist.

Die meisten Spenderkinder informieren die Eltern über ihre Entdeckung. Manche Eltern geben erst nach längeren Diskussionen zu, dass die Kinder durch eine Samenvermittlung entstanden sind. Für sie ist die Enthüllung ebenfalls schockierend: die meisten wussten nicht von den Enthüllungsmöglichkeiten der modernen DNA-Datenbanken. Dazu kommt, dass sie über das Familiengeheimnis entweder nie oder nur wenig gesprochen haben und nun ein Gespräch mit ihren Kindern führen müssen, dass sie nie führen wollten und auf das sie sich nicht vorbereitet haben.

Unser Appell: Klärt auf!

Daher noch einmal unser nachdringlicher Appell an die Eltern von Spenderkindern, die bislang nichts von ihrer Zeugungsart wissen: Klärt eure Kinder auf! Lieber früher als später, aber es ist niemals zu spät. Eine Aufklärung durch Dritte über eine DNA-Datenbank hat keine positiven Auswirkungen auf eine vertrauensvolle Familienbeziehung. Und extrem unfair ist es, wenn die Kinder erst dann von ihrer Abstammung erfahren, wenn die Eltern bereits verstorben sind und keine Antworten mehr bekommen können. Vielleicht ahnen oder wissen eure Kinder auch bereits mehr, als ihr meint.

  1. Wir empfehlen den Test von Ancestry, dessen Ergebnisse man kostenlos bei zwei weiteren Datenbanken (Family Finder und MyHeritage DNA) hochladen kann. []
  2. Das ist in unserem Verein erst zwei Mal vorgekommen, aber schon mehrmals bei Spenderkindern in den USA. []

Brittas Geschichte bei 95.5 Radio Charivari

Radio Charivari hat Münchner aufgerufen, ihre bewegensten Geschichten zu erzählen. Die Geschichte von Spenderkinder-Mitglied Britta wurde am 28. Oktober 2019 ausgestrahlt und kann auf der Seite des Senders und über unsere Seite leicht variiert nachgehört werden:

Die meisten Spenderkinder kostet es große Überwindung, ihre eigene Geschichte in der Öffentlichkeit zu erzählen. Brittas Geschichte ist in 5 Minuten knapp gefasst und erreicht hoffentlich viele Menschen. So wie Britta suchen nicht alle Spenderkinder sofort nach ihrem leiblichen Vater. Es gehört einiges an Zuversicht dazu, sich auf die Suche nach der sprichwörtlichen „Nadel im Heuhaufen“ zu machen.

Brittas Geschichte zeigt auch, dass, nur weil Menschen sich ein Kind wünschen, nicht automatisch sichergestellt ist, dass sie gut für ein Kind sorgen werden. Es gibt viele Gründe, sich ein Kind zu wünschen und kaum jemand kann vorher abschätzen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Ein Kind zu haben, das einen weiteren genetischen Elternteiln mitbringt, obwohl man vielleicht selbst gerne auch leiblicher Elternteil geworden wäre, ist eine große Herausforderung – auch, oder vielleicht sogar erst recht, für Wunscheltern.

Der Titel „Ich habe 100 Geschwister“ ist etwas irreführend, Britta hat sich auf die Suche nach ihren Geschwistern gemacht, sie weiß aber nicht, wie viele es sind. Auch wenn wir hoffen, dass es in der Regel weniger als 100 sind, wissen wir, dass es auch Fälle gibt, in denen eine solche Anzahl von Kindern durch einen Mann im Rahmen ärztlicher Samenvermittlung erzeugt wurde. Bislang gibt es leider keine rechtsverbindliche Obergrenze.

Den DNA-Test bieten wir natürlich nicht als Verein an, sondern wir empfehlen verschiedene DNA-Tests. Die meisten unserer Mitglieder sind in der DNA-Datenbank FamilyTreeDNA registriert.

