Am 22. März 2016 hat der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme „Embryonenspende, Embryoadoption und elterliche Verantwortung“ veröffentlicht. Darin geht es um die Frage, inwieweit die Vermittlung von bei In-vitro-Fertilisationen übrig gebliebenen Embryonen, ethisch vertretbar und rechtlich zulässig ist. Der Deutsche Ethikrat orientiert sich dabei an der Definition eines Embryos im Rechtssinn und am Embryonenschutzgesetz. Rechtlich gesehen liegt ein Embryo ab dem Zeitpunkt vor, an dem Ei- und Samenzelle miteinander verschmolzen sind. Imprägnierte Eizellen, bei denen die Kernverschmelzung noch nicht stattgefunden hat, sind keine Embryonen im Rechtssinn. Das Embryonenschutzgesetz untersagt es, Embryonen zu erzeugen mit dem Ziel, sie einer anderen Frau als der Frau von der die Eizelle stammt, einzupflanzen um den Zustand einer gespaltenen Mutterschaft für das Kind zu vermeiden. Der Deutsche Ethikrat ist der Auffassung, dass die Adoption überzähliger Embryonen mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar sei, Embryonen jedoch nicht gezielt zur Weitergabe erzeugt werden dürfen. Die Weiterkultivierung imprägnierter Eizellen mit dem Ziel, sie einer anderen Frau als der genetischen Mutter einzupflanzen verstoße gegen das Embryonenschutzgesetz.
Der Deutsche Ethikrat hält die rechtliche Regelung der Embryonenadoption für notwendig und formuliert dafür die folgenden Empfehlungen, die Frau Prof. Woopen für die Pressekonferenz anlässlich der veröffentlichten Stellungnahme zusammengefasst hat:
- Der Gesetzgeber sollte die Rahmenbedingungen der Embryospende/-adoption regeln.
- Es sollen gemäß geltendem Embryonenschutzgesetz keine Embryonen in der Absicht erzeugt werden, um sie zu spenden. Nur überzählige Embryonen dürfen als Notlösung gespendet/adoptiert werden. 14 Mitglieder des Ethikrates befürworten eine strikte Auslegung der Dreierregel, 12 Mitglieder eine erweiterte.1
- Die Abgabe und Übernahme der Elternrechte und -pflichten sollte klar und dauerhaft geregelt werden: Nach Abgabe sollte das Spenderpaar keine Elternrechte mehr haben und das Empfängerpaar die elterliche Verantwortung auf Dauer übertragen bekommen. Weder Eltern noch Kind sollten ein Anfechtungsrecht haben.
- Damit das Kind sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausüben kann, soll eine zentrale Dokumentationsstelle eingerichtet werden, an die sich das Kind mit Vollendung des 16. Lebensjahres wenden kann.
- Die fortpflanzungsmedizinischen Zentren sollen verpflichtet werden, die Identität der Spender- und Empfängereltern an die Dokumentationsstelle zu übermitteln. Die Aufbewahrungsdauer soll 110 Jahre betragen.
- Die einzurichtende Stelle soll ebenfalls die Zuordnung von Spender- und Empfängereltern nach ausgewiesenen Kriterien vornehmen und dokumentieren. Die Kriterien sind am Kindeswohl auszurichten und können beispielsweise die phänotypische Passung berücksichtigen. Wünsche der Spendereltern sollen wie in der Adoptionspraxis zur Geltung kommen können.
- Je nach Wunsch der Spender- und Empfängereltern sollen zwei unterschiedliche Verfahren möglich sein: Entweder bleiben die Elternpaare einander anonym, oder sie lernen sich in einem offenen Verfahren persönlich kennen.
- Es sollte eine umfassende Aufklärung und Beratung von Spender- und Empfängereltern stattfinden, die medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte umfasst. Dabei soll das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung ausdrücklich berücksichtigt werden.
- Fortpflanzungsmedizinische Zentren sollten verpflichtend mit einer psychosozialen Beratungsstelle zusammenarbeiten.
- In der Regel sollten zwei Elternteile die rechtliche Verantwortung übernehmen.
Wir begrüßen es sehr, dass sich der Deutsche Ethikrat mit der Embryonenadoption beschäftigt hat und bedanken uns herzlich für die Anhörung unserer Perspektive als Vertretung von durch Keimzellspende entstandenen Menschen. Die Forderungen 1; 2; 5 bis 7 und 10 unterstützen wir aus Kinderperspektive uneingeschränkt.
