Archiv der Kategorie: Persönliche Eindrücke

Persönliche Wertungen von Mitgliedern des Vereins Spenderkinder zu verschiedenen Themen

Artikel im SZ-Magazin

Im heutigen SZ-Magazin, der Beilage der Süddeutschen Zeitung, sind mehrere Artikel zum Thema Donogene Insemination. Darunter sind vier Berichte von Kindern aus Samenspende, diesmal ganz ohne meine Mitwirkung. Für mich war es auch sehr interessant, ihre Gedanken zu lesen. Drei davon möchten wissen, wer der Spender ist. Die eine Person, die es nicht wissen möchte sagt, es reicht ihr dass sie weiß dass ihre Eltern sie sich sehr gewünscht haben. Für mich kompensiert dieses Wissen die Frage nach meinen genetischen Wurzeln leider nicht. Sie meint aber, dass sie es eine Zeit lang doch wissen wollte. Für mich zeigt das nur, dass wir auf jeden Fall die Möglichkeit bekommen sollten, dieses Wissen zu erhalten. Ob es dann jeder nutzen wird ist eine ganz andere Frage.

Die Artikel sind auf jeden Fall sehr gelungen, obwohl ich besonders zu dem Interview mit Prof. Katzorke wieder sehr viel sagen könnte. Dazu nur eins: er sagt, dass er nicht weiß ob er bei eigene Unfruchtbarkeit ein Kind per Samenspende bekommen könnte. Wie man wirklich handeln würde wüsste man erst, wenn man wirklich in dieser Situation sei. Ich finde das trifft auch auf die Situation von Spenderkindern gut zu: wie wichtig das Wissen um die Herkunft ist merkt man wohl erst, wenn man dieses als selbstverständlich erachtete Wissen nicht (mehr) besitzt. Stina

Meine Eltern lesen mit

Wie ich vor zwei Wochen erfahren habe, kennen meine Eltern inzwischen die Seite. Meine Mutter hat wohl von einer Bekannten davon erfahren – und so leider nicht selbst gefunden – und die Adresse dann weitergegeben. Da die Seite doch ein bisschen wie ein Tagebuch ist, erscheint es mir ein bisschen unangenehm, so offen wie vorher weiterzuschreiben. Aber das werde ich einfach überwinden müssen. Mein Vater zumindest war nicht sauer über die Seite, sondern meinte nur, dass sie ihm gezeigt hätte, dass ich mir über alles viel mehr Gedanken mache als andere Menschen. Ich bin mir da nicht so sicher … ich kann meine Gefühle vielleicht nur besser in Gedanken umwechseln und habe mir die Zeit genommen, es zu machen. Ich kenne inzwischen ja einige andere Spenderkindern, und über das Thema der Anonymität der Spender haben wir alle ähnliche Gedanken. Vielleicht haben sich andere Menschen bisher einfach zu wenig Gedanken darüber gemacht, wie wir uns später fühlen werden. Stina

Jahrestag, irgendwie

Genau heute vor einem Jahr haben meine Eltern mir die Wahrheit gesagt. Der Jahrestag war ganz normal, und abends habe ich mich mit zwei Freundinnen getroffen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe. Als ich nach Hause gefahren bin, habe ich kurz daran gedacht dass vor einem Jahr der schlimmste Tag in meinem Leben war. Daraus kann man natürlich ablesen, dass mir bisher nichts wirklich Schlimmes passiert ist – besser wird es dadurch aber auch nicht. Für mich teile ich die Zeit oft in davor und danach ein, weil sich für mich so viel dadurch geändert hat. Trotzdem bin ich froh, dass ich die Wahrheit weiß, denn nur so kann man meiner Meinung nach selbstbestimmt leben. Außerdem hat es mir die Augen über meine Eltern geöffnet. Zu sagen dass ich es lieber nicht wüsste und alles wie vorher sein soll, wäre ein Armutszeugnis.