*******************Achtung Spoiler***********************

Das unglaubliche Happy-End der Geschichte kann allen Spenderkindern Mut machen, dass es auch sympathische ehemalige „Samenspender“ gibt, die zu den Kindern, die durch sie entstanden sind, stehen.

Auf der Seite des Radiosenders kann auch ein Beitrag von Brittas genetischem Vater angehört werden.

 

Stinas Geschichte im Audible-Podcast „der Moment“ vom 27. Juli 2019

In der aktuellen Folge des audible-Podcasts „der Moment“ vom 27. Juli 2019 erzählt Spenderkinder-Mitglied Stina die Geschichte vom Tag ihrer Aufklärung im Jahr 2006 bis zum Finden ihres genetischen Vaters 2018.

Anders als in den Zeitungsartikeln in der Zeit und der WAZ zu Beginn dieses Jahres, erzählt Stina im Podcast selbst ihre Geschichte. Dadurch fühlt man sich noch dichter dran am Geschehen und Stinas stets besonnene Reaktion auf emotional sehr schwierige SItuationen, die – wären sie nicht wirklich wahr – surreal anmuten, wirkt umso bemerkenswerter.

Noch ist die Folge nur mit einem Audible-Abo zu hören, wahrscheinlich wird sie aber nach einiger Zeit für alle freigeschaltet. Die ganze Staffel kostet 10 Euro – die anderen Folgen klingen aber auch interessant!

Belgischer „Bioethik-Experte“ fordert Verbot von DNA-Datenbanken

Inzwischen ist auch bei den vehementesten Verfechtern von Spenderanonymität angekommen, dass selbst rechtlich geschützte Anonymitätsversprechen angesichts der neuen technologischen Entwicklungen relativ bedeutungslos sind, weil Spender gegen ihren Willen mit Hilfe von DNA-Datenbanken wie Ancestry über Verwandte identifiziert werden können. Auch in unserem Verein haben dies schon mehrere Spenderkinder geschafft.

Der belgische „Bioethik-Experte“ Guido Pennings hat nun in einem Artikel in der Zeitschrift Human Reproduction gefordert, man solle die entsprechenden Datenbanken einfach verbieten. Der Artikel selbst ist noch nicht im Volltext kostenlos erhältlich, aber sein Inhalt wird in einem Artikel in der Daily Mail wiedergegeben.

Seine Argumente kurz zusammengefasst:

  • Es sei ein Zeichen von Respektlosigkeit und mangelnder Dankbarkeit, wenn Spenderkinder versuchen, ihre biologischen Väter zu identifizieren, obwohl diesen Anonymität versprochen worden sei.
  • Es stelle eine Verletzung der Privatsphäre dar, wenn man eine Person identifiziere oder sogar kontaktiere, die selbst nicht bei der DNA-Datenbank registriert sei.
    Männer, die in der Vergangenheit Samen gespendet hätten und sich nun in einer Beziehung befänden oder weitere Kinder hätten, könnten durch eine Kontaktaufnahme gestört werden.
  • Außerdem könnten Menschen, die nicht wussten, dass sie durch Samenspenden gezeugt wurden, durch genetische Geschwister kontaktiert werden. Dies könne zu Leid und Ärger in einem größeren Netzwerk von Menschen führen, die sich nie gekannt hätten, wenn es die DNA-Tests nicht gäbe.

Die Argumente von Pennings sind sicherlich auch davon geprägt, dass in Belgien anonyme Samenspenden nach wie vor zulässig sind – wogegen sich unsere Schwesterorganisation Donorkinderen seit langem einsetzt. Abgesehen davon, dass man mit einem Verbot von DNA-Datenbanken die Handlungsfreiheit aller Menschen der (in Deutschland und vielen anderen Ländern nicht gegebenen) Anonymität von Samenspendern unterordnen würde, was ziemlich unverhältnismäßig wäre, könnte man ein Verbot auch faktisch schlecht durchsetzen. Die DNA-Datenbanken sind überwiegend in den USA ansässig, und die verschickten Speichelproben relativ unauffällig.

