Ich möchte gerne einen Einblick in die Gedankenwelt und Gefühle einer Spenderkind-Mama geben:
Nach einer für uns endlosen Zeit der Kinderwunschbehandlung kam endlich unser Wunschkind zur Welt. Die Freude und auch das Erstaunen, dass „es“ doch noch geklappt hat, hätte nicht größer sein können. In der Schwangerschaft fing ich an, mich mit dem Thema „Spenderkind“ näher zu beschäftigen. Ich habe über den Verein „Spenderkinder“ viel Unterstützung erfahren. Für mich wurde klar: Aufklärung von Anfang an und ich wollte auch den Versuch unternehmen, Kontakt zu den Halbgeschwistern und auch zum Spender aufzunehmen, damit für unser Kind keine schwarzen Löcher in der Abstammungsgeschichte entstehen sollten.
Auch konnte ich der Vorstellung, dass wir alle eine große Patchworkfamilie rund um den Samenspender sein könnten, einiges abgewinnen. Ich stellte es mir sogar schön vor, wenn wir vielleicht einmal im Jahr zu einem gemeinsamen Treffen zusammenkommen würden.
Da wir eine kleine Samenbank beauftragt hatten, war es möglich, dass ich durch selbstverfasste Briefe an die (noch anonymen) Familien und den Spender herantreten konnte. Ich schrieb also Briefe an alle mir unbekannten Beteiligten. Ich ging davon aus, dass wir quasi eine bunt zusammengewürfelte Truppe rund um den Samenspender werden, die im regen Austausch über die Kinder steht und die Kinder quasi miteinandner aufwachsen werden.
Dass die Realität jedoch anders aussieht, musste ich schon bald merken:
Von insgesamt acht oder neun Halbgeschwisterkindern (die genau Zahl wurde uns nicht mitgeteilt; es hieß nur unter 10), haben wir lediglich Kontakt zu einer Halbschwester aufbauen können. Eine andere Mutter hatte sich bei mir per E-Mail gemeldet (unter anonymisierter E-Mail-Adresse) und mir mitgeteilt, dass sie solange anonym bleiben möchte, bis ihre Tochter selbst entscheidet, ob sie Kontakt möchte, oder nicht. Ein Elternpaar nahm unseren Brief zwar an, aber es kam bis heute keinerlei Rückmeldung.
Der Samenspender meldete sich allerdings auf meinen Kontaktversuch (zwar auch anonym, aber immerhin). Was ich sehr schade finde, ist, dass er Fotos von unserem Kind bekam und meinen Namen kennt, er jedoch komplett anonym bleiben möchte. Derzeit ist der Kontakt zu ihm auch wieder abgebrochen. Ich bedaure dies sehr. Meine Anfangsvorstellung von einer bunt zusammengewürfelten Patchworkfamilie, die sich kennt und im regen Austausch ist, trifft so gar nicht zu. Ich kann – Stand heute – sagen, dass ich nicht gedacht hätte, dass so viele Abhängigkeiten von den anderen Spendereltern und auch vom „good will“ des Samenspenders bestehen. Aus meiner Erfahrung stelle ich mit Schrecken fest, dass so viele Eltern, die eine Samenspende in Anspruch nehmen, ihren Kindern nicht ermöglichen mit deren Halbgeschwistern aufzuwachsen und die schwarzen Löcher stopfen wollen. Warum? Vielleicht, weil sie die Kinder eben doch nicht aufklären wollen und sich ein „Hintertürchen“ offen halten möchten? Ich kann es nicht so ganz nachvollziehen, denn wir Erwachsenen, die uns zu einer Samenspende entschließen, sind m. E. in der Pflicht (wenn es die Möglichkeit gibt), dem Kind so viel Offenheit zu bieten, wie es nur geht. Dazu gehört m. E. auch der Kontakt zu den Halbgeschwistern. Bei „normalen“ Geschwistern stellt sich doch auch nicht die Frage, ob sie miteinander aufwachsen sollen / wollen, oder nicht.
Ich kann aus meiner Erfahrung sagen, dass mich diese Abhängikeit von der Willkür
- der Halbgeschwistereltern
- des Samenspenders
- der Vermittler der Samenbank
sehr stört. Alle Beteiligten in diesem „Konstrukt“ sollten zum Wohl der Kinder handeln; tun sie aber nicht; sie handeln alle in ihrem Interesse.
Wir Erwachsenen haben uns dazu entschlossen, eine Samenspende in Anspruch zu nehmen, dann müssen wir aber den Kindern gegenüber so fair sein und mit „offenen Karten“ spielen und einen Kontakt zu den Halbgeschwistern und dem Spender möglich machen. Wir Erwachsenen hatten die Wahl; die Kinder nicht.
Ich bin gespannt, wie diese Reise weiter gehen wird und, ob wir doch noch alle die Patchworkfamilie werden, die ich mir erträumt habe.