Vor einem Monat habe ich den ersten Teil meines Examens geschafft und es ist zum Glück wirklich gut gelaufen. Ich bin sehr froh, denn vor einem Jahr hatte ich wirklich Angst, dass ich es nicht schaffe, weil ich mich so schlecht konzentrieren konnte. Aber es steht noch ein zweites Examen an, und ich muss mir überlegen wie ich ins Berufsleben einsteigen soll. Im Moment habe ich deswegen immer noch keine Lust, den Kontakt mit meinen Eltern wieder aufzunehmen.
Stina

Seite seit Knapp zwei Monaten online

Seit knapp zwei Monaten ist meine Seite jetzt online, und es gab schon an die 500 Zugriffe. Außerdem kann ich jetzt auch über google einigermaßen gut gefunden werden. Ich habe auch einiges an Post bekommen und bisher versucht, alles zu beantworten. Die meisten mails kamen von DI-Eltern und waren sehr nett. Allerdings handelte es sich nur um Eltern, die ihren Kindern die Wahrheit sagen möchten. Manche meinten, dass die Seite sie bestärkt hat, ihren Kindern von Anfang an die Wahrheit zu sagen oder dazu bewegt hat, noch mehr darauf zu achten, dass ihre Kinder auch später an die Daten des Spenders gelangen können. Das hat mich sehr gefreut, denn wenn ich so etwas erreicht habe, dann macht die Seite auf jeden Fall Sinn. Lediglich über zwei mails habe ich mich etwas geärgert, in denen die Verfasser das Verhalten meine Eltern verteidigt haben. Außerdem habe ich zwei Journalistenanfragen bekommen, aber nach zwei Presseterminen muss ich mich jetzt mehr aufs Lernen konzentrieren. Nur die anderen Spenderkinder lassen immer noch nichts von sich hören …

Ansonsten scheint die Seite in der "Samenspende-Szene" eine kleine Diskussion angestoßen zu haben. Ich habe mich neulich in dem Forum von kinderwunsch.de umgeschaut, wo Eltern richtig verstört von der Seite berichtet haben und "dem Hass, der ihnen als Nichtaufklärern" entgegenschlüge. Den habe ich zwar so nicht in die Seite hineingelegt, aber ich vermute da plagte einige doch ein schlechtes Gewissen. Wer wirklich wissen möchte, wie manche Samenspende-Eltern ticken, sollte sich unbedingt einmal in so einem Forum anmelden. Interessant war jedenfalls, was für Mutmaßungen Menschen über einen anstellen, wenn sie einen Teil der Lebensgeschichte kennen. Das reichte von ich hätte vermutlich eh nur nach einem Vorwurf gesucht, meinen Vater abzulehnen dahin, dass mir jemand bei der Seite geholfen hätte, der Samenspenden negativ gegenüber stände. Andere zogen sich dagegen darauf zurück, ich wäre eh noch zu jung, um Kinderlosigkeit wirklich zu verstehen und die jungen Menschen von heute wüssten eh nicht, was wirkliche Probleme wären. Ich finde es sehr aufschlussreich, dass ein paar Eltern solche Argumente heranziehen, um sich nicht mit meiner Meinung auseinandersetzen zu müssen. Aber mit so etwas muss man wohl leben, wenn man sein Seelenleben im Internet präsentiert 🙂

Wer sich fragt, wie ich in der kurzen Zeit so viele Informationen zusammensuchen konnte: ich hatte etwas Hilfe bei der Recherche von Frau Dr. Thorn, und als Studentin bin ich es natürlich eher gewohnt, in kurzer Zeit Texte zu produzieren. Ganz fertig ist die Seite auch leider immer noch nicht, denn ich habe noch mehrere Studien, die ich gerne unter Psycholgisches einarbeiten möchte. Ich denke die Erstellung der Seite ist auch zu einem gewissen Teil eine Selbstherapie – dass ich wissen wollte, was alles hinter Samenspenden steht, um es besser einordnen zu können. Nicht zuletzt hoffe ich, dass die Seite irgendwann einmal jemandem wie mir helfen kann. Ich hätte mich jedenfalls sehr gefreut, wenn ich direkt nach der Aufklärung durch meine Eltern Kontakt zu anderen Betroffenen hätte herstellen können. Und alle, die daran zweifeln: das ist wirklich meine Meinung. Ich habe im Internet kaum negative Ansichten über Samenspenden gefunden, und gerade das hat mich so gewundert. Die einzigen Texte, in denen Kritik ausgedrückt wurden, waren die Studien über Spenderkinder und die Diskussion über Aufklärung in Human Reproduction. Ich war sehr überrascht, wie ähnlich zu meinen die Gedanken waren, die in manchen dieser Studien von anderen Kindern geäußert wurden.

Sonst rückt das Examen immer näher, aber mit dem Lernen klappt es schon wieder wesentlich besser und ich habe zwischendrin auch noch ein bisschen Zeit, die Weihnachtszeit zu genießen. Meinen Eltern werde ich zumindest eine Weihnachtskarte schicken.
Stina