Bei den Forderungen handelt es sich also eher um ein ziemlich übertriebenes Herumgejammer angesichts einer technologischen Entwicklung, die das eigene Gedankenkonstrukt durchkreuzt. Dass die Forderungen ernsthaft aufgegriffen werden, ist daher unwahrscheinlich.

Halbgeschwister freuen sich überwiegend über den Kontakt

Teilweise ist die Darstellung der Auswirkungen des DNA-Tests auch einfach nicht richtig: wir hatten in unserem Verein inzwischen mehrfach die Situation, dass unseren Mitgliedern Halbgeschwister angezeigt wurden, die nichts von ihrer Zeugungsart wussten. Trotz dieser überraschenden und sicher teilweise auch schockierenden Entdeckung haben sich die neuen Spenderkinder jedoch überwiegend über ihre Halbgeschwister gefreut. Die Identifikation dieser Verbindungen ist also etwas Positives und nichts, was überwiegend Leid und Ärger auslöst. Außerdem weisen die DNA-Datenbanken inzwischen vor der Registrierung darauf hin, dass man bislang unbekannte Verwandte entdecken kann.

Keine Auseinandersetzung mit den Rechten von Spenderkindern

Bemerkenswert ist, dass ein „Bioethik-Experte“ kein Wort zu den Rechten von Spenderkindern verliert. Er erwartet im Gegenteil wie selbstverständlich von Spenderkindern, den genetischen Vater zu schützen. Normalerweise hält man in der Eltern-Kind Beziehung eher die Kinder für schutzwürdig. Grundsätzlich ist übrigens niemand vor einer Kontaktaufnahme durch andere Menschen innerhalb normaler Grenzen geschützt, so lange es nicht in ernsthafte Belästigung oder Bedrohung ausartet.

Die Forderung hat bei der internationalen Spenderkinder-Gruppe zu Belustigung geführt, da die Forderung eher Hilflosigkeit demonstriert und Guido Pennings regelmäßig einseitige Artikel zum Thema Familiengründung mit den Keimzellen Dritter veröffentlicht.

Unsere Favoriten unter den Reaktionen:

  • Guido Pennings schlägt wieder zu!
  • Der Versuch, Zahnpasta zurück in die Tube zu quetschen.
  • Vielleicht sollte man auch gleich den Zugang zum Internet verbieten.
  • Er hat bestimmt selbst Samen gespendet oder Freunde zum Spenden motiviert und jetzt sind alle sauer auf ihn.
  • Ich wusste nichts von meiner Zeugung durch Samenspende und habe mich aus anderen Gründen bei Ancestry registriert – mir wurde einfach ein Vater angezeigt – mal überlegt, wie das ist?

WAZ vom 8. April 2019: Wie ein Essener Frauenarzt zu einer unerwarteten Tochter kam

In der Print- und Onlineausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) vom 8. April 2019 äußerte sich Prof. Dr. Katzorke erstmals zu dem Vorwurf, eine ehemalige Patientin ohne deren Wissen mit seinen eigenen Samen befruchtet zu haben. Die Verbindung zwischen dem Reproduktionsmediziner und Spenderkindermitglied Stina wurde durch einen DNA-Test im vergangenen Jahr aufgedeckt.

Laut Katzorke „spendeten“ auch andere Ärzte des Uniklinikums Essen freigiebig unter gegenseitiger Zusicherung von Anonymität, obwohl der Bundesärztetag (1970!) empfohlen hatte, einwandfrei zu dokumentieren, um das Auskunftsrecht des Kindes erfüllen zu können. Das lässt Katzorkes vehemente Verfechtung der Anonymität in einem anderen Licht dastehen und macht einmal mehr deutlich, dass – mit den Worten von Stina – „die Reproduktionsmediziner keine neutrale vermittelnde Stellung inne haben und auch niemals inne hatten, sondern selbstverständlich auch von eigenen Interessen geleitet handeln.“

Auch wenn Katzorke nicht müde wird, zu betonen, wie wenig Bedeutung Gene für ihn haben, scheinen seine Frau und seine drei anderen Töchter nicht erfreut über die Tat zu sein. Und auch er selbst hat schließlich den Weg zu einer DNA-Datenbank gewählt.

Am Ende des Artikels wird wiedergegeben, dass Katzorke seine damalige Grenzüberschreitung damit relativiere, dass juristisch mittlerweile alles verjährt sei. Wie mag das in den Ohren von Stina klingen?

Wenn manchem Mann auch zum Zeitpunkt seiner „Spende“ die Tragweite seiner Handlung nicht klar war, wäre es ein Zeichen von Größe, zumindest heute rückblickend für seine Taten Verantwortung zu übernehmen. Dafür ist es nie zu spät, auch wenn sich die Missachtung der Rechte der Kinder sowie die medizinethische Grenzüberschreitung in diesem Fall damit nicht ungeschehen machen lassen.

 

WDR Menschen hautnah „Vater unbekannt – Anonym gezeugt“ (Teil 2) am 4. April um 22.40 Uhr

Die Spenderkindermitglieder Anja und Sunny wurden vor einigen Jahren für den ersten Teil der WDR-Sendung „Menschen hautnah“ begleitet. Daraufhin hat sich Gerald gemeldet, der als junger Mann seine Samenzellen in der Müncher Arztpraxis abgegeben hat, in der Anja entstanden ist. Er ist aufgeschlossen, seine damals entstandenen Kinder kennenzulernen. Auch sonst hat sich in den folgenden Jahren einiges getan.

Am Donnerstag, dem 4. April, wird um 22.40 Uhr der zweite Teil der Dokumentation ausgestrahlt. Neben Anja, Sunny und Gerald kommt auch Spenderkindermitglied Stina zu Wort. Anschließend ist der Beitrag in der WDR-Mediathek abrufbar.

Zeit-Dossier Tief in den Genen

In dem Dossier der aktuellen Zeit erzählt Henning Sußebach in dem Artikel „Tief in den Genen“ von der Suche nach meinem (Stinas) biologischen Vater – und die überraschende Entdeckung, dass er Prof. Thomas Katzorke ist, derjenige Arzt, der die Anonymität von Samenspendern lange Zeit vehement als Vorsitzender des Arbeitskreises für donogene Insemination verteidigt hat und aus dessen Praxis fast ein Viertel der Mitglieder unseres Vereins stammt.

Ich bin nach Martin und einem weiteren Spenderkind schon das dritte Spenderkinder-Mitglied, bei dem sich herausgestellt hat, dass der Arzt sein eigenes Sperma verwendet hat. Martins biologischer Vater ist allerdings bereits verstorben und hatte keine vergleichsweise so prominente Stellung inne. Auch der andere Arzt ist bereits verstorben und war in der Reproduktionsmedizin eher unbedeutend. Auch in anderen Ländern gibt es solche Fälle: In den Niederlanden hat erst am Mittwoch ein Gericht in Den Haag entschieden, dass Spenderkinder aus der Praxis des inzwischen verstorbenen Dr. Karbaat das Recht auf einen DNA-Test mit ihm haben. In den USA hat im Bundesstaat Indiana ein Arzt mit seinem eigenem Sperma  vermutlich über 30 Kinder gezeugt – auch in Fällen, in denen das Sperma des Ehemannes verwendet werden sollte.

Aus Sicht von Spenderkindern ist es problematisch, wenn der Arzt sich als (ungewollter!) Samenspender herausstellt, weil sie damit das Ergebnis einer ethischen Grenzüberschreitung im Arzt-Patientenverhältnis sind. Während die Mutter dachte, dass sie mit dem Sperma eines ihr unbekannten Mannes befruchtet wird, hat der sie behandelnde Arzt eigenmächtig entschieden, dass er sich mit ihr fortpflanzen möchte. Wegen dieser ethischen Grenzüberschreitung wird der Arzt in der Regel befürchten, dass sein Geheimnis aufgedeckt wird und einem Kontaktversuch des Kindes nicht positiv gegenüber stehen.