Forderung 3, die dauerhafte Abgabe und Übernahme der Elternrechte und –pflichten, erscheint uns ebenfalls wichtig zur Sicherstellung der Versorgung des Kindes. Bislang kann jeder Mensch die Zuordnung zu seinen rechtlichen Eltern anfechten, wenn dies nicht seine genetischen Eltern sind. Davon ausgenommen sind Adoptionen. Aufgrund der erheblichen rechtlichen Tragweite einer Adoptionsentscheidung, geht Adoptionen sowohl eine Adoptionspflegezeit als auch eine Kindeswohlüberprüfung voraus, die erst nach Geburt des Kindes endgültig sein darf. Wenn analog zu herkömmlichen Adoptionen auch bei Embryonenadoptionen ausgeschlossen werden soll, dass das Kind die Zuordnung zu seinen rechtlichen Eltern anfechten kann, halten wir es für angemessen, den übrigen Voraussetzungen zur Adoption ebenfalls zu folgen. Aus Elternsicht ist es verständlich, dass eine garantierte Elternstellung gewünscht wird. Zur Sicherstellung der Versorgung des Kindes wäre es jedoch ausreichend, die Eltern würden sich selbst verpflichten, für das Kind zu sorgen, ohne umgekehrt vom Kind den Verzicht auf sein Anfechtungsrecht zu fordern. Eine zwischenmenschliche Beziehung kann auch mit Ausschluss des Anfechtungsrechts des Kindes nicht garantiert werden.
Forderung 4, die Einrichtung einer zentralen Dokumentationsstelle, an die sich das Kind wenden kann, um sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung auszuüben, unterstützen wir ebenfalls. Nachdem der Bundesgerichtshof am 28. Januar 2015 entschieden hat, dass es keine Altersgrenze für den Auskunftsanspruch von Spenderkindern gibt, halten wir die Einführung einer Altersgrenze für Menschen aus Embryonenadoption für unangemessen. Embryonenadoptions-Kinder sollten wie natürlich gezeugte Menschen und Spenderkinder von Anfang an erfahren können, wer ihre genetischen Eltern sind.
Neben der Erfassung in einer zentralen Dokumentationsstelle halten wir es außerdem für notwendig, dass die genetischen Eltern – wie bei herkömmlichen Adoptionen – im Geburtenregister eingetragen werden. Ein Geburtenregisterausdruck ist ein Dokument, das häufig noch bei Eheschließungen vorgelegt werden muss, um (unwissentlichen) Inzest zu verhindern. Der Geburtenregistereintrag ist bei der Embryonenadoption fast noch wichtiger als bei Samenspendern, weil hier die Aufklärungsbereitschaft Studien zufolge noch geringer ist.
Forderung 8, eine umfassende Aufklärung und Beratung von Spender- und Empfängereltern, die medizinische, rechtliche und psychosoziale Aspekte umfasst, begrüßen wir sehr. Aus der Formulierung geht nicht eindeutig hervor, ob diese umfassende Aufklärung lediglich wünschenswert wäre oder verpflichtend stattfinden soll. Wir halten eine verpflichtende Aufklärung der abgebenden und annehmenden Eltern zu allen drei Aspekten für unbedingt notwendig, da unsere Erfahrung gezeigt hat, dass viele Eltern vorab unzureichend informiert sind.
Forderung 9, der Verpflichtung fortpflanzungsmedizinischer Zentren zur Zusammenarbeit mit einer psychosozialen Beratungsstelle, stehen wir skeptisch gegenüber. Eine verpflichtende psychosoziale Aufklärung der Elternpaare wäre auch ohne eine direkte Beratungskooperation möglich. Bei einer Kooperationsverpflichtung sehen wir die Gefahr einer Verquickung ökonomischer und ideeller Interessen, die einer inhaltlich unabhängigen und ergebnisoffenen psychosozialen Aufklärung und Beratung im Wege stehen könnte.
- Die „Dreierregel“ besagt, dass pro Zyklus höchstens drei Eizellen befruchtet werden dürfen – so viele wie der Frau maximal auch Embryonen eingepflanzt werden dürfen. Seit etwa 1998 hat sich in der Reproduktionspraxis eine deutlich liberalere Auslegung des Embryonenschutzgesetzes verbreitet, die es erlaubt, eine Misserfolgsquote einzukalkulieren und so viele Embryonen pro Zyklus herzustellen, wie nach ärztlicher Prognose bei dem betroffenen Paar erforderlich sind, um schließlich zwei oder drei entwicklungsfähige Embryonen zur Übertragung zu haben. (vgl. U. Riedel, Präimplantationsdiagnostik. Man wird mehr und noch mehr Embryonen brauchen, in: FAZ.NET vom 01.07.2011, abgerufen am 14.11.2015 unter http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/praeimplantationsdiagnostik-man-wird-mehr-und-noch-mehr-embryonen-brauchen-16648.html.) Ob diese Auslegung – der sogenannte deutsche Mittelweg (vgl. M. Frommel, Deutscher Mittelweg in der Anwendung des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) mit einer an den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand orientierten Auslegung der für die Reproduktionsmedizin zentralen Vorschrift des § 1, Abs. 1, Nr.5 ESchG, in: Journal für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie 4 (2007) 27-33.) – mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar ist, wird derzeit von verschiedenen Staatsanwaltschaften geprüft. Diese liberalere Gesetzesauslegung begünstigt das Entstehen überzähliger Embryonen. Nicht von der Dreierregel betroffen sind außerdem die Vorkerne, die in weitaus größerer Anzahl erzeugt werden dürfen. [↩]