Die Vorsitzende von DI-Netz e.V., Claudia Brügge, sieht ungebetene Samenspenden von Ärzten als massiven Übergriff auf die reproduktive Autonomie der Patientin, die mit einem ihr nicht bekannten Spender rechnet. Beim Kind könne es Befangenheit und einen Loyalitätskonflikt auslösen, dass der Arzt der Samenspender ist. Das kann ich bestätigen. Obwohl Prof. Katzorke und ich eine mehrjährige, von Auseinandersetzungen geprägte Vorgeschichte haben, habe ich länger überlegt, ob ich meinem biologischen Vater eine Offenlegung unserer Verbindung zumuten kann. Auch aus diesem Grund habe ich fast ein Jahr gewartet, bis ich meine Geschichte öffentlich gemacht habe.

Prof. Katzorke ist übrigens einen Tag nach Erscheinen des Zeit-Dossiers nicht mehr als Vorsitzender Arbeitskreises Donogene Insemination aufgeführt. Diese Konsequenz als Zeichen von Verantwortungsübernahme für eigenes Verhalten ist nach dem Bekanntwerden einer so massiven ärztlichen Grenzüberschreitung folgerichtig. Schade, dass es dafür der Offenlegung bedurfte. Noch im Juli wurde Prof. Katzorke in einem Artikel in der WAZ mit den Worten zitiert, dass es Grenzen gebe, die ein moderner Reproduktionsmediziner einhalte.

Den Schritt in die Öffentlichkeit bin ich gegangen, weil meine Geschichte zeigt, dass die Reproduktionsmediziner keine neutrale vermittelnde Stellung inne haben und auch niemals inne hatten, sondern selbstverständlich auch von eigenen Interessen geleitet handeln. Im Dossier wird dies sehr passend beschrieben als Auseinanderfallen von Fortschritt und gesellschaftlicher Kontrolle, so dass Pioniere in einem toten Winkel unbeobachtet bleiben. Wir sind sehr gespannt, wer in unserem Verein sich noch als Kind des behandelnden Arztes herausstellen wird.

Denn der Fortschritt ist inzwischen auch auf unserer Seite: noch vor 15 Jahren hätte wohl niemand gedacht, dass es DNA Datenbanken geben wird, die vergleichsweise erschwingliche Tests anbieten, mit denen man Verwandtschaftsverhältnisse über mehrere Generationen nachverfolgen kann. Spender können so auch über Verwandte identifiziert werden, die sich in einer solchen Datenbank registriert haben.

Inzwischen erreichen uns die ersten Zuschriften von Spenderkindern, die befürchten, ebenso betroffen zu sein. Ich kann natürlich nicht sagen, ob es stimmt, dass das „Einspringen“ eine Ausnahme war. Ich vermute allerdings, dass ein solches Vorgehen ab dem Umstieg auf die Kryokonservierung von Samen unwahrscheinlicher ist (entweder ab 1984 oder 1988), weil dann zumindest keine spontanen Spender-Engpässe mehr existiert haben sollten. Wer dem Verdacht trotzdem nachgehen möchte, sollte einen DNA-Test machen. Ich bin nach wie vor in allen großen DNA-Datenbanken (Ancestry, 23andme, FamilyFinder, MyHeritageDNA) registriert und würde mich trotz der widrigen Umstände über Halbgeschwister freuen.

Auch Menschen, die Spenderkindern bei der Suche nach Halbgeschwistern und ihrem genetischen Vater helfen möchten, können das tun, indem sie sich selbst in DNA-Datenbanken registrieren lassen. Je mehr Menschen sich registrieren lassen, desto einfacher können Verbindungen aufgespürt